Baxter, Richard – Selbstverleugnung - Das XV. Capitel.

Baxter, Richard – Selbstverleugnung - Das XV. Capitel.

Eigen-Will muß verlaeugnet werden.

Das vierdte Stueck der Selbheit / so getoedtet werden muß / ist Eigen-Will. Dieser ist eine Frucht des Eigen-Duenckels / und ein so groß Ubel in der Seelen / als es ist ein tief gewurtzelt halßstarrig Laster. Ein jeder Gottloser ist ein Eigensinniger gegen GOtt / und alle die an GOttes Seiten sind: Dieses Selbst nun oder Eigen muß getoedtet werden in dem Willen / oder es kan keine seligmachende Gnade in solchem Willen seyn.

Aber / welcher Wille ist ein Eigen-Will? Antwort: Nicht derjenige Wille / der von GOtt kommet / oder zu GOtt fuehret / sondern alles das andere / was im Willen ist.

1. Derjenige Wille / der nicht regieret wird von GOtt und dessen Willen / derselbe ist nicht besser als Eigen-Will. Ein Wille / der nicht dependiret an GOttes Willen / ist ein Abgott / und gebrauchet den Vorzug / der GOtt gebuehret: Denn dessen Eigenschafft ist / daß er von niemand dependire / und daß er einen Willen habe / der nicht durch einen obern Willen reguliret werde. Die meisten erkennen wenig / wie eine grosse Suende der Eigen-Will ist. Euer Wille ist allezeit auf etwas / es sey was es wolle / gerichtet / und selbiger euer Wille regieret alles euer andere Thun; Aber was ist dasjenige / darnach sich euer Wille richtet? Woher entstehen / und auf was Grunde bestehen eure Verlangen? Sind sie nach GOttes Willen gerichtet / oder sind sie nicht? Ihr betet zu GOtt: Dein Wille geschehe; und sind eure eigene Willen mit diesem Gebete zufrieden? Oder sind es nur Heuchel-Worte? Wo ihr in der Warheit wollet / daß GOttes Wille geschehe / so wird euer Wille dahin gerichtet seyn / was GOtt wil. Wie ein Knecht sich richtet nach seines Herrn Willen / in aller Arbeit / die er zu thun hat / und thut nicht / was er selber wil / sondern was sein Herr wil / das er thun soll: Und wie ein Schueler sich richtet nach seines Lehrmeisters Willen / und nur lernet solche Buecher und Lectiones, als ihme vorgeben werden / so muessen wir uns richten nach dem Willen GOttes / und erkennen was sein Wille ist / eher wir unserm eigen Willen Raum und Statt geben. Die Ursach / warum ihr solch oder solch einen Stand / Amt und Lebens-Art begehret / solte seyn der Wille GOttes. Seyd ihr in Armuth / und begehret reicher zu seyn euren Willen zu gefallen / und nicht / daß ihr gedaechtet / es moechte etwa GOtt besser gefallen / das ist Eigen-Will: Begehret ihr einige Veraenderung in eurem Zustande / unterfanget ihr etwas in der Welt / so pruefet euch / warum ihr dieses thut: Ob es vornemlich geschicht / daß ihr gedencket / es sey der Wille GOttes / oder ob es nur ist euer Eigen-Wille. Ich sage / ihr soltet nicht ein Begehren / nicht einen Wunsch in eurer Seelen haben / biß ihr koentet beweisen / daß es GOTT also haben wolte / und wo euer Eigen-Wille euer gantzes Leben schlechter Dinge regieret / und in eurem Thun alles anordnet / so machet ihr euch selbst zu GOtt / und GOtt wil auch mit euch handeln / wie Er mit solchen pfleget.

