Baur, Wilhelm - Jesus Christus, unsere Versöhnung - Am zweiten Ostertag.

Baur, Wilhelm - Jesus Christus, unsere Versöhnung - Am zweiten Ostertag.

Der Fürst des Lebens, der den trauernden Jüngern die Herzen brennend gemacht, indem er ihnen die Schrift auslegte, gebe auch uns Erkenntnis seines Wortes und Lust an seinem Reich und seiner Herrlichkeit. Amen.

Geliebte im Herrn! Die Botschaft und Mahnung, die ich gestern auszurichten hatte: Wir haben auch ein Osterlamm, das ist Christus für uns geopfert, darum fegt den alten Sauerteig aus! wies unsere Gedanken auf uns selbst, damit es innerhalb der Christenheit so werde, wie es werden soll. Heute möcht' ich, dass wir von uns selbst recht weit hinausschauten. Tut unserem Christentum nicht ein freier, offener Blick not? Worin besteht nach der meisten Christen Meinung das lebendige, wirksame, tätige Christentum? Der Besuch der Kirche, der Genuss des Abendmahls, im Haus Lesen des Gotteswortes und Gebet, gute Kinderzucht, Tüchtigkeit im irdischen Beruf, Geduld im Leiden, Eintracht mit den nächsten Lieben, Friede, wo möglich mit allen Menschen, offenes Herz und offene Hand für die Armen und Elenden, frommes Warten auf den Ruf des Herrn aus diesem Leben in sein himmlisches Reich - wer diese Dinge hat, der mag wohl ein lebendiger Christ heißen. Aber ist er's völlig? Geht er mit seinem Tun und Leben auf alle Liebesgedanken ein, welche Gott über die Menschheit hat? Ist solch Christentum nicht in zu kurze Zeit, auf zu wenig Menschen, auf zu engen Raum eingeschränkt und geht es in die Tiefe? Last euch erinnern an die Länge, Breite, Höhe und Tiefe der Liebesgedanken Gottes! Wieviel Zeit umfasst deine Anschauung vom Christentum? Wo beginnt's? Mit deiner Bekehrung? O dass du solch einen Anfang neuen Lebens wüsstest! Oder gehst du in deinen Gedanken weiter zurück bis auf die Zeit, da du zuerst den Ruf: wacht auf vom Schlaf, die Predigt des ungefälschten, ungeschmälerten Evangeliums wieder erschallen hörtest? Oder bis zur Reformation? Oder bis zur ersten Bekehrung des deutschen Volks? Oder bis auf die Geburt deines Heilandes? Du sollst noch weiter zurückgehen und wissen, dass die Liebe von Ewigkeit her den guten Rat gefasst, die Welt zu erlösen! Und der ewige Rat - wie weit reicht seine Wirkung in die Zukunft? Bis zu deinem seligen Heimgang? Bis zum seligen Heimgang deiner Lieben? Nein, die Liebe, die uns von Ewigkeit her geliebt, liebt uns in alle Ewigkeit fort, und zu einem lebendigen Christentum gehört, uns die ewigen Wirkungen des Heils in Christo recht lebendig zu unserer Seelen Seligkeit vor die Augen zu stellen. Lasst mich auch eure Blicke auf die Weite der Liebesgedanken Gottes lenken! Wer soll selig werden? Du, deine Kinder, deine Verwandten, deine Mitbürger, deine Volksgenossen? Aber es steht geschrieben: Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab: Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit ihm selber; geht hin in alle Welt und lehrt alle Völker, so befiehlt Christus seinen Jüngern und gesungen soll einst werden: Es sind die Reiche der Welt unseres Herrn und seines Christus geworden und er wird regieren in Ewigkeit! Und die Höhe der Liebesgedanken - kannst du sie erreichen? Es ist viel, wenn du Frieden gewinnst für deine Seele und Hoffnung für deiner Seele Unsterblichkeit! Aber höher lass deine Gedanken ihren Lauf nehmen! Deine Seele soll im verklärten Leibe einst wieder erscheinen und zwar vor dem Angesicht deines Heilandes und nicht allein, sondern in Gemeinschaft mit allen Auserwählten, und nicht auf dieser Erde, die um der Sünde willen unter dem Fluch liegt, sondern unter dem neuen Himmel auf der neuen Erde. Ein Reich, ein ewiges, herrliches Reich ist des Christentums Ende und Ziel! Aber wie soll die arme sündige Welt dazu kommen? Denk' an die Tiefe der göttlichen Liebesgedanken, die sich offenbart in der Botschaft: Das Wort ward Fleisch! Liebe Christengemeine! Es ist ein überaus wichtiges Werk, dass die Einzelnen, die Christen heißen, lebendige Christen werden, aber es ist auch überaus wichtig, die Einzelnen aus der Vereinzelung in die Gemeinschaft zu weisen, die schon da ist, die aber immer köstlicher werden soll. Eine Missionspredigt, die aus dem gegenwärtigen Zeitpunkt in die Ewigkeit der göttlichen Liebe, aus der Vereinzelung in Gottes Reich, aus der Enge in die Weite der Völkermenge hineinweist, gedenk' ich heute zu halten, nicht aus Willkür und Vorliebe, sondern weil der für diesen Tag von der Kirche verordnete Schriftabschnitt dazu drängt und weil es euch not tut. Wir singen und beten zuvor:

Kirche Christi, breite, breite
Deine Grenzen weit hinaus!
Söhne, Töchter dir zur Seite.
Wallen still in deinem Haus.
Preis sei ewig deinen Toren!
Kinder werden dir geboren,
Wie der Morgenröte Tau
Träufelt auf die Frühlingsau.

Amen.

Text: Ap. Gesch. 10,34-41.
Petrus aber tat seinen Mund auf, und sprach: Nun erfahre ich mit der Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; sondern in allerlei Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm. Ihr wisst wohl von der Predigt, die Gott zu den Kindern Israel gesandt hat, und verkündigen lassen den Frieden durch Jesum Christum, (welcher ist ein Herr über Allez,) die durch das ganze jüdische Land geschehen ist, und ausgegangen von Galiläa, nach der Taufe, die Johannes predigte. Wie Gott denselben Jesum von Nazareth gesalbt hat mit dem heiligen Geist und Kraft; der umhergezogen ist, und hat wohlgetan und gesund gemacht Alle, die vom Teufel überwältigt waren, denn Gott war mit ihm. Und wir sind Zeugen Alles den, das er getan hat im jüdischen Land, und zu Jerusalem. Den haben sie getötet und an ein Holz gehängt. Denselben hat Gott auferweckt am dritten Tage, und ihn lassen offenbar werden, nicht allem Volk, sondern uns, den vorerwählten Zeugen von Gott, die wir mit ihm gegessen und getrunken haben, nachdem er auferstanden ist von den Toten.

Geliebte im Herrn! Indem die Kirche diese Rede des Apostels Petrus zur Grundlage für die heutige Osterpredigt bestimmte, hat sie doch offenbar auf das Weitertragen der Osterbotschaft in die Kreise derer, welche sie nicht gehört haben, hinweisen und hindrängen wollen. Denn in das Haus des römischen Hauptmanns Kornelius zu Cäsarea, eines Heiden, werden wir eingeführt. Dieser Mann hatte in seinem Heidentum den Frieden seiner Seele nicht finden können und indem er ernstlich danach strebte, ihn anderswo zu finden, auch sein redliches Streben durch Ehrfurcht vor dem Gott Israels und durch Mildtätigkeit gegen die Armen zu erkennen gab, ward er in einem Gesicht durch den Herrn, der auch der Heiden Gott ist, auf den Apostel Petrus hingewiesen, der werde ihm sagen, was er tun solle. Und zu gleicher Zeit ward Petrus auf den Kornelius hingewiesen, dass er ihm den Rat zur Seligkeit kund tun solle. Und Kornelius hatte Boten nach Petrus gesandt und Petrus war in Kornelius Haus gekommen und er predigte dem heidnischen Hausvater und seinen Hausgenossen Jesum Christum, den Gekreuzigten und Auferstandenen, und die Heiden glaubten und der heilige Geist fiel auf sie und sie redeten mit Zungen und priesen Gott hoch. Und Petrus sprach: Mag auch Jemand das Wasser wehren, dass diese nicht getauft werden, die den heiligen Geist empfangen haben gleichwie auch wir? Und befahl sie zu taufen im Namen des Herrn. Was soll diese Geschichte am Osterfest? Sie soll uns daran erinnern, dass das Evangelium von Christo, wenn es erst einmal in uns Frieden und neues Leben gewirkt hat, weil es das Evangelium von einem lebendigen Heiland ist, weiter hinausgetragen werden muss, damit alle Welt aus dem Schlaf der Sünde und des Todes erwache. Lasst mich heute es aussprechen,

