Beck, Johann Tobias - Vorbereitungsrede auf die Confirmations-Communion in Mergentheim 1831.

Beck, Johann Tobias - Vorbereitungsrede auf die Confirmations-Communion in Mergentheim 1831.

Mark. 10,14.
Lasset die Kinder zu mir kommen, und wehret ihnen nicht, denn ihrer ist das Reich Gottes.

1)

Ihr geht einem doppelt wichtigen Tage entgegen, geliebte Christen - unzählige Herzen in der Christenheit sind darauf gespannt, sehen ihm mit heiterer Erwartung entgegen, auch solche, die er nicht näher angeht, als sofern er seit alter Zeit ein christlicher Festtag ist! Euch aber, geliebte Versammelte, geht er am nächsten an; für euch, Eltern und Kinder, ist es ein Tag, der, wenn auch ihr ihn je in eurem Leben wieder vergessen solltet, unvergessen bleibt von dem, der euch Eltern sagt: „waidet meine Lämmer,“ der euch Kindern sagt: „wie, oft habe ich euch versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel!“

Der HErr, deß ihr mit Leib und Seele seyd, und der sein Leben ließ für eure Seelen - Er hat auf morgen euch vor sich geladen, Eltern und Kinder, nicht daß Er in's Gericht mit euch gehe - wie würdet ihr da wohl bestehen? - Er will jetzt nicht richten über euch, sondern Er will euch segnen. Wie ihr sie darbrachtet, gel. Eltern, eure Kinder, da sie noch unmündig waren, noch nicht befleckt von dem vielerlei Bösen dieser Welt, wie ihr sie darbrachtet in der Taufe, damit Er, der himmlische Heiland, seine unsichtbare Segenshand ihnen auflege, und als Kinder seiner Liebe und Treue sie aufnehme in die Seelenpflege seiner Kirche, und Er hat sie nun großgezogen mit seinem Lebenswort, hat ihnen, während von denen, die mit ihnen geboren wurden in seinem weiten Reiche, Taufende ihnen zur Rechten sielen und Zehntaufende zu ihrer Linken, hat ihnen den lebendigen Odem bewahrt, und sie mit euch getragen bis auf diesen Tag - derselbe treue Hirte ruft sie nun übermal zu sich. Nachdem sie eingeführt worden sind in das Verständniß seiner heilsamen Worte, und nun selbst mit ihrem Glauben die Welt zu überwinden haben, sollen sie nicht nur Grund geben von der Hoffnung, die in ihnen ist, daß der Gott, ans den sie getauft sind, zeitlebens ihnen gnädiger Gott und Vater wolle seyn, sondern sie sollen nun auch auf's Neue, mit eigenem Mund und Herzen, sich für Leben und Sterben diesem gnädigen Gott und Vater weihen als seine Bundeskinder, und das Joch Jesu Christi auf ihre eigenen Schultern nehmen!

„Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht,“ ruft Er Eltern und Kindern entgegen, die zu Ihm kommen. Das meynt Er aber nicht so, wie es der Leichtsinn gerne nehmen möchte, als ob mit dem Christenthum Alles in der Welt sich vertrüge, als ob es gleichsam ein Ruhepolster wäre, auf dem man das Leben in der Welt ohne Gewissensangst genießen könne, und seiner Lust folgen, ohne sich wehe zu thun. Nein, meine Lieben, das ist nicht Christenthum, sondern Antichristenthum. Umsonst nennt der wahrhaftige HErr sein Evangelium nicht ein Joch; es ist dieß, weil es im Menschen Lüste, Reize und Werke der Sünde unterjochen soll, weil es eine Zucht im Herzen übt, daß wir verleugnen das ungöttliche Wesen, weil ein ächtes, thätiges Christenthum mancherlei Belästigungen in der Welt mit sich führt, wie Er z. B. selbst sagt: „die Welt wird euch hassen und verfolgen um meines Namens willen.“

