Bettex, Frederic - Ein Blick in Gottes souveränes Walten

Bettex, Frederic - Ein Blick in Gottes souveränes Walten

Der Gott, der nicht den mächtigen Ägypter, noch den tiefsinnigen, mystischen Hindu, noch den klassisch schönen Griechen, noch den weltbezwingenden Römer zu seinem Volk erwählte, sondern einige Hirten und ihre Nachkommen, denen er vor allem harte vierhundertjährige Knechtschaft bestimmte; der später selber erwählte, nicht in Memphis, noch Babylon, noch Athen, noch auch in Jerusalem, sondern auf der Reise in einer Krippe auf die Welt zu kommen; der zwölf Fischer und Zöllner ohne Bildung noch Wissenschaft hinaussandte, um die Welt mit der Predigt vom Kreuze zu erobern, den Griechen eine Torheit und den Juden ein Ärgernis, der seine Weisheit den Weisen verbirgt und den Unmündigen offenbart, hat in allen Dingen seine eigene Logik, Arithmetik und Buchführung. Er gibt dem, der da hat, und nimmt dem, der nichts hat, schenkt viele Kinder dem Armen und viel Geld dem kinderlosen Reichen, läßt einen Arbeiter, Vater von sechs Kindern, vom dritten Stock sich zu Tode fallen und einen unnützen, den Seinigen lästigen, kindischen Greis endlos leben - denn seine Wege sind nicht unsere Wege und seine Gedanken nicht unsere Gedanken.

Und so liebt es seine Natur, uns ironisch zu zeigen, daß das Kleinste am Größten, das Schwächste am stärksten, das Winzige furchtbar, das Unsichtbarkleine unüberwindbar ist. Der Wassertropfen höhlt den Felsen, mikroskopische Diatomeen füllen die Ozeane mit ihren Schalen auf; winzige Korallentiere und Madreporen bauen im Meer zukünftige Kontinente auf. Ein Bohrwurm, den ein altes Schiff aus Indien mitbrachte, drohte einst die Seemacht Hollands zu vernichten, und ein Zweiglein der Wasserpest ruiniert den Welthandel eines Hafens oder eines Kanals. Was hätte der Angriff von tausend Löwen oder wilden Elefanten viel zu bedeuten? Ein Regiment mit Repetiergewehren würde mit ihnen in kurzer Frist fertig; die Tse-Tse-Fliege aber macht dem Menschen ganze Länder streitig. Ja, den Einfall von Frankreichs und Rußlands Heere kann deutscher Mut zurückwerfen, aber nicht den der Reblaus oder des Colerakokäfers; und will Gott einen strafen, so rücken seine Heere, die unsichtbaren Bazillen, auf den Flügeln des Windes daher, und die Menschen werden wieder wir früher zu Zehn- oder Hunderttausenden vor dem schwarzen Tod oder der Cholera fallen, und alle ihre Macht und Wissenschaft wird sie nicht schützen.

Und was ist das Ende aller Macht und Größe? In der Erde sitzt das Würmchen und verspeist wohlgemut schöne Frauen und starke Männer, gescheite Köpfe und geniale Denker, Könige und Kaiser und ist schließlich der alles besiegende Held!

So ist auch im Geistigen das Kleine groß und die Schwachen mächtig. Was vermag der hochmütigste Hochmut gegen absolute Demut? Was der grimmigste Zorn gegen vollkommene Milde? Am sanften „Nein“ der Sklavin Blandina brach sich Roms Macht und die des Heidentums, am bescheidenen, festen: „Ich kann nicht anders!“ eines Mönchleins die des Papstes und des Kaisers; ja, am demütigen, sich selbst vernichtenden: „Muß ich den Kelch trinken, so geschehe dein Wille!“ alles Toben und Wüten Satans und der Hölle, und eine Welt ward erlöst.

Quelle: Gärtner - Eine Wochenschrift für Gemeinde und Haus 1913

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