Blumhardt, Christoph - Andachten zum 2. Buch der Chronik

Blumhardt, Christoph - Andachten zum 2. Buch der Chronik

2. Chronik 15,2.

Der HErr ist mit euch, weil ihr mit Ihm seid; und wenn ihr Ihn suchet, wird Er sich von euch finden lassen. Werdet ihr aber Ihn verlassen, so wird Er euch auch verlassen.

Mit dem HErrn seyn, bleibt unsre Aufgabe. Wir sollten in Allem, was wir thun, Ihn dazu nehmen, Ihn dabei haben, auf Sein Wirken und Wollen achten. Sind wir denn so mit Ihm, mit unsrem ganzen Sinn. auf Ihn gerichtet, so ist Er auch mit uns und gibt uns Segen und Gedeihen in Allem, was wir vornehmen, insbesondere Seinen Schutz unter allen Anfechtungen und Nöthen, die uns betreffen. Wenn wir nur immer ihn in Gedanken hätten, wie gut müßte es uns gehen allezeit!

Heißt es aber weiter: „Wenn ihr ihn suchet, wird Er sich von euch finden lassen,“ so setzt das voraus, daß Er oft nicht bei uns ist, wir Ihn nicht bei uns haben, wenigstens dem Anschein nach. Dieß ist der Fall, wenn uns nichts nach Wunsch gehen will, wenn nichts einen rechten Fortgang hat, wenn in Alles herein Störungen und Hindernisse kommen, wenn wir der Spielball der Verhältnisse oder böser Menschen, innerlich auch der Finsterniß zu seyn scheinen, ohne eine Hülfe vor uns zu sehen. Da ist es, als hätten wir den HErrn verloren, hätte Er sich entfernt und bei Seite gemacht. Deßwegen wird's uns anbefohlen, daß wir Ihn suchen sollen, damit er sich wieder nahe mache, und wir Ihn wieder hätten. Denn wir werden, ist uns verheißen, Ihn nicht vergeblich suchen; Er wird sich von uns finden lassen. Wir suchen Ihn aber damit, daß wir Ihn kindlich anrufen, unser Vertrauen zu Ihm uns nicht nehmen lassen, auch forschen und sehen, wie weit's an uns liege, daß er nicht recht bei uns seyn will, und uns demüthigen, um mit verändertem Sinn, so weit es nöthig ist, in Allem uns zu stellen. Thun wir dieß, so kann uns mehr und mehr Seine Nähe wieder fühlbar werden.

Umgekehrt aber könnten wir Ihn auch verlassen, wie der Spruch sagt. Dieß thun wir auf doppelte Weise. Entweder laufen wir weg von Ihm, angelockt durch Anderes, das uns gefangen nimmt, daß wir nicht nur aufhören, Ihn anzurufen und nach ihm und Seinem Wort zu fragen, sondern auch allerlei böse und verkehrte Wege gehen, gleichsam hinter Ihm. Solch muthwilliges Weglaufen, dabei wir von einer Sünde in die andere kommen und vielfältig den HErrn verleugnen, kommt uns theuer zu stehen. Denn dann überläßt Er uns unsrem Schicksale, wo das dann auch uns hinführen mag. Und in welche Abgründe kann's gehen, wenn er uns verlassen hat!

Oder wir verlassen den HErrn schon damit, daß wir Ihn nicht ernstlich suchen, wenn er scheinbar weg ist. Was thut ein Kind, wenn es die Mutter verloren hat? Es schreit so lange, bis es dieselbe wieder hat. Thut's das nicht, so ist's kein Kind mehr, und hat es im Herzen die Mutter verlassen und aufgegeben. Wir aber, wenn wir den HErrn und Seinen Segen verloren haben und uns nichts darum kümmern, nichts darnach fragen, ob Er bei uns ist oder nicht, nichts thun, um Seine Spur wieder zu bekommen, dagegen uns selbst nun auf allerlei Weise, wie's geht, zu helfen suchen ohne ihn, haben wir damit Gott nicht verlassen? Machen wir's so, so kehrt Er freilich nicht wieder und verläßt Er uns erst recht.

