Augustinus, Aurelius - Soliloquien - XVI. Von des Teufels Versuchungen.

Augustinus, Aurelius - Soliloquien - XVI. Von des Teufels Versuchungen.

Der Versucher ist vielleicht von mir geblieben! Das hast Du zuwege gebracht. Du hast es gemacht, dass es ihm an Raum und Zeit fehlte und ihm der Mangel entgegenstand. Der Versucher ist vielleicht herzugekommen! Er hat Raum, er hat auch Zeit gefunden! Aber dass ich nicht drein willigte, das war Dein Werk! Der Versucher ist vielleicht schwarz und finster daher gekommen, wie er denn ist! Dass ich ihn verachtete, daran liegt der Grund in Deiner Stärke! Der Versucher ist vielleicht gewaffnet gekommen als ein Starker! Dass er mich nicht überwunden, daran war der Zaum Schuld, den Du ihm' angelegt, und die Kraft, die Du mir verliehen! Der Versucher ist vielleicht gekommen in einen Engel des Lichts verstellt! Dass er mich nicht betrogen hat, dazu hast Du ihn gescholten, und dass ich ihn erkennen möchte, dazu hast Du mich erleuchtet!

Denn er ist jener große und rote Drache, die alte Schlange, die da heißt der Teufel und er hat sieben Häupter und zehn Hörner, dem Du es zulässt, dass er in diesem großen und weiten Meer seine Geilheit übe, darin unzählige schwimmende Tiere sind, ja kleine und große Tiere, das ist, mancherlei Art der bösen Geister, die nichts anders Tag und Nacht schaffen, als dass sie herumgehen und suchen, wen sie verschlingen mögen, wo Du nicht errettest. Denn er ist der alte Drache, der im Lustgarten des Paradieses begonnen, der mit seinem Schweif nach sich zieht den dritten Teil der Sterne des Himmels und wirft sie zur Erde, der mit seinem Gift die Gewässer der Erde verderbt, auf dass die Menschen, wenn sie trinken, sterben. Das Gold achtet er wie Kot und lässt sich dünken, er wolle den Jordan mit seinem Mund ausschöpfen: er ist also beschaffen, dass er Niemand fürchtet. Und wer wird sich vor seinen Bissen schützen können, wer sich erretten aus seinem Rachen? Allein Du, HErr, der Du die Häupter des großen Drachen zerschlagen hast! Hilf uns, o Herr, breite Deine Flügel über uns aus, dass wir darunter fliehen mögen vor dem Angesicht des uns verfolgenden Drachen: und erlöse uns von seinen Hörnern mit Deinem Schild; denn dahin geht alle seine Mühe, danach steht sein einziges Verlangen, dass er die Seelen, die Du erschaffen, verschlingen möge.

Darum rufen wir zu Dir, o Du mein Gott, erlöse uns von unserem täglichen Widersacher, der, wir essen oder trinken, wir schlafen oder wachen oder tun, was wir wollen, auf uns lauert Tag und Nacht auf alle Weise mit List und Künsten, bald öffentlich, bald heimlich, der seine vergiftete Pfeile wider uns richtet, um unsre Seelen umzubringen. Und doch haben wir, HErr, so eine überaus böse und unsinnige Art an uns, dass, ob wir schon sehen, wie der Drache mit gähnendem Rachen bereit ist, uns zu verschlingen, wir nichts desto weniger schlafen und uns in wahrer Faulheit vergeilen, gleich als wären wir vor ihm sicher, der doch nichts anders begehrt, als dass er uns verderbe. Der Feind wacht immerzu, schläft nimmer, um uns zu töten, und wir wollen vom Schlaf nicht erwachen, dass wir uns verwahrten!

Siehe, er hat unzählig viele Netze vor unsern Füßen ausgebreitet und all unsern Weg mit mancherlei Fallen umstellt, unsere Seelen damit zu fangen: und wer wird entrinnen mögen? Stricke hat er gelegt in Reichtum, Stricke in Armut; Garne hat er gespannt in Speisen, in Trank, in Wollust, in Schlaf, in Wachen; Stricke hat er gelegt in Wort und Werk und auf allen unsern Wegen. Aber Du, HErr, errette uns von dem Strick des Jägers und von der schädlichen Pestilenz, auf dass wir Dir danken und preisen mögen: Gelobt