Beck, Johann Tobias - Aus der Abschiedspredigt zu Waldthann den 6. September 1829.

Beck, Johann Tobias - Aus der Abschiedspredigt zu Waldthann den 6. September 1829.

Zum letztenmal also stehe ich auf dieser Kanzel, in Jesu Christo Geliebte, auf der ich mich so oft mit euch in Gottes Gnadenwort erbauet habe, denn - wir scheiden von einander. Hier, Freunde, gab ich euch den ersten Gruß in Christo dem HErrn, hier nehme ich auch Abschied von euch in demselben HErrn.

Erwartet keine studirte Worte, keine Künsteleien und Feierlichkeiten - ihr wisset, es war mir immer hoher Ernst mit dem, was ich hier sagte; es ist's mir heute besonders; ich wollte euch nie Wasser aus den Augen locken oder treiben; an euer Herz, an euer Gewissen, euren Verstand und euer Christenthum wandte ich mich immer, und ließ dann die walten, was sie bei euch zu Stande brächten. Ich gehe nicht mit hohen Worten von euch - anfangs kam ich mit solchen, denn ich mußte selbst erst gemeinen Leuten predigen lernen; ich befließ mich aber immer einfältiger zu euch zu reden, daß ihr mich fassen konntet, und so sey auch meine letzte Rede an euch.

Ich sagte euch oft: wir sind hier als Brüder in Christo bei einander; wir brauchen uns nicht fremd gegen einander zu gebährden, wir kennen einander. Lasset auch also unbefangen, wie es mir im Herzen liegt, vor Gott mit euch reden - ich redete immer am liebsten mit euch als ein Gehilfe eures Glaubens, als euer Seelsorger und Beichtvater, und nur wo ich mit Bosheit, Schalkheit, mit Verstocktheit gegen Gottes Wort und mit öffentlichen Aergernissen es zu thun hatte, wo man trotzen und pochen wollte auf sein eigenes sündliches Wesen: da redete ich mit brennendem Eifer, mit Schärfe, mit züchtigenden Worten. Ich kann heute noch nicht anders und werde es auch nicht anders lernen, denn ich halte es für keine Sünde, sondern für Schuldigkeit vor dem, dessen Wort gar oft ein zweischneidiges Schwert sein muß, den der Eifer um sein Haus gefressen hat. Gott helfe mir!

Es wäre mir ein Leichtes gewesen, mich bei euch einzuschmeicheln und mir bessere Tage unter euch zu machen als ich hatte - ich kannte wohl eure empfindliche Seite, ich wußte wohl den faulen Fleck, wo das Hauptübel saß: den hätte ich nur unangetastet lassen dürfen; ich habe diejenigen wohl durchschaut, die der pharisäische Sauerteig in der Gemeinde sind, in deren Herzen die alte Bosheit und Gewissenlosigkeit und allerlei Unordnung sich eingefressen hat wie Rost: ich hätte dieser nur schonen, sie laufen und handthieren lassen dürfen, und es wäre prächtig unter uns gegangen. Aber solchen Frieden hatte ich nicht zu bringen, sondern das Schwert, wie der Heiland sagt, zum Streite wider Welt und Sünde; ich kam nicht, um gute Tage bei euch zu suchen, sondern eure Bekehrung zum lebendigen Gott, eure Besserung, eure Heiligung in allen Stücken, eurer Seelen Seligkeit; ich will und wollte nicht Miethling sein, der vor dem Wolfe flieht, sondern ein Hirte der Seelen derer, die durch Christum wollten zu Gott kommen, und ein Zuchtmeister auf Christum für die, die vom Gesetz Gottes Nichts wissen wollten.

