Blarer, Ambrosius - Über seine Flucht aus dem Kloster und das Klosterleben

Blarer, Ambrosius - Über seine Flucht aus dem Kloster und das Klosterleben

„Als in nächst verruckten Jahren die Schriften und Bücher Martin Luthers ausgegangen und erschollen, sind sie auch mir, vor und ehe sie von geistlicher oder weltlicher Obrigkeit verboten und verdammt, zu Handen worden, welche ich dann wie auch andere und ausgedruckte Geschäften besehen und gelesen; habe mich also gebraucht der Freiheit, so uns der heil. Paulus (1 Thessal. 5.) gegeben und gegönnt hat, daß wir alle Dinge probiren und ersuchen und aber uns nachmal des Guten, so wir daran finden, halten und demselbigen anhängig sein sollen. Als mich aber anfänglich solche Lehre etwas fremd und seltsam, auch mißhellig und entgegen bedacht langzeit hergehaltener Theologia und kluger Schullehre, auch etlichen Satzungen und Ordnungen des päpstlichen geistlichen Rechts, desgleichen langen und, als mich bedünkt, löblichen und von unsern Voreltern auf uns erwachsenen Herkommen und Bräuchen, und ich aber nichts desto minder dabei scheinbarlich merkte, daß dieser Mann allenthalben in seiner Lehre anziehe helle klare Sprüche der hl. Schrift, nach welcher denn alle andern menschlichen Lehren gerichtet, geurtheilt, auch angenommen oder verworfen werden sollen, ward ich durch große Verwunderung veranlaßt, solche Lehre nicht ein oder zwei sondern zum öftern Mal fleißig und mit ernstlicher Aufmerksamkeit zu lesen, zu erwägen und gegen evangelischer und apostolischer Geschrift (auf welche sie sich mehrmals referirt und bezieht) zu halten, ob sie derselbigen zulauten und im Grund gleichförmig sein wollte. Aber je mehr, länger und fleißiger ich Solches that, je mehr ich verstand, wie dieser hochgelehrte erleuchtete Mann so mit großer Würdigkeit die hl. Geschäft behandelte und tractirte, so ganz rein und säuberlich mit umging, sie so klug und zierlich allenthalben anzog, so hübsch und künstlich zusammen verglich und mit einander vergattete, die finstern schweren Texte mit Einziehung anderer klarer verständlicher Sprüche erleuchtet und merklich gemacht hat, das dann in Handlung der Geschrift die größte Meisterschaft und zu einem recht gründlichen Verstand der allerzuträglichste Behelf ist, also daß auch ein jeder ziemlich verständige Laie, der seine Bücher recht besieht und fleißig liest, merklich greifen möchte, daß diese Lehre eine wahre, starke, ganz christliche Grundveste hat. Deßhalb sie auch mir ganz anmuthig worden und tief zu Herzen gegangen, ist mir auch nach und nach der Nebel viel anderen Mißverständnisses von dem Gesicht und die Schuppen wie dem hl. Paulo von den Augen gefallen, habe zuletzt mit großer Dankbarkeit erkannt, daß Gott unser Herr aus besonderer Gnade und väterlicher Barmherzigkeit zu uns gesehen und sich erbarmt hat unseres Elendes als derer, die er sah in Hunger und Durst des göttlichen Worts hin und her irre gehen, als die Schäflein ohne Hirten, in menschlicher, selbst fürgenommener Weise und Lehre, als in den blutten Bergen Gelboe, weder von Thau noch Regen gründlicher recht evangelischer Lehre befruchtet, und uns wiederum durch diesen geschrift- und gnaderleuchteten Mann aufgethan die Brunnen des lebendigen Wassers göttlicher hl. Lehre. Darum auch ich solche väterliche Gnadenbeweisung Gottes und vergebens aufgethanen Schatz und Seelenreichthum nicht versäumen, sondern mit durstigen, ganz hitzigen Begierden empfahen und annehmen habe wollen, auch schöpfen, wie der Prophet (Jes. 55, 12.) sagt, aus dem Brunnen des Behalters, damit ich als der selige Mann, von David beschrieben, sein möchte ein Holz