Dass die Ostergemeinde eine Missionsgemeinde sein muss.

Auf drei Punkte lasst mich euch hinweisen: zuerst, dass die Gemeinde durch den Segen, den sie von dem Auferstandenen empfangen, das Elend der Heiden erkennt, sodann dass sie von dem Auferstandenen getrieben wird, sich der Heiden anzunehmen und zuletzt, dass sie unter den Heiden von dem Auferstandenen Zeugnis geben muss, um ihnen zu helfen.

1.

Durch den Segen, den wir von dem Auferstandenen empfangen haben, erkennen wir das Elend der Heiden. Wir hören, wie der Apostel Petrus beim Eintritt in das Haus des heidnischen Hauptmanns Kornelius in den Ruf ausbricht: Nun erfahre ich mit der Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht, sondern in allerlei Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm. Wo steht denn da etwas vom Elend der Heiden? Gottesfürchtig und rechtschaffen und darum Gott angenehm, so wird Kornelius genannt. Und der erste Eindruck dieses Wortes auf solche, welche die Bibel nicht aufschlagen und die ganze Geschichte von Kornelius lesen mögen, oder welche zwar die Bibel aufschlagen, aber was sie auch sagt, doch immer nur ihre eigenen Gedanken hören, der erste Eindruck dieses Wortes auf gedankenlose Hörer und Leser ist der, als ob es bei Gott nicht auf den Glauben ankomme, sondern nur auf ein rechtschaffenes Leben, oder wenn denn doch der Glaube auch etwas gelten solle, als ob es auf einen bestimmten Glauben nicht ankomme, als ob man in jeder Religion, auch in der heidnischen, selig werden, als ob man darum. von einem Elend der Heiden zu reden eigentlich gar kein Recht habe. Seltsame Menschen, die im Finstern tappen, wenn die Sonne scheint. Kornelius selbst hält sich doch für keinen seligen, darum für einen elenden, von der rechten Heimat, von der Ruhe des Volkes Gottes noch ausgeschlossenen Mann. Es heißt zwar von ihm: er war gottselig und gottesfürchtig, samt seinem ganzen Haus und gab dem Volk viele Almosen und betete immer zu Gott. Das beweist ein redliches Bemühen um den Frieden. Aber dass er sich noch nicht im Frieden wusste, dass der tiefste Sinn seines Gebetes immerdar auf den völligen Frieden gerichtet war, dürfen wir das nicht schließen aus der Weise, wie Gott sein Gebet erhörte, dass er ihn nämlich auf einen Apostel Jesu Christi hinwies und aus der Weise, wie Kornelius diese Weisung aufnahm, dass er nämlich schnell Boten nach Petrus sandte, dass er mit freudiger Ungeduld auf die Ankunft des Apostels wartete, dass er, wie zu einem Fest, seine Verwandten und Freunde zusammenrief, dass er, als Petrus kam, ihm entgegenging und in ehrfurchtsvoller Freude ihm zu Füßen fiel! Das alles macht den Eindruck: Kornelius war bei all seiner Gottesfurcht und Rechtschaffenheit, in welcher er tat, was er konnte, nicht befriedigt. Und Petrus - wie sah er den heidnischen Hauptmann an? Er hatte doch von den Boten gehört, dass er ein frommer, gottesfürchtiger Mann und gutes Gerüchtes bei dem ganzen Volk der Juden sei, wie nimmt er des Kornelius Verlangen nach neuem Aufschluss über der Seele Heil auf? Es ist möglich, dass in unseren Tagen Mancher, und ob er den Christennamen trüge, zu dem um sein Heil besorgten Manne gesagt hätte: aber, mein lieber Kornelius, was machst du dir für Sorge? Für dich hab' ich ausgesorgt? Was könnte dir fehlen? Du handelst nach dem Spruch: Fürchte Gott und tue das Rechte, du hast dir schon durch deine Wohltat an den Armen einen Stuhl im Himmel verdient. Du brauchst kein anderer zu werden, du musst bleiben wie du bist und Gott wird dir deinen frommen Wandel durch die ewige Seligkeit vergelten. So sagt aber Petrus nicht. Er sagt: Nun erfahre ich mit der Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht: sondern in allerlei Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm, als wollt' er sagen: was ich seither allerdings schon gewusst, aber noch nicht selber erfahren, wahrhaftig vor meinen Augen gehabt, das erleb' ich jetzt, dass Gott bei der Annahme in sein Reich nicht die Person ansieht, ob sie ein jüdisches oder ein heidnisches Antlitz hat - denn Person ist eigentlich Antlitz - sondern dass er aus allerlei Volk, aus Juden und Heiden, die gottesfürchtigen und rechtschaffenen, die nach dem Maß ihrer Erkenntnis und Kraft Gott fürchten und recht tun, also die nach dem Guten, nach Gott selbst Strebenden und Verlangenden annimmt - wozu? dass ihnen nämlich Christus gepredigt und durch Christum der Friede gegeben werde, den sie mit aller eigenen Gottesfurcht und Rechtschaffenheit doch nicht gewinnen können. Und Petrus, gar nicht der Meinung, dass für Kornelius ausgesorgt sei, predigt ihm Christum, den Gekreuzigten und Auferstandenen. Er hatte es selbst erfahren, dass die Menschenseele ohne ihn nicht auskommen kann. Er hatte längst die eigene Ohnmacht erkannt, als er vor ihm niederfiel im Schiff und sprach: Herr, gehe von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch. Er hatte, nachdem er schon lange mit dem Heiland gegangen, die Tiefe des sündlichen Verderbens noch einmal erfahren müssen, da er so schwach war, seinen Herrn zu verleugnen, er hatte nachher die aufrichtende, wiederannehmende, erneuernde, kräftige Hand des Auferstandenen in seiner Hand gefühlt. Darum gönnt er dem Hauptmann Kornelius von Herzen, dass auch sein Herz fest, sein Friede völlig werde durch den Heiland.

