Bogatzky, Carl Heinrich von - Erste Abtheilung.

Bogatzky, Carl Heinrich von - Erste Abtheilung.

Von dem Vaterherz Gottes, wie solches sowohl die gefallenen Sünder, als auch die schwachen, strauchelnden Kinder ansehen sollen.

In der Einleitung haben wir gesehen, wie die sichern Menschen das heilige Vater Unser mißbrauchen, und Gott nur mit dem Munde ihren Vater nennen.

Indessen, da unser Gott doch auch solche sichere und von ihm abgewichene Menschen dennoch Kinder, obwohl abtrünnige Kinder, nennet, Jer. 3, 14.; da er nicht nur in Ansehung der Schöpfung ihr Vater ist, sondern sie auch in der heiligen Taufe noch einmal zu seinen Kindern angenommen und einen ewigen Bund mit ihnen gemacht hat: so will er doch auch diesen verlaufenen, abtrünnigen Kindern sein erbarmendes Vaterherz kund machen, und sie dadurch eben locken, daß sie doch nur mit dem verlornen Sohne umkehren, und durch wahre Bekehrung ihren mit ihm gemachten Bund wieder erneuern.

Er will sie mit tausend Freuden wieder annehmen, und sich auch noch mit ihnen recht vertrauen, oder auch sie noch zu einem recht vertrauten Umgang mit ihm bringen, ob sie auch die größten Sünder gewesen, und, dem Satan noch so tief im Rachen gesteckt hätten, ja vor andern Menschen ein Greuel und ein Scheusal gewesen, daß man von ihnen alle Hoffnung aufgegeben. Auch diese will unser Gott und Heiland annehmen, und heißt es da von in einem ganz neuen, schönen Liede, Mein Jesus nimmt die Sünder an, V. 10-12:

Ja, Jesus nimmt die Sünder an,
Wenn gleich ihr tiefer Seelenschade
Verzweifelt böse heißen kann.
Sein Blut und Herz hat immer Gnade.
Wer recht vor Andern gottlos heißt,
Wen Jedermann zur Hölle weist,
Wer durch sein teuflisch böses Leben
Schon alle Hoffnung aufgegeben;
Auch der ist's, dein mau sagen kann:
Komm! Jesus nimmt die Sünder an.

Ja, Jesus nimmt die Sünder an,
Gesetzt auch, daß sie alle Sünden
Mit Lust und Vorsatz frech gethan.
Für alle Schuld ist Rath zu finden.
Der Götzendienst, die Lästerung,
Des Sabbathtag's Entheiligung,
Der Ungehorsam, Haß und Morden
Sind unser's Heiland's Tod geworden,
Und dadurch sind sie abgethan.
Nun heißt's: Er nimmt die Sünder an.

Ja, Jesus nimmt die Sünder an,
Auch Hurer, Diebe, falsche Zeugen,
Und solche, die wohl das gethan,
Was wir als stumme Schuld verschweigen,
Die Sodom's Unzucht ausgeübt,
Und den verfluchten Koth geliebt,
Ja, die wohl keinen Greuel wissen,
Der sie nicht auch mit hingerissen.
Gott Lob! daß man's betheuern kann:
Gewiß! auch euch nimmt Jesus an.

Was ist doch aber der Grund, daß auch solche große Sünder sollten angenommen werden, und das Vaterherz Gottes offen finden? Antwort: Jesus hat auch alle, alle ihre Sünden auf sich genommen, da er an aller Sünder Stelle getreten, da er als das Lamm Gottes alle Sünde an's Kreuz hinweggetragen, und alle ihre Schuld bezahlet, so, daß keine einige Sünde zu nennen ist, die er nicht auf sich genommen, sich selbst zurechnen lassen, und selbige gebüßet, oder deren Strafe statt ihrer gelitten, und deren Vergebung erworben hätte; und dadurch hat er auch ihnen das Herz Gottes versöhnet und eröffnet, wenn sie nur die Versöhnung annehmen, oder sich auch selbst mit Gott versöhnen lassen, und nicht muthwillig seine Feinde bleiben wollen. Darum rufet unser Gott an dem angeführten Ort, Jer. 3, 14, auch ihnen zu: „Bekehret euch zu mir, ihr abtrünnigen Kinder, spricht der Herr, denn ich will euch mir vertrauen.“ Und im 22. V.: „So kehret nun wieder, ihr abtrünnigen Kinder, so will ich euch heilen von eurem Ungehorsam.“ Und im 19. V.: „Ich sage dir zu, du wirst alsdann (wenn du dich zu mir bekehrest) mich nennen: Lieber Vater.“

Eben diese, welche vorher im zweiten Capitel angeführt worden, daß sie in ihrer Unbußfertigkeit mit einer unverschämten Hurenstirne geschrieen hätten: Lieber Vater, die sollen jetzt nach ihrer Bekehrung von Herzen zu Gott sagen: Lieber Vater, und nicht von ihm weichen. Sie sollen und werden sagen, wie es im 23. V. heißt: „Siehe, wir kommen zu dir, denn du bist der Herr, unser Gott.“ Oder wie es Jes. 63, 15. 16. heißt: „So schaue nun vom Himmel, und siehe herab von deiner heiligen, herrlichen Wohnung. Wo ist nun dein Eifer, deine Macht? Deine große, herzliche Barmherzigkeit hält sich hart gegen mir. Bist du doch unser Vater. Denn Abraham weiß von uns nicht, und Israel kennet uns nicht; du aber, Herr, bist unser Vater und unser Erlöser; von Alters her ist das dein Name.“ Und Cap. 64, 7-9.: „Niemand rufet deinen Namen an, oder macht sich auf, daß er dich halte. Denn du verbirgest dein Angesicht vor uns, und lässest uns in unsern Sünden verschmachten. Aber nun, Herr, du bist unser Vater; wir sind Thon, du bist unser Töpfer, und wir sind Alle deiner Hände Werk. Herr, zürne nicht zu sehr, und denke nicht ewig der Sünden. Siehe doch das an, daß wir Alle dein Volk sind.“

Also mögen die armen Sünder, wie groß auch ihre Sünden sind, dennoch wieder zu Gott, als ihrem Vater, Zuflucht nehmen, und sich auf sein Vaterherz berufen und glauben, daß sie bald wieder angenommen werden, wenn sie sich nur von Herzen zu ihm kehren, und seine Gnade suchen. Ja, sie mögen glauben, kein Vater- und Mutterherz kann ihr ungehorsames, verlaufenes, aber nun mit Reue zurückkehrendes Kind mit solcher Freude wieder aufnehmen, als das Vaterherz Gottes sie aufnehmen will.

Gott hat doch gedachtermaßen in der heiligen Taufe einen ewigen Gnadenbund mit ihnen gemacht, und sie da zu seinen Kindern angenommen. Dieser Bund ist auf Gottes Seite, ob sie auch daraus gefallen, doch nicht hingefallen, sondern fest stehen blieben, daß, wo sie nur wieder kommen, auch in Ansehung dieses Bundes, wieder sollen angenommen werden. An diesen ewigen Bund können sie sich da gleichsam, als an einer Handhabe, anhalten, und Gott dabei halten, wenn sie nur ihre Bundbrüchigkeit bußfertig erkennen, und aufs Neue Gnade suchen. Da ist die heilige Taufe, nach Lutheri Worten, allein das Schiff, darein sie nur wieder treten, und also durchkommen sollen.

Wenn aber der himmlische Vater, auch gegen die abtrünnigen oder unbußfertigen Menschen, dennoch Vater bleibet, daher sie mit Geduld träget, auf ihre Rückkehr mit Verlangen wartet, und sie, wenn sie kommen, gerne wieder aufnimmt, wie sollte er denn nicht seine schwachen Kinder, bei ihren täglichen Gebrechen oder Strauchlungen, dulden und tragen, und sie mit großer Gelindigkeit und vielem Verschonen regieren, ihnen auch reichlich und täglich alle ihre Sünden vergeben, und sein Vaterherz immer offen stehen lassen? Sie sollen also Gott nicht anders als ihren in Christo versöhnten Vater, und sich als seine Kinder ansehen, die immer das Allerbeste von dem Vaterherzen Gottes hoffen, und ein völliges, kindliches Vertrauen zu ihm haben. Sie sollen auch bei ihren täglichen Gebrechen nur bald an ihre heilige Taufe und den darin gemachten ewigen Gnadenbund gedenken, durch welchen sie die Kindschaft Gottes erlangt haben, da der Vater im Himmel sein väterliches Herz recht gegen sie ausgeschüttet, oder sein ganzes Vaterherz und seinen Himmel ihnen eröffnet, und sie darein aufgenommen hat. Wenn nun die gefallenen Sünder und sichern Menschen sich an diesen Bund halten, und wieder neue Gnade hoffen können, so sie nur ihren Fall bußfertig erkennen, und nicht in der Sicherheit bleiben, wie vielmehr mögen die schwachen Kinder bei ihren Strauchlungen nur bald zu ihrer heiligen Taufe Zuflucht nehmen? Denn da ist ihnen schon alle ihre Sünde auf ihr ganzes Leben geschenkt und vergeben worden, indem sie in den Tod Christi getauft sind, der Tod Christi aber erstrecket sich auf alle Sünden, die vorigen, jetzigen und künftigen. Es bleiben da ihnen immer die Worte Gal. 3, 26. 27. zum Trost: „Ihr seid Alle Gottes Kinder, durch den Glauben an Christo Jesu. Denn wie viel euer getauft sind, die haben Christum angezogen.“ Sie haben in der heiligen Taufe Christum angezogen, als ihre einige Gerechtigkeit vor dem Vater, die ist ihnen zugerechnet worden, und darum rechnet Gott ihnen keine Sünde mehr zu, läßt die alten Sünden alle vergeben bleiben, und die neuen, in Schwachheit begangenen auch nicht zur neuen Schuld angeschrieben werden, noch sie ans der Gnade fallen, sondern es waltet da eine ewige Gerechtigkeit, eine ewige Gnade, eine ewige Vergebung aller ihrer Sünden über ihnen, und sie bleiben in dem Vaterherzen Gottes fest eingeschlossen, in welches sie in der heiligen Taufe einmal sind aufgenommen worden.

Es sollen also alle zusammen, die gefallenen Sünder oder Abtrünnige, und auch die schwachen, strauchelnden Kinder an Gottes Vaterherz gedenken, und erwägen, daß sie doch Gott einmal zu Kindern aufgenommen hat, Kinder aber sollen zum Vater kommen, und ja nicht von ihm wegbleiben. Und dahin gehen eben die obgedachten Gedanken des seligen Dr. Richter's, da er saget: „Siehe dich niemals anders an, denn als ein Kind, dessen Ursprung und Vater Gott der Herr ist. Hast du den Frieden Gottes, so bist du ein gesegnetes und getröstetes Kind. Lebest du unter dem Kreuz und Anfechtungen, so bist du ein angenehmes Kind, dessen Wachsthum in der Schule des Kreuzes befördert wird. Hast du gestrauchelt und gesündiget, so bist du ein krankes und elendes Kind. Lebst du außer Christo in Eitelkeit, so bist du ein verlorenes Kind.

Inzwischen, da du Kind bist, so gehörest du zum Vater, darum mache dich doch auf, und gehe wieder zu ihm. Oder kennest du sein Herz nicht, du Abtrünniger, weißest du nicht, in welcher Liebe und Erbarmung es gegen dich entzündet ist, so siehe dich doch selber an, und bedenke, was doch die Ursache sei, daß dich Gott so lauge mit Geduld und Langmuth getragen? Was für eine Bewegung muß doch in dem Herzen Gottes verborgen sein, ans welcher dieses so lange her entstanden ist, daß er deiner verschonet, unerachtet du ihn so oft beleidigt hast?

Wäre sein Herz gegen dich das Herz eines Feindes, so hätte er dich bald ausgerottet; wäre es das Herz eines Richters, so hätte er dich abgestraft; wäre es das Herz eines Herren, so hätte er dich abgeschafft; wäre es das Herz eines Freundes, so wäre er deiner müde worden. Darum, was willst du doch sagen von dem Herzen Gottes? Siehe, es ist das Herz eines erbarmenden Vaters, der da betrübet ist, wie einer, der seiner Kinder beraubet worden. Darum fürchte dich nicht, zu ihm zu kommen, du wirst Freude in seinem Herz erwecken.“

O ja, unser Heiland saget ja selbst Luc. 15, 7.: Es wird Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße thut, vor neunundneunzig Gerechten, die der Buße nicht bedürfen.

Und von diesem Vaterherzen Gottes, das sich über die Zurückkehrung der verlornen Kinder freuet, gibt uns ja Jesus selbst in eben diesem Capitel ein schönes Bild an dem Vater des verlornen Sohnes. Der verlorne Sohn schlug in sich, und wollte sich aufmachen, zum Vater gehen, und sagen: Vater, ich habe gesündiget in den Himmel und vor dir, und bin fort nicht mehr werth, daß ich dein Sohn heiße; mache mich als einen deiner Taglöhner. Und er machte sich auch auf, und kam zu seinem Vater. Was that da der Vater? Es heißt: Da er aber noch ferne von dannen war, sahe ihn sein Vat er, und jammerte ihn, lief und fiel ihm um seinen Hals, und küssete ihn. So stehet uns das Vaterherz Gottes schon von ferne in unserm Jammer und Elend, wenn nur der mindeste ernstliche Gedanke, uns zu bekehren, in's Herz kommt (denn er hat ihn selbst gewirket), um so viel mehr, wenn man sich wirklich aufmacht, und zu ihm zurückkehret. Unser Jammer jammert ihn. Wenn er uns auch muß allerlei Trübsal zuschicken, oder wir vielmehr uns selbst hineingestürzet haben, wie der verlorne Sohn, so wird doch sein Vaterherz über unserer Noth zur Erbarmung und zum Mitleiden bewogen, wie sich denn auch bei leiblichen Vätern und Müttern das Vater- und Mutterherz in schmerzlichem Mitleiden nicht mehr reget, als da, wenn sie ihre Kinder in großen Schmerzen liegen sehen, wie es in einem Liede ausgedrückt wird:

Du bist, wie ein Vater gut,
Welcher das geplagte Blut
Nicht kann ohne Schmerzen sehen,

Darum saget David, Ps. 103, 13.: Wie sich ein Vater über Kinder erbarmet, so erbarmet sich der Herr über die, so ihn fürchten. Ja, es sagt unser Gott selbst, wie dort Jer. 31, 20. zu Ephraim, so zu einem jeden armen, bußfertigen Sünder: Ist nicht Ephraim mein theurer Sohn, und mein trautes Kind? Denn ich gedenke noch wohl daran, was ich ihm geredet habe, darum bricht mir mein Herz gegen ihn, daß ich mich sein erbarmen muß. Es ist nicht möglich, und der Vater kann es nicht über's Herz bringen, daß er sich bei unserer Noth nicht über uns erbarmen und uns helfen sollte. Er kommt uns auch, wie dieser Vater dem verlornen Sohne, mit seiner Gnade entgegen und zuvor, schenket uns auf's Neue alles sein Heil, und thut sein ganzes Herz und Himmelreich auf, um uns sein liebreiches Vaterherz recht zu zeigen, und in uns ein kindliches Vertrauen gegen ihn zu erwecken. Ehe noch der Sohn ein Wort reden konnte, fiel ihm der Vater schon um den Hals, und küßte ihn; darüber war der Sohn schon so zum kindlichen Vertrauen bewogen, daß er zwar, wie er ihm vorgenommen, sagte: Vater, ich habe gesündiget in den Himmel und vor dir, ich bin fort nicht mehr werth, daß ich dein Sohn heiße, erkannte also wohl in tiefster Demuth seine Unwürdigkeit, er sei des Kindesnamens und Rechtes nicht werth, er setzte aber doch nunmehr die Worte, die er auch zu sagen sich vorgenommen, nicht hinzu: Mache mich als einen deiner Tagelöhner. Denn er konnte nun wohl aus dem liebreichsten Bezeugen des Vaters das Vaterherz deutlich sehen und glauben, der Vater nehme ihn gewiß wieder zum Kinde und Erben an, ob er es gleich nicht würdig wäre; denn so würde man sich nicht gegen einen Taglöhner bezeugen, wie sich der Vater gegen ihn bezeugte.

So bekommen wir auch oft bald mitten unter unsern Bußschmerzen und Thränen einen Blick von dem Vaterherzen Gottes in unser Herz, und glauben, das Vaterherz Gottes werde uns auch nicht als Knechte und Taglöhner, sondern als Kinder auf- und annehmen, und uns auch das völlige Erbe geben, ob wir uns gleich dessen höchst unwürdig erkennen müssen.

Der Sohn bekannte nun wohl dem Vater seine Sünde und Unwürdigkeit, aber bei dem Vater war Alles nicht nur vergeben, sondern er wollte auch gar nicht mehr daran gedenken, vielweniger ihm es aufrücken, sondern sagte nur zu seinen Knechten: „Bringet das beste Kleid hervor, und thut ihn an, und gebet ihm einen Fingerreif an seine Hand, und Schuhe an seine Füße. Und bringet ein gemästet Kalb her, und schlachtet's; lasset uns essen und fröhlich sein.“ Da war ja wohl Freude über Freude; und es traf auch hier recht ein, was Zeph. 3, 17. steht: „Der Herr, dein Gott, ist bei dir, ein starker Heiland. Er wird sich über dich freuen, und dir freundlich sein, und vergeben, und wird über dir mit Schalle fröhlich sein.“

Der Sohn gedachte wohl, wie billig, an seine Sünde, sein eigenes Gewissen wird ihn auch wohl über dem so liebreichen Bezeugen des Vaters desto mehr geschlagen, gebeugt und gedemüthiget haben, und der älteste Bruder wollte auch seine Sünde wieder hervorsuchen, und hielt eben dem Vater vor, was sein jüngster Bruder begangen. Aber der Vater wollte von gar keiner Sünde etwas wissen, er fiel ihm ja, ehe der Sohn noch ein Wort redete und seine Sünde bekannte, um den Hals, und küssete ihn, und gab ihm dadurch schon mit der That die allerkräftigste Versicherung seiner Gnade, und der Vergebung aller seiner Sünde; wie sollte er hernach seine Sünde wieder hervorsuchen, oder die ihm vorrücken, da er, der Sohn, selbst sie schon demüthig bekannte? denn es heißt ja: „So wir uns selbst richteten, so werden wir nicht gerichtet.“ 1 Cor. 11, 31. Und es traf da ein, was im Jer. 50, 20. stehet: „Zur selbigen Zeit, und in denselbigen Tagen wird man die Missethat Israels suchen, spricht der Herr, aber es wird keine da sein, und die Sünde Juda, aber es wird keine funden werden, denn ich will sie vergeben.“

Unser eigenes Gewissen, und oft auch andere Menschen, oder der Satan wellen unsere Sünden wohl oft wieder hervorsuchen, zumal wenn es grobe Dinge gewesen; aber das Vaterherz Gottes hat sie, o großer Trost, wie einen Nebel und wie eine Wolke vertilget, ja in die Tiefe des Meeres geworfen, und sie also für sich selbst verborgen, oder hinter sich zurückgeworfen, daß es dieselbigen nicht mehr finden und sehen könne. Wie David eben betete: Verbirgt dein Antlitz vor meinen Sünden, und tilge meine Missethat, Ps. 51., und wie Hiskia auch von Gott sagte: Du wirfest alle meine Sünden hinter dich zurück. Jes. 38, 17. Was will doch nun Satan und Welt, oder unser eigenes blödes Gewissen so scharfsichtig sein, und unsere Sünden noch sehen, oder so lange daran gedenken, da sie das Vater-Auge Gottes nicht mehr flehet, und das Vaterherz nicht mehr daran gedenket? Wie es Ezech. 18, 22. heißt: Es soll aller seiner Uebertretung, so er begangen hat, nicht gedacht werden. Und im 33. Capitel V. 16. stehet es noch einmal, und heißt: Aller seiner Sünden, die er gethan hat, soll nicht mehr gedacht werden. Das ist noch mehr. Sie soll nicht nur vor Menschen, sondern sogar so zu sagen, aus dem Gedächtnis Gottes getilget, und wir so angesehen werden, als hätten wir niemals eine Sünde begangen, oder als wisse Gott nicht, was wir jemals in unserm ganzen Leben begangen hätten. Und ist sonderlich das Wörtlein: Aller, wohl zu merken. Aller seiner Sünden soll nicht gedacht werden. Denn oft drücket besonders eine und die andere das arme blöde Gewissen, aber hier heißt es: Aller, aller Sünde soll nicht mehr gedacht werden. Das Vaterherz will also keiner einzigen Sünde mehr gedenken, und so soll auch unser Gewissen von aller Anklage, von allen Sünden frei sein. Das ist ein großer Trost und ein rechter Balsam für ein bußfertiges Herz, das seine Sünde fühlet, und dem sonderlich dieß und jenes besondere große Verbrechen oft noch auf das Gewissen fällt, daß es heißt: Ach, wenn doch nur Das und Das nicht begangen wäre! Das sucht der Satan und das eigene Gewissen oft besonders hervor. Aber da ist nun der Trost, das Vaterherz Gottes sucht Nichts, und so auch dieß nicht mehr hervor, ja gedenket gar nicht einmal mehr daran, sondern es hat die Schulden unseres ganzen Lebens ausgethan, und so darf uns unser Gewissen auch nicht beißen, unseres ganzen Lebens halber, sondern wir sollen los sein vom bösen Gewissen, und glauben, daß uns nicht nur keine mehr zugerechnet wird, und also auch keine uns mit Recht drücken darf, sondern daß sogar auch keiner mehr gedacht wird. Das ist freilich noch mehr.

Das Herz Gottes ist als ein heller Himmel anzusehen, da ist keine schwarze Wolke, kein dicker Nebel von unserer Sünde zu finden, sondern die Gnadensonne leuchtet uns auf's Lieblichste, und hat alle finstern Wolken und dicken Nebel vertrieben, und darum soll billig auch unser Herz ein heller Himmel bleiben, und es soll nun heißen: Dunkel muß nicht kommen herein, der Glaube bleibet immer im Schein. Denn wir sind ja mit lauter Gnade und ewiger Gerechtigkeit, wie mit einem hellen Himmel umgeben und bedeckt. Dahin gehen Lutheri Worte, da er in der Kirchenpostille sagt: Denn wir sollen Christi Reich also ansehen, als ein schön großes Gewölbe, oder eine Decke, allenthalben über uns gezogen, die uns decke und schütze vor Gottes Zorn, ja als einen großen, weiten Himmel, da eitel Gnade und Vergebung leuchtet, und die Welt und alle Dinge voll machet, daß alle Sünden dagegen kaum als ein Fünklein sind gegen dem großen, weiten Meer; und ob sie gleich drücket, dennoch nicht schaden kann, sondern vor der Gnade zerstäuben und zergehen muß. Wer das könnte, der möchte wohl Meister heißen, aber wir werden uns Alle müssen demüthigen, und nicht schämen, daran zu lernen, so lange wir leben. Die Gnade des Herrn waltet da über uns, wie der Himmel über der Erde, und unsere Sünde ist so ferne von uns hinweg, als der Morgen ist vom Abend. Ps. 103, 17.

Was wird doch wohl aber in dem Herzen des Sohnes vorgegangen sein, da sein Gewissen ihm seine Sünde, der Vater aber Nichts als seine Huld, Liebe und Gnade, und sein väterliches Herz vorhielt, und ihn mit Liebe und Wohlthaten überhäufte? Er wird sich, wie oben angeführet, auf's Tiefste gebeuget, und recht innig geschämt haben, daher er auch vor Schaam seinen Mund nicht aufthun konnte. Denn es fingen wohl Alle an, fröhlich zu sein, und man hörte das Gesänge und den Reigen, aber von dem Sohne selbst steht kein Wort, und es hieß da wohl recht, Ezech. 16, 61-63.: „Da wirst du an deine Wege gedenken, und dich schämen. Ich will meinen Bund mit dir auflichten, daß du erfahren sollst, daß ich der Herr sei. Auf daß du daran gedenkest, und dich schämest, und vor Schanden nicht mehr deinen Mund aufthun dürfest, wenn ich dir Alles vergeben werde, was du gethan hast, spricht der Herr, Herr.“ Wohin auch die Worte im 36. Cap. V. 25-32 gehen.

Wir dürfen nicht denken, daß bei dem Sohn bald alle Blödigkeit weggewesen, und daß er nicht noch über sein voriges böses Wesen einige Schaam und Wehmuth empfunden hätte, zumal da der älteste Bruder seine Sünde, wieder hervorsuchte; aber eben darum erkannte der Vater für nöthig, ihm weiter keine Sünde vorzuhalten, weil er sich selbst solche vorhielt, und darüber gebeugt war. Darum suchte der Vater sein blödes und gebeugtes Herz aufzurichten, und ihm ein Zeugniß und Pfand über das andere von seiner väterlichen Liebe zu geben. Wie dort Joseph seinen Brüdern, da sie ihre Sünde erkannten und sich demüthigten und fürchteten, auf alle Weise alle Blödigkeit benehmen wollte, und sagte: Tretet doch herzu. Ich bin Joseph, euer Bruder, den ihr in Egypten verkauft habet. Und nun fürchtet euch nicht, und denket nicht, daß ich darum zürne, denn um eures Lebens willen hat mich Gott vor euch hergesandt. 1 Mos. 45, 4. 5.

So suchte nun auch der Vater auf alle Weise seinen armen Sohn zu einer kindlichen Zuversicht zu bringen, und that da Alles an ihm, was er nur konnte. Da mußte das beste Kleid her, damit er sich doch nun des Besten von seinem Vater versichern möchte, und da er etwa vor Schaam und Unwürdigkeit es nicht selbst anthun konnte, so heißt es: Thut ihn an. Er besann zu desto mehrer Versicherung der väterlichen Liebe einen Fingerreif an seine Hand, und Schuhe an seine Füße, ein gemästet Kalb aber, und also wiederum das Beste, mußte die Speise sein, und der Vater konnte nicht genug seine Freude anzeigen, daher er nicht nur sich selbst freute, sondern auch Alle im Hause zur Freude erweckte, und sagte: Lasset uns essen und fröhlich sein, denn dieser, mein Sohn, war todt, und ist wieder lebendig worden; er war verloren, und ist funden worden, welche Worte er auch hernach gegen den ältesten Sohn wiederholte, und ihn auch zur Freude erwecken wollte, folglich wohl recht zeigte, wie er den wiedergefundenen Sohn liebe, und sich über seine Zurückkehrung erfreue.

Da können wir wohl recht das Vaterherz Gottes als mit lebendigen Farben abgemalet sehen, oder als in einem Spiegel in dasselbige sehen, und sonderlich aus diesem Allem schließen, wie uns der himmlische Vater bei unserer Blödigkeit doch gerne seiner väterlichen Huld, Liebe und Gnade versichern, und darum sein Vaterherz uns auch recht vor die Augen malen will. Er umsähet uns mit seiner Liebe, und gibt uns den Kuß des Friedens. Er hat uns ja auch das beste Kleid, die Gerechtigkeit seines Sohnes, geschenkt, ja wir haben Christum selbst als unser Kleid angezogen, und so hat er ja auch uns das Beste aus seinem väterlichen Herzen hergegeben, daß wir auch wohl das Beste von ihm hoffen können. Cr gibt uns aber auch das Pfand und Siegel seines heiligen Geistes, der uns eben sein Vaterherz verkläret, und uns als der Geist der Offenbarung zu seiner Selbsterkenntniß bringet und zeiget, was Gott für Liebe und Friedensgedanken gegen uns habe. Denn Niemand weiß ja, was in Gott ist, ohne der Geist Gottes, 1 Cor. 2, 11., der gibt unserem Geiste Zeugniß, daß wir Gottes Kinder sind, und versiegelt uns auf den Tag unserer Erlösung, welches hier im Gleichniß wohl durch den Fingerreif mag angedeutet werden. Dadurch will uns unser Gott und lieber Vater auf alle Weise seines väterlichen Herzens versichern, damit wir doch nur alles mißtrauische, ungläubige Wesen aus unserm Herzen lassen, und mit völligem, süßem Vertrauen in seinem Vaterherzen ruhen. Und geschieht das, daß uns sein Vaterherz recht bekannt, und unser kindliches Vertrauen zu ihm gestärket wird, so bekommen wir dadurch auch Tüchtigkeit, in seinen Wegen als fromme Kinder vor ihm zu wandeln, welches wohl hier durch die Schuhe angezeigt wird. Und damit wir auch nun mehr Kraft und Stärke bekommen, und recht fröhlich auf unsern Wegen wandeln, oder mit Freuden laufen die Wege der Gebote Gottes, so macht er auch uns ein rechtes fettes Freudenmahl, denn die Freude im Herrn soll eben unsere Stärke sein. Und wenn du mein Herz tröstest, sagt David, so laufe ich den Weg deiner Gebote. Ps. 119, 32. Da wird das Christenthum eine süße, liebliche Sache, denn wir sehen uns als Kinder des himmlischen Vaters, und als Gottes Erben an, die hier und dort ewig Leben und volle Genüge haben, und keinen Mangel an irgend einem Gute. Der Vater im Himmel gibt uns Allen das Beste, seinen Sohn, seinen Geist, und mit ihm die Fülle aller Gaben, was er nur in seinem ganzen Himmel und Herzen hat; denn er gibt uns sein eigen Herz, und trägt uns in seinem Herzen. Das Alles kann uns nun ja wohl zu einem recht kindlichen Vertrauen erwecken, daß wir uns, es sei in der ersten oder täglichen Buße, bald zu ihm wenden, ja unsere Rückkehr keinen Augenblick aufschieben, da wir hier sehen, wie wir so bald mit Freuden sollen auf- und angenommen werden, und wie das Herz Gottes in solcher erbarmenden Liebe zu den armen Sündern bewegt wird, und so brünstig, so begierig ihr Heil sucht, ja ihnen recht weit aufgethan, und ihre einige Zuflucht ist. Da mag es wohl heißen:

Kein Hirt kann so fleißig gehen
Nach dem Schaf, das sich verläuft;
Sollt'st du Gottes Herze sehen,
Wie sich da der Kummer häuft,
Wie es dürstet, jächt und brennt
Nach dem, der sich abgetrennt
Von ihm und auch von den Seinen,
Würdest du vor Liebe weinen.

Oder wie es in einem andern Liede heißt:

O, solltest du sein Herze seh'n,
Wie sich's nach armen Sündern sehnet,
Sowohl, wenn sie noch irre geh'n,
Als wenn ihr Auge vor ihm thränet!
Wie streckt er sich nach Zöllnern aus?
Wie eilt' er in Zachäi Haus?
Wie sanft stillt er der Magdalenen
Den milden Fluß erpreßter Thränen?
Und denkt nicht, was sie sonst gethan:
Mein Heiland nimmt die Sünder an.

Wenn nun aber unser Gott gegen die ungehorsamen, abtrünnigen und von ihm verlaufenen Kinder ein Vaterherz behält, sie mit so großer Geduld trüget, ja, wenn sie nur wieder kommen, so willig aufnimmt, so haben wir schon erwähnt, daß er ja um so viel mehr seine schwachen, strauchelnden Kinder duldet und träget, und bei ihren täglichen Gebrechen nicht wegwirft, sondern vielmehr nur immer in neue Gnade, Huld und Liebe aufnimmt, und sie seiner Liebe desto besser versichert, sein Vaterherz ihnen da auch bei ihren Fehlern desto besser kund macht, und sie im Glauben stärket, weil doch wohl ihre Strauchlungen und Gebrechen aus der Schwachheit des Glaubens oder daher kommen, daß sie sein Vaterherz, seine väterliche Huld, Liebe und Gnade, und ihr großes, von ihm geschenktes Heil noch nicht recht erkennen, und daher es auch leicht in der Liebe gegen ihre Brüder versehen, oder sonst fehlen und straucheln. Und das Alles können wir eben auch aus dem so lieblichen Bezeugen des von Christo uns vorgestellten Vaters gegen den ältesten Sohn sehen.

Durch diesen ältesten Sohn will wohl Christus nicht einen bloß pharisäischen, und in herrschender eigenen Gerechtigkeit stehenden Menschen vorstellen, denn auf einen solchen könnte man die Worte: Du bist alle Zeit bei mir, und Alles, was mein ist, das ist dein, nicht deuten, sondern Christus will nur zeigen, wie die Gnade Gottes gegen die verlornen Sünder so groß sei, daß es oft auch andere Kinder Gottes nicht genug fassen können, ja manchmal wohl gar darüber einigen heimlichen Neid empfinden, da sie freilich wie von nichts, so auch von der eigenen Gerechtigkeit noch nicht so ganz frei und los sind, daß sie sich nicht manchmal noch eines Vorzugs vor Andern würdig achteten, und fast mit Gott rechten wollten. Denn es steckt ja noch der Samen alles Bösen in uns, und so kann sich diese Gattung des Verderbens sonderlich da am meisten regen, wenn Gott großen Sündern bald im Anfange ihrer Bekehrung oft ein großes Maaß der Freudigkeit gibt, sie aber die liebliche Erquickung etwas sparsamer bekommen. Sie halten daher wohl auch etwa die Bekehrung solcher Sünder für verdächtig, oder glauben doch, es ginge nicht tief genug, da sie so bald erquicket würden. Wer sich selbst kennt, und sonst einige Erfahrung hat, der wird wohl finden, daß solches übrig gebliebene pharisäische Wesen sich noch genug reget, und an sich selbst auch ein greuliches Verderben ist.

Es war also das Bezeugen des ältesten Sohnes allerdings sehr sträflich und ein Zeugniß von dem noch großen Verderben, so in ihm steckte und er vielleicht vorher nicht in sich gesucht hätte. Er hörete von den Knechten, was geschehen war, und da heißt es V. 28: Da ward er zornig, und wollte nicht hineingehen. War dieß nicht noch ein greuliches Wesen, daß er wie jene Arbeiter darüber scheel sah, ja sogar zornig ward, daß der Vater so gütig war? Er tadelte dadurch des Vaters so gütiges Bezeugen, und störte, soviel an ihm war, seine Freude, da er auch nicht einmal hineingehen wollte. Es regte sich allerlei sündliches Ungeziefer und Verderben von Zorn, Neid, Mißgunst und Eigensinn, und er zeigte in solchem seinem Verhalten wenig Liebe gegen seinen Bruder und selbst gegen seinen Vater.

Was that doch da der Vater? Es heißt: Da ging sein Vater heraus und bat ihn. Ist uns hier nicht das Vaterherz Gottes recht lieblich vor unsere Augen gemalet? Es heißet nicht schlechthin: Da ging der Vater, sondern: da ging sein Vater heraus. Das ist nicht vergeblich gesetzt. Der Sohn bezeugte sich in diesem Fall gar nicht recht kindlich, aber der Vater war und blieb doch sein Vater und behielt nach wie vor sein Vaterherz. Sein Vater ging heraus; er hätte ihn durch einen Knecht können hineinrufen lassen, er ging aber selbst heraus, um nur den armen, in Unruhe und Verwirrung gerathenen Sohn zu besänftigen und zu beruhigen. Es heißt: der Vater ging heraus und bat ihn. Er hätte es ihm können ernstlich befehlen, aber er bat ihn, bezeugte sich auf das Allerliebreichste gegen ihn und wollte nicht nur, daß der verlorne Sohn, der es am nötigsten hatte, sein erbarmendes Vaterherz recht erkennen sollte, daß er nicht wieder von ihm wegliefe, sondern er begehrete auch, daß der älteste Sohn sein auch zu ihm geneigtes liebreiches Herz besser einsehen möchte, und daher war er so gelinde und so gütig, gab ihm bei allem seinem unartigen Wesen gar kein hartes Wort, sondern bat ihn, denn er wußte wohl, daß das arme, jetzt irre gemachte Gemüth noch mehr an seiner Liebe würde gezweifelt haben, wenn er ihm hart begegnet wäre.

Die Application auf das Vaterherz Gottes ist hier nun leicht zu machen und gar mancherlei. Wenn wir manchmal sehen, daß Gott diesen und jenen Menschen, die es wohl nicht zum Besten gemacht haben, dennoch viele Gnade erzeiget und ihnen leiblich und geistlich wohlthut, wir aber etwa in innerem und äußerem Gedränge sind, und darüber fast wollen an Gott irre oder wohl gar ungeduldig werden und murren, da macht es unser Gott eben auch so mit uns, er bestrafet uns nicht mit harten Worten, als dadurch er uns zuweilen auch nur noch mehr in Unruhe und Verwirrung bringen würde, sondern er kommt uns mit neuer Gnade entgegen und lässet uns auch zu seinem Gnaden- und Freudenmahl bitten und einladen, ja bittet uns selbst und spricht: Esset, meine Lieben, und trinket, meine Freunde, und werdet trunken. (Hohel. 5, 1.)

Was that denn nun der Sohn? Folgte er so bald und ging hinein? Nein, es hieß V. 29, 30: Er antwortete aber, und sprach zum Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir, und habe dein Gebot noch nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, daß ich mit meinen Freunden fröhlich wäre; nun aber dieser dein Sohn kommen ist, der sein Gut mit Huren verschlungen hat, hast du ihm ein gemästet Kalb geschlachtet. Wie vielerlei Unart kam doch hier zusammen? Er hielt dem Vater seine vieljährigen Dienste vor. Das ist ein Bild der Werkgerechtigkeit, die wir auch bei jenen Arbeitern im Weinberge finden, die wider den Hausvater murreten, daß sie nicht mehr als die Andern, so später gedungen wurden, bekamen, und sagten Matth. 20,12.: Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, und du hast sie uns gleich gemacht, die wir des Tages Last und Hitze getragen haben. Es schlug zugleich bei diesem ältesten Sohne eine Ruhmsucht zu und auch wohl wider die Wahrheit, denn er sagte: Er hätte das Gebot des Vaters nie übertreten, und hatte es doch gleich jetzt übertreten, da er nicht hineingehen wollte, und gegen seinen Bruder so viel Neid blicken ließ. Er tadelte des Vaters Handlung und beschuldigte ihn einer Lieblosigkeit, ja Ungerechtigkeit gegen ihn, da er ihm eben vorstellte, daß er ihm so lange gedienet, und er hätte ihm nicht einmal einen Bock gegeben, daß er mit seinen Freunden hätte können fröhlich sein. Nun aber, da dieser sein Sohn kommen wäre, der doch sein Gut mit Huren durchgebracht, hätte er gar ein gemästet Kalb geschlachtet. Was that da der Vater? Hielt er ihm eine scharfe Gesetzpredigt und bestrafte sein hartes Urtheil und sein so unartiges, unverständiges Bezeugen? Nein. Er sagte: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und Alles, was mein ist, das ist dein rc.

Mit dem ersten Wort Mein, Mein Sohn, zeigte er ihm bald sein Vaterherz, er sei immer bei ihm als sein Sohn, er solle doch an seiner Liebe, an seinem auch gegen ihn geneigten väterlichen Herzen nicht zweifeln, oder nicht deßwegen an seiner Liebe irre werden, daß er ihm keinen Bock hat schlachten lassen. Er habe ihm ja wohl mehr als einen Bock oder gemästet Kalb gegeben, denn es sei Alles, was er nur habe, sein. Alles, was mein ist (sagt er), das ist dein. Meine ganze Hab und Gut ist dein, das ist ja wohl mehr als ein Bock oder Kalb und als alles Das, was ich jetzt deinem Bruder thue. So gibt er ihm zuerst die kräftigste und liebreichste Versicherung seiner väterlichen Liebe, und zeigt ihm, daß er sein Kind und Erbe sei, ja Alles ererben werde. Und alsdann weiset er ihn erst so liebreich auf seine Pflichten und saget: Du solltest aber fröhlich und gutes Muthes sein. Denn dieser dein Bruder (der doch einmal dein Bruder ist, und den du als einen Bruder lieben sollst) war todt und ist wieder lebendig, er war verloren und ist wieder funden. Wenn du nun zu deinem Bruder ein Fünklein Liebe hast, so wirst du dich ja vielmehr mit mir freuen, und Das, was ich thue, nicht mit neidischen Augen ansehen, denn es gehet dir daran nichts ab, du bist und bleibest doch allezeit bei mir als mein Kind und Erbe, denn Alles, Alles, was mein ist, das ist dein.

Nun, hier sehen wir abermals das Vaterherz Gottes, wie es sich auch bei den Fehlern und Strauchlungen seiner Kinder so gelinde und freundlich bezeuget und nur immer dahin stehet, daß, da sie so sehr geneigt sind, an seiner Liebe zu zweifeln, sie doch nicht dem Zweifel und Mißtrauen Raum lassen.

Wir sehen auch hier die weise Ordnung, die Gott gebrauchet. Wenn seine Kinder straucheln und dabei an seinem väterlichen Herzen irre werden, so kommt er nicht mit einer harten Bestrafung, wodurch sich wohl das im Herzen liegende Mißtrauen noch mehr erregen würde, sondern er gibt ihnen die kräftigsten und tröstlichsten Versicherungen seiner Liebe und ihres ewigen Erbtheils, und zeiget ihnen auch, wie Alles, was er ist und hat, ihr sei, denn er sei ja selbst ihr Gut und Erbtheil, und sie könnten und möchten sich alles Dessen, was er nur in seinem ganzen Himmelreich hätte, als ihres eigenen Guts anmaßen.

Wir mögen uns also sonderlich die Worte merken und sie stets unserem Herzen vorhalten: Du bist allezeit bei mir, und Alles, was mein ist, das ist dein. Wir Mögen denken, als stehe auch jetzt Gott vor uns und sage auch zu uns: Du bist allezeit bei mir, du stehest und bleibest in meiner allerseligsten Gemeinschaft, bist mit mir auf das Innigste vereiniget, und Alles, was mein ist, Alles, was ich bin und habe, das ist dein, ganz dein eigen. Da mögen wir Alles als das Unsrige ansehen und nur frei hinnehmen und gebrauchen, und wir mögen da wohl billig sagen: O lieber Vater, du hast mir ja hier wohl recht dein Vaterherz weit aufgethan, und gezeiget, wie du mein Vater bist und mich liebest, da du mir ja deinen Sohn und also Alles gegeben, was dein ist. Du bist nun mein und ich bin dein, du bist und bleibst mein Vater und ich bin und bleibe dein Kind und Erbe. Alles, was du in deinem Himmel und Herzen hast, ist mein, denn dein Sohn, dein Geist und alle Fülle deiner Güter und Gaben ist mein, und sollen ewig mein bleiben.

Alsdann aber, wenn uns der himmlische Vater erst seine Wohlthaten zeiget und uns im Glauben und kindlichen Vertrauen stärket, so hält er uns erst unsere Pflichten vor, und ermahnet uns zu Diesem und Jenem, wie wir es nöthig haben. Da fließen alle christlichen Lebenspflichten und Tugenden und so auch sonderlich die Liebe gegen den Nächsten aus dem Glauben. Da wird unser Herz recht wie umgeschmolzen, und zur Liebe gegen Gott und den Nächsten kräftig geneiget werden, davon noch hernach etwas wird zu sagen sein.

Wie der himmlische Vater auch bei den Streichlungen seiner Kinder sein Vaterherz gezeiget, und sie so freundlich zurechtgewiesen, könnten wir an mehreren Exempeln aus der heiligen Schrift zeigen. Und wir erblicken ja auch das Vaterherz Gottes an dem so leutseligen und freundlichen Umgänge Jesu mit seinen strauchelnden Jüngern. Doch davon ist bereits in dem Tractat von dem vertrauten Umgange mit Gott etwas gedacht worden. Hieher aber schicket sich sonderlich noch das so gütige Bezeugen unseres Gottes gegen den Propheten Jonas, der auch, darüber in Zorn und Eifer kam, daß Gott so gütig, geduldig und langmüthig war, daß er die Stadt Ninive nicht ließ untergehen. Er hätte auch sollen fröhlich sein und Gott preisen, daß seine Predigt so viel gefruchtet, und so viele Menschen, da sie Buße thaten, erhalten worden, aber er war gleichfalls ungeduldig und zornig, daß er auch aus Ungeduld sich den Tod wünschte, und sagte sogar zu Gott: Billig zürne ich bis in den Tod. Er meinete auch Recht zu haben, sich zu erzürnen, wie der älteste Sohn Recht zu haben meinte. Aber wie freundlich und weislich half ihm Gott zurecht! Wie wir Solches im 4. Capitel lesen, und wodurch ihn der Herr wohl wird besänftiget und wieder zur Ruhe gebracht haben.

O daß wir doch das so freundliche, leutselige, erbarmungsvolle und geduldige Vaterherz Gottes recht erkennen möchten, denn darin steht der Mittelpunkt des ganzen Christenthums, und man möchte es wohl das einige Nothwendige nennen, in welchem aber alles andere Gute enthalten ist.

Ist uns Gottes Vaterherz bekannt, wie es in Christo wieder zu uns geneiget und uns weit aufgethan ist, so wird uns das ein sanftes Ruhebette sein, da wir in der ewigen Huld., Liebe und Gnade Gottes ruhen, in der Vergebung der Sünden alles unser Heil finden, und den Frieden Gottes in uns regieren, ja Herz und Sinn bewahren lassen, folglich keinen Verklägern und Friedensstörern Gehör geben, die uns das Vaterherz Gottes immer wieder verdächtig machen. Denn wir kennen sein Herz ganz anders, als es uns diese Verkläger vormalen, wie die hochselige Herzogin von Saalfeld auf ihrem Krankenbette sagte: Er hat mir schon sein Herz verrathen. Wir wissen, Gottes Herz ist und bleibt ein Vaterherz, und liebet uns mit ganz unaussprechlicher Liebe, mehr als alle Väter oder Mütter ihre liebsten Kinder lieben können; denn aller Väter und Mütter Liebe ist ihnen doch von ihm gegeben, und ist gegen seiner Liebe nur ein Schatten. Er trägt uns mit unerhörter Geduld, er hütet und wacht bei Tag und Nacht, auf daß uns ja nichts, weder am Leibe noch Geiste, fehlen könne. Da können wir wohl in diesem Vaterherzen Gottes ganz ruhig liegen und schlafen im Frieden; denn wir finden darin Leben und Frieden, Leben und volle Genüge, ja das ewige Leben selbst. Dahin gehen ja die klaren Worte Christi: Das ist das ewige Leben, daß sie dich, Vater, daß du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum erkennen. (Joh. 17, 3.). Die lebendige Erkenntniß des Vaterherzens Gottes und Jesu Christi ist das ewige Leben und der Himmel auf Erden, und also wohl recht, wie vorher gesagt worden, der Mittelpunkt oder der Kern und Stern des ganzen Christenthums, aus welchem alles Andere erst, als aus der rechten Quelle, herfließet.

Denn kennen wir Gottes Vaterherz, wie es in Jesu uns weit aufgethan ist, so sehen wir, wie es voller Liebe gegen uns ist, und wie Alles, was Gott mit uns vornimmt und uns zuschicket, es heiße Freude oder Leid, lauter Liebe ist; denn auch die Züchtigungen fließen aus der väterlichen Liebe Gottes, wie es ja Hebr. 12, 6. 7. heißt: Welchen der Herr lieb hat, den züchtiget er; er stäupet aber einen jeglichen Sohn, den er aufnimmt. So ihr die Züchtigung erduldet, so erbeut sich Gott euch als Kindern; denn wo ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtiget? Erblicken wir nun seine Liebe, so wird uns das ja zu inniger Gegenliebe erwecken, daß es immer heißen wird: Lasset uns ihn lieben, denn er hat uns erst geliebet. (1 Joh. 4, 19.)

Die Erkenntniß des väterlichen, liebevollen Herzens Gottes bringet ja, wie Ruhe und Frieden, so auch Kraft und Stärke, ja nach 2 Petr. 1, 2. 3. allerlei seiner göttlichen Kraft, was zum Leben und göttlichen Wandel dienet, daß wir sogar nach den uns geschenkten größten und allertheuersten Verheißungen der göttlichen Natur theilhaftig werden, dadurch wir uns ja wohl kräftig getrieben finden, vor dem so liebreichen und heiligen Gott auch in der Liebe und recht heiliglich zu wandeln, ja nach 1 Petr. 1, 14-16. als gehorsame Kinder, heilig zu sein in allen, unsern Wandel. Und es heißt da billig, wie wir singen:

Je mehr das Herz den süßen Vater schmeckt,
Je mehr es wird zur Heiligkeit erweckt.

Je mehr wir das Vaterherz Gottes kennen und sehen, wie das nur immer darauf bedacht ist, wie es uns könne Gutes thun, je mehr werden auch wir nur immer darauf denken, wie wir ihm in Allem zu Gefallen leben. Da werden wir ja wohl nicht muthwillig sündigen, denn wie könnten wir das über unser Herz bringen, wenn wir das so liebreiche, gelinde und freundliche Vaterherz Gottes erkennen? Dahin gehen die schönen Worte im Buch der Weisheit, Cap. 11, 24.: Aber du erbarmest dich über Alles, denn du hast Gewalt über Alles, und versiehe st der Menschen Sünde, daß sie sich bessern sollen. Und Cap. 15, 1. 2.: Aber du, unser Gott, bist freundlich und treu und geduldig, und regierest Alles mit Barmherzigkeit. Und wenn wir gleich sündigen, sind wir doch dein, und kennen deine Macht. Weil wir denn Solches wissen, sündigen wir nicht, denn wir sind für die Deinen gerechnet. Welches eben mit den Worten Johannis übereinkommt, da er 1 Epistel Cap. 2, 1. saget: Meine Kindlein, Solches (nämlich, daß Gott als ein barmherziger Vater die Sünde vergibt, und uns reiniget von aller Untugend) schreibe ich euch, auf daß ihr nicht sündiget. Wir werden also vielmehr bei der Erkenntniß der Lindigkeit und Freundlichkeit Gottes in täglicher Reue und Buße leben, unsere Gebrechen uns lassen wehe thun, selbige dem Vater bald demüthig bekennen, und desto mehr nach seinem Augenwink uns richten, wie ein frommes Kind seinem Vater gerne Alles zu Gefallen thut, was es ihm nur an seinen Augen kann absehen.

Wir werden aber auch stets im Glauben und kindlichen Vertrauen vor ihm wandeln und, wenn wir gefehlet, nicht denken, der Vater stehe gleich mit der Keule hinter uns, und werde uns im Zorne schlagen oder gar von sich stoßen, denn er kann bei den Gebrechen seiner Kinder doch nicht sein Vaterherz ablegen; er bleibet dennoch Vater, ob wir es gleich in unserer kindlichen Pflicht versehen. Und ob er auch zuweilen unsere Fehler mit der Ruthe heimsuchet, oder uns durch seinen Geist innerlich bestrafet und züchtiget, so lassen wir uns doch auch dadurch das Vaterherz Gottes nicht verdächtig machen, und in knechtische Furcht bringen, sondern versichern uns nur dabei um so viel mehr seines väterlichen Herzens, seiner Liebe und unserer Kindschaft, weil ja der Geist der Kindschaft und der Liebe auch zugleich ein Geist der Zucht, aber kein Geist der Furcht ist, nämlich der knechtischen Furcht. Denn diese knechtische Furcht, die Pein hat, ist nicht in der Liebe (1 Joh. 4, 18.), und durch die Erkenntniß des Vaterherzens Gottes, da seine Liebe immer völliger in uns wird, wird diese Furcht je mehr und mehr ausgetrieben, und wir suchen, vor ihm zu wandeln ohne Furcht unser Leben lang, in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die ihm gefällig ist (Luc. 1, 74. 75.).

Und so wird uns die durch den heiligen Geist erkannte Lindigkeit des väterlichen Herzens Gottes sowohl vor Sicherheit, als vor Mißtrauen, Verzagung und Furcht bewahren, und uns recht gläubig, aber auch recht fromm und gütig machen, welches im Buch der Weisheit wiederum recht schön aus gedrückt wild, da es Cap. 12, 18-21. heißet: „Aber du, gewaltiger Herrscher, richtest mit Lindigkeit, und regierest uns mit viel Verschonen, denn du vermagst Alles, was du willst. Dein Volk aber lehrest du durch solche Werke, daß man fromm und gütig sein soll, und deinen Kindern gibst du damit zu verstehen, sie sollen guter Hoffnung sein, daß du wolltest Buße für die Sünde annehmen. Denn so du die Feinde deiner Kinder, und die des Todes schuldig waren, mit solchem Verzug und Schonen gestraft hast, und gabst ihnen Zeit und Raum, damit sie konnten von ihrer Bosheit lassen, wie mit viel größerem Bedacht richtest du deine Kinder, mit welcher Vätern du hast Eid und Bund viel guter Verheißungen aufgerichtet?“

Wir werden dieß. daß wir Gottes Kinder sind und von Gott, als unserem Vater, so innig geliebet werden, für die höchste Würde und Ehre schätzen, wie eben Johannes saget: Sehet, welch' eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß wir Gottes Kinder sollen heißen. (1 Epistel 3, 1.) Es wird uns dieß, wie die höchste Würde, so auch die größte Freude sein, dagegen wir gern Alles werden verleugnen und aller Welt Herrlichkeit für nichts dagegen achten.

Von dieser Vaterliebe Gottes, wie sie so groß ist und uns über Alles gehet, ist eine herrliche Stelle in Statii Prätorii Schatzkammer zu finden, da es S. 60-63 also heißet: O ein reicher und überschwänglicher Trost, daß wir, arme Würmlein, Gottes Kinder sein und von ihm herzlich geliebet werden sollen! Aber wir sollen wissen, daß Gottes Liebe gegen uns viel brünstiger sei, denn die Liebe unserer Väter und Mütter gegen uns ist. Denn so sagt er Jes. 56: Ich will ihnen einen bessern Namen geben, denn den Söhnen und Töchtern, das ist, meine lieben Auserwählten sollen mir höher geachtet sein, als Söhne und Töchter. Sie sollen sein und heißen: Meine Lust i st an ihnen, Jes. 62, darum, daß ich sie herzlich lieb habe. Sirach schreibet, Cap. 2, daß Gottes Liebe gegen uns so groß sei, als er selbst ist. Nun rechne mir aus, wie groß dieselbe Liebe sein muß, und sage mir danach, daß wir arme, schwache Würmlein unser Schwachheit und Gebrechen halben täglich aus Gottes Liebe und Gnade fallen. Die Liebe und Gnade Gottes ist alle Morgen neu, saget Jeremias Klagt. 3, 23., aber nicht durch unsere Genugthuung, sondern von sich selbst, nach dem herrlichen Spruch St. Pauli, Eph. 1.: „Er hat uns verordnet zur herrlichen Kindschaft von ihm selbst, durch Jesum Christ, nach dem Wohlgefallen seines Willens, zu Lobe seiner herrlichen Gnade, durch welche er uns hat angenehm gemacht in dem Geliebten.“

Es hat uns Gott, unser Vater, nicht allein von außen lieb, sondern weil er eine Gnadenrose ist, daraus eitel Gnade und Liebe fließet, gibt er uns auch den Geruch seiner Gnaden durch seinen heiligen Geist zu riechen. Er überschüttet und erfüllet unsere Herzen mit seiner göttlichen Gnade und Liebe, wie mit Zucker und Malvasier, daß wir sie gleich fühlen und kosten, und uns derselben herzlich erfreuen. Ach! sprechen wir denn, ich weiß es, und glaube es, ja ich fühle es, daß mir Gott gnädig und zugethan ist, deßhalben ist mir auch so wohl, und ich bin so überaus fröhlich. Mir zwar (daß ich von mir rede) ist Gottes Huld und Gnade nicht allein mein Himmelbrod, sondern auch mein Leben dazu. Seine Gnade erhält mich bei dem Leben, sonst wäre ich vorlängst gestorben. Das meint St. Paulus, wenn er sagt, Röm. 5.: Die Liebe (Gnade) Gottes ist ausgegossen in unser Herz durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist, als welcher ist der Geist der Gnaden, und ausdrücklich also genennet wird bei dem Propheten Zachar. 12, 10.

So wenig der liebe Gott zürnen kann mit seinem lieben Sohn, ebensowenig kann er auch mit uns zürnen, die wir seinen lieben Sohn mit aller seiner Gerechtigkeit angezogen haben. Wie kann doch Gott mit einem Gerechten zürnen? Daher St. Paulus sagt, daß das Blut Christi, welches uns von allen Sünden gewaschen und gerecht gemacht, zugleich Gottes Zorn gestillet, und uns mit Gott versöhnet habe, Röm. 5, 8. 9. 2 Cor. 5, 14. 15. Eph. 1, 7. 2 Cor. 1, 10.

Es will aber Gott der Herr nicht allein unser lieber Freund sein, sondern er will auch unser lieber Vater sein, wie er sich selbst also nennet im Vater Unser, und diesen lieblichen Namen uns durch seinen Sohn in unsern Mund gelegt hat. Denn er will, daß wir ihn sollen Vater heißen, und nicht anders, 2 Cor. 6. Ich will euer Vater sein, ihr aber sollet meine Söhne und Töchter sein.

Ist er aber Vater, wer will denn seine Liebe ausreden, und wer will uns von seiner Liebe scheiden? St. Paulus spricht, Ephes. 1.: „Gott hat uns verordnet zur Kindschaft gegen ihm selbst, durch Jesum Christ, nach dem Wohlgefallen seines Willens, zu Lobe seiner Gnade, damit er uns hat angenehm gemachet in dem Geliebten;“ das ist, weil wir Gottes Kinder sind, so sind wir Gott angenehm, und er hat uns so herzlich und so brünstig lieb, daß es keine Zunge ausreden kann. Denn wer hat doch jemals sein Kind gehasset? Kein Vater und keine zarte Mutter kann ihrem Kindlein so günstig sein, als uns Gott der Herr ist, um des Verdienstes und der Fürbitte seines lieben Sohnes willen. Sehet doch, sagt Johannes, welch' eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß wir Gottes Kinder sollen heißen.

Dieß, daß wir Gottes Kinder sind, und von Gott geliebet werden, ist uns solche große Ehre und Freude, daß wir dafür nicht sollten römische Kaiser sein, und aller Welt Gut unter uns haben, wenn wir anders mit Wohlthaten zu sättigen wären, und uns der fromme Gott einen fröhlichen Blick durch sein väterliches Herz und Liebe abgewinnen könnte.

Kennen wir Gottes Vaterherz, und sehen, wie das uns als die allerschwächsten und kleinsten Kinder hebet und trüget, reichlich und täglich vergibt, und mit so großer Geduld, Gelindigkeit und Verschonen regieret, so wird es uns nicht nur in unserm Umgange mit Gott recht zuversichtlich, kindlich und vertraulich machen, sondern es wird uns auch in dem Umgange mit allen Menschen gütig, bescheiden, freundlich, gelinde und geduldig machen, daß wir auch unsern Nächsten das thun werden, was unser Gott an uns thut, daß wir ihm auch wieder vergeben und ihn dulden und tragen; ja wir werden denken, wenn kein Mensch in der Welt Ursache hätte, Andere zu dulden und zu tragen, so hast du doch genug Ursache, wenn du nur bedenkest, wie Gott dich trägt und duldet. Wer in das so gütige, liebreiche, geduldige und erbarmende Vaterherz auch nur einen kleinen Blick thut, der kann unmöglich moros, rauh, hart und unbarmherzig sein, sondern sein Herz wird durch so einen kräftigen Blick sogleich recht umgeschmolzen, daß er auch gegen seinen Nächsten ein Vater- und Mutterherz bekommt, und je mehr und mehr seinem so liebreichen Vater auch ähnlich wird und seinen sanften Geist sich treiben lässet, oder seine Lindigkeit lässet kund werden allen Menschen. Und es wird da sein recht herzliches, inniges Seufzen und Flehen sein:

Schenke mir den sanften Geist,
der nur Lindigkeit beweist rc.

Wenn man also einen Menschen im Urtheilen und Nichten noch so scharf oder sonst hart, unbarmherzig, rauh und streng findet, so möchte man nur zu ihm sagen: du kennest noch gar wenig Gottes Vaterherz, du würdest sonst unmöglich so scharf und hart sein können, oder du müßtest vergessen haben, was du für ein armer, elender Sünder bist, und was Gott an dir gethan, wie er dir vergeben und dich getragen hat, und noch trägt.

Ist uns Gottes Vaterherz bekannt, so werden wir auch bei allerlei geistlichem und leiblichem Anliegen und Bedürfniß ruhig bleiben und alles Anliegen unsers Herzens in sein Vaterherz ausschütten und nichts auf unsern! Herzen liegen lassen; denn uns ist die kleinste Sorge zu schwer, und unser Herz dazu allzu enge, aber unser lieber Vater will Alles auf sich nehmen, und selbst alle unsere Last und Anliegen tragen, und in seinem Vaterherzen haben wir mit allem unserem Anliegen Raum und Platz genug, ja weiten Raum. Darum werden wir auch, wenn wir sein Herz kennen, all' unser Anliegen und Sorgen auf ihn werfen, denn der Vater hat es seinen Kindern erlaubt, ja befohlen, ihm Alles zu klagen und zu sagen, oder auf ihn zu werfen, da es heißt, 1 Petr. 5, 7.: Alle eure Sorge werfet auf ihn, denn er sorget für euch. Das Sorgen gehöret für den Vater, und schickt sich nicht für das Kind. Es wäre ein Eingriff in das Vaterrecht und auch eine ganz vergebliche Arbeit. Der Vater hat sich's allein vorbehalten, zu sorgen, und wir sollen nur glauben, beten, gehorsam sein und arbeiten, das ist das Unsrige, aber nicht sorgen, das ist des Vaters Sache.

Unsere Sorgen sind dabei gar nicht nöthig und kommen auch viel zu spät, denn der Vater hat schon von Ewigkeit Alles besorget, wie er uns auf's Beste und Seligste will durch die Welt führen. Wir richten auch mit aller unserer Sorge im Allergeringsten nichts aus, ja versündigen uns und thun uns damit Schaden, indem wir uns durch unser ungläubiges Sorgen am Glauben und kindlichen Vertrauen hindern, folglich die Vorsorge Gottes nicht so erfahren, und nur unsere Ruhe, unsern Frieden stören. Wir sollen also gar keine Sorge einlassen. Darum saget Paulus Phil. 4.: Sorget nichts, eigentlich gar nichts, im Mindesten nichts.

Sollen wir auch nach den angeführten Worten alle Sorgen auf Gott werfen, so muß keine auf uns liegen bleiben und unser Herz drücken. Das ängstliche, ungläubige Sorgen schickt sich gar nicht zum vertrauten Umgange mit Gott, als unserem Vater; denn wenn ein Kind stets bei dem Vater bleibet und gegen ihn recht zuversichtlich und zutraulich ist, wird sich das wohl in einen Winkel hinsetzen, den Kopf hängen und lange sorgen, wo es dieß und jenes Nöthige herbekomme, da es weiß, daß es einen reichen und liebreichen Vater hat? Oder sind wir noch kleine und schwache Kinder, so mögen wir uns nur auch so begnügen, wie die ganz kleinen Kinder, denn was sorget wohl ein kleines Kind in der Wiege, oder auf der Mutter Schooß, an der Mutter Brust? Es läßt Vater und Mutter sorgen, und ist fröhlich und getrost. Unser Heiland sagt ja auch Matth. 6,31-33. mit klaren Worten: „Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? was werden wir trinken? womit werden wir uns kleiden? nach solchem Allem trachten die Heiden (nämlich mit solchen Sorgen), denn euer himmlischer Vater weiß, daß ihr deß Alles bedürfet. Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes, und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches Alles zufallen“ (oder zugegeben werden, als eine Zugabe). Darum sollen wir gar nicht dafür sorgen, auch nicht für den andern Morgen. Wenn nun unser lieber Vater zu uns sagt: du armes, unverständiges Kind, warum willst du dich denn mit vergeblicher Sorge und Unruhe plagen? wirf doch alle deine Sorge, all' dein Anliegen auf mich und sorge gar nichts, auch nicht für den andern Morgen; wollen wir denn nicht gehorsam sein und die Sorge ihm überlassen? wollen wir unverständige Kinder ihm mithelfen sorgen und regieren?

Da unser Gott gesehen, wir würden bei allerlei widrigen Dingen uns doch nicht enthalten können, daß wir nicht in unsern Affecten sollten erreget und beunruhiget werden, so hat er uns eben', wie obgedachter seliger Dr. Richter sagt, das schöne Gebot des Glaubens gegeben, nach welchem er uns gebeut, nur alle Sorge auf ihn zu werfen, und zu glauben, er werde Alles auf's Beste besorgen, und uns alles Gute geben, was nur unser Herz wünschet, und hingegen alles Böse gewiß abwenden, daß uns nichts, gar im mindesten nichts zum Schaden unserer Seele begegnen solle; denn er liebe unserer Seelen Heil mehr, als wir selbst, und verstehe es auch besser als wir, was dasselbige fördern oder hindern könne.

Dieses Gebot des Glaubens ist nun wohl kein hartes und scharfes, sondern vielmehr das allerlieblichste Gebot, und dem Glauben sehr lieb, angenehm und leicht. Denn wenn ein kleines Kind sorgen wollte, wo es etwa ein Kleidchen herbekäme, und seine Sorge dem Vater zu erkennen gäbe, der Vater aber sagte: du einfältiges Kind, ich habe lange schon dafür gesorgt, du sollst schon ein Kleidchen bekommen, sorge nur nicht? wäre das wohl ein schweres Gebot, und würde es nicht dem Kinde ganz leicht sein, sich mm zufrieden zu geben, und von dem Vater Alles zu erwarten?

So und noch viel mehr können wir uns in allen Fällen zufrieden geben, und ohne alle ängstliche Sorge von dem Vaterherzen Gottes Alles im Leiblichen und Geistlichen erwarten, weil unser himmlischer Vater Alles, was uns nur gut und nützlich ist, geben will und auch geben kann, welches leibliche Väter nicht allemal thun können.

Ferner, wenn wir das Vaterherz Gottes kennen und wissen, wie dasselbige unser Gebet so gerne höret und erhöret, so werden wir nicht nur das Gebet und den Umgang mit ihm uns das liebste Geschäft sein lassen, sondern auch wenn wir ihm Alles im Gebet empfohlen haben, alsdann ganz ruhig, ganz stille sein und denken: Es ist schon Alles an den rechten Mann gebracht, der auch nicht ruhen wird, bis uns geholfen ist. Wenn wir nur einmal, geschweige vielmal, unser Anliegen und Wege ihm recht gläubig und mit lauterm Herzen empfohlen, so mögen wir schon gewiß sein, daß er Alles wohl machen wird und uns nichts Schädliches zulassen. Denn wie könnte das der Vater über sein Herz bringen, wenn das Kind gerne wollte gehorsam und treu sein, auch den Vater darum bäte, und der Vater wollte ihm nicht seinen Rath und Willen zeigen oder ihm nicht Kraft geben, selbigen zu vollbringen? - Kennten wir Gottes Vaterherz, so würden wir auch nicht so verzagt und furchtsam oder erschrocken sein, wenn eine Noth oder Trübsal käme, sondern würden auf ihn hoffen, wenn er uns auch tödten wollte, da wir ihm doch einen Tod schuldig sind, und der Tod ja nur gleichsam der Wagen ist, worauf uns der Vater nach Hause bringt.

Es weiß ja da ein Gläubiger, ein Christ, daß sein himmlischer Vater ihn, wie im Leben, so auch gewiß im Tode nicht verlassen noch versäumen kann. Denn das Vaterherz Gottes wird ja wohl das schwache und kranke Kind weder im Leben, noch im Sterben verschmachten lassen.

Man frage nur ein zartes Vater- oder Mutterherz, ob es das kranke Kind im Sterben nicht noch gerne mit etwas erquicken wollte? Wie könnten wir uns denn von dem mehr als väterlich und mütterlich gesinnten Herzen Gottes solche schreckliche und grausame Gedanken machen, daß er uns im Tode verlassen würde? Ruhen wir hier immer in dem Vaterherzen Gottes, in seiner Vaterliebe, Huld und Gnade; so werden wir ja auch im Tode darinnen eine sanfte Ruhe finden, und es sollen uns da gewiß auf unserm Sterbebette das Vaterherz Gottes und die Wunden Christi unser bestes Lager und Ruhebette sein, und wir werden ihn da nicht als einen erschrecklichen Richter, sondern als einen in Christo vollkommen ausgesöhnten, gnädigen Gott und Vater ansehen und glauben mögen, daß, da er weiß, was wir in unserm Leben bedürfen und dieß uns auch gibt und zufallen lässet, er ja auch wissen wird, was wir im Tode von geistlicher und leiblicher Pflege bedürftig sind, und wird uns gleichfalls Alles geben, daß wir auch da werden keinen Mangel haben an irgend einem Gut, und also wohl durchkommen. Also sollten wir uns vor Noth und Tod nicht fürchten, noch vor etwas erschrecken, sondern vielmehr in allen Fällen in dem Vaterherzen Gottes ganz ruhig und getrost bleiben, ja in rechtem Verstande genommen, im Glauben so sorgenlos sein, wie ein Kind in Mutterleibe, denn wir werden ja von ihm, wie er selbst sagt: in seinem Leibe und in der Mutter getragen. Jes. 46, 3. Aber unsere Blindheit und Blödigkeit ist noch so groß, daß wir im Anfang bald erschrecken, wenn uns eine Noth und Gefahr bevorsteht. Darum haben wir ja wohl täglich in's Wort Gottes zu gehen und Gott anzurufen, daß wir sein Vaterherz besser kennen lernen. Das Wort Gottes wird immer seine Kraft beweisen und Frucht bringen, daß uns das Vaterherz Gottes doch immer mehr wird bekannt werden, und der Unglaube, der uns Gottes Vaterherz verdächtig macht, wird nicht solche Gewalt bekommen. Das müssen alle Gläubige aus Erfahrung bekennen. Das Wort Gottes ist doch, wie in der Vorrede zum täglichen Umgang mit Gott gesagt worden, das Fenster zum Herzen Gottes, je mehr wir da hineinsehen, je mehr sehen wir auch in Gottes Vaterherz; je weniger wir aber mit dem Wort umgehen, je mehr kriegt der Unglaube und der Satan Gewalt, uns in die größte Verwirrung und Finsterniß zu stürzen. Das Wort aber ist doch ein Licht, ja Geist und Leben, und bringt uns immer mehr aus der Finsterniß, aus dem todten Wesen heraus, und es wird nie recht betrachtet werden, daß wir nicht mehr Licht und Leben bekommen und Nutzen Haben. Denn wenn wir auch nicht immer dadurch lieblich erquicket werden, sondern wohl nach der Empfindung in Dürre bleiben, uns aber auch nur desto mehr beugen, demüthigen und schämen, so ist auch das schon eine Frucht des Wortes und nicht ohne Nutzen und Segen; und endlich wird's auch uns so offenbar werden, daß es uns auch wieder erfreuen und erquicken wird.

Wir haben also täglich mit dem Worte umzugehen und Gott anzurufen, daß er uns dadurch sein so liebreiches Vaterherz immer besser kennen lehre, daß wir immer gläubiger und zuversichtlicher gegen ihn werden; denn so schwer es zuerst hält, daß wir unser Elend, unser böses Herz erkennen, so hält es doch viel schwerer, Gottes Vaterherz, Gottes Liebe zu erkennen. Ja, sind wir untüchtig, unser Verderben einzuschauen, so sind wir, sagt ein theurer Lehrer, tausendmal untüchtiger, das liebevolle Vaterherz Gottes recht einzuschauen. Denn jenes, daß man sein Verderben empfahet, kommt aus dem Gesetz, das ist uns einigermaßen von Natur bekannt, jenes aber, Gottes Vaterherz und Liebe recht zu erkennen, kommt aus dem vollkommenen Gesetz der Freiheit, aus dem Evangelio von dem gekreuzigten Christo, an demselbigen sind wir von Natur ganz stockblind. Denn der gekreuzigte Christus, in welchem wir allein Gott als einen liebreichen Vater erkennen und sein Herz offen finden, ist uns nach der Natur eine Aergerniß und eine Thorheit. Und wenn wir auch schon Gnade und Glauben haben, so sind wir doch, schreibt der sel. Herr Prof. Franke, zu nichts ungeschickter als zum Glauben, oder, welches einerlei ist, Gottes Vaterherz, und Liebe recht zu erkennen, und mit unserm Herzen darinnen allein zu ruhen. Der Satan ficht auch nichts mehr an, als den Glauben oder die wahre Erkenntniß des in Christo uns aufgethanen Vaterherzens Gottes. Es steiget oft ein rechter Dampf aus der Hölle, und eine rechte Macht der Finsterniß von dem Lügen- und Lästergeiste, daß wir das Vaterherz Gottes nicht dafür erblicken, sondern uns vielmehr an Gott stoßen, und ihn als einen Tyrannen ansehen sollen. Es sucht der arge Feind auf alle Weise uns Gottes Vaterherz verdächtig zu machen, und den Glauben oder das kindliche Vertrauen zu Gott zu hindern, weil er weiß, daß wir ihm am besten im Glauben widerstehen, und durch den Glauben auch alle seine feurigen Pfeile auslöschen, auch sonst Alles überwinden und Alles verleugnen können. Denn kennen wir Gottes Vaterherz und ruhen in demselbigen, so haben wir wohl genug und über genug, und werden nicht abgöttischer Weise an etwas Anderem hangen und darinnen unsere Ruhe suchen. Darum haben wir unser Leben lang das unsere größte Bemühung und größtes Anliegen sein zu lassen, daß wir die Liebe und das Vaterherz Gottes recht erkennen und in das vollkommene Gesetz der Freiheit recht durchschauen, bis in das rechte Heiligthum, das ist eben das Herze Gottes. Satan und unser Unglaube und der unrechte Verstand, oder Mißbrauch des Gesetzes wollen immer viel Vorhänge vorziehen, und stets eine Scheidewand aufbauen. Da haben wir wohl stündlich den Herrn anzuflehen, daß er uns doch unsere Augen des Glaubens recht öffne, daß wir durch das Gesetz der Freiheit, durch das Evangelium zuvörderst recht in die Wunden Jesu, in das große Werk der Erlösung und Versöhnung hineinsehen. Denn wir können das Vaterherz Gottes und dessen ewige Liebe nicht anders als durch die Wunden Jesu, durch die durch Jesum geschehene Versöhnung einsehen.

Als Jesus am Kreuz seinen Geist aufgab, da zerriß der Vorhang im Tempel vor dem Allerheiligsten in zwei Stücke, und das war ein Bild, wie wir wissen, daß nun der Vorhang oder die Scheidewand zwischen uns und Gott abgethan und der Zugang zu dem Allerheiligsten, zum Himmel und zum Vaterherzen Gottes, wieder eröffnet ist, so daß wir nun, wie Paulus Hebr. 10, 19. 20. sagt: „die Freudigkeit haben zum Eingang in das Heilige durch das Mut Jesu, welchen er uns zubereitet zum neuen und lebendigen Wege, durch den Vorhang, das ist, durch sein Fleisch.“

Da können und mögen wir nun durch Jesum zu Gott, als unserm versöhnten Vater, hinzutreten, und aus den Wunden, aus dem Kreuzestode Jesu das Vaterherz Gottes in unaussprechlicher Liebe und Erbarmung recht zu uns geneigt und weit aufgethan sehen. Denn wie sollte Gott uns nicht lieben oder sein Herz zu uns neigen, und dieß sein Herz, seinen ganzen Himmel, uns aufthun, da er uns das Allerliebste, seinen einigen Sohn der Liebe, hingibt und denselbigen für uns verwunden und sterben läßt, da er selbst ein solches großes Mittel zu unserer Erlösung erfunden, da er durch seinen Sohn sich alle unsere Schulden hat bezahlen und uns mit ihm versöhnen lassen, daß er nun Alles vergeben und sich als einen barmherzigen Vater an uns beweisen kann? Er liebet uns also und wird uns ewig lieben, da er uns ja schon als seine Feinde geliebet, und aus solcher ewigen Liebe eben seinen Sohn selbst gegeben hat, zur Versöhnung für unsere Sünde, und daß wir durch ihn leben sollen. Hat sich da das Vaterherz Gottes gegen die abtrünnigen Kinder und Feinde schon so in Liebe und Erbarmung bewegt, und uns mit sich selbst versöhnen lassen, wie sollte es sich jetzt nicht in lauter Liebe und Erbarmung gegen uns bewegen, ja brennen, da wir schon versöhnet sind und seine Versöhnung auch angenommen haben oder noch gerne annehmen wollen? O ja, in Jesu hat uns Gott schon von Ewigkeit geliebet, und daher auch von Ewigkeit erwählet, wie Paulus Ephes. 1, 3. 4. sagt: „Gelobet sei Gott und der Vater unseres Herrn Jesu Christi, der uns gesegnet hat mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern, durch Christum. Wie er uns denn erwählet hat durch denselbigen, ehe der Welt Grund geleget war, daß wir sollten sein heilig und unsträflich vor ihm in der Liebe.“

Wir erblicken also, sage ich nochmals, nicht anders als in Christo, in den Wunden Christi, das erbarmende, liebes- und gnadenvolle Vaterherz Gottes, und so auch unsere ewige Gnadenwahl. Und ist das ein schöner Ausdruck, den wir in einem alten Liede finden:

Laß mich durch deine Nägelmal'
Erblicken meine Gnadenwahl!

Außer Christo erblicken wir ja freilich nichts als Zorn und Ungnade, und den ewigen Tod; in Christo, in den Wunden Christi aber nichts als Huld, Liebe und Gnade, und das ewige Leben, und mit einem Wort, das Vaterherz Gottes. Dahinein wollen wir uns nun fort und fort gläubig zur Ruhe legen, und bei allem unserem Elend auch einmal im Tode nirgend anders Ruhe, Frieden und Trost suchen.

O ja, lieber Vater! hilf du uns, hilf du mir insbesondere selbst dazu, und laß dein Vaterherz und Sinn, wenn ich auch noch elend bin, aus meinem Sinn nicht kommen. O lieber Vater, ich bin wohl auch nicht würdig und werth, dich meinen Vater zu nennen, aber du bist doch in Jesu, deinem lieben Sohne, auch mein versöhnter, gnädiger Gott und lieber Vater, der du auch die abtrünnigen Kinder wieder annimmst, und die Gebrechen deiner schwachen Kinder mit großer Geduld trägest und sie nicht wegwirfest. Das hast du ja auch an mir bis hieher gethan. O treuer Vater, du wollest und wirst es ferner thun, denn deine Geduld ist allein meine Seligkeit. O lieber Abba und Vater im Himmel, du hast mich ja einen kleinen Blick in dein Vaterherz thun lassen, und mich durch deinen Geist deiner väterlichen Liebe, Huld und Gnade versichern lassen, dafür müsse dein heiliger Name auch von mir hochgelobet und gepriesen werden in Zeit und Ewigkeit. Du weißest aber, wie ich doch an deiner Liebe und deinem Vaterherzen noch so blind, und daher so blöde und furchtsam bin. O darum wollest du doch deinen heiligen Geist noch recht reichlich über mich ausgießen, ja mir noch die ganze Fülle und Salbung des Geistes geben, und mich durch ihn vermittelst deines Wortes so erleuchten, daß ich doch dein Vaterherz, deine Vaterliebe und Treue noch recht erkenne, ja deine Liebe noch in meinem Herzen durch deinen Geist recht ausgegossen finde, so daß ich dich nicht anders als meinen in Christo versöhnten, lieben Vater und mich als dein Kind ansehe, das du innig liebest und ewig lieben wirst, und daß ich mir also dein Vaterherz, deine Liebe und Treue durch nichts verdächtig machen lasse, sondern darin im Leben und Sterben sanft ruhe, liege und schlafe ganz im Frieden. „Es weiß ja Niemand, was in dem Menschen ist, ohne der Geist, der im Menschen ist, also auch weiß Niemand, sagt dein Wort, was in Gott ist, ohne der Geist Gottes.“ Der gehet von dir und deinem lieben Sohne aus, und weiß also das Heimlichste deines Herzens, daß er es uns als Geist der Offenbarung wohl entdecken und offenbaren kann, und die Gläubigen sagen einmüthig: „Wir haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, daß wir wissen können, wie reichlich wir von Gott begnadigt sind,“ oder was uns von Gott gegeben ist, was er für ein liebreiches Vaterherz zu uns hat, und lauter Gedanken des Friedens über uns heget. Ja, dieser dein Geist ist schon in der heiligen Taufe reichlich über uns ausgegossen worden, da du uns eben zu deinen Kindern in den ewigen Gnadenbund hast angenommen. Und da ich nun diesen Bund erneuert habe, ja noch den Augenblick erneuere, und mich dir auf's Neue hingebe, so gehet ja Alles mich wieder au, was du mir da in der heiligen Taufe geschenket hast; und also muß auch der heilige Geist noch reichlich über mich ausgegossen werden, folglich muß und wird er mir auch dein Erkenntniß reichlich mittheilen, und dein Vaterherz noch recht aufschließen, da ja noch der Erdboden mit deinem Erkenntniß soll bedecket werden, als mit Wellen des Meers. O das ist nun auch mein größtes Anliegen und meine größte Bitte, die ich schon so lange zu dir abgeschickt, daß ich dein Vaterherz und deinen lieben Sohn Jesum Christum, als meinen Heiland und Herrn durch deinen heiligen Geist noch recht klärlich erkennen, und in dieser Erkenntniß auch Gnade, Leben und Frieden, ja das ewige Leben finde. Nun, o lieber Vater, ich lasse dich nicht, du segnest mich denn mit dieser allein seligmachenden Erkenntniß deines väterlichen Herzens in Jesu Christo, deinem lieben Sohne. Ich muß dein Vaterherz und die Wunden Jesu noch mehr erkennen, ehe du mich heimholest; denn ich kann sonst nirgends im Tode einmal ruhen, und im Frieden aus der Welt gehen, als in deinem Vaterherzen und in den Wunden Jesu, da allein soll mein letztes Lager und auch die Thüre sein zu jenem ewigen Leben. So mache mich nun noch mit dir recht vertraut und bekannt, daß ich mich mit allem meinem Anliegen in dein Herz zur Ruhe lege, Alles bald im Gebet in dein Herz ausschütte, und nichts auf meinem Herzen liegen lasse, Alles Gute auch nur aus deinem Herzen herhole und mich immer des Allerbesten zu deinem Vaterherzen versehe, da du auch mir aus diesem deinem väterlichen Herzen das Beste, das beste Kleid, das beste Theil, deinen lieben Sohn selbst und mit ihm schon Alles, so auch den heiligen Geist, gegeben hast. Und darum laß mich nun ja von deinem Vaterherzen auch nicht anders urtheilen als nach deinem Wort, und daher stets im Worte bleiben, und also auf's Wort, das du nicht brechen kannst, leben, hoffen und harren, und auf's Wort auch gläubig in deinem Herzen und in den Wunden Jesu erfunden werden und im Frieden heimfahren in's ewige Leben, in's rechte Vaterland! Amen! Amen!

Mein Vater, du bist ewig treu,
Du kannst dein Wort nicht brechen;
Du stehest mir in Allem bei,
Denn hier steht dein Versprechen:
Ich bin bei dir in aller Noth,
Ich will dich nicht verlassen.
O! lehre mich auf Noth und Tod
Dieß Wort im Glauben fassen!
Du hast zu helfen zugesagt,
Du hörest unser Flehen;
Wer nur an sich, nicht dir verzagt,
Und nur auf dich will sehen,
Der wird doch noch mit frohem Muth
Dein Wort die Wahrheit nennen,
Und dich, trotz aller Feinde Wuth,
Als seine Hilf' erkennen.
Du gibest mir ja selbst den Sohn,
Das Kleinod aller Gaben,
Wie sollt' ich nicht von deinem Thron
Auch alles And're haben?
Der mir das Größt' und Beste schenkt.
Wird auch das Kleine geben,
Der selbst sein Herz in meines senkt,
Gibt ja wohl Kraft und Leben.

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