2. Ja / wenn ihr gedencket / der Wille GOttes stimme mit euren Willen ein / und ihr werdet in Betrachtung dessen / mehr dazu angetrieben / dennoch wo die Wahl oder Vornehmen erstlich von eurem eigenen Willen herruehret / und daß GOttes Wille nur wird eingebracht / eurem zu folgen / und ihn auffzumundern / das ist doch Eigen-Will / und Selbst-Goetterey. Dieses ist der Ungoettlichen gemeiner Weg: Ihr Eigen-wille schreibet ihnen zuerst fuer / was sie thun wollen; Und so gehen sie dann hernach / und suchen in der Schrifft / ob sie etwas finden moechten / daß sie fort helffen mag: Da wollen sie endlich glauben / daß GOttes Wille mit ihnen eines sey / damit sie dergestalt mit beruhigten Gewissen fortmachen moegen. Sie gehen / GOtt um Rath zu fragen / wie Bileam that / nicht mit auffrichtigen Hertzen / den Willen GOttes zu erfahren / demselben zu gehorchen / sondern mit solchen Begehren / daß Gott doch moechte seinen in ihren Willen geben. Meine Meynung ist diese: Wie oft auf das Ding / so ihr thut / in der Schrifft befohlen / und wiewol es auch uebereinstimme mit dem Willen GOttes / dennoch so ihr es begehret und thut / getrieben von euch selbst / und nicht darum / weil es der Wille GOttes ist / und lasset also nicht GOttes Willen euren Willen fuehren / sondern lasset euren Willen die Direction haben / und GOttes Willen folgen / diß ist Eigen-will / wie gut auch das Ding an ihm selber sey.

3. Wo die End-Ursach / die euren Willen treibet / nicht ist der Dienst und Ehre GOttes / sondern allein euer eigen Interesse, das ist nur Eigen-Will. GOtt giebet euch zu / daß ihr euch selbst in Acht nehmet / wie seine Knechte / in einer gebuerlichen Unter-Ordnung gegen ihme. Allein / wo ihr wollet vornemlich nur auf euch und das eure dabey sehen / und dagegen was GOttes ist / schlecht achten / und verabsaumen / oder gar nicht ansehen / und die Gruende eures Willens und Begehrens nehmen von euch selber / und euer Bequemlichkeit / dieses ist ein ungoettlicher Eigen-Will. Und dennoch / wie viel sind leider / die keinen bessern Willen haben? Wenn sie solten in der Warheit Rechenschafft geben von den vornehmsten Begehren ihres Hertzens / und woher dieselbe kommen / von wannen sie angetrieben werden: Warum sie dieses oder jenes haben / diß oder das thun wolten / so wuerden sie bekennen muessen / es sey von ihnen selbst / dieweil es zu ihrem Ende dienstlich ist / und weil es ihrem Willen wol behaget / weil es ihnen bequemlich ist / etc. und nicht darum / weil es sie geschickt machet / desto besser den Willen GOttes auszurichten / und deme gefaellig zu leben. Fraget die Leute bey ihrem Kauffen / Verkauffen / Heirathen / Handlungen und Handthierung / warum sie dieses oder jenes thun: Wie viel solten wol seyn / die mit Warheit sagen koenten / ich thue es / dieweil ich meyne / GOtt auf solche Weise am besten zu dienen / und weil ich auf solche Art am fueglichsten kan der Kirchen und des gemeinen Besten Wolfahrt befoerdern / diß ist meine vornehmste Ursach? Ach! ich fuerchte / es sind derer allzuwenig / die eine hoehere End- oder bewegende Ursach haben / als Selbst. Selbst ist es / daß sie zur Arbeit setzet / und ihnen vorschreibet / was und wie sie thun muessen. Ja / auch in den Wercken und Ubungen der Gottseligkeit / im beten / hoeren / lesen / und desgleichen / dienen sie nur Selbst / da sie meynen / sie dienen GOtt: Und ihre hoechste Andacht ist nur ein solcher Gottesdienst / als Schmeichler ihren Fuersten oder Hausherren aufwarten / nur darum / daß er ihnen gutes thun / ihr eigen Ende befoerdern / und ihnen zum Dienste seyn mag / oder auch / wie etliche Indianer dem Teuffel dienen / damit er ihnen nicht Schaden zufuege. Der Will der allein von eigen Vortheil und Genieß angetrieben wird / ist ein Eigen-Will.

4. Vielmehr aber ist es Eigen-will / wenn die Leute dem Willen GOttes widersprechen; Wenn die Schrifft ein Ding saget / und sie ein anders / wenn GOttes Gesetze ihnen nicht schmecken / und sie haben kein Gefallen zu dem Wercke / das Er wil von ihnen gethan haben / wenn sie das wollen / was GOtt verbietet / und gerne wollte mit verbotenen Dingen zuschaffen haben: So mag es auch ihr sonderlich Begehren nicht mindern / daß der ausdrueckliche Wille GOttes ihnen zugegen ist: Diß ist Eigen-Will in einem hohen Maß.