Meine lieben Freunde, was sollen wir nun tun? Es geht immer die Rede, man solle die Heiden doch in dem Zustand lassen, in welchem sie sich befinden, man solle die unschuldigen Naturvölker doch aus ihrem Glück nicht aufstören, man solle ihnen freie Entwicklung aus ihnen selbst gewähren und sie würden werden, was sie werden könnten. Ja, liebe Christen, wer den Wahnsinn für Sinn hält, der sich heute außerordentlich breit macht, dass der Mensch aus tierischem Zustand sich zu menschlicher Vollkommenheit ganz natürlich entwickelt habe und dass er sich noch immer weiter entwickeln werde ich weißt nicht wohin? der mag sich einer zarten Scheu befleißigen, den Heiden nicht mit dem Evangelium von Christo nahe zu kommen. Wer aber weiß, dass der Mensch, das Ebenbild Gottes, durch eigene Schuld der Sünde tief herabgekommen ist, dass er aber durch Jesum Christum, den Abglanz Gottes, in Gottes Ebenbild wieder verklärt werden kann, der kann nicht genug eilen, in die Heidenwelt das Evangelium zu tragen. Die natürliche Entwicklung des Menschengeschlechts ist der Verlauf einer Krankheit, die zum Tod führt. Eine heilsame Krisis, eine Wendung zum Leben, kann nur eintreten durch den, der das Leben hat in ihm selber und der gekommen ist, uns das Leben zu bringen. Und weil wir ihn als das Leben, den Todesüberwinder, den Lebensfürsten kennen gelernt, weil wir wissen, dass wir ohne ihn in der Sünde, unter dem Fluch, im Unfrieden, in der Verdammnis geblieben wären, weil wir eine Gemeinde sind, die unter dem Segen des Auferstandenen steht, darum geht uns der Heiden Elend zu Herzen. Wir schauen in Christo unserem himmlischen Vater so offen und kindlich ins Angesicht und darum jammert uns der Gräuel heidnischen Götzendienstes. Wie armes Stückwerk unser Christenleben auch noch ist, wir spüren doch unsers Heilands erneuernde Kraft - und darum jammert uns das wachsende Sündenleben der Heiden. Und wo gar ein ganzes Volk oder ein Einzelner, wie Kornelius, nach dem Reich Gottes trachtet, ohne noch den Weg zu kennen - wie könnten wir zögern, ihm zuzurufen: hierher komme zu dem Gekreuzigten und Auferstandenen! Er ist mein Friede, er wird auch dein Friede werden! Wohlauf ihr Heiden, lasset das Trauern sein, zur grünen Weiden stellet euch willig ein. Da lässt er euch sein Wort verkünden, machet euch ledig von allen Sünden!