Oft stellt uns Gott damit, daß Er uns allein läßt und ferne steht, nur auf die Probe, ob wir uns um Sein Herkommen bemühen wollen oder nicht. Sorgen wir doch, daß wir in der Probe bestehen; und thun wir ihm die Unehre nicht an, daß Er, sich gleichsam unser schämend, wegbleiben muß. Schon mit Geduld und stillem Harren geben wir Ihm die gebührende Ehre.

Mel. O, Du Liebe meiner.

Bleibe mir stets in Gedanken,
Daß mein Herz Dich nicht verläßt;
Mach es, wenn es wollte wanken,
Durch die Gnade wieder fest.
Bleibe bei mir, was ich schaffe,
Bleibe bei mir, wo ich ruh'.
Bleibe bei mir, wenn ich schlafe;
Weicht mir Alles, bleibe Du.

Zusatz (Asaria's Spruch.)

Betrachten wir den Spruch im Zusammenhange, so trat mit demselben ein Mann, Namens Asaria, auf, den der Geist Gottes kam, vor den König Assa. Er sollte diesen auf schwere Zeiten, die kommen würden, vorbereiten; und auf solche schwere Zeiten sollte sich das Volk den Zuspruch des Propheten merken. Sie sollten nur nicht von Gott lassen, mit Ihm seyn, Ihn suchen; dann dürften sie nicht erschrecken, wenn auch ein Volk das andere, eine Stadt die andere zerschmeißen, und allerlei Angst überall hin sich verbreiten werde. Unter Allem sollen sie getrost bleiben und ihre Hände nicht ablassen; denn ihr Werk würde seinen Lohn haben.

So sprach Asaria; und man sieht es deutlich, daß der Prophet, nach der Propheten Art, nicht nur von Nahem, sondern auch von fernem Zukünftigen redet, daß es auch auf die letzten Zeiten hin seine Bedeutung behält; und so können wir, was er sagt, gar gut auch auf unsre Zeiten deuten. Manche Schrecknisse werden noch über uns kommen, wenn wir das Ende und nahe denken, bis der HErr wird da seyn; aber Asaria sagt uns, wie wir uns dabei zu verhalten haben. Alles haben wir darauf zu verwenden, daß wir nur bei Ihm seien mit unsrem ganzen Sinn, und bei dem Herrn, unsrem Heilande, dessen Zukunft sich anbahnt, damit er auch bei uns sei. Ist unser Herz treu, namentlich auch im Bekenntniß Seines Namens, wenn wir um dessen willen angefochten werden, so wird in diesen allerschwersten Zeiten das Nahesein des HErrn uns besonders fühlbar werden, weil sich's in Errettungen und Bewahrungen tausendfältig und wunderbar zu erkennen geben wird, und in außerordentlichen Erweisungen Seines heiligen Geistes. Wird denn auch das Gedränge groß, so daß Alles um uns her dunkel wird, weil der Feind die Uebermacht hat, und nirgends ein Ausweg sich zeigen will, dann dürfen wir den HErrn suchen und immer wieder neue Erweisungen Seiner Wunderhülfe erwarten. Was wird's dann vollends seyn, wenn der HErr kommt und Sein Lohn mit Ihm (Jes. 40,10)?

Das Gefährlichste aber wird in solchen Zeiten seyn, den HErrn zu verlassen, d. h. den Muth zu dem HErrn aufzugeben und dem Andrang der Widerchristen aus Furcht und Zagen nachzugeben, daß wir verleugnen und uns gar auf die Seite des Feindes stellen. Wie leicht kann es dann auch geschehen, daß wir uns durch das, was der Widerchrist Gleißendes uns vor Augen zu stellen weiß, verblenden und bethören lassen, als sei eben das das Rechte, zu dem wir uns zu kehren hätten, während es im Grunde nichts Anderes ist, als ein Verlassen des HErrn! Da wäre denn Alles für uns verloren, weil da uns der Herr ganz und gar verließe. Welcher Schrecken dann, wenn Er kommend sagt: „Weichet von Mir, Ich habe euch noch nie erkannt.“

Wollen wir denn schon unter den jetzigen Anfechtungen, die groß sind und oft schon so groß, daß man meint, sie nicht überstehen zu können, in Geduld und Glauben uns üben, in aller Dunkelheit den HErrn im Herzen nicht verlassen und mit Bitten und Flehen anhalten, daß er sich doch in Zeiten recht nahe machen möge zu Seinen schwachen Kindern, damit die Versuchung für sie nicht zu mächtig werde. Zu lange läßt Er die Getreuen nicht auf sich warten. „Er ist treu, der uns nicht lässet versuchet werden über Vermögen, sondern macht, daß die Versuchung so ein Ende gewinne, daß wir's können ertragen.“

2. Chronik 36,23.

Wer unter euch Seines Volkes ist, mit dem sei der HErr, sein Gott, und er ziehe hinauf!

Kores, der persische König, hatte eben Babylon erobert. Nun will er mit diesen Worten den Israeliten, die als Gefangene in seinem Reim waren, die Erlaubnis geben, wieder nach Hause zurückzukehren.

Statt einfach die Israeliten (als Ganzes) anzureden, redet er die an, die „des HErrn, ihres Gottes“, wären. Es ist, wie wenn er wüßte, daß nicht alles, was Israel heißt, auch des Volkes Gottes sei oder sich viel um den Gott bekümmere, dem es angehören und dienen sollte - daß also nicht allen daran liegen werde, wieder nach Hause zu kommen. Denn es behagt ihnen nun auch unter den Heiden.

Da hat Kores wohl auch recht gehabt. Es kehrten wirklich nicht alle zurück. Und unzählige Israeliten blieben in seinen Landen sitzen, je in den Städten, da sie sich niedergelassen hatten. Von diesen mochten die meisten kein rechtes Herz für den Gott ihrer Väter gehabt haben. Denn ein Israelit in jener Zeit, dem es außerhalb seiner Heimat gefiel, war doch meist nur halben Sinnes bei seinem Gott. Zudem mußten die andern das, was sie im fremden Land erworben hatten, verlassen, mußten sich allerlei Entbehrungen und Mühseligkeiten auf der langen und beschwerlichen Reise auferlegen, mußten sich auch unter viel Not und Bekümmernis frisch in einem zerstörten Lande ansiedeln. Für das alles hatten die Zurückbleibenden nicht genug Liebe zu ihrem Gott.

Wie sieht's aber bei uns Christen aus? Könnte man von allen sagen, sie seien des HErrn, ihres Heilandes, nach dem sie sich nennen? Wenn man sich wegen Unternehmungen und Aufopferungen an die wendet, die ihres Heilands sind: wie viele beteiligen sich? Man sieht's ja, wie wenige z. B. ein Interesse für die Heidenwelt zeigen, die doch auch des Heilands werden soll; d. h. wie wenige sich herbeilassen, wenn sie zur Beteiligung an der Heidenbekehrung aufgefordert werden. So ist es auch mit andern gemeinnützigen Bestrebungen. In allen ist das Häuflein derer, die für den Heiland einstehen, stets ein geringes. Doch sind unter den Vielen immer auch solche zerstreut zu finden, denen man getrosten Mutes, um mit dem Spruch zu reden, zurufen kann: „Hinauf nach Jerusalem!“

Diese wagen's, koste es, was es wolle! Und diese dürfen sich des Gnadenschutzes - vom HErrn erfreuen - wie ihn die, die aus Babylon heimkehrten, nach dem Wort des Kores erfahren durften: „Mit ihnen sei der HErr, ihr Gott!“ War die Aufgabe der Rückkehrenden auch schwer und mühevoll, so gelang's ihnen doch! So wird's auch allen gelingen, die nach dem himmlischen Jerusalem wallen mit dem treuen Sinn der Verleugnung und Aufopferung. Ihr Erbarmer ist mit ihnen und führt über alles Schwere hinüber, bis sie das haben, was ihr Herz begehrt. Den Trägen und Lässigen, die dahintenbleiben und sich an Tand und Eitelkeit der Welt festbinden, wird's fehlen, kann's zuletzt ganz fehlen! Denn mit ihnen kann der HErr, ihr Gott, nicht sein.

O möchte die Zeit bald kommen - wie sie verheißen ist -, da ein neuer Ruf erschallen darf, dem HErrn nach auszuziehen; da dann ihrer viele erwachen, die noch schlafen, und sich, wenn auch unter heißen Kämpfen, rüsten auf den Tag der Offenbarung der Herrlichkeit der Kinder Gottes!

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