5. Also auch / wenn man das wil / was gegen Gottes Ehre und Recht ist / das da dem Evangelio und vieler Seelen Seligkeit hinderlich seyn moechte / und GOtt mißgefaellig ist. Diß ist Eigen-Will in hohem Grad.

Daraus also erscheinet / was Eigen-Will ist / und was eigenwillig seyn. Nun betrachte / ob dieses Stueck von Selbst ins gemein in der Welt verlaeugnet werde. Unter sol viel hundert tausend Begehren des menschlichen Hertzens / wie viel sind wol entzuendet aus dem Willen und Befehl GOttes / oder angetrieben aus Liebe zu seiner Ehre. Wie gemeiniglich hat die Welt ein Mißbehagen an dem Wort und Wegen Gottes? wie uebel gefallen den meisten die Versehungen Gottes / was ist da in ihrem Willen ein Widerstreben gegen ihme: Und waere es nicht / daß Gott ihnen zu hoch und unueberwindlich ist / und daß sie wuesten / widerstreben und streiten koenne sie doch nicht helffen / die meisten in der Welt wuerden einen oeffentlichen Krieg mit dem GOtt vom Himmel anfangen. Selbstes Herrschafft ist so groß in dem Willen der Ungeheiligten / daß ihr Will aeussesrstes Vermoegens ist gegen den Willen GOttes / und daß sie sich noch so weit in den Willen GOttes schicken / als sie thun / kommt dahero / dieweil sie ihnen nicht zu helffen wissen: Eben diejenigen / die da meynen / sie dienen GOtt so wol / und lieben ihn so sehr als die Allerheiligsten / die wuerden noch vor morgen gegen ihme in Gewehr seyn / und GOtt aus dem Himmel stuertzen / waere es in ihrer Macht; Oder / wenn sie nur so grosse Hoffnung haetten / daß sie moechten so viel ausrichten gegen GOtt / als sie hoffeten auszurichten gegen seine Diener / O wie wuerd es in der Welt daher gehen! Ich weiß auch diejenigen / denen dieses angehet / glauben diß nicht von ihnen selbst. Ach nein: Selbst ist allzu starck bey ihnen / daß er solte zugeben / daß sie sich so weit erkennen moechten. Allein / die Sache ist klar und offenbar. Denn / wie GOtt selber uns saget / daß seithero dem Falle eine Feindschafft sey gesetzet / zwischen Christo und dem Saamen der Schlangen / so sehen wir dasselbe bey taeglicher Erfahrung. Wie hat die Welt durchgehendes ein Mißgefallen an dem Willen Gottes? Wo redet Gott gegen in seinem Wort / als gegen Suende / und wo gegen hat er sonst seine Boten geheissen auszuruffen? Und dennoch was ist / da die Gemuether der meisten ihren hoechsten Gefallen haben? Wie halsstarrig widerstreben sie nicht allein GOtt / sondern auch der Obrigkeit und Predigern / die sie wolten davon abziehen. Was befihlet GOtt mehr und haerter / als ein heilig und himmlisches Leben? Und ist nicht das Hertz der meisten demselben am haertesten zugegen? Setzten sie sich nicht wider alle die Gruende / die sie dazu ueberreden wolten / und widerstreben mit Halßstarrigkeit / ja verlachen und bespotten die Heiligkeit / welche der Wille Gottes ihnen so vielfaeltig befohlen hat? Sein gantzes Wort strebet davor / seine Propheten und Apostel und alle seine Diener gehen mit Exempeln vor / sein Sohn JESUS CHristus hat in seiner H. Person / Amt und Leben / es der Welt noch mercklicher commendiret / und es war ein groß Stueck seines Wercks / daß er im Fleisch that / daß er ein Exempel der Heiligkeit und Selbst-Verlaeugnung den Menschen vorstellete: So verachten es die meisten / hassen es s/ und haben ein Mißgefallen darran / streiten gegen diesen heiligen Willen Gottes / das ist / gegen GOtt selbst / wenn sie nur einige Hoffnung haetten / etwas damit auszurichten: Dieses ist unzweiffelbar / ob sie schon selbst es nicht wissen wollen. Meynet ihr / es sey umsonst / daß sie GOtt heisset seine Feinde / und beschliesset / daß er sie als Feinde lohnen wil / eben darum / weil sie nicht wolten / daß Christus ueber sie herrschen solte / Luc. 19/ 27. Zweifels frey GOtt verurtheilet niemand unrechtfertig: wo er saget / daß sie solche sind / und verdammet sie als solche / so ist es auch gewiß / daß sie solche sind / nemlich seine Feinde. Aber der unendliche erschreckliche GOtt ist hoeher / denn daß sie ihn erreichen koennen / sie aber koennen GOtt nicht entgehen. Ihre Boßheit kan GOtt nicht mehr schaden / als sie den Lauff der Sonnen hemmen kan; Seine Ungnade aber kan sie bald herunter bringen / unterdessen solten diese elende Menschen betrachten / was es fuer ein GOtt ist / da sie mit zu thun haben / der noch ihre Boßheit traeget / die Sonne und Mond scheinen auch auf die Hunde / die sie anbellen. Die Barmhertzigkeit Gottes / dessen Willen du widerstrebet hast / die hat bishero dein widerspenstig Selbst erhalten und ernehret; aber seine Geduld wil nicht allezeit zusehen: darum nimmt bey Zeiten an diesen nothwendigen Rath / zerbrich deinen abgoettischen Eigen-Will / und laß keinen Willen oder Begehren in dir seyn / der nicht getrieben ist durch den Willen Gottes / durch sein Wort / als den Grund / und durch seinen Gefallen und Ehre als dein vornehmstes Ende. Brich den Willen / der nur allein entstehet von Selbst / und wird nur getrieben durch Selbst / erschlage denselben vor dem HErrn / als seinen Feind / wie Samuel dem Agag that. Ob schon ein heuchlerischer Saul dieses auffruehrischen Koeniges verschonen wil / der doch nur zum Verderben gerichtet ist / so thut es doch nicht ein gehorsamer Knecht GOttes. Ich heisse dir nicht / daß du solt deinen Willen Gottes Willen als ein Opffer darbringen / dann er ist viel zu arg / daß er solte GOtt ein angenehmes Opffer seyn / sondern toedte ihn gantz und gar als ein verbannetes / laß hinfuehro keinen solchen Willen in dir seyn / dessen Ursprung und Ende Selbst sey / wo der Wille getrieben wird durch die Ehre Gottes und sein Wort / so magst du denselben heissen Gottes Willen so wol als dein eigen: Er ist dein subjective, aber ist Gottes als der vornehmsten wuerckenden und End-Ursach. Wuestet ihr nur / was euer Eigen-Wille ist / und was er noch thun wird / wo er nicht getoedtet wird / ihr wuerdet ihm nicht so viel nachhaengen / und befleißigen ihm zu gefallen / und streben / daß er moechte vollbracht werden / wie ihr bißher gethan habt. Und zu dem Ende betrachtet nur diese wenig folgende Puncta:

1. Der Wille des Menschen ist der irrdische Thron GOttes; daselbst wil er herrschen: der Wille muß alle untere Kraefften der Seelen regieren / und GOtt muß ueber den Willenherrschen: Sollte denn Selbst sich unternehmen: GOtt aus seinem Thron zu stossen / und sich in dessen Stelle zu setzen? der den Willen regieret / regieret den Menschen / soll dann Selbst dich regieren / und meynest du / GOtt werde diß alles so auffnehmen?

2. GOtt ist es / der die oberste Macht hat / und Selbst hat keine / als die unter GOtt ist. Wir sind nicht unser eigen / und haben darum nichts zu thun mit uns selbst / sondern muessen leben nach dem Willen GOttes / der unser Eigenthuemer ist: heute dich demnach / daß du nicht sein Recht ihm raubest.

3. Dein eigen Wille ist ein verdorbener und suendlicher Wille / und dannenher ungeschickt dich zu regieren: Was? wilt du dir erwehlen einen ungerechten boßhafftigen und unbarmhertzigen Herrscher / der nur immer geneigt ist boeses zu thun? Ein solcher aber ist dein Wille / da hingegen der Wille Gottes ist vollkommen gut / und kan nicht auch im geringsten zum Boesen geneiget seyn: Von demselben lasse dich regieren / so kanst du versichert seyn / daß du hast den allergerechtesten / heiligsten / getreuesten und barmhertzigsten Herrscher in der Welt. Eigen-Wille dem Willen Gottes vorzuziehen / ist mit den Juden Barrabam den Moerder dem HErrn des Lebens vorzuziehen.