II.

Er lässt den Heiden sein Wort verkünden. Durch wen? Die sollen es tun, die sein Wort haben. Lasst uns sehen, wie der Auferstandene seine Gläubigen treibt, den Heiden das Evangelium zu bringen. Petrus hätte dem Kornelius Christum noch nicht gepredigt, wenn er nicht durch diesen seinen Herrn und König dazu gedrängt und getrieben worden wäre. Nun erfahre ich mit der Wahrheit, spricht er, dass Gott die Person nicht ansieht, sondern in allerlei Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm. Nun erfährt er es erst recht, dass Gott durch Christum wieder Eine Menschheit gemacht, mit der Ausfüllung der Kluft zwischen ihm und den Menschen zugleich die Scheidewand niedergerissen, welche die Völker von einander trennte. Er hatte ja freilich aus dem Mund des Heilands längst gehört: Ich bin der gute Hirte. Ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall. Und dieselben muss ich herführen und sie werden meine Stimme hören und wird Eine Herde und Ein Hirte werden. (Joh. 10,16.) Er war dabei, wie bei dem letzten Einzug Jesu in Jerusalem etliche Griechen sich herandrängten und sprachen: Wir wollten gerne Jesum sehen, und wie der Heiland sprach: Die Zeit ist gekommen, dass des Menschen Sohn verklärt werde. (Joh. 12,20-23.) Er hatte gleich darauf den Heiland sagen hören: Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen (Joh. 12,32). Wie konnte Petrus denken, dass Jesus nur für die Juden gestorben sei? Und damit kein Zweifel bliebe, wie es mit der Verkündigung des Evangeliums zu nehmen sei, hat der Herr nach seiner Auferstehung den Aposteln und darunter auch dem Petrus den Befehl gegeben: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum geht hin und lehrt alle Völker und tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehrt sie halten alles, was ich euch befohlen habe (Matth. 28,18-20). Aber eine solche Weite des Blicks, wie der Herr ihm gewähren wollte, konnte er nicht auf einmal erreichen. Dass das Heil in Christo auch für die Heiden sei, dass Israel nur das auserwählte Volk gewesen, um allen Völkern das Heil zu vermitteln, das glaubte er wohl, aber die Engherzigkeit, die dem natürlichen Menschen eigen ist, zeigte sich an Petrus darin, dass er auch jetzt noch, nachdem der Herr ihm den Blick erweitert, doch die Heiden nur durch Israel hindurch zu Christo kommen sah. Da hat ihn der Herr, wie ihr in der Apostelgeschichte lesen könnt, durch ein Gesicht dazu gedrängt und getrieben, die Heiden für gleichberechtigt mit den Juden anzusehen und getrosten Muts in das Haus des heidnischen Mannes einzutreten. Das war ein Schritt vorwärts in der Geschichte des Reiches Gottes.