Allein warum gehe ich denn nun doch von euch? - die Frage liegt so nahe und ich bin mir und euch darauf Antwort schuldig! euch bin ich eine solche schuldig, weil Viele von euch mein Abschied betrübt; mir bin ich sie schuldig, weil Manche meynen, ich gehe darum so bald von dieser Gemeinde, weil ich nicht genug hatte an der Besoldung, und gerne mehr einnehmen möchte; das würfe denn nicht nur einen Schein des Geizes auf mich, sondern könnte auch diesen und jenen von euch ein Aergerniß geben, und manches Wort, das ich gepredigt habe, unkräftig machen. Dem ist aber gewiß nicht also, liebe Freunde! Gott weiß es und ihr selbst habt es oft aus meinem Munde gehört, daß ich mich hätte begnügen lassen mit dem, was mir mein Amt darreichte, denn ich begehre nicht Reichthum, nicht Wohlleben, nicht Hoffarth, mir mein täglich Brod, und das hätte ich mit Gottes Gnade für jetzt noch gehabt. Aber ein Anderes ist es, was Einem das Leben mehr verbittert als Armuth und Darben, was Einen aus dem Paradies treiben könnte, das ist - Unfriede und Streit. Die Schrift sagt, daß Weniges mit Frieden viel besser sey, als groß Gut mit Unfrieden - und dazu sagt mein Herz vollkommen Ja. Aber wie meint ihr, Geliebte, wenn groß Gut mit Unfrieden schon ein Jammer ist nach der Schrift, wie es vollends ist bei gering Gut mit Unfrieden! Und den habe ich reichlich gehabt - ich rede jetzt nicht von dem, den mir mein Amt einbrachte, weil ich es recht versehen wollte; davon sagte ich euch vorhin schon, daß ich mich in meinem HErrn darüber zu trösten wisse und daß ich in dem Stück keinen Frieden wolle, so lange die Menschen mit Gott selbst streiten! Aber von dem Unfrieden und den Streitigkeiten sage ich, den Gewisse unter euch über das, von dem ich mich nach menschlichem und göttlichem Rechte als berufener Prediger des Evangeliums nähren sollte, mit mir führten, daß sie gerade das Widerspiel von dem thaten, was Gottes Wort in den Sprüchen befiehlt: „habt eure Lehrer desto lieber um ihres Werks willen, und seyd friedsam mit ihnen, daß sie ihr Amt nicht mit Seufzen thun, denn das ist euch nicht gut. Der aber unterrichtet wird mit dem Worte, der theile mit allerlei Gutes dem, der ihn unterrichtet; denn der HErr hat befohlen, daß, die das Evangelium verkündigen, sollen sich vom Evangelium nähren; und so wir euch das Geistliche säen, ist es ein großes Ding, ob wir von euch Leibliches ärndten.“ So sagt Gottes Wort, und ich kann heute um so ernster darauf hinweisen, da nun Keiner mehr mich im Verdacht haben kann, ich rede aus Eigennutz, denn mein Aerndten und Säen unter euch ist vorbei.

Sehet Geliebte, das ist es, was meine so frühe Trennung von euch herbeiführte, dieses und nichts Anderes; hättet ihr mir auch noch so viel Besoldung gegeben als ich schon hatte, es hätte mich nicht gehalten, wohl aber das einzige aufrichtige Versprechen vor Gott aus dem Munde jener Unruhigen: wir wollen Friede halten und im Frieden dein Weniges dich genießen lassen. Ich sage dieses Alles nicht, Geliebte, um der ganzen Gemeinde damit Vorwürfe zu machen; ich weiß wohl jene Wenigen zu unterscheiden und kenne sie; ihr habt ihnen aber nie gewehret noch ihnen widersprochen. Ich möchte auch nicht, daß ihr Groll und Feindschaft gegen sie auslasset, denn ich selbst habe keinen Haß gegen ihre Person, so wenig ich ihr Bitteres süß, ihr Böses gut jemals werde nennen; das aber bitte ich euch Alle, liebe Freunde, so wahr die oben angeführten Worte in der Schrift stehen, so wahr ihr im Gerichte Gottes zusammenstehen müsset: in's Künftige bietet doch Allem auf im Wege der Ordnung und des Rechts, daß solche Streitigkeiten, solche Händel mit eurem Seelsorger, wer er auch sey, nicht mehr vorkommen dürfen; stehet zusammen und duldet sie nicht, denn ihr kennet den, der da sagt, im Ernst und nicht zum Scheine: was ihr diesen meinen Boten thut, zur Freude oder zu Leid, das habt ihr mir gethan. Dürfte ich hören, auch in der Ferne noch, daß diese meine letzte Bitte nicht vergeblich gewesen: gerne wollte ich all' das Bittere durchgemacht haben, das mir aus jener bitteren Wurzel der Streitsucht erwachsen ist. -

