Bender, Leopold - Ansprache vor dem Brotbrechen

Bender, Leopold - Ansprache vor dem Brotbrechen

gehalten von Br. Leopold Bender am 2. September 1906

Taufe und Abendmahl, diese beiden sacramentalen Handlungen, die der Herr seinen Jüngern zur Stärkung ihres Glaubens, zur Uebung ihres Gehorsams und zur Uebung in der Liebe anbefohlen hat, haben das gemeinsam, daß sie ein sichtbares Zeugnis sind von dem Tode, der Auferstehung und der Wiederkunft Christi. Diese beiden Verordnungen sind demnach ein verkörpertes Evangelium. Die Taufe ist grundlegend und gehört in den Anfang des christlichen Lebens; sie stellt den Gläubigen dar als eins mit Christo in seinem Tode, in seiner Auferstehung und in seiner Himmelfahrt (Röm. 6,3ff.). Die Wahrheit, daß wir in Christo der ganzen Person nach gerichtet sind, daß wir nach unserer Stellung in Adam ganz hinweggetan sind, daß wir aber auch mit Christo auferstanden sind, ist eine Wahrheit, die dem Christen Fleisch und Blut sein muß, wenn anders er Fortschritte im geistlichen Leben machen soll. Gerade an dieser Wahrheit mangelt es aber vielen Christen, und daher trägt das christliche Leben so häufig den Charakter des Gesetzeswerks. Wie aber die Taufe grundlegend ist, so ist das Abendmahl befestigend, weiterbildend, zusammenfassend, vereinigend; es gehört in die Gemeinde. Im Abendmahl tritt besonders das Leiden und Sterben in den Vordergrund, weil sich Christi Liebe am meisten darin offenbart, und das ist ein Gegenstand, den wir immer mehr verstehen lernen sollten, darum hat der Herr das Abendmahl auch in die Gemeinde gesetzt. Wir sollen völliger verstehen lernen: Für dich litt ich! Für dich starb ich! Für dich ließ ich mein Leben! Siehe an dem Zeichen hier: es hat eine Schlachtung stattgefunden! Es hat mich einen schweren Tod gekostet und das alles ist für dich geschehen! Dieses alles tritt uns bei der Feier des Herrenmahles vor die Augen. Es ist eine neue Zueignung des Opfers Christi und dadurch werden wir befestigt.

Das Mahl des Herrn sagt uns aber auch, daß wir uns hienieden an ihm nähren müssen: „wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der bleibet in mir und ich in ihm“ (Joh. 6,54-57). Daß wir uns an ihm nähren, das geschieht allerdings nicht allein im Abendmahle (wie ja bekanntlich die katholische Kirche lehrt). Es steht aber fest: die Lüste des Fleisches, das eigne Ich können nur durch das Fleisch und Blut Christi hinweggetan werden; indem wir uns an ihm nähren, verlieren wir den Geschmack an den nichtigen Dingen dieser Welt; wir können nicht jetzt an der Tafel des Königs sitzen und hernach mit den Schweinen essen. Das Mahl des Herrn ist heiligend und vereinigend, indem es uns als Glieder am Leibe des Herrn verbindet: „So sind wir nun, die Vielen, ein Leib!“

So ist dieses Mahl des Herrn eine sehr wichtige Sache für uns. Es muß sich uns zum Genusse bieten, denn nur so können wir leben. Aber es ist nicht nur für unsere Erdenwallfahrt notwendig, sondern wir brauchen es auch für die Ewigkeit. Auch im Himmel müssen wir es genießen, denn wir bleiben auch in der Ewigkeit Geschöpfe und auch dort gilt es uns daher: „in ihm ist das Leben!“ Die Quelle des Lichtes und Lebens ist der Herr, und seiner bedürfen wir in Ewigkeit. Es weist uns das Mahl des Herrn auch hin auf sein Kommen. Dieses hier – Brot und Wein – sind nur dürftige Elemente, aber sie repräsentieren den wahren Wert, gleichwie das Geld von Papier doch einen vollen Wert darstellt. Sie sind aber ein Beweis dafür, daß die Fülle noch nicht da, das Ziel noch nicht erreicht, daß der Herr noch nicht gekommen ist. „Ich werde von nun an nicht mehr trinken von dem Gewächs des Weinstocks, bis an den Tag, da ich es neu trinken werde in meines Vaters Reich“ (Matth. 26,29) Darauf bezieht sich der Apostel, wenn er sagt: „So oft ihr von diesem Brot esset und von diesem Kelch trinket, verkündigt ihr des Herrn Tod, bis daß er kommt!“ Da ist also ausgesprochen, daß im Mahl des Herrn ein prophetischer Hinweis auf sein Kommen enthalten ist. Wir sprechen es damit zugleich aus, daß wir das Mahl genießen, als die hinwegeilen, und daß wir jenes Mahles gedenken, wo er mit seinem Volke es feiern wird. Das schließt weiter aber auch in sich, daß wir uns das Wort des Apostels zu Herzen nehmen: „Kindlein, bleibet bei ihm, auf daß, wenn er offenbar wird, wir eine Freudigkeit haben und nicht zu Schanden werden vor ihm in seiner Zukunft“ (1. Joh. 2,28). Das Mahl des Herrn sagt uns auch: Reinigt euch und eilt dem Tage entgegen, wo er uns dem Vater vorstellen wird, wo die Begrüßung der Glieder Jesu durch den Vater stattfinden wird! Welch großartige Dinge sind das! Unser Herz faßt diese herrlichen Tatsachen leider noch zu wenig. Ja gewiß, unser Glück ist groß, unsere Verantwortung aber auch. Laßt uns unsern Wandel führen als Bevorrechtigte, als Königskinder! Und dazu wolle der Herr die Feier seines Mahles auch jetzt segnen!

Quelle: Gärtner - Eine Wochenschrift für Gemeinde und Haus 1907

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