Aber völlig frei ward die Bahn des Evangeliums zu den Heiden auch durch Petrus noch nicht. Paulus erst warf die letzten morschen Scheidewände nieder, Paulus fühlte sich der Juden wie der Heiden Schuldner gleichermaßen, Paulus ging überall, wo die Juden ihn nicht hören wollten, getrost zu den Heiden, Paulus hat es mit wunderbarer Klarheit ausgesprochen, dass Christus unser Friede ist, der aus beiden Eins gemacht, nämlich aus Juden und Heiden, und hat abgerissen den Zaun, der dazwischen war, nämlich das Gesetz, das in Geboten gestellt war (Eph. 2,14 u. 15); Paulus hat es ausgerufen: In Christo ist nicht Grieche, Jude, Ungrieche, Skythe, Knecht, Freier, sondern alles und in allen Christus (Kol. 3,11). Indem Paulus Christus mit Adam, dem Stammvater des ganzen Menschengeschlechts, zusammenstellt, ja ihn geradezu den letzten Adam nennt, verkündet er, dass in Christo die ganze Menschheit eine Familie sein soll. Meine Lieben, klingt das nicht herrlich? Ist diese herrliche Wahrheit nicht durchgedrungen? Liegt es nicht ganz in der Weise des heutigen Geschlechts, alle Scheidewände zwischen den Völkern niederzureißen und die Liebe voll und frei über der Erde walten zu lassen? Ja, wenn die Selbstsucht nicht wäre, die, wenn der Blick noch weit ist, doch das Herz einengt, und zuletzt auch dem Blick seine Weite nimmt! Die Sünde, die wesentlich Selbstsucht ist, nimmt allerlei Gestalten an, auch die des selbstischen Volkstums. In diesem selbstischen Wesen vergaß Israel, dass es auserwählt sei, nicht aus Verdienst, sondern aus Gnade, zum Heil aller Völker. In diesem selbstischen Volkstum stecken alle Heiden von Natur, da nicht allein die hochbegabten Griechen, da auch die armseligen Eskimos alle andern Völker für Barbaren halten, dies selbstische Volkstum wirkt auch in der Christenheit fort. Ich will jetzt nicht davon reden, wie es im staatlichen Leben sich offenbart, ich will sogar zugeben, dass es oft eines Volkes heilige Pflicht ist, sich der Vergewaltigung durch ein anderes Volk zu wehren. Aber über allen Besonderheiten des Volkstums soll doch die königliche Botschaft thronen: Christus ist unser Friede, der aus beiden Eins gemacht und hat abgebrochen den Zaun, der dazwischen war. Was ist es anders als enges, selbstisches Wesen, wenn zwar laut gerufen wird: Seid umschlungen Millionen, wenn aber sogenannte christliche Völker die Indianer Amerikas vernichten, um ihre Goldgruben auszubeuten, die Hottentotten in wilder Jagd in ihre Wälder jagen, um ihre Herden zu nehmen, die Neger knechten, um von ihrem Schweiß reich zu werden? Was ist es anders als enges, selbstisches Wesen, wenn wir zwar der Segnungen des Christentums genießen in Kirche, Haus, Schule und Gesellschaft, aber nicht daran denken, unsern Dankeszoll zu bezahlen, durch Predigt unter den Heiden? Der Auferstandene treibt uns zu solchem Werk. Denn wie er sein Blut für alle vergossen, so hat er jetzt alle Macht und alle Reiche der Welt sollen sein werden! Wir müssen uns aufmachen und den Schall des Evangeliums über die ganze Erde hintragen.

Es war vor mehr als anderthalb tausend Jahren, da ging der nachmalige Papst Gregor der Große über den Markt zu Rom. Da sah er Sklaven zum Verkauf ausgestellt, edle Jünglingsgestalten, mit blondem Haar, blauen Augen, weißer Haut, in der ganzen Erscheinung den Ausdruck keuscher Kraft. Der fromme Mann war von dem Anblick betroffen. Woher sind sie? Es waren Angelsachsen aus England. „Ja wohl Engel scheinen sie zu sein“ sagte er. Als er aber hörte, dass sie noch nicht Christen seien, da ward er wehmütig und sann darauf, diesen edlen Heiden das Evangelium zu bringen und hat den Plan ausgeführt, so gut er konnte. Liebe Christen! Es gibt unter den Heiden hochbegabte - ist es nicht ein großer Jammer, wenn so edle Kreatur Gottes in Sünde und Schande zu Grunde gehen soll? Es gibt unter den Heiden Verkommene - ist es nicht hohe Zeit, dass ihnen das Heil in Christo, die Kraft der Auferstehung geboten wird? - Der Auferstandene treibt. Er möchte wiederkommen, um sein Reich zu vollenden, vorher muss aber das Evangelium aller Kreatur gepredigt werden!