Aber nun noch eine andere Hauptfrage, Geliebte! Wie gehe ich von euch? Es ließe sich Vieles antworten auf dieses Wie? man hat so Manches auf dem Herzen, das man sich zum Abschiede noch sagen möchte, das letzte Wort ist oft noch von besonderem Segen für Herz und Leben, und was muß ein Seelsorger mehr suchen als dieses, das Beste seiner Anvertrauten; aber eben, Geliebte, damit wir das Beste finden, und ob dem Vielen das Nothwendigste nicht verlieren: wollen wir uns Raths erholen in dem Worte Gottes, das uns noch nie verlassen hat, und einmal hören, wie ein Apostel scheidet von einer Gemeine, bei der er längere Zeit das Evangelium geprediget, Paulus von den Ephesern, wie dieß erzählt wird Apostelgeschichte 20, 18 ff.

Dort sagt er unter Anderem also: „Ihr wisset, wie ich nichts verhalten habe, das da nützlich ist, das ich euch nicht verkündiget hätte und euch gelehret öffentlich und sonderlich, und habe bezeuget die Buße zu Gott und den Glauben an unsern HErrn Jesum Christum. Darum zeuge ich euch an diesem heutigen Tage, daß ich rein bin von Aller Blut, denn ich habe euch Nichts verhalten, daß ich nicht verkündiget hätte alle den Rath Gottes. So habt nun Acht auf euch selbst und auf die ganze Heerde, und seyd wacker! Und nun, liebe Brüder, ich befehle euch Gott und dem Wort seiner Gnaden, der da mächtig ist euch zu erbauen und zu geben das Erbe unter Allen, die geheiliget werden.

Glaubet nicht, Geliebte, ich wolle das, was der Apostel von seinem Werke sagt, völlig auch von mir sagen; o nein, ich bin nicht so verliebt in mich selber und mein Thun, daß ich mit einem Apostel mich vergleichen möchte; ich selbst fühle nur zu tief das Stückwerk meiner Amtsversehung, und habe oft deßhalb vor Gott mich gedemüthiget und zu Ihm gefleht. Das aber ist Sache zwischen mir und meinem Gott; hier rede ich zwar vor Ihm, aber mit euch, meiner Gemeinde, und da fragt es sich: bin ich treu gewesen in meinem Dienste, habe ich gethan an euch, was ihr von mir, als eurem Seelsorger, fordern konntet, oder war ich ein lässiger Arbeiter im Dienste des HErrn an euch? Und auch was ich da sage, sage ich gewiß nicht, mich zu rühmen, sondern daß ich unsre Herzen richtig stelle, und wir wissen vor unsrem Abschiede, wie wir mit einander daran sind.