4. Ferner: Unser Eigen-Will wird geleitet durch einen verfinsterten Verstand / und laesset sich leicht durch jegliche Gelegenheit abwendig machen. Ob schon der Wille das Commando fuehret / so wird doch derselbe geleitet von dem Verstande / und darum / wie der verfinsterte Verstand sich gemeiniglich nicht recht zu finden weiß / oder auch wol gar betrogen wird / daß er boeses gut / und gutes boese zu seyn erachtet / so muß der Wille nothwendig ein unglueckseliger Regent seyn / der eines so unwissenden Rathgebers Instruction folget: aber wo ihr euren eigenen Willen verlaeugnet / und euch den Willen Gottes regieren lasset / so duerfet ihr euch nicht befahren / daß ihr uebel gefuehret werdet / inmassen seine Weißheit unendlich / und nicht betrogen werden kan. Erwehlet demnach nicht einen blinden Leiter / wann ihr von der Weißheit selber gefuehret werdet / wann GOtt ech gerne regieren wil / so ziehet nicht solche thoerichte Suender / als ihr seyd / ihm vor.

5. Ferner: Eurer Eigenwill hat euch fast schon verdorben / er ist die Ursach gewesen aller euer Suende und Elendes / all der Schaden / der euch und alle Menschen befallen hat / kommet von Eigen-Will / und wollt ihr demselben noch ferner folgen / und euch nicht warnen lassen / als ob er euch nicht Schaden genug zugefueget haette? Im Gegentheil aber seyd ihr euer Lebelang nicht beschaediget worden / wann ihr dem Willen GOttes gefolget habet / es moechte dann seyn ein solcher Schade / wie die Reinigung und Ausdrueckung eines Geschwaeres ist / ohne welches es nicht kan geheilet werden / oder ein solcher Schade als die Einnehmung der Artzney ist / ohne welcher ihr nicht koennet gesund werden. Saget mir / wo ihr koennt / wann der Wille Gottes euch Schaden zugefueget hat? wann ist es euch uebeler ergangen / daß ihr seinem Rath gefolget seyd? Sehet zurueck auf euer Leben / und saget mir dann / ob all euer Unglueck und Schaden sey gekommen daher / daß ihr Gottes / oder daß ihr eurem eigenen Willen gefolget seyd / und welches ihr die groesseste Ursach habet zu bereuen.

6. Es ist niemand / der seinem eigenen Willen biß ans Ende nachhaenget / den es nicht ewig gereuen solte / er leitet den Menschen schnurstrack gegen Gottes Willen / und so zur Hoellen: hingegen ist niemand / der auffrichtig und biß ans Ende dem Willen Gottes folget / dem es fehl schlagen solte. Dieser ist der sicherste Geleitsmann / er hat niemals eine Seele zur Hoellen gefuehret. Alle die ihm folgen / leben mit Ihm; dann wohin solte er sie fuehren als zu sich selbst? und wo GOtt ist / da ist Leben und Herrlichkeit. Seinem Willen zu gehorchen / ist seinem Willen gefallen / ihme zu gefallen / das ist unser rechtes Ende. Es kan denen nimmer uebel gehen / die da GOtt dem HErrn und Richter aller Welt / dem Austheiler aller Belohnung und Straffe gefallen.

7. Gleichwie nun euer Wille verleitet wird / also ist er auch unbestaendig / der euch auff und nieder in stete Unruhe fuehren wird; und ob ihr schon moechtet gedencken / es sey dieses der einige Weg zu eurer Zufriednheit und koenne euch nichtes so wol vernguegen / als wann ihr euren Willen habet / so seyd ihr doch elendig betrogen. Euer Wille ist gleich dem Willen eines Menschen / der im Fieber lieget / der gerne wolte kalt Wasser haben / welches ihme / indem ers trinckt / vielleicht wol schmecken / aber hernach leicht sein Tod seyn moechte. Ihr liebet das / was euch schaedlich ist / ja das / was nicht besser als Gifft ist zu eurer Seelen. Ihr wuerdet euch bald ins Verderben bringen / wann ihr euren eigen Willen haettet. Es ist nicht die geringste Gnade GOttes gegen euch / daß er euren Willen creutziget / und euch das versaget / da ihr Lust zu habet. Lasset ihr doch nicht eure Kinder essen / oder trincken / was sie / sondern was ihr wollet / dieweil ihr besser wisset / was ihnen dienet. Ein Krancker kan seinen eigenen Willen verlaeugnen seiner Gesundheit halber / und sich ergeben in den Willen des Artztes; und soltet ihr euch nicht vielmehr dem Willen GOttes untergeben? Ja ihr soltet ihne bitten / daß Er euren Willen creutzigen moechte / wann er siehet / daß er gegen seinen Willen und euer bestes gerichtet waere: Haettet ihr nur den Verstand / daß ihr moechtet recht urtheilen von GOttes Handlungen mit euch. Ich bin versichert / wann ihr euer Leben wuerdet uebersehen / ihr wuerdet befinden / daß euch GOtt mehr Gnade erwiesen / indeme Er euren Willen gecreutziget / dann wann Er ihn erfuellet haette. Lasset derowegen ins kuenfftige euch nicht so sehr angelegen seyn / daß ihr alles dasjenige haben woltet / was ihr begehret / bis ihr versichert seyd / daß ihr nichtes begehret / als was euch gut ist / und das ihr begehren soltet. Die gegenwaertige Vergnuegung des Eigen-Willens verursachet oftmals folgende Unruhe / aber in dem Willen GOttes moeget ihr volle und bestaendige Zufriedenheit haben: Dann sein Wille ist allezeit zum Guten gerichtet / und hat dahero nichtes in sich / das euch unruhig machen koente. Sein Wille ist allezeit derselbe und unveraendlicher / der euch also nicht durch vielfaeltige Veraenderung verunruhigen mag. Er weiß es im Anfang / wie es ausgehen wird / und befiehlet euch nichts zu thun als was Er gewiß weiß / das euch zuletzt troestlich seyn wird. Es stehet in seinem und nicht eurem Willen zu / von euch und all euren Geschaefften zu disporniren. Ist demnach die hoechste Billigkeit von der Welt / daß GOttes Wille eurem vorgezogen / und ihr in demselben friedlich geruhen muesset / und daß Eigen-Wille muß verlaeugnet werden / als ein Verstoerer eurer Ruhe.

8. Ferner: Eigen-Wille ist des Satans Wille / und von ihm auffgewiegelt gegen dem HErrn: denn so regieret der Teuffel die Kinder des Ungehorsams / nemlich durch Eigen-Duenckel und durch Eigen-Will / wo ihr demnach wollet absagen dem Teuffel / so verlaeugnet euren Eigen-Willen / dann indem ihr euch durch denselben regieren lasset / so lasset ihr euch regieren durch Satan / und indem ihr dem gefallet / so gefallet ihr ihm. GOtt saget euch dieses mit deutlichen Worten Eph. 2. v. 1.2.3. Die da wandeln in Ubertretung und Suende / und also todt sind in denenselben / nach dem Lauff dieser Welt / und in den Luesten des Fleisches / und thun den Willen des Fleisches und der Vernunfft / diese (sagt der H. Geist) wandeln nach dem Fuersten der in der Lufft herrschet / nach dem Geist / der zu dieser Zeit sein Werck hat in den Kindern des Unglaubens.

9. Es ist die Vollkommenheit und Glueckseligkeit des Menschen / daß er dem Willen Gottes gleichfoermig werde / und friedlich darinnen geruhe / und ist das Verderben und Elend des Menschen / daß er hat einen selbstischen verfuehrten Eigenwill / der da widerstrebt seines Schoepffers Willen. Und so weit / als ihr vest eurem eigenen Willen nachhaenget / darauff ersessen seyd / und denselben muesset erfuellet haben / und nicht geruhen koennet in dem Willen Gottes / so weit seyd ihr ungeheiliget und unselig / und unter der Macht dieser Suenden-Kranckheit; so weit ihr aber eurem eigenen Willen abgestorben seyd / und sehet nur auf den Willen Gottes / daß der euch beydes regieren und auch vergnuegen soll / und wollet dasjenige / was er wil / eben darum / weil ers wil / und erfordert von euch / daß ihr es wollen solt / und eure Seele geruhigen koent / in diesem Willen / in deme ihr bedencket: es ist meines Vaters Wille / und darum am besten; so weit seyd ihr geheiliget / und zu GOtt wieder gebracht.

10. Letztlich / so wisset / daß es am besten ist / euren Eigenwill beyzeiten zu verlaeugnen / und euren Willen dem Willen Gottes zu untergeben. Dann wann ihr alles gethan habet / was ihr thun koennet / so wil doch GOtt endlich seinen Willen haben / und ihr solt nicht lange euren eigenen Willen haben. Ihr moeget streben gegen dem Willen GOttes / aber ihr sollt ihm nicht entgehen. Ihr moeget sein Gesetze brechen / aber seinen Gerichten solt ihr nicht entrinnen. Ihr moegt seinem befehlenden Willen widerstehen / aber gegen seinen straffenden Willen werdet ihr euch nicht aufflehnen koennen. Wann ihr eure hoechste Krafft daran gestrecket habet / so ist es doch Gottes Wille / dabey es bleibenmuß / und zwar ein solcher Wille / der eurem Willen nicht wolgefallen wird. Eigenwille waeret nimmer lang / seine Zufriedenheit ist kurtz. Jetzund wollt ihr euren Willen haben / GOtt mag euch sagen / was er wil: Ihr wollet eurem Appetit im Essen und Trincken gefallen; Ihr wollet fleischlich lustig seyn / und eure Zeit in unnoethiger Ergetzung und Lust zubringen. Ihr wollet von allen respectiret / geehret / und vor etwas angesehen seyn in der Welt; Ihr wollet versorget seyn fuer die kuenfftige Zeit / und reich und maechtig seyn / daß ihr moeget allezeit von dem grossen Hauffen nehmen / oder daß euch zum wenigsten nicht mangeln mag / davon ihr euer Fleisch accommodiren moeget / und darum muesset ihr euren Willen haben / und dasjenige / was ihr begehret / wann ihr nur Mittel sehet / wie ihrs erlangen koennet: aber wie lange wollet ihr euren Willen haben? Wie lange wollet ihr haben dasjenige / was ihr begehret / ob es GOtt schon verbietet? wolt ihrs auch behalten / wann der Tod kommt? wann ihr da lieget in Pein und Schmertzen / und alle Augenblicke erwartet in der andern Welt zu seyn? Wollt ihr dennoch euren Willen haben? wann ihr in der Hoellen lieget / wollt ihr dennoch euren Willen haben / oder das was ihr begehret? O meine Lieben / es ist nur eine kurtze Zeit / die der Eigenwill waehren kan / es ist nur eine kurtze Lust / die ihr dadurch suchet / aber der Wille GOttes ist ewig / und darum / wann ihr nur allein euren Willen haben wollet / wie kurtz wird eure Zufriedenheit seyn: Suchet ihr aber eure Vergnuegung in dem Willen GOttes / so werdet ihr ewige Vergnueglichkeit finden. Ein jedes geringes Ding mag euren Willen betrueben / ein jeder / der groesser ist als ihr / kan demselben zuwider seyn / ja auch der geringer ist dann ihr / kan euren Willen creutzigen. Der aermste Bettler kan euch berauben oder verachten / oder eine boese Nachrede auf euch bringen / oder sonsten auf viele Weise eurem Willen zuwider seyn. Ja ein unvernuenfftig Thier kan eurem Willen widerstreben / und ist fast kein Ding in der Welt / das nicht euren Willen creutzigen koenne / wie vielmehr kan GOtt dann zu allen Zeiten euren Willen creutzigen / und er wil ihn ja gewißlich creutzigen / daß also in eurem eigenen Willen keine Ruhe oder Glueckseligkeit ist. Allein wann ihr euren Willen bringen koennet zu GOttes Willen / und eure volle Vergnuegung haben in diesem: Es ist der Wille GOttes; was fuer eine bestaendige unveraenderliche Ruhe moechtet ihr alsdann haben? die gantze Welt koente euch nicht verwirren / und euch eurer Vergnuegung berauben / weil sie den Willen GOttes nicht ueberwinden mag / sein Wille muß allezeit geschehen / und so wuerdet ihr immer Zufriedenheit haben.

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