III.

Wenn wir aber hinausgehen oder Boten hinausschicken, so sollen wir gehen und senden als eine Ostergemeinde, die den Auferstandenen bei sich hat und den Auferstandenen den Heiden anpreist. Es bleibt uns noch der größte Teil unseres Schriftabschnittes zur Betrachtung übrig; aber da ist nichts zu erklären, er enthält die Predigt in kurzen Worten, die in allen diesen Tagen unter uns wieder gepredigt worden ist, die Predigt, durch welche Petrus den Kornelius und die Seinen aus Heiden zu Christen gemacht hat, die Predigt, die unser Net ist, das wir bei den Heiden auswerfen, unser Schwert, mit welchem wir die kräftigen Irrtümer des Heidentums zerhauen. Hören müssen wir aber diese Predigt noch einmal: ihr wisst wohl von der Predigt, spricht Petrus, die Gott zu den Kindern Israel gesandt hat und verkündigen lassen den Frieden durch Jesum Christum, welcher ist ein Herr über alles; die durch das ganze jüdische Land geschehen ist und angegangen in Galiläa nach der Taufe, die Johannes predigte. Wie Gott denselbigen Jesum von Nazareth gesalbt hat mit dem heiligen Geist und Kraft, der umher gezogen ist und hat wohl getan und gesund gemacht alle, die vom Teufel überwältigt waren, denn Gott war mit ihm. Und wir sind Zeugen alles des, was er getan hat im jüdischen Land und zu Jerusalem. Den haben sie getötet und an ein Holz gehängt. Denselbigen hat Gott auferweckt am dritten Tag und ihn lassen offenbar werden, nicht allem Volk, sondern uns, den vorerwählten Zeugen von Gott, welche mit ihm gegessen und getrunken haben, nachdem er auferstanden ist von den Toten. Da haben wir alles, worauf es bei der Bekehrung der Heiden ankommt: das Evangelium von Christo sollen wir ihnen bringen. Die Bildung, die wir haben, tut es nicht, denn wir merken nicht, dass die Menschen, je mehr sie die sogenannte Bildung unserer Zeit sich zu eigen machen, frömmer, glücklicher, zufriedener, über Zeit und Ewigkeit beruhigter würden. Europas bürgerliches Leben kann den Heiden nicht geben, was sie bedürfen, denn wir sehen nicht, dass mit der reichen Entwicklung des bürgerlichen Lebens die Gemüter tiefer und die tiefen Fragen des Gemüts besser beantwortet würden. Die Entfesslung der Reichtümer der Natur und die üppigere Gestaltung des täglichen Lebens kann den Heiden nicht helfen, denn sie hilft den Christen nicht aus der Knechtschaft der Sünde heraus, sondern verstrickt sie tiefer in dieselbe. Wir bringen das Evangelium, die Kraft Gottes, selig zu machen alle, die daran glauben.

Und für unsere Predigt unter den Heiden merken wir uns fünf Stücke aus der Predigt des Paulus.