Ihr wisset wohl, wir Prediger dürfen nicht in den Tag hineinpredigen, was wir wollen, noch verschweigen, was wir nicht gerne sagen; wir dürfen nicht erst mit uns oder anderen Menschen Rath halten, was den Christen zu verkündigen sey: der Rath Gottes hat schon lange es geoffenbart und befohlen, was die Boten Christi alle Menschen in Dörfern und Städten, Hohe und Niedere, Bauern und Könige lehren sollen, lehren müssen, wenn sie Evangelium predigen und vor Gott bestehen wollen. In diesem Rathe Gottes ist Alles enthalten, was da nützlich ist einem Jeden zur Seligkeit; da ist Lehre und Ermahnung, Trost und Stärkung, Warnung, Gewissensweckung, Strafe, Züchtigung, wie es die menschliche Seele bedarf, um für das Reich Gottes erzogen zu werden; da ist Eifer und Majestät Gottes, Gnade und Liebe Gottes, Güte und Barmherzigkeit; da ist Heiligkeit und Gerechtigkeit, Vergeltung, Gericht, Drohung und Zorn Gottes, da ist für Jeden, was er nöthig hat, ein reicher, mannigfaltiger Schatz. Von diesem Allem nun sollen wir Prediger Jedes an seinen Mann bringen, Alles in der rechten Ordnung und Kraft austheilen, dem Schwachen und Starken, dem Unverständigen und Klugen, dem Niedergeschlagenen und Hoffärtigen, dem Kleinsinnigen und Leichtsinnigen, dem Aengstlichen und dem Rohen, dem Gebeugten und dem Trotzigen, dem Gotteskinde und dem Weltkinde, dem Frommen und dem Sündenknechte, jedem aus diesem mannigfaltigen Schatze den ihn besonders treffenden Theil zu geben - sehet Freunde, das haben die Boten Christi zu thun, die als Haushalter die mancherlei Gnade und Gabe Gottes verwalten und vertheilen sollen, das haben sie vor Allem öffentlich und auch bei besonderen Gelegenheiten zu lehren; und dieß mit Treue unter euch zu thun, d. h. mit redlichem Herzen und so viel ich konnte, war immer mein Dichten und Trachten. Ich traf ein wildes Feld unter euch an, ihr mögt es gestehen oder nicht, aber wahr ist es; da that denn Schärfe Noth von Anfang und gute Schneide, um die ärgsten wilden Auswüchse erst abzuschneiden und das Unkraut zu lichten, ehe ich an das Säen und Bauen der himmlischen Früchte denken konnte. Daß euer alter Mensch viel dagegen einzuwenden hatte, gewaltig sich sträubte, wunderte mich nie; also gehet es, wo das Reich Gottes an den Menschen kommt; Fleisch und Blut streiten dagegen. Die Gnade Gottes aber war mit uns, und ich durfte immer weniger von der Schärfe Gebrauch machen; der Boden eures Herzens wurde milder, die Meisten unter euch williger, verständiger, anhänglicher an das wahre Christenthum, das Wort Gottes fand besseren Eingang, manches Alte danktet ihr ab und setztet etwas Besseres an seine Stelle.

Das sind doch alles Früchte, die nicht der Weltgeist unter uns gewirket hat, sondern das sind Gaben und Zeichen der Gnade Gottes, Früchte des kommenden Reiches Gottes, die sein heiliger Geist in unsern Herzen zu Stande brachte und in unsern Häusern aufrichtete.

Wie nun, Freunde, soll das Alles wieder zusammenfallen? soll der alte Geist wieder regieren und unter sein Joch euch wieder schlagen? O nein, lasset das nicht geschehen, es ist meine innigste Bitte, Geliebte, an Jeden, dem ich irgend etwas Gutes unter euch erwiesen, dem ich etwas in seinem Herzen werth bin: gebt mir das als Zeichen eurer Liebe und eures beständigen Andenkens an mich, daß diese schöne Ordnung Bestand hat, daß ihr fest bleibet in dem angefangenen Werke; ist's ja weder meine noch eure Sache, was wir so mit einander aufgerichtet haben, ist es ja Gottes Sache, und der bleibet bei euch, wenn ich auch nicht mehr unter euch wohne; sein Auge stehet und suchet euch, sein Geist eifert über seinem Werke, wo ich dieß Alles nicht mehr kann.