gepflanzt neben dem Wasser und meine Frucht geben zu seiner Zeit. Denn mir diese Lehre keineswegs verdächtig oder argwöhnisch sein möchte als viel anderer Schullehrer, so ich vormals gelesen hatte, vonwegen daß sie weder auf Gewalt, Ruhm oder zeitlichen Genieß zielt, sondern bildet uns allein für den armen, verschmachteten, gekreuzigten Christum und lehrt uns ein rein, gedruckt, ganz gelassen und der Lehre Christi in allweg gleichförmig Leben; darum sie auch den geschwollenen, zerbissenen Doctoribus, die mehr ihre eigene Ehr und Ruhm denn den Geist Gottes in der Geschrift suchen, auch den gewaltsüchtigen, vielpfründigen Pfaffen unleidlich und zu schwer ist. Denn viel hundert Jahr her nie Keiner so viel schädlichen Irrthum und Geldstrick der Geistlichen entdeckt und ihre Finanzen und Heimlichkeit so scheinbarlich an das Licht gebracht, auch uns alle so fleißig, ernstlich und eindringlich zu einem recht unbetrogenen, kernhaften christlichen Leben und evangelischer Vollkommenheit gewiesen und vermahnt hat, als dieser treffliche Luther, daß auch die billig unsinnig und all ihrer Vernunft beraubt geachtet sollen werden, die da mit ihren unverschämten Lügenmäulern mit Lästerung Gottes und seines heiligen Wortes aus ganz freveler Durstigkeit sagen, er lehre Ungehorsam der Obrigkeit, fleischliche Wollust und Freiheit, Meisterlosigkeit, Verachtung Gottes und seiner Heiligen, Zerrüttung aller christlichen Ordnung u. dgl. Darum haben sie brüderliche Liebe so gar vergessen, daß sie ihm Solches aufrechnen und doch seine Geschäften selbst nicht haben gelesen oder hören lesen, sondern geben der leichtfertigen Menschen Gassengeschrei (das dann der Teufel ohn Unterlaß zu dieser christlichen Lehre Verhinderung anrichtet) hierin Glauben, wird ihre große Vermessenheit und Frevelurtheil billig unbrüderlich und sträflich geachtet. Haben sie aber seiner Lehre Wissen und Erfahrung und gießen doch nichts desto minder ihren unverdaulichen Magen dermaßen aus; ist ein gewiß Anzeigen, daß sie Gott der Herr geblendet hat. Zu dem Allem hat mich dieses Mannes Schreiben und Lehren mehr gefördert und gewiesen zu Verstand heiliger biblischer Geschrift, denn vormals all andere Lehrer, derer ich doch von Jugend auf viel und manchen gelesen habe; welches Lob ich ihm allweg ohn alles Entsetzen verleihe, will solche sonderliche Gnade Gottes in ihm erkennen, preisen und rühmen, so lange mir gegönnt wird Brauch meiner Zunge; werde auch bei solcher Lehre, wo sie sich (wie denn mehrmals) gründet in das göttliche Wort, allweg bleiben, eher Leib und Leben und all mein zeitlich leiblich Vermögen verlieren, denn mich davon dringen lassen, nicht von des Luthers wegen, dessen Person mir außerhalb seines Schreibens fremd und unbekannt, ist auch ein Mensch und mag derhalb wie andere Menschen, die David alle Lügner schilt, irren und fehlen, aber von des göttlichen Worts wegen, das er so hell und klar vor ihm hat, so mit großem Sieg und Triumph, mit freimüthigem unerschrockenem Geist redet und erhellt vor den Feinden des Kreuzes Christi, daß wir doch greifen müssen göttliche Gewalt und Beistand, so wir sehen, daß sich viel Fürsten der Erden, Geistlich und Weltlich, an ihm abgerennt, auch Etliche, so sich weise und gelehrt dünken und deßwegen sich angemaßt, dem Geiste Gottes, der sich in dieser Lehre hören läßt, mit Gegenschreiben Widerstand zu leisten, sich selbst zu Gespött und Gelächter gemacht und ihre Unwissenheit in hl. Geschrift aller Welt verrathen und entdeckt haben, denn wider göttlichen Rathschlag keine menschliche Gewalt oder Weisheit Fürgang haben und bestehen mag. Darum ich mich keineswegs dieses Schulmeisters äußern oder verziehen würde, so lange ich das Wort Gottes und dessen Verstand bei ihm finde, wie auch Paulus Timotheum vermahnt, daß er sich sein nicht schämen wolle. Denn wiewohl ich hl. biblischer Geschrift auch von Jugend auf etwas obgelegen bin und mich in derselbigen geübt, habe ich sie doch nicht mit vollem Gesicht, hell und in ihrem Glanz, sondern allein durch das Gewölke menschlicher Gebote, Lehre und Auslegung gesehen, wie denn noch heut bei Tag viel subtile hirnspitzige Doctores den lebendigen Geist Gottes in seiner hl. Geschrift nicht finden können, stoßen sich bei heller Sonne, denn ihnen, wie Paulus sagt, der Vorhang Mosis, d. i. der Rauchbuchstab, der sie tödtet, gespannt ist über die Augen ihres Herzens. Deßhalb sie uns unter anderem Irrsal viel strenge und grausame Gebote und Verbote gemacht haben in unnöthigen Dingen, die uns von Christo und den Aposteln freigelassen, und wiederum aufgelöst und willkürlich gemacht die rechten kernhaften Hauptstücke eines evangelischen Lebens, die uns von Christo zu halten ernstlich befohlen und geboten sind, haben gute Räthe daraus gemacht, die wir ohne Verlust unseres seligen Heils halten oder lassen mögen, das dann wahrlich das verfluchteste, schädlichste Gift ist, das der Teufel hat können oder mögen gießen in die Herzen der Christgläubigen, wie auch der treffliche Chrysostomus anzeigt, daß diese falsche Achtung die ganze Welt verführe, daß man dafür will halten, ein recht steif, streng evangelisches Leben gehöre allein den Mönchen zu, den Andern sei erlaubt, lau, liederlich und fahrlässig zu leben. Darum wir denn billig hochfleißigen Dank sagen sollen göttlicher Erleuchtung, uns durch diesen hochverständigen Mann bewiesen, der uns aus solchem Mißverstand geführt und wiederum verursacht hat zu trinken aus dem rechten Ursprung evangelischer Lehre. Wiewohl Etliche hierum ein groß Geschrei anrichten und laut berichten, man habe uns auch zuvor allweg das Evangelium gepredigt und aus diesem Brunnen getränkt, weiß man doch wohl und hat in frischem Gedächtniß, ob es ihnen vergessen ist, wie sie uns dieses reine Wasser oft mit den Füßen eigener Anmuthigkeit getrübt und ihre Träume und Fabeln oder, wie der Prophet (Ezech. 34.) sagt, ihre eigenen Herzengesichte darunter geschüttet, haben uns das Evangelium und andere hl. Schrift vorgewendet und hören lassen, aber dermaßen mit eigensinnigen, untauglichen Auslegungen vergloset und verglaset, daß wir unter ihrem Verschlag den Kern der Geschrift oft verloren haben, gleich als so uns ein Gaukler einen Apfel zeigt und läßt uns gähnen; wenn wir aber den Mund zu thun, empfinden wir, daß es Roßparten sind; also haben bisher viel Prediger uns oft mit ihrem Gaukeln schändlich betrogen, das sie denn jetzt nicht mehr so frei thun dürfen, dieweil der Verstand im gemeinen Mann dermaßen und also aufgewachsen ist, daß er selbst oft urtheilen und den Waizen von den Spreuen erkennen, auch auskutten kann, was ihm die Prediger Haar unter die Wolle schlagen. Das alles wir Gott zuvor und nachmals dem christlichen Luther zu danken haben, der sonst auch manchem gelehrten schriftverständigen Mann, der evangelische Lehre im Kopf gehabt, aber vor Entsetzen und Furcht der Gewalt (als denn unser Viele schwachmüthig sind) mit freiem Hals nicht heraus hat dürfen reden, Muth und Herz hat gemacht, also daß jetzt allenthalben wiederum erschallt und sich hören läßt das apostolische Getön und herfürglastet die Sonne geschriftlicher Wahrheit des göttlichen Wortes, von welcher ungezweifelt verzehrt wird aller Nebel, alles Gewölke zeitlicher Gewalt und weltlicher Weisheit, das sich denn jetzmals untersteht zu unterfahren und aufzuheben ihren gnadenreichen Schein und ewigen göttlichen Glanz, und aller Welt rundlich werden, daß Gott allein Herr ist. Und also will ich mich so viel Gutthat Gottes, uns durch diesen Mann bewiesen, versprochen haben, warum ich seiner Lehr hold und günstig, auch anhängig gewesen sei und allweg sein will, ich werde denn durch hl. Geschrift eines Andern und Bessern unterwiesen.“

„Als mir die Bitte um Urlaub auch von ihnen abgeschlagen, die ich doch allein um beider Theile mehr Glimpfes wegen gestellt, habe ich nichts desto weniger mein Herz und Gewissen keineswegs bei Frieden und zu Ruhe stellen mögen, sondern christlich gedacht, daß sich in allweg gebühre, Gott mehr denn den Menschen gehorsam zu sein, daß auch seinem Gebot alle andern Satzungen, Gelübde und selbst vorgenommene Weisen stattgeben und weichen sollen. Bin also wohlbedachten Muths, mit weiser, hochverständiger und gottesfürchtiger Herren und Freunde gehaltenem Vorrath ganz guter christlicher Meinung, größeren Irrthum und Uneinigkeit zu verhüten, selbst gewichen, habe nach dem Geheiß Pauli dem Zorn Raum und Statt gegeben, und wie Christus seine Jünger heißt, weichen wollen von dem Orte, das sein Wort, von mir gelehrt, nicht annehmen wollte, des Willens und Fürnehmens, mich eine Zeit lang, nachdem dann endlicher Austrag jetzt schwebender Zweiung, so sich von christlicher Lehre wegen allenthalben erregt, geschaffen sein würde, außerhalb des Klosters zu enthalten, von meines Herrn von Alpirsbach, auch Etlicher seines Convents und meiner mehr Ruhe und Friedens wegen, der Hoffnung ungezweifelt, kein Verständiger werde mir solche meine Handlung verargen, insonderheit eure fürnehme Weisheit (des Konstanzer Rathes) so bisher evangelischer Lehre und derselbigen Verkündigern allweg geneigt und günstig gewesen ist, werde mich dieser Sache halben in christlichen und bürgerlichen Schirm befohlen haben und nach Gelegenheit meiner Handlung und Forderung brüderlicher Liebe und Billigkeit ob mir halten, das ich dann auch mit höchstem Fleiß und Ernst ganz unterthäniglich von euch bitte und begehre, auch in Ansehung eures christlichen Gemüths zu erlangen ungezweifelt verhoffe. Nicht daß mir leibliche Furcht so hart angelegen und schwer sei, sondern daß ich zeitlichen Schirm, so ich jetzt ohne Verletzung göttlicher Ehre eher an der Hand mag haben, nicht ausschlagen, ja fleißig suchen und mit Dankbarkeit annehmen will, wie auch unser hl. Paulus, der doch allezeit begehrt zu sterben und zu sein bei Christo, auf eine Zeit Gefährlichkeit seines Leibs geflohen und in einem Korb über die Stadtmauer ausgelassen ist worden, auch sich ein anderes Mal zu seiner mehreren Sicherung auf Befehl des Amtmanns beinahe mit fünfzehnhundert Mann begleiten ließ gen Cäsaream. Denn wo es die Ehre des göttlichen Namens oder brüderlicher Liebe erforderte, würde ich nicht allein erbietig sein gefangen, sondern im Vertrauen göttlichen Beistands gar gemartert und erwürgt zu werden bei dem Wort Christi meines Herrn.“

„Anfänglich, damit ich hinnehmen und aufheben möge falsche Achtung und folglich auch Aergerniß, so vielleicht in Etlichen meines Abschieds halb erwachsen ist, rufe ich Gott und mein eigen Gewissen zu Zeugen in meiner Seele an, daß mich kein Unwille oder unbegründete Ursache ausgetrieben und zu weichen gereizt hat, wie denn jetzt ein Gassengeschrei ist, Mönche und Nonnen laufen aus ihren Orden, und das aus Verdruß klösterlicher Ruhe und Stille, damit sie leben mögen in fleischlicher Freiheit und nachhängen ihrem Muthwillen und weltlichen Begierden; sondern ehrhaftig große Beschwerde und dringlich Geheiß meines Gewissens aus Grund und Anweisung des göttlichen Worts, wie ich denn hoffe, daß alle Gelegenheit und Umstände meines Abweichens keine Leichtfertigkeit, Frevel oder irgend welches unziemliches Fürnehmen anzeigen. Denn ich weder Kutte noch Kappe von mir gelegt, außer etliche Tage meines Abschieds zu meiner größeren Sicherheit, bis ich mein Gewahrsam erreicht habe; bin auch weder in Krieg noch mit einer hübschen Frauen hingezogen, sondern habe mich unverzüglich, so immer erst mir möglich gewesen, gethan zu meiner viellieben Mutter und Verwandten, welche ungezweifelt eines christlichen Gemüths und in einer Stadt Konstanz solcher Achtung der Ehrbarkeit sind, daß sie mir zu keinem unbilligen Fürnehmen berathen oder beholfen wären.“

Am Ersten würde ich mir keineswegs wehren oder verbieten lassen meine vorbehaltene, auch alle andere Lehren, so aus hl. biblischer Schrift Grund haben, würde auch inhalts christlicher Schuld dieselben in brüderlicher Treue und Liebe allen Anderen, deren begierig und nothdürftig, fleißig ohne alles Entsetzen mittheilen. – Zum Andern insgemein zu reden, würde ich mir fürderhin keine Klostersatzung hinderlich lassen sein an göttlichem Befehl und Geboten, sondern wo und wann göttliche und menschliche Satzung auf einander stoßen, als denn jetzt in den Klöstern aus Schuld ungelehrter Prälaten oft geschieht, würde ich greifen nachdem göttlichen und das menschliche fahren lassen, wie denn wohl zu vermuthen, daß ich und ein Jeder, so sich guter Meinung in einem Orden begibt, des Willens und Fürnehmens sind, daß wir durch klösterliches Leben in dem Weg göttlicher Gebote geführt und nicht durch ungegründete menschliche Satzung davon gewiesen wollen werden. – Zum Dritten würde ich aus christlicher Pflicht allweg widerfechten die unleidlichen Beschwerden der Seelen in den vorbehaltenen Fällen etlicher Stücke, von deren wegen der Abt selbst um Absolution angesucht muß werden, so doch die begangene That mehrmals au ihr selbst und vor Gott gar nicht Sünde ist, als das Schweigen brechen nach completer Zeit, auch mit guten nutzen Worten aus Forderung christlicher Liebe einen Apfel oder sonst etwas essen zwischen den Mahlzeiten ohne besonderen Urlaub, einen Brief empfahn oder hinschicken u. dgl., wie denn jeglicher Abt nach eigenem Wohlgefallen seiner Absolution vorbehält, welche und wie viele solcher Fälle er will. Doch mag ich wohl gedulden, zu Unterhaltung klösterlicher Ruhe und Ordnung, daß man leibliche Strafen darauf setze denen, so hieran säumig sein wollen; aber sonst würde ich alle Anderen dahin weisen, daß sie ihre Seele und Gewissen dieser Dinge halb frei behalten und allein Gott den Herrn daselbst durch sein Gebot und Verbot regieren lassen. – Zum Vierten würde ich der unerfahrenen Jugend, so des Ordens begehrt, wann sich die Zeit ihrer Profession verlauft, in allweg räthlich und beholfen sein, daß sie solche Seelenstricke nicht annehmen, will sonst gerne darob und daran sein, daß man sie da erziehe und behalte, so lange sie aus freiem, unangebundenem Geiste in klösterlichem Leben beharren wollen. Denn ich wohl erlernet habe, mehr an Andern denn eigener Person, was sorgliche Gefährlichkeit und Seelenmord aus solchem unbedachten Gelübde und ewigem Verbündniß erwachsen. – Zum Letzten, weil sich die geistlichen Ordensleute vor anderen Christen schelten lassen Anhänger und Vollzieher evangelischer christlicher Vollkommenheit, würde ich höchsten Vermögens daran sein, auch alle Anderen mit möglichem Fleiß dazu vermahnen, daß wir dieses Lob und Namen mit der Wahrheit behalten mögen, das Rechten und Fechten, so wir bisher um das Zeitliche mehr denn andere Leute getrieben haben, nach dem Geheiß Christi abstellen, weltliche Pracht und Herrlichkeit, auch eigene Leute sammt den ungöttlichen Beschwerden und Fällen fahren lassen, dieweil doch solches Alles so ganz hinderlich und entgegen ist klösterlichem und evangelischem Leben; desgleichen daß wir die armen Leute, des Gotteshauses Unterthanen, allenthalben mit tapferen, gelehrten, gottesfürchtigen Seelsorgern versehen, ob wir gleich von deßwegen die Incorporationes und Einlebungen der Pfründen übergeben und von der Hand lassen müssen, damit den Unterthanen durch kernhafte besserliche Hirten desto förderlicher gerathen werde; dann mehr an denselbigen gelegen und Gott löblicher ist, denn daß wir zeitlichen Ueberfluß und sie ihrer Seelennothdurft Mangel haben; auch der billig den Nutzen und Genieß hat, der die Bürde und Arbeit tragen muß. – Wo diese jetzt angezeigten Artikel von mir erlitten mögen werden, will ich nicht allein geneigt und erbietig sein wiederum zukehren, sondern auch meine Herren, Väter und Mitbrüder höchsten Fleißes unterthänig bitten, daß sie mich wiederum in ihre Gemeine und geistliche Gesellschaft aufnehmen. Denn wahrlich klösterliches Leben wäre ein gut gottgefälliges Leben, wo etwas an der Reformation und Ordnung nach Gelegenheit unserer Zeit vorgenommen, die zeitliche Pracht und weltliche Herrlichkeit abgestellt, viel ungegründete Klostersatzung, durch welche die Ordensleute mit einer Unmasse beschwert und überladen sind, gemildert und hingenommen, aber zuvor der grausame Seelstrick der Gelübde, in welchem die unverständige Jugend oft verdammlich, als zu besorgen, verderben muß, aufgehoben würde, und die Klöster, wie vor Zeiten, Zuchthäuser und Kinderschulen wären, in denen die geile, muthwillige Jugend, die in der Welt (als wir vor Augen sehen) in aller Ueppigkeit und Büberei aufwächst, etwas gezähmt und zu geschriftlicher Kunst und Gottesfurcht erzogen würde; desgleichen die Prediger und Andere, so der Lehre und göttlichem Worte mit freiem Gemüthe obliegen wollten, daselbst ihre Ruhe und Gemach, von Männiglichem ungeirrt, in aller Stille haben möchten; denn also möchten Land und Leute sammt gemeiner Christenheit solcher geschickter Leute, daselbst erzogen, genießen und erfreut werden, so man doch jetzt nicht spüren oder wissen mag, wozu so viele Nonnen und Mönche nutz sind, denn allein daß sie sich mästen und ihnen selbst leben, auch mit anderer Leute großer Beschwerde Gut und Geld sammeln, wie fast sie sich immer rühmen evangelischer Armuth und Vollkommenheit. Wo mir aber obgemeldeter Vorbehalt jetzt verzeichneter Artikel abgeschlagen, würde ich mich weiter keineswegs meines Gewissens halber in das Kloster begeben mögen, denn ich weder in Fried noch Einigkeit leben, möchte auch fürbaß weder mir noch Anderen nutz sein, sondern würde vorige Uneinigkeit wiederum erneuert und je mehr und mehr zunehmen; darum ich dann vorhin ausbleiben und einer anderen Zeit göttliches Einsehens erwarten, will nichts desto minder einem Gotteshaus Alpirsbach und dessen Verwandten in christlicher Liebe, wo ich Ursache haben mag, Gutes thun und freundliches Wohlgefallen beweisen, mich auch hin als her mit Hilfe des Herrn wohl und frömmlich, ich sei wo ich wolle, halten; denn mich das göttliche Wort allenthalben in Ruh und Stille gefangen und in die rechten Klostermauern seiner Gebote verschlossen hat, und auch der frömmste Mönch vor den Augen Gottes nicht mehr sein kann, denn ein frommer Christ, der ich von Gott allezeit ernstlich begehre im Leben und Tod erfunden zu werden.“

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