Beck, Johann Tobias - 11. Rede am Grabe einer schwergeprüften, frommen Jungfrau.

Beck, Johann Tobias - 11. Rede am Grabe einer schwergeprüften, frommen Jungfrau.

Mergentheim, den 21. Januar 1832.

„Es ist vollbracht!“ - die Tage deiner Wallfahrt waren wenig, aber reich an Prüfungen, und du rufst nun selbst mit Freuden aus oben in der Verklärung: „es ist vollbracht - vorüber ist die letzte schwere Nacht.“

Doch, die letzte Nacht, da man nicht mehr wirken kann - dieser Seele, Geliebte, deren Hülle hier ruht, war sie nicht schwer! Der ihre Stärke und ihre Hoffnung war gewesen auf dem schweren Lebensweg, der machte Bahn vor ihr aus dem Todesweg! Die Scheidende ist nicht hingegangen verlassen und verwaist, nicht belastet mit Erdentand, nicht daß sie erst, als es Abend wollte werden und ihr Tag sich zu Ende neigte, zu einem unbekannten Gott gerufen hätte. Ihre Wahl war längst getroffen nach dem, was der HErr Einer ihres Geschlechts sagte: „Eins ist noth“ - und den Samen, den sie frühe aus ihren Geist säete, den erzog der wunderbare Menschengärtner immer reicher und reifer in der Leidensschule.

Wir haben sie oft bedauert, die Verblichene, ob ihren Leiden und Entbehrungen; und Trübsal, wenn sie da ist, lässet wenig Erfreuliches an sich entdecken - wie aber nun, wenn es heißt: „es ist vollbracht“, und der Ostermorgen anbricht, und sie ihre Garben bringen mit Freuden, die hier säeten in Thränen: wer ist dann glücklich, wer selig? rühmend: ich danke dir, HErr, daß Du mich gedemüthigt hast! Würden wir nach dem Geiste richten und nicht nach dem Fleisch, wäre die irdische Decke vor unserem Auge weg - wir würden weit öfteren Grund haben, Solche zu bedauern, die in frischer Gesundheit durch's Leben schreiten und ihr vermeyntlich Gutes reichlich können dahin nehmen! Am Grab führt auch dieser Weg nicht vorbei, und am Markstein des Lebens scheiden sich Leid und Freud, Lust und Weh, nicht wie der Mensch räth, sondern wie Gott wägt! Ein stilles Herz, das Christum früh gefunden, das wiegt am schwersten auf der Gotteswage! Mögen dann, der Jahre viel gewesen sein und der Weg durch sie köstlich und in Freuden, und das Herz geschwärmt haben in vielerlei Kunst und Schein - wie denn nun, wenn das dürre Wort kommt: „es ist aus“? der Todeshauch weht, deine Kränze zerflattern, dein Herz wird gewogen nicht nach diesem und jenem, sondern nach dem Einzigen: ob es reich ist in Gott. Wer ist dann zu bedauern? und wen quält der Wurm, der nicht stirbt? Schon hier unten, wenn Tage kommen, von denen das Menschenherz sagt: sie gefallen mir nicht, wenn Gott eine Last auflegt, die Menschenhand nicht abnehmen kann - schwer hat da der zu tragen, dessen Seele keinen ewigen Grund hat, keinen Hoffnungsanker, nur die Traumbilder seines eigenen veränderlichen Herzens. Doppelt unglücklich ist der Kranke, dem auf dem Krankenbett auch die Seele nicht gesundet und Heilung nicht kommt für den inneren Menschen - da siecht mit dem Leib auch der Geist zusammen und mit dem äußeren Menschen verwest das Leben des inneren. Gewiß dachte sich kein weltlicher Sinn, wie bei unsrer Verstorbenen in ihrer einsamen Abgeschiedenheit noch Freude könnte Platz finden - und doch es war mehr als einmal Bekenntniß ihres Herzens gegen Gott:

Viel Freude gabst du hier schon mir;
o Gütiger, wie dank ich's dir!
stets folgte kleinern Ungemach
die größere Versüßung nach!

So ist's bei denen, die den gefunden haben, der einen Freudenquell in das Herz gibt, welcher nicht fließt oder versiegt mit der Lust dieser Welt, sondern mit der ewigen Gnade des ewig Lebenden. Auch auf der Leidensbahn sprossen den Gläubigen immer wieder Friedensblumen von dem, der selbst den bittern Kelch bis auf die Hefe trank.

Die Ihm vertrau'n, sind nimmer ohne Trost,
im finstern Thal nicht ohne Sonnenglanz,
im schwersten Kampf nicht ohne Siegeskranz,
im öden Land nicht ohne Himmelskost!

Das schafft einen geduldigen Geist in der Noth - wie manche Leidende sind nicht nur sich zur Plage, sondern auch denen, die mit ihnen die Last müssen tragen, daß sie zu den müden Händen und Füßen, die sie am Bett des Kranken sich müssen machen, auch noch ein müdes, verwundetes Herz müssen dahinnehmen! Wenn die Liebe auch diese Plage meist stille trägt, so trübt es doch den inneren Frieden und raubt dem Herzen seine Freudigkeit. Auch hier war bei unsrer Verstorbenen der innere Friede mächtiger als die Versuchung von außen, und in den Schmerz der Ihrigen, die sie verloren, mischt sich nur die wehmüthig-füße Erinnerung an ihre Geduld und ihre sanfte Kindlichkeit!

Geliebte! wir sind Menschen von gestern her und müssen gehen, wohin der oben ruft - laßt uns dazu thun, daß der letzte Gang uns leicht sey, und wir einen Frieden haben, der höher ist als sterbliche Vernunft, fester als Gesundheit des Leibes, und einen Schatz, der Probe hält auf der heiligen Gotteswage!

Und du, die du nun heimgegangen bist
an den Ort, wo kein Schmerz mehr ist
und kein Todesstachel -
noch dieses Bett, dann keines mehr,
zum letzten Schlaf auf Erden!

Fast wurde dir die Wallfahrt schwer
- nun wird es lichte werden.
Erlöste Pilgerin!
Fahr' sanft zum Heiland hin!
Im Thränenthale warst du Sein,
nun ist Er dort am Throne - dein.

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