Darum habet Acht auf euch selbst und auf die ganze Heerde, und seyd wacker - wie der Apostel sagt. Euer eigenes Herz wird euch versuchen, andere Verführer werden euch bereden wollen, dieses oder jenes Gute wieder aufzugeben, die Bibelbeiträge zu lassen, das Lesen abzudanken, der Stille und Eingezogenheit zu entsagen, eure Freiheit zu gebrauchen, wie solche Knechte der Sünde daherschwätzen, und in lärmendem, sündlichem und unordentlichem Wesen euch wieder gütlich zu thun und dergleichen mehr. Aber in Christo Geliebte, behaltet nur Ein Wort gegen alle diese Versuchungen, das ihr so oft von mir hörtet: was wider Gottes Wort ist, ist Sünde, und Sünde ist der Leute Verderben. Habt Acht! Lasset namentlich nicht ab, die Sonntagsgottesdienste nicht nur, auch die Wochenkirchen fleißig zu besuchen und eure Kinder und Dienstboten dazu anzuhalten - nehmt ihr euch täglich so oft Zeit, den hinfälligen Leib mit Nahrung zu versorgen, vergesset um so weniger der Seele zu ihrer Speise zu verhelfen, die da bleibet in's ewige Leben. Haltet an, eure Kinder fleißig in die Schule zu schicken - schwere Rechenschaft wartet euer vor Gott; die Schulglocke wird fortläuten, wenn ich nicht mehr unter euch bin, und ich habe euch gesagt, daß die euch jenes Wort Christi predigt: „lasset die Kindlein zu mir kommen!“ O habet Acht und seyd wacker, daß ihr bleibet in meiner Lehre; ich stehe mit meiner eigenen Seele dafür, sie wird euch selig machen, denn aus Gottes Wort nahm ich sie.

Der Apostel mußte (V. 29 ff.) vor Wölfen warnen, die theils von außen her unter seine Gemeinde eindringen, theils aus ihnen selbst kommen würden, vor Seelenverderbern, die verkehrte Lehren und Rathschläge reden - darum heißt er sie wachsam sein, daß sie nicht trauen einem jeglichen Geist und vorlauten Schwätzer, und heißt sie im Gedächtniß behalten, wie er sie mehrere Jahre mit großem Ernst ermahnet habe. Und was sollte ich euch Besseres sagen können, liebe Freunde, mag da kommen was da will! Es ist freilich herb für jeden Lehrer der göttlichen Wahrheit, denken zu müssen, es können in seiner Gemeinde Leute aufstehen, welche die Seelen im Irrthum gefangen nehmen und bösen Samen wieder ausstreuen, daß er den guten verdränge. Aber so ist es in dieser Welt: der Feind eurer Seelen suchet immer Gelegenheiten zu nützen, wo er wieder gewinne, was ihm abgewonnen wurde; aber denket nur, daß das der Feind, und nicht ein Freund eurer Seelen ist, der solches thut, und daß ihm seine bösen Anschläge nicht gelingen, wenn ihr nur wachen wollt über euren Seelen, und nicht schlafen. Widerstehet ihm fest im Glauben, den ich euch so oft an das Herz gelegt habe. Ihr seyd nicht alleine, theure Seelen, ihr, die ihr an meiner Lehre euch erbautet, ihr seyd nicht Waisen gelassen - der Gott und Vater unsres HErrn Jesu Christi ist und bleibt bei euch; an Ihn haltet euch und thut Fleiß, daß Er immer mehr einwohne in und unter euch. O Er ist ein mächtiger Gott, euch zu erbauen, und das Wort seiner Gnade ist ja in euer aller Händen - sind doch gegen sechzig Bibeln unter euch ausgetheilt worden nur in den dritthalb Jahren, die ich unter euch bin! die wahret, die liebet und gebrauchet als euren besten Schatz, als das wahrhaftige Wort, das eure Seelen selig machen kann - in ihm findet ihr Jesum Christum, euren guten, treuen Hirten, der seine Lämmer an seinem Herzen trägt, und Niemand kann sie ihm entreißen, wenn sie anders nicht selbst von ihm weglaufen. Vor diesem Weglaufen, dieser Verirrung hütet euch, Jung und Alt: ihr bleibet bei Ihm, so ihr in seinen Geboten wandelt und im Gebete bleibet. Haltet an am Gebet - ich habe euch erst noch besonders darüber gelehret und ermahnet, wie zu jeder Stunde, an jedem Orte, mitten in der Arbeit unser Herz mit Gott sich unterhalten könne, der da um und bei uns ist, wie ohne solches Beten unsere Vergeßlichkeit und unser Leichtsinn und so viele Versuchungen uns auf falsche Wege bringen. Darum lasset das Beten nie und lernet es immer besser - wer bittet, der nimmt und empfängt, empfängt jene unentbehrlichste Gabe, den heiligen Geist, ohne den wir nie Jesum Christum im wahrhaftigen Glauben unsern HErrn können nennen und neugeboren werden für Gottes Reich.

Nun aber, in Jesu Christo Geliebte, die Zeit eilt, wir müssen ein Ende machen: meine Stimme wird man so oft nicht mehr in dieser Kirche hören, unsre Augen werden sich so bald nicht wieder begegnen, wer weiß, ob je wieder in diesem Leben - darüber waltet Gott. Wir müssen also unsere Rechnung für immer mit einander schließen in dieser Welt - so lebet denn ihr vor Allen wohl unter den Gnadenflügeln eures und meines Gottes und Heilandes, ihr wahren Freunde unter der Gemeinde, von denen ich mit Wehmuth scheide: ihr habt mir manche Stunde versüßt, manchen Dienst mir erwiesen aus redlichem Herzen; Gott, der reiche Vater, segne euch reichlich dafür, mein Herz wird euer nimmer vergessen. Empfanget Alle, die ihr mir Liebe gezeigt, die ihr mein Wort irgend angenommen, meinen herzlichen Dank vor Gott, und wem ich irgend etwas Leids gethan, der vergebe mir. Die ihr mir aber manches Leid zugefügt, die ihr mir Mühe machtet mit euren Uebertretungen - ich verzeihe euch von Herzen und bin des Glaubens, die Meisten wußten nicht, was sie gethan haben; ich habe nur den Einen Wunsch, daß eure Herzen aufrichtig zu dem Gott der Stärke und Gnade sich wenden mögen, der euch noch rufet: lasset euch versöhnen mit mir! Ihr aber, ihr Wenigen, die ihr indeß widerstrebtet in der Härte eures Herzens den Bitten, Lehren, Ermahnungen, Strafen, die ich im Namen Gottes an euch richtete - euch will ich heute nicht mehr bekehren; ich habe gethan an euch, was ich, selbst ein gebrechlicher, sündiger Mensch, thun konnte: Eines aber kann ich euch nicht vorenthalten, daß ihr den göttlichen Spruch Ezech. 33, 7-11. wohl beherziget. Ihr Andern aber alle, theure Seelen, haltet fest am wahren Christenthum -, ihr Eltern ziehet eure Kinder auf in der Zucht und Vermahnung zum HErrn; ihr Kinder ehret eure Eltern, ob ihr und sie alt sind; ihr Ehegatten liebet euch unter einander und haltet Frieden; ihr Söhne und Töchter bleibet in der Zucht und in der Furcht Gottes; ihr Schulkinder wachset an Gnade bei Gott und Menschen, so wird Friede Gottes unter euch wohnen, und euer Glück sich vermehren. Ihr Wittwen und Waisen, wisset, daß euer Vater und Richter im Himmel ist, der wird euer Recht führen; ihr Armen, ihr Betrübten, ihr Notleidenden alle, suchet Trost und Hilfe in Christo. Christus der HErr und Heiland sey euer Aller Licht, Freude und Speise. Und nun, liebe Freunde, noch einmal habe ich euch erinnert an das, was Gott von euch fordert. So trachtet denn immer mehr nach dem Reich Gottes, bleibet in der Liebe und haltet Friede unter einander - der allmächtige Gott sey mit euch von nun an bis in Ewigkeit. Amen.

Zum Schlusse, Geliebte, vereiniget eure Herzen mit mir in frommer Andacht zum Gebete:

Vater, die Stunde ist hier, da wir von einander gehen müssen, die wir Jahr und Tag in Deinem heiligen Evangelium uns mit einander erbauet und an unsrer Seelen Heil nach Deinem seligmachenden Rathschlusse in Christo gearbeitet haben. Du kennst unsrer Aller Herzen und all' unser Thun vom Anfange, da Du uns zusammen führtest, bis hieher - vor Deinem heiligen Angesichte verklagen uns so viele Sünden der Schwachheit und des bösen Willens; stelle Du sie durch Deinen richtenden Geist uns unter das Auge unsers Gewissens, ehe Du als strenger Vergelter mit uns in's Gerichte gehst; wirke Du jene heilsame Selbsterkenntniß in uns und jene göttliche Betrübniß, die da eine fruchtbare Reue wirket zur ewigen Freude, die da mit verstärktem Eifer und vorsichtiger Wachsamkeit die alten Fehler uns fliehen und gut machen lehrt, daß wir in dieser bösen Zeit die ewige Wohlfahrt unserer Seelen nicht verlieren, und das Kleinod eines in der Liebe thätigen Glaubens uns bewahren. Deine Gnade, die da reich und stark genug ist, aus Sündern uns immer mehr in Deine Kinder zu verwandeln, wirke kräftig in unsern Herzen und Gewissen. Vater, Du kennst, Du ergründest uns Alle - Dir sind sie nicht verborgen diejenigen unter dieser Gemeinde, die sich durch die Predigt deines Wortes von der Welt auserwählen ließen; stärke Du in ihnen das angefangene Werk, kräftige sie, gründe sie in der Gottseligkeit und vollbereite sie zu Deinem heiligen Erbe. Dir sind sie nicht verborgen diejenigen, deren Herz von Deinem Geiste sich nicht strafen läßt, jene mit den grauen Haaren und die in den jungen Jahren, in denen Christus Jesus keine Gestalt gewinnen konnte, die im blinden Leichtsinn thun, was ihren Augen wohlgefällt, was sie von alter Zeit gewohnt sind; Du kennst die leichtsinnigen Eltern, die harten, die lieblosen, die händelsüchtigen, die untreuen Ehegatten, die ungehorsamen, die groben, die gefühllosen Kinder, Du kennst, die ihres Amtes nicht warten und Dein Gericht in demselben nicht vor Augen haben; Du kennst die Verführer und die Verführten, die Schwachen und die Boshaften, die Diebe und die Hurer, die Säufer und die Verleumder, die Störrigen und die Streitsüchtigen - ach HErr, HErr Gott, der Du vergiebst Missethat und wohlthust denen, die Dich lieben und Deine Gebote halten, bis in's tausendste Glied, aber auch die Sünder heimsuchst bis in's dritte und vierte Glied: wehre und steure der Sünde und ihrem Verderben mit Deinem mächtigen Gottesarm in dieser Gemeinde, erwecke alle Sünder aus ihrem Schlafe und ihren Träumen, schneide mit Deinem hellleuchtenden Worte in ihre Herzen, führe die Unbekehrten zur ernstlichen Buße, und vergieb uns Allen um Jesu Christi willen, was wir bisher versäumt und gesündigt haben. Gerechter Vater, die Welt kennet dich nicht - o gieße Deine Erkenntniß und die Erkenntniß Deines Sohnes Jesu Christi immer reicher aus über diese Seelen, pflanze Dein Himmelreich immer reiner und fruchtbarer in die Herzen dieser Kinder ein, die ich in der Wahrheit und der Gottseligkeit unterrichtete; erhalte jene Konfirmirten in Deinem Bunde, die mir Treue gegen Dich in die Hand gelobten; errette und bewahre sie vor den Lüsten der Jugend die erwachsenen Söhne und Töchter, die aus meiner Hand so oft das heilige Sakrament empfiengen; leite, treibe, stärke die Eltern, daß Deine Furcht und Liebe in ihren Häusern herrsche, daß Dein Wort ihr und ihrer Kinder und Dienstboten Reichthum und Schatz bleibe. Seh mit allen denen, die ein Amt haben, daß sie in Deinen Wegen und Rechten einhergehen und gedenken der Rechenschaft, die Du von ihnen fordern wirst. Tröste und erquicke mit Deinem himmlischen Gnadenschatze alle Greise, alle Kranken, alle Wittwen und Waisen, alle Verlassenen, Alle, die nach Dir seufzen und rufen. O Du treuer Hüter, der Du wachest und schlummerst nie, sey Du der Seelenhirte dieser Gemeinde: suche die Verlorenen, waide die Gewonnenen, stärke alle Herzen, unsträflich zu sein in der Heiligung und im Warten auf Deine Zukunft. Amen.

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