  1. Zuerst erkannte er, um was es sich zunächst handelte, nämlich um den Frieden, denn er nennt die Predigt eine Verkündigung des Friedens durch Jesum Christum. Woran es bei uns fehlt, da fehlt es auch draußen. Und der wird der Heiden Herzen am tiefsten fassen, der sie ansieht als des Friedens Bedürftige und der wird den nachhaltigsten Eindruck auf sie machen, der ihnen Christus als den Friedensfürsten, ja als den Frieden selbst nahe bringt.
  2. Sodann muss der Friedensspender den Heiden in Person vor die Augen gemalt werden, wie ihn Petrus dem Kornelius und seinem Haus vor die Augen gemalt, hat, als Einen, der selbst Frieden hatte, weil er keine Sünde getan, als gesalbt mit dem heiligen Geist und Kraft, als die Liebe selbst, als Wohltäter, Heiland, Überwältiger des Teufels, damit in die heidnische Finsternis des Lebens in Lüsten einmal die milde Sonne eines Lebens hineinleuchte, das ganz für andere gelebt ward in lauterer Liebe.
  3. Und drittens muss den Heiden gesagt werden, dass dieser Mann, der ganz heilige Liebe war, an ein Holz gehängt und gekreuzigt ward, es muss ihnen das Wort vom Kreuz gesagt werden, damit sie traurig werden über die große Sünde der Menschen und Vertrauen fassen zu der großen Liebe des Heilandes.
  4. Und wenn ihnen der Kreuzestod zu Herzen geht, dann muss ihnen viertens verkündigt werden: denselbigen hat Gott auferweckt und ihn lassen offenbar werden, dann muss ihnen gesagt werden, dass Christus lebt, dass der Barmherzige und Gewaltige, der Heilige und Gnädige bei ihnen ist und auch sie anhauchen will mit seinem Gruße: Friede sei mit euch!
  5. Und zuletzt müssen die, welche solches verkündigen, Zeugen sein, die es alles selbst erfahren haben. Wir sind des Zeugen, sagt Petrus, wir haben mit ihm gegessen und getrunken, nachdem er von den Toten auferstanden ist. Und die Apostel waren solche Zeugen, die ihr Zeugnis jeden Augenblick mit dem Blut zu bestätigen bereit waren. Wir sind des Zeugen, müssen auch heute die Prediger des Evangeliums unter Christen und Heiden sprechen können, wir habens erfahren, wir haben mit dem Herrn Gemeinschaft gehabt und Frieden empfangen, wir haben mit ihm gegessen und getrunken von seinem Gnadentisch und wissen nun, dass in ihm allein Leben und volles Genüge ist.

Das Evangelium von Christo muss den Heiden gepredigt werden. Es sind Boten hinausgegangen ohne das Evangelium, aber mit Gepränge des Priestertums und des Opfers, mit Weihrauch und Goldgewändern, mit Klöstern und Aufwand äußerlicher Werke, in Menge ließen die Heiden sich taufen, aber die Verfolgung kam, und es ward jede Spur des Christentums ausgetilgt, so hat die römische Kirche in China und Japan bekehrt. Und andere Boten sind hinausgegangen und haben den Heiden die Bibel gebracht in Wort und Schrift, und Verfolgung kam und es gab Märtyrer zu Hunderten und der Christenglaube schien ausgerottet, aber unter der Asche glimmte das Feuer fort, bis guter Wind kam, der die Flamme wieder anfachte, so ist es in Madagaskar gewesen. Es haben evangelische Heilsboten in guter Meinung angefangen, wie manche Lehrer in unseren Schulen wohl auch in guter Meinung bei den Kleinen tun, und haben ein Langes und Breites von Gottes Wesen und Eigenschaften gesprochen und kein Heidenherz ward bewegt. Und andere haben den Heiden Christum, den Gekreuzigten und Auferstandenen, vor die Augen gemalt und der Lebensfunke erwachte. Es geht nicht immer im Sturmesschritt im Reich Gottes, oft reist sehr langsam die erste Saat des Evangeliums. Aber die Verheißung haben wir, dass das Wort nicht leer zurückkommt und zwar das Wort von dem Gekreuzigten, der auferstanden ist.

Und nun, liebe Gemeinde, bist du einverstanden, dass die Ostergemeinde eine Missionsgemeinde sein muss? Hat dir der Herr das Herz aufgetan in Liebe und ist die Liebe sehend und sieht sie über das weite Gefilde der Erde hin? Ich bitt' euch: fragt, wies stehe mit der Bekehrung der Heiden, wodurch man dies Werk fördern könne, bleibt nicht länger in dem engen Christentum, da ihr nur an eure eigene Erbauung denkt, erhebt euch zu der freien, weiten Liebe und Erkenntnis der Kinder Gottes! Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit ihm selbst! Ach, wie fern scheint der Tag, da der ganzen Welt die Versöhnung zu Gute kommen kann! Und doch wir freuen uns auf den Tag! Lasst uns arbeiten und beten auch für die Heiden, damit wir nicht stumm und beschämt dastehen müssen, wenn das Loblied erschallt: Es sind die Reiche der Welt des Herrn und seines Christus geworden und er wird regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

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