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Böhme, Jakob - An Herrn N.N.

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Am Tage „der Einreitung Christi“ 1623.

Unser Heil im Leben Jesu Christi in uns!

Den Menschen versucht seine eigene Natur, welche in ihrem Centrum außer der Liebe Gottes in eitel Angst, Streit und Widerwärtigkeit stehet, in welche der Teufel seine falsche Begierde einscheußt, den Menschen von solcher hohen Gnade und Liebe Gottes abzuführen. Diese Versuchung ist die größte, und ist eben der Streit, welchen Christus mit seiner eingegossenen Liebe in des Menschen Natur wider solche Ichheit, auch wider Gottes Zorn, Sünde, Tod, Teufel und Hölle hält: Da der menschliche Drache soll mit der Liebe Christi verschlungen und verwandelt werden in ein englisches Bild. Und so euch nicht wäre die Liebe Gottes in Christo eingeflößet worden, so hättet ihr diesen Streit nicht, sondern der Drache als der falsche Teufelswille behielte sein Naturrecht. So geschiehet nun diese ängstliche Anfechtung in der Natur ganz empfindlich von dem Drachen, welcher sich mit seiner eigenen Natur ängstet, wann solche große Liebe Gottes in ihn kömmt, und ihm sein Naturrecht in einen göttlichen Willen verwandeln will. Denn allhie stehet Christus als der Schlangentreter im Menschen in der Hölle, und stürmet dem Teufel sein Raubschloß; daher kömmt solcher Streit, da Christus und Lucifer miteinander um die Seele streiten, wie auch Gott in der ersten Versuchung hat sehen und erkennen lassen. Also zertritt Christus der Schlange den Kopf, und also sticht die Schlange Christum in die Ferse, und stehet die arme Seele in Mitten in großem Zittern und Trauren, und kann hiebei nichts thun, als nur in der Hoffnung stehen, vermag auch ihr Angesicht vor Gott nicht zu erheben und ihr Gebet zu verbringen, denn der Drache wendet ihr das Gesichte gegen diese Welt in Eitelkeit, und weihet ihr der Welt Schönheit und Herrlichkeit, und spottet ihrer, daß sie will eine andere Creatur werden, und hält ihr vor das Reich, darinnen sie stehet, und ihren natürlichen Grund. Und allhie stehet die Seele mit Christo in der Wüste in der vierzigtägigen Versuchung, da ihr dieser Welt Macht, Herrlichkeit, Reichthum und Wollust angeboten wird, sie soll sich nur wieder erheben, und in das Selbstwollen eingehen.

Die andere Versuchung von Lucifer und eigenen Drachen der Natur ist diese, daß, wann die Seele hat die göttliche Liebe gekostet, und einmal ist erleuchtet worden, so will die Seele dasselbe Licht zum Eigenthum haben, und in ihrer Habhaftigkeit in eigener Gewalt darinnen wirken, versteht die Natur der Seele, welche außer Gottes Licht ein Drache ist, wie Lucifer, die will es zum Eigenthum haben; aber das Naturrecht will dieser Drache nicht übergeben, er will ein Macher und Schöpfer der göttlichen Kraft sein, und in großer Freude in seiner Feuersnatur darinnen leben, und das mag nicht sein. Dieser Drache, als die Feuersnatur, mit seinem eigenen Willen, soll sich lassen in ein Liebefeuer verwandeln, und sein Naturrecht verlassen: er aber will es nicht gerne thun, sondern stehet sich in solcher Verwandlung um nach eigener Macht und findet keine; so hebet er an zu zweifeln an der Gnade, dieweil er stehet, daß er soll in solcher Wirkung seine natürliche Begierde und Willen verlassen, so erzittert er immerdar, und will nicht des eigenen Naturrechtes in dem göttlichen Lichte ersterben; er denket immerdar, das Gnadenlicht, welches ohne solche Schärfe und Feuersmacht wirket, sei ein falsches Licht. Daher kömmt es, daß alsdann der äußeren Vernunft, welche ohne das nichts stehet, immerdar dünket: o wer weiß, wie es mit dir ist, ob‘s auch wahr sei, daß dich Gott erleuchtet habe, daß er in dir ist, es mag etwan eine solche Einbildung sein gewesen; du stehest doch nicht dergleichen an andern Leuten, sie gedenken gleichwohl selig zu werden, als du, du bist nur der Welt darum zum Narren worden, und stehest doch in Furcht und Zittern vor Gottes Zorn, mehr als sie, welche sie alleine der verheißenen Gnade trösten auf die zukünftige Offenbarung. Also kömmt es alsdann, daß wohl der inwendige Grund nach der Anzündung und Bewegniß des Lichtes seufzt, und gerne wollte haben; aber die Natur vermag nichts; ihr ist, als wäre sie ganz von Gott verstoßen, welches auch wahr ist nach dem eigenen Willen, denn Gott hat einen neuen Willen in sie gepflanzt, sie soll ihres eigenen Willens ersterben, und in Gottes Willen gewandelt werden. Und darum, daß allhie der Natur-Wille sterben und sein Recht übergeben soll dem Willen Gottes, so sind solche schwere Anfechtungen darinnen, denn der Teufel will nicht, daß sein Raubschloß einfalle: denn soll Christus im Menschen leben, so muß der eigene Lustgeist sterben; und da er doch nicht ganz stirbet in dieser Zeit wegen des Fleisches, sondern täglich stirbet und doch lebet, darum ist solcher Streit, welchen kein Gottloser fühlet, sondern nur diese, welche Christum angezogen haben, in denen Christus mit dem Lucifer streitet.

Die dritte Anfechtung stehet in den Raubschlössern des Teufels, als im Willen und Gemüthe sowohl im Fleisch und Blut, da in dem Menschen liegen die falschen Contra, als da ist eigener Wille zu hoffärtigem zeitlichem Leben, zu Fleischeslust, zu irdischen Dingen; item, viel Flüche der Menschen, welche ihm sind durch seine Versuchung in Leib und Seele gewünschet worden, alle Sünden, welche sich haben eincentriret, und im Geist-Gestirne stehen, als ein festes Schloß, in welchem Christus jetzo stürmet und es zerbrechen will, welches Schloß der eigenen Macht, Wollust und Schönheit dieser Welt der menschliche Wille noch immerdar für Eigenthum und sein Bestes hält und nicht will übergeben, und Christo gehorsamen. Darum, mein christlicher Bruder, gebe ich euch zu erkennen, was mir unser lieber Herr Jesus Christus in meiner Betrachtung gezeiget hat: prüfet euch selbst, was eure Anfechtung sei. Unser lieber Herr sagte: wir sollen Alles verlassen, und ihm nachfolgen (Marc. 10, 21): so wären wir recht geistlich arm. Ich fürchte, daß noch etwas an euch sein wird, was Christo zuwider ist, darum der Streit in euch ist. Christus will, daß ihr sollet mit ihm eures Willens in seinem Tode sterben und in seinem Willen aufstehen und mit ihm leben; und stehet Christus jetzo in euch in der Seele und streitet um eure Seele. lasset fahren allen irdischen Willen, und ergebet euch ihm ganz und gar, und lasset Lieb und Leid in euch alles eines sein; so werdet ihr mit Christo ein Ritter über Welt, Teufel, Tod und Hölle werden, und endlich erfahren, was Christus in euch gewesen sei, und warum euch ein solches widerfahren ist, welches aller Kinder Christi Prozeß gewesen ist, und meine es christlich.

Quelle: Renner, C. E. - Auserlesene geistvolle Briefe der Reformatoren

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