Diese Last, dieß Joch Jesu Christi sollt ihr nun auf euch nehmen, geliebte Kinder; und ihr Eltern seyd berufen von dem heiligen Gott, der über euch richtet und eurer Kinder Seelen von euch fordert, daß ihr mit ihnen dieß christliche Joch traget, daß ihr als Knechte, die ihres HErrn Willen wissen, das Licht eines lebendigen Gottesdienstes vor euren Kindern leuchten lasset, sie durch Rath, Vermahnung, Leitung in Liebe und Ernst und durch eigenen Wandel in der Gottseligkeit erhaltet und fördert, so lange in euch ein Athem lebt, und in ihnen Blut von eurem Blute fließt. Gedenket mit einander jenes großen Tags, da ihr am Ende eures Wegs vor dem Richter ankommen werdet, der entscheidet, ob ihr den schmalen oder den breiten Weg gegangen seyd, vor dem Richter, von dem es heißt: „fürchtet euch vor dem, der Leib und Seele verdammen kann in die Hölle!“ und jetzt, da ihr noch Zeit habt, folget dem liebreichen Führer und Hirten, welcher Eltern und Kinder zu sich ruft, um euch das zu sein und zu geben, was euch in's Himmelreich bringen kann.

Wie sucht doch der Mensch oft mit Mühe und Sorge andere Menschen, allerlei Wege und Dinge auf, die ihm Etwas geben sollen, das ihm seine Seele stille, das er für sein Gut hält, und wie Viele, nachdem sie lange da und dort gesucht und versucht haben, müssen sagen: wir haben nicht gefunden, was wir suchten - die Seele ist uns leer geblieben! Und wie Manche, die auch dieses und jenes glauben gesunden zu haben, und nicht satt bekamen an den Lüsten und Sünden der Welt, bis die Sünde von ihnen ließ, von der sie nicht lassen wollten, müssen dann doch sagen: Wir haben das Rechte nicht gefunden, und fahren leer dahin, leer von Gut und beladen mit Schuld vor unsern Richter! Um eurer Seligkeit willen, um der Barmherzigkeit willen eures Gottes, der euch einen Heiland gibt und mit Ihm ein Himmelreich, bedenket bei Allem, was ihr thut, das Ende, bedenket das Heilandswort: kommet her zu mir aus der Mühe und Last - ich will euch Ruhe und Erquickung geben für eure Seele - meine Last ist leicht, mein Joch ist sanft!

Sie sind leicht und sanft; denn, liebe Kinder, ihr sollt morgen nicht bloß das heilige Gelübde ablegen, Joch und Last Jesu Christi auf euch zu nehmen; Er läßt euch zugleich einsegnen unter Gebet und Handauflegung zu eurem künftigen Christenlauf. Euer Gebet, ihr Eltern und Kinder, kann euch einen Tröster gewinnen, der stark ist in eurer Schwachheit und in alle Wahrheit leitet; eurem Glauben wird eine Stärkung dargereicht im heiligen Mahl des HErrn, wo seine Lebenskraft euren Geist durchdringen will, wie Brod und Wein euren Leib kräftigt; und in eurem Lebenslauf will Er euch begleiten mit Worten des ewigen Lebens, die euch Licht geben sollen in aller Finsterniß.

Schließt ihn denn tief in euer Herz ein seinen freundlichen Ruf, mit dem Er euch beruft: „kommet her zu mir!“ Euer Herz wird euch mancher Sünde anklagen gegen den heiligen Gott; Elternpflicht und Kindespflicht, Menschenpflicht und Christenpflicht, darin liegt Vieles und Großes, das wir zu verantworten haben. Durchforschet eure Herzen, und wehret eurem Gewissen nicht das Gericht, das es in diesen Tagen besonders über euch zu halten aufgeweckt wird; gebet Raum jener göttlichen Traurigkeit, die eine Reue wirkt, welche Niemand gereut; erneuert gemeinschaftlich nicht nur mit dem Mund, sondern im Grund eurer Seelen den Bund: ich und mein Haus, wir wollen dem HErrn dienen! und ergebet euch dankbar in die Gnade eures Gottes und in die Liebe seines Sohnes, der euch die Vergebung eurer Sünden entgegenbringt, und wenn ihr dem Strafen und Lehren seines heiligen Geistes und Wortes Stand haltet, euch selber heiligen will, wie Er heilig ist.

In der Welt herrscht das Aergerniß, Hindernis; des Guten und Reizung zum Bösen aller Art - wie arg muß der Vater und die Mutter sein, die bei ihren eigenen Kindern dagegen gleichgiltig sind, durch ihr eigenes Leben und Treiben ihnen Aergerniß geben und ihnen wehren, zu Christus zu kommen. Ladet nicht die Centnerlast von jenem Wehe auf euch, welches der, der Wohl und Wehe der Ewigkeit in seiner Hand hat, ausruft: „wehe dem Menschen, der eines dieser Geringsten, die an mich glauben, ärgert - dem wäre besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals gehänget würde, und er ersäuft würde im Meer, da es am tiefsten ist.“ Des Menschen Sohn ist gekommen, selig zu machen, was verloren ist, und aus der Welt Aergerniß Jeden, der Ihm nachgeht, in das hineinzuführen, was zum Leben und göttlichen Wandel dient. Darum beherziget, ihr Eltern, das Wort des HErrn auch für das, was ihr euren Kindern schuldig seyd: Eins ist noth. Quälet euch nicht mit Sorgen um das Zeitliche eurer Kinder; wählet vor Allem das gute Theil, daß ihr euch und sie in Gottes Reich bringet und zu seiner Gerechtigkeit; dann wird euch, was ihr sonst nöthig habt, der Gott und Vater gewiß zukommen lassen, der die Vögel nährt und das Gras auf dem Felde kleidet. Um der Barmherzigkeit Gottes willen, der einst auch euer Richter ist, versäumet nicht die jetzige Gnadenzeit. Sollte zwischen euch Eltern selbst indeß ein Geist der Weltliebe, des Unfriedens und Aergernisses geherrscht haben: benützet die jetzige angenehme Zeit, und reißet euch los von dem Strick des Satans, dessen Werke zu zerstören der Sohn Gottes gekommen ist. Er will euch zur Erlösung helfen von dem alten, hergebrachten Wandel; an Ihn haltet euch und sehet auf Ihn, wie Er von Herzen demüthig und sanftmüthig war, so wird es euch gelingen, wegzuthun vor den Augen der Kinder, was sie ärgern muß, und ein christliches Leben in eurem Hause einzurichten; sprechet im friedfertigen Christus-Geist mit einander, und verbindet euch in eurem Herzen: wir wollen uns und unsre Kinder dem HErrn darbringen im Gehorsam gegen die Stimme seines Wortes, und in Glaube, Liebe, Hoffnung bei einander wohnen; da wird der Confirmationstag ein Freudentag und Segenstag, der im Buch des Himmels angeschrieben wird, nicht blos in unsrem Kirchenbuch.

Für uns Alle ist ja der Sohn Gottes gekreuzigt; Er ist unser und unsrer Kinder Heiland - wollen wir uns denn selbst unwerth achten der Herrlichkeit, die Er uns geben will? gibt es etwas Gerechteres und Natürlicheres, als den zu lieben, der uns unverdienter Weise zuerst liebt, und in seiner Liebe uns zum Retter und Seligmacher werden will? Sorget denn, daß es unter dem Siegel des heiligen Abendmahls in eurem Herzen sich feststellt:

Liebe, du hast mich gebunden,
an dein Joch mit Leib und Sinn;
Liebe, du hast überwunden,
nimm mein Herz nun ganz dahin,
Liebe, dir ergeb‘ ich mich,
dein zu bleiben ewiglich.

Amen.

1)
Mit der Einsegnung der Confirmanten wurde das Abendmahl in der Art verbunden, daß die Eltern mit ihrem Kind vor den Altar traten, und gemeinschaftlich Brod und Wein empfiengen.
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