Blumhardt, Christoph - Andachten zum 5. Buch Mose

Blumhardt, Christoph - Andachten zum 5. Buch Mose

5. Mose 3,24.

“HErr, HErr! Du hast angehoben, zu erzeigen Deinem Knecht Deine Herrlichkeit und Deine starke Hand.“

Mose erzählte in dem letzten Monate seines Lebens noch einmal dem Volke, was mit ihm von Ägypten an vorgehangen sei. Hierbei kommt er auch an den Aufruhr des Volks, als es sich vor Kanaan und dessen Einwohnern so sehr fürchtete. Da erzählte er, wie er zu selbiger Zeit habe beten müssen, dass doch der Zorn Gottes vorübergehen und die vorher erfahrene Gnade wiederkehren möchte. Dabei führte er auch die Worte an, mit welchen er damals seine Bitte zu Gott eingeleitet hatte. Kurz gesagt, war es das, dass er betete, der HErr möge, wie Er angefangen, so doch auch fortmachen. Aus dem Anfang nämlich göttlicher Gnade darf man den Schluss ziehen, dass der HErr auch fortmachen werde, wenn wir Glauben halten. Er fängt nichts an, dass Er' s so bald wieder aufgebe. Er ist fest in Seinem Vornehmen und bleibt dabei. Wenn auch oft die Untreue der Menschen groß ist, so lässt Er doch Seine vorgefassten Pläne nicht so schnell fahren; und wenn es je und je auch den Anschein haben sollte, als gebe Er es auf, so verschiebt Er's doch nur auf spätere Zeiten. Wenn also auch eben damals bei der großen Verschuldung des Volks der Herr sagte: „Ich will nichts mehr von euch, ihr sollt nun in der Wüste bleiben und da verderben!“ so war's nicht nur nicht so gemeint, dass nun alles aus sei, - denn Gott wollte nun Mose dafür zu einem großen Volke machen, - sondern es war auch für jenes Geschlecht, weil einmal Gott mit diesem angefangen hatte, noch alles zu hoffen, wenn es zum Glauben zurückkehrte. So wagt es denn Mose, im Glauben zu Gott zu sagen: „Du hast einmal angefangen; nun lassen wir nicht von Dir, Du musst auch fortmachen.“

Der Glaube darf es, so zu sagen, von Ihm fordern; und wie es Mose im Glauben forderte, so wurde es denn auch. Wie viel gibt uns das Trost und Zuversicht!

Zusatz: Das ist etwas, das wir auf uns zu unsrem Trost vielfältig anwenden können, namentlich in Sachen Seines Reiches. Wir dürfen uns auf vorhin empfangene Gnaden berufen und zum HErrn sagen: „Soll denn das alles umsonst sein, was Du getan hast? Sollen wir gar andern Leuten zum Gespött werden, dass sie sagen, Du hättest es angefangen, aber nicht hinauszuführen vermocht?“ Der liebe Gott lässt uns allerdings stecken, wenn wir im Glauben zurückgehen, wenn wir aufhören treu zu sein, mit unsrem kindlichen Vertrauen nachlassen, und dabei nicht mehr zurückkehren, nicht mehr in Demuth bitten, sondern im Unglauben und in der Gleichgültigkeit verharren. Da lässt Er uns fallen, denn nur mit unsrem Glauben will Gott fortkommen. Wo Er keine Habe mehr hat an unsrem Glauben und Vertrauen, da geht es rückwärts, wo Ihn aber der Glaube wieder fasst, wenn es auch bereits noch so weit rückwärts gegangen ist, da geht es wieder. Der Glaube eines Mose hat alles wieder zurecht gebracht, so dass das Volk wohl eine Zeitlang noch in der Wüste bleiben musste, aber seine Hoffnung gewiss hatte, wenn es Zeit sei, ins gelobte Land zu kommen. Das hat Mose mit seinem starken Glauben und brünstigen Gebet zuwege gebracht. Wir aber haben ja auch einen freien Zugang zum Vater durch Christum. Was vermöchten nicht auch wir durch gläubiges Anhalten?

Mel. O Gottes Sohn HErr JEsu.

HErr, unser Gott, erhalt' uns Du
In den Versuchungsstunden.
Eil', JEsu, Deinen Streitern zu,
Bis dass sie überwunden.
Du Geist der Wahrheit und der Kraft,
Bewahre Christi Jüngerschaft
Vor lügenhaften Kräften!

5. Mose 4,7

Wo ist so ein herrlich Volk, zu dem Götter also nahe sich tun als der HErr, unser Gott, sooft wir Ihn anrufen?“ („ Wo ist so ein herrliches Volk. dem ein Gott so nahe ist wie uns der HErr, unser Gott, sooft wir Ihn anrufen?“)

Es war allerdings etwas besonders Großes, Wichtiges und Einziges in Israel, dass sich der HErr, sooft Er angerufen wurde, den Anrufenden nahetrat. So konnte es kein Volk auf Erden haben, weil alle Völker den Götzendienst hatten, stumme Götzen anbeteten.

Nahe machte sich der HErr durch Erhörungen aller Art, durch Wohltun der Gemüter, insbesondere beim hohenpriesterlichen Segen, den man im Tempel empfing, und nahe kam Er unter den Beobachtungen der gottesdienstlichen Ordnungen und Anstalten. Wer in den Tempel kam, konnte etwas zur Beruhigung seines Herzens und zum Trost finden wie eine Hanna, die nach der Unterredung mit dem Hohenpriester Eli so getröstet von dannen ging. Leicht war es einem Israeliten, die Nähe seines Gottes zu empfinden, wo er Ihn auch anrief, wie uns namentlich die Psalmen lehren können.

Der HErr gab sich aber auch persönlicher in Israel den Anrufenden kund; und wenn es auch durch Engel geschah, war es immer der HErr, und nur Er. Er ließ sich förmlich fragen und erteilte Rat und Antwort, sooft man's bedurfte. So bekam auch David auf seiner Flucht vor Saul vermittelst des priesterlichen Leibrocks - denn gewisse Formen, unter denen sich Gott bezeigte, waren da notwendig - öfters Rat und Aufschluss. Mose insbesondere konnte zu jeder Stunde den HErrn fragen und bekam in allen schwierigen Sachen Auskunft. Auch Josua konnte so mit Gott reden. Später blieb's mehr bei den Hohenpriestern. Und als diese lau und gleichgültig wurden, erweckte Gott unter dem Volk beliebig Seher und Propheten, bei welchen jedermann sich Rat erholen konnte und durch welche Gott auch ungefragt Weisungen, Drohungen und Verheißungen gab, wie es die Pflege des Volks erfordern mochte. Das war doch etwas Schönes und Liebliches, wie es kein Volk auf Erden gehabt hat! In der Folge brachte der Hang des Volkes zum Götzendienst große Störungen, und es mischten sich auch falsche Propheten ein. Nach der Babylonischen Gefangenschaft, da sich das Volk mehr an Formen hielt als an Gott und weltlicher wurde, hörten die persönlichen Bezeigungen Gottes bald ganz auf und wurden nicht einmal unter den großen Kämpfen der Makkabäer fühlbar, oder nur in sehr schwachem Grade.

Was aber Israel einst hatte, sollte im Neuen Bunde viel völliger werden, wie schon die Verheißungen anzeigen, besonders die Verheißungen des Heiligen Geistes, der als Lehrer, Tröster und Führer allen Gliedern der Gemeine zukommen sollte. Alle sollten von Gott gelehrt sein, unter Seinem unmittelbaren Einfluss und Schutz stehen und das Nahesein des Heilandes fühlen, sooft sie Ihn anrufen würden.

Wohl sind wir nach und nach in eine arme Zeit hineingekommen und mögen mehr die Empfindung Seiner Ferne als Seiner Nähe haben. Aber noch hat Er sich nicht Seinen Kindern so verborgen, dass Er nicht mehr nahekäme, wenn wir ernstlicher und lauterer Ihn anrufen würden. Auch Weisungen können wir im Stillen bekommen durch Winke und Züge, die der Geist Gottes den Herzen gibt.

Wohl sehnen wir uns nach völligeren Bezeigungen des HErrn, wie sie vormals waren; und sie mögen auch, wenn es Zeit ist, wiederkehren.

Aber würden wir das, was wir haben, nur treuer benützen und würden wir kindlicher glauben: wir könnten's wahrlich immer noch erfahren, dass Er sich uns nahen tut, sooft wir Ihn anrufen!

5. Mose 26,18.

Der HErr hat dir heute geredet, dass du Sein Volk sein sollst, wie Er dir geredet hat, dass du alle Seine Gebote haltest.

Mose spricht in den letzten Tagen seines Lebens mit dem Volke und sagt es ihm noch einmal mit väterlichem Tone, wie hoch begnadigt es sei.

Gottes eigenes Volk solle es sein, wie der HErr selber sage. So nennt der HErr das Volk vor allen andern Völkern, weil Er nur mit ihm reden konnte. Alle andern Völker waren unzugänglich. Wenn Gott sich ihnen auch bezeigen wollte, so konnte Er doch keinen Grund bei ihnen legen; und es lief bei ihnen alles immer wieder auf nichts hinaus, so dass keine Gemeinschaft zwischen ihnen und Ihm entstand. Erst mit Abraham und seinem Samen, soweit er im Glauben stand, konnte Gott auf dauernde Weise reden. Und in den Nachkommen blieb die Richtung zu Gott, der Glaube an Seine persönliche Offenbarung so tief gewurzelt, dass zuletzt Gott durch Mose dem ganzen Volk sich kundtun konnte. So geschah es, da sich das Volk auch leiten ließ, dass Gott dasselbe jetzt Sein Eigentum nannte: das Volk der Erde, bei dem Er gleichsam zu Hause sein und einkehren wollte. Sonst konnte Er nirgends sozusagen zu Hause sein.

Merken wir's daher: Wer Ihn hört, mit wem Er reden kann, und wer auf Seine Stimme und Gebote achtet, wie unser Spruch andeutet, der ist Sein Eigentum, bei dem fühlt Er sich zu Hause!

Es darf uns also nicht befremden, dass Gott nur Israel und sonst kein Volk Sein Eigentum nannte, als ob Er hätte parteiisch sein und hätte nach den andern nichts fragen wollen! Wir sind auch Sein Eigentum, wenn wir Ihn annehmen, Ihn mit uns reden, Seine Gebote uns gefallen lassen. Tun wir das, so will Er bei uns einkehren, uns segnen und wohltun. Wir sind dann auch unter Seine besondere Obhut gestellt; und Er bezeigt sich uns als Vater und lässt uns Kinder sein in Zeit und Ewigkeit. Wer Ihn nicht anhört, nicht annimmt, nicht gelten lässt, ist Ihm fremd und lässt Ihm gleichsam nur den Seufzer: „Ach, dass er zu Mir käme und Mein würde!“

Indessen hat Gott schon durch die Annahme Israels Sorge dafür getragen, dass das Ihm fremd Gewesene doch noch auch Sein Eigentum werde. Israel war nur das Erstlingsvolk, an dem der Faden angeknüpft wurde, der sich zuletzt noch um alle Völker schlingen sollte. So hat denn der Heiland Seine Jünger zu allen Völkern geschickt. Und einst werden sie in großen Scharen aus allen Geschlechtern und Zungen und Sprachen und Völkern zu Gott kommen; und dann wird Er unter allen als unter Seinem Eigentum wohnen und ihr Gott sein, wie sie Sein Volk sein werden, und zwar in alle Ewigkeit!

Zusatz „Beruf des Volkes Gottes“

Unser Spruch sagt aber auch noch, wozu Israel das Eigentum des HErrn sein sollte: nämlich dazu, dass es alle Seine Gebote hielte. Nur weil es willig war, nicht nur im Glauben den Führungen des HErrn zu folgen, sondern auch Seine Gebote anzunehmen, die auf Sinai ihm gegeben wurden, konnte Er es Sein Eigentum nennen; und nun sollten sie die Gebote auch halten. Die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes sollte einen Ausdruck finden im Volke und in seinen Einrichtungen, so dass Gott gleichsam vor allen Kreaturen sagen konnte: „Hier habe ich ein eigenes Volk, das Meine Gebote und Rechte und Satzungen angenommen hat und wert hält.“ Wurden denn zwar diese Gebote auch nicht von allen gehalten, so galten sie doch im Volke als einem Volk; und des HErrn Namen und Wesen blieb bei ihm repräsentiert.

Wer also auch von uns in vollem Sinne Gottes Eigentum sein will, bedenke, was von ihm gefordert wird: Er soll wandeln in den Geboten Gottes, des Glaubens und der Liebe; er soll, wenn es bei ihm fehlt, es mit seiner Buße - wie sie sich einst in den Opfern kundtat - zu erkennen geben, wie gerne er ein Täter des Wortes Gottes wäre. So sagt auch Petrus (1. Petr. 2, 9), wir, die Christen, seien fortan „das auserwählte Geschlecht, das Volk des Eigentums, dass wir verkündigen sollen die Tugenden des, der uns berufen hat von der Finsternis zu Seinem wunderbaren Licht“. Und auch Paulus sagt es sehr nachdrücklich (Eph. 1, 4), wir seien „erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir sollten sein heilig und unsträflich vor Ihm in der Liebe“.

Wie deutlich ist's uns doch gesagt, wie wir Sein eigen werden können! Möchten wir's täglich bedenken!

Was wird's aber doch einmal sein, wenn alle Seine Kinder aus allen Geschlechtern der Erde sich als Sein Eigentum, als Seine eigenste Familie um Ihn her versammelt haben werden - zu ewiger Freude und Wonne!

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autoren/b/blumhardt_d_a/blumhardt-5._buch_mose.txt · Zuletzt geändert: von aj
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