Brenz, Johannes - Die achte Predigt. Auslegung des achten Gebots.

Brenz, Johannes - Die achte Predigt. Auslegung des achten Gebots.

Nun habt ihr im zunächst Vorhergehenden gehört, wie ihr das siebente Gebot verstehen sollt, darin wir lernen, wie wir unseres Nächsten Gut in keinerlei Wege oder Weise mit Unrecht an uns ziehen sollen, auch wenn er uns aus gutem Willen oder aus Noth darüber vertraut, daß wir nicht anders, denn wie uns befohlen ist, damit handeln sollen, sondern sollen allen möglichen Fleiß anwenden, daß ihm sein Gut bewahrt, erhalten, gebessert und gemehrt werde.

Nun ist aber dem Menschen seine zeitliche Nahrung nicht durchaus am Gut allein gelegen, sondern der meiste Theil, oder ganz und gar an seinem guten Namen, oder gutem Gerüchte und Leumund, daß ist, am Glauben und Trauen und wenn ihm gleich die Nahrung nicht daran läge, so will doch Gott sonst, daß wir wohl leben und ein gutes Gerüchte behalten, auf daß wir Niemand ärgern oder kein böses Exempel geben. Darum folgt jetzt das achte Gebot, daß also lautet:

Du sollst kein falsch Zeugniß geben wider deinen Nächsten.

Das lehrt uns nun fein, wie wir uns gegen unseres Nächsten Ehre und guten Namen verhalten sollen, daß wir ihn nicht mit Lügen oder falschem Zeugniß zu Schanden machen, sondern mit allem Fleiß seine Ehre und Glauben helfen erretten, bewahren und mehren, wie wir begehren, daß andere Leute uns auch thun sollen.

Das sollt ihr Kinder nun mit allem Fleiß merken und wohl in das Herz bilden, welch ein gutes, köstliches und edles Ding es ist, wenn ein Mensch einen guten Namen oder ein gutes Gerücht hat, das ist, wenn Jedermann Gutes von ihm redet, und Niemand mit der Wahrheit Arges von ihm sagen kann. Denn Salomon spricht Sprüchw. 22, 1.: Das Gerücht ist köstlicher, denn großer Reichthum. Und so unser lieber Herr Gott so fleißig gebeut, daß uns andere Leute unsern guten Namen nicht mit falschem Zeugniß unterdrücken sollen, so will er gewiß von uns haben, und gefällt ihm wohl, daß wir selbst auch Fleiß anwenden, daß wir einen guten Namen und ein gutes Gerücht unter den Menschen überkommen und behalten. Das geschieht aber, wenn wir fromm und redlich sind, Gottes Gebote fleißig halten, und alles Uebel fliehen und meiden, wie St. Paulus lehrt 1. Thess. 5, 22.: Wir sollen auch allen bösen Schein meiden.

Darum, meine lieben Kinder, seyd fromm und züchtig, haltet die Gebote Gottes, und folgt euren Aeltern und Obern, daß ihr einen guten Namen überkommt; denn das gefällt Gott wohl, und ist euch nützlich zu Ehre und zu Gut, zu Vertrauen und zu Glauben; und thut nicht, wie etliche böse Leute thun, die sich nicht schämen, und nichts darnach fragen, daß Jedermann Uebels von ihnen redet: darum schämen sie sich auch keiner Sünde noch Schande; aber Gott wird sie gewiß strafen, und sie werden ein böses Ende nehmen.

Dagegen hütet euch auch mit allem Fleiß, meine lieben Kinder, daß ihr keine falschen Zeugnisse gebet wider euren Nächsten, das ist, daß ihr andern Leuten ihre Ehre und ihren guten Namen nicht mit Lügen nehmt oder unterdrückt; denn Zeugniß heißt eigentlich, was man sagt oder redet in einer Sache, darin zwei oder mehrere streitig sind, wie wenn Einer sagt, ich habe dem Etwas geliehen, und derselbige leugnet, und spricht Nein dazu. Wenn nun ein Anderer käme, und gäbe ein falsches Zeugniß, und spräche: Ich hab's gesehen, daß er ihm das geliehen hat, so thäte er seinem Nächsten doppelten Schaden. Zum Ersten machte er, daß sein Nächster wiedergeben oder bezahlen müßte, daß man ihm doch nicht geliehen hätte; zum Andern machte er, daß man ihn für einen Lügner hielte, und ihm nichts mehr trauete; denn Jedermann würde gedenken: Siehe, ist das so ein leichtfertiger, verlogner Mann, der dafür leugnet, wenn man ihm Etwas leihet, wenn man ihn schon überweisen kann: so will ich nichts mehr von ihm halten. Nun ist es aber ein viel grösserer Schaden, wenn Einer seinen guten Namen, das ist, Glauben und Vertrauen verliert, denn wenn er Etwas bezahlen muß, daß er nicht schuldig ist, oder eine Strafe leiden, die er nicht verdient hat. Darum wird uns in diesem Gebot vornehmlich verboten, daß wir unseres Nächsten Ehre und guten Namen mit Lügen oder falschem Zeugniß nicht schmälern oder unterdrücken sollen.

Es dient auch ein wahrhaftiges Zeugniß oft dazu, daß man Zank und Hader zwischen den Leuten dadurch stillt und Frieden macht, es sey gleich vor Gericht, oder anderen Orten; aber mit falschem Zeugniß macht man nur Zank und Hader, Neid und Haß, Feindschaft und Unfrieden. Darum wird uns in diesem Gebot auch verboten, daß wir die Leute mit Lügen nicht gegen einander verschwagen, nicht zu Zorn gegen einander reißen, oder Zank und aber mehren sollen, sondern sollen die Wahrheit sagen, und überall wo wir können, Frieden und Einigkeit machen, und die Leute mit einander versöhnen; denn das gefällt Gott, dem Herrn, besonders wohl, und ist eine feine Tugend. Darum spricht Christus im Evangelium Matth. 5,9.: Selig sind die Friedfertigen, das ist, die gern Frieden machen; denn sie werden Gottes Kinder genannt werden.

Darum, meine lieben Kinder, hütet euch mit allem Fleiß, daß ihr nicht lüget, oder falsches Zeugniß gebt, auf daß ihr Niemandem seine Ehre raubt, oder Unfrieden und Zorn anrichtet zu keiner Zeit und an keinem Orte. Am allermeisten aber hütet euch, daß ihr vor Gericht, wenn ihr dazu gefordert werdet, kein falsches Zeugniß gebt; denn Gott der Herr hat das Gericht und die Obrigkeiten selbst geordnet und eingesetzt, daß sie die Frommen schützen, und die Bösen strafen sollen, wir könnten sonst keinen Frieden noch Ruhe in dieser Welt haben; und wer beschweret ist, und Unrecht leidet, dem soll das Gericht helfen, wenn er es anruft. Darum soll man recht richten und urtheilen; denn es ist Gottes Ordnung, und der Welt höchster Trost und Schutz; und wer Gericht und Recht verkehrt, der thut wider Gottes Ordnung, und wider alle Menschen. Nun kann aber Niemand das Gericht leichter verführen, denn ein falscher Zeuge: darum ist es eine überaus grosse Sünde, ja, es ist mehr, denn Eine Sünde; denn ein falscher Zeuge schwört einen falschen Eid wider das andere Gebot, macht das Gericht falsch, das Gottes Ordnung ist, verachtet seine Obrigkeit, und verführt dieselbe, beraubt seinen Nächsten seiner Ehre, und des Gutes dazu, darum er rechtet, hindert den Frieden, den man mit dem gerechten Urtheil machen soll, und richtet Hader und Zank an, machet Neid und Haß, Zorn, Argwohn und Feindschaft, daraus oft Todtschläge und andere grosse Uebel entstehen; das kann dann Gott nicht ungerächt lassen, sondern straft es gewiß aufs Allerernstlichste: darum soll sich Jedermann davor hüten und kein falsches Zeugniß geben.

Es ist uns auch in diesem Gebot verboten aller böser Argwohn. Argwohn aber ist, wenn man von dem Nächsten nichts Gutes gedenkt, sondern legt ihm seine Worte oder Werke übel aus, so man doch nicht gewiß ist, noch gewiß seyn kann, daß es also seyn kann; denn wer einen solchen bösen Argwohn anrichtet, der gibt auch falsches Zeugniß, und thut eben so grossen Schaden, als der sonst falsches Zeugniß gibt, ja er thut noch grössern Schaden. Denn wer öffentlich lügt oder falsches Zeugniß gibt, den kann man vor Recht fordern und verklagen, wer aber einen bösen Argwohn mit Worten anrichtet, und seinen Nächsten unbilliger Weise verdächtig macht, dem kann man nicht wehren; dann er redet's also, daß er es doch nicht geredet haben will, und thut gleichwohl Schaden: das ist dann auch wider dieß Gebot, und eine grosse Sünde.

Darum, meine lieben Kinder, hütet euch vor diesem Laster auch mit allem Fleiß, und seyd nicht argwöhnisch bei euch selbst, sondern legt Alles zum Besten aus, was ihr von eurem Nächsten seht und hört; denn das ist der christlichen Liebe Art und Natur, wie Paulus sagt 1. Cor. 13, 4 rc.: Die Liebe gedenkt nichts Arges.

Damit ihr dieß Gebot aber recht versteht, meine lieben Kinder, so sollt ihr wissen, daß uns Gott der Herr, in diesem Gebot verbeut alles böse Geschwätz, damit wir wider die Liebe handeln, und unserm Nächsten Schaden thun; denn es ist alles Sünde und Unrecht, was wider die Liebe geschwätzt wird, wenn es schon an sich selbst wahr ist. Darum spricht unser lieber Herr Christus im Evangelium Matth. 12, 36.: Wir müssen Rechenschaft geben von einem jeden unnützen Worte, daß aus unserm Munde gehet.

So wir denn von den unnützen Worten müssen Rechenschaft geben, so müssen wir noch vielmehr Rechenschaft geben von den schädlichen und ärgerlichen Worten. Darum ist uns in diesem Gebot auch verboten das gemeine, grosse und ärgerliche Laster des Afterredens, da man des Nächsten Sünde und Gebrechen ausschreiet und ausrichtet; denn daraus kommt nichts Gutes, sondern eitel Schaden und Aergerniß; denn wenn man fremde Sünde also ausschreiet, so ärgern sich viele Leute daran, und gedenken: Siehe, thut der und der das, und ist so gemein, so will ich's auch thun. Um deßwillen hat der heil. Paulus verboten Ephes. 5,15.: Man soll Hurerei, Unreinigkeit und Geiz auch nicht nennen unter den Christen, das ist, man soll nicht viel unnöthiges Geschwätz davon treiben, daß man nicht den Leuten Ursache dazu gebe, die es sonst nicht thäten.

Nun spricht aber der Herr Christus im Evangelium Matth. 18,6.: Es wäre dem, der Aergerniß anrichtet, besser, daß man ihm einen Mühlstein an den Hals hängete, und ihn in das tiefe Meer versenkete. So eine gar grosse Sünde ist es, und so heftig straft sie Gott der Herr, wenn man Aergerniß unter den Menschen anrichtet.

Weiter begibt es sich auch zu Zeiten, wenn man einen Menschen also ausschreiet, und überall vor Jedermann zu Schanden macht, daß er darob verrucht und unverschämt wird, und fragt nichts mehr darnach, bleibt also sein Lebtag in Sünden, so er sich sonst bekehrt und gebessert hätte.

Darum soll man die Leute nicht ausrichten, noch übel nachreden, wenn es schon wahr ist, was man von ihnen sagen wollte, sondern man soll sich halten, wie uns Christus, der Herr, im Evangelium gelehrt hat, da er also spricht Matth. 18,15.: Sündiget dein Bruder an dir, so gehe hin, und strafe ihn zwischen dir und ihm allein; höret er dich, so hast du deinen Bruder gewonnen, höret er sich nicht, so nimm noch Einen oder zwei zu dir, auf daß alle Sache bestehe auf zweier oder dreier Zeugen Munde. Höret er sich nicht, so sage es der Gemeinde, höret er die Gemeinde nicht, so halte ihn als einen Heiden.

Das ist, meine lieben Kinder, die rechte Weise, von anderer Leute Sünden zu reden. Wer aber nicht also thun will, der soll stillschweigen; denn es bringt doch keinen Nutzen, sondern eitel Aergerniß und Schaden.

Es ist aber nicht genug, daß wir uns für unsere Person also halten, sondern wir sollen auch andern Leuten nicht Ursache dazu geben, daß sie anders handeln, denn wie ihr jetzt gehört habt, das ist, mir sollen nicht dazu helfen noch rathen; wenn es aber ja von andern Leuten geschieht, so sollen wir uns doch dasselbe nicht lassen gefallen, sondern sollen sauer dazu sehen, und sie freundlich und ernstlich darum strafen.

Also sollt ihr nun dieß Gebot verstehen, meine lieben Kinder, daß uns darin geboten seyn, daß wir mit allem Fleiß meiden sollen alles Lügen und Kriegen, und alle anderen schädlichen Worte, damit man dem Nächsten seine Ehre abschneidet, oder Zank und Hader anrichtet, es sey gleich vor Gericht oder an andern Orten. Wir sollen auch nicht argwöhnisch seyn, daß wir unserem Nächsten sein Wort und Werk übel auslegen, oder sonst seine Gebrechen und Fehler ausbreiten und ausschreien, sondern sollen die Wahrheit zu der Ehre Gottes und zum Nutzen des Nächsten allezeit reden und bekennen, und Jedermann alle Ehre und alles Gute nachsagen, Friede und Einigkeit allenthalben fördern, alle Dinge zum Besten auslegen, und des Nächsten Sünde und Gebrechen, wenn wir es nicht heilen können, zudecken und tragen.

Denn das ist die Meinung und der rechte Verstand dieses achten Gebots, daß man Gott, den Herrn, über alle Dinge soll fürchten und lieben, daß wir um seinetwillen unsern Nächsten nicht fälschlich belügen, verrathen, afterreden, oder bösen Leumund machen, sondern ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden, und alles zum Besten kehren.

Darum, meine lieben Kinder, merkt es mit Fleiß, und wenn man euch fragt: Wie verstehst du das achte Gebot? so sollt ihr also antworten:

Wir sollen Gott, den Herrn, über alle Dinge fürchten und lieben, daß wir um seinetwillen unsern Nächsten nicht fälschlich belügen, verrathen, afterreden oder bösen Leumund machen; sondern ihn entschuldigen, gutes von ihm reden und alles zum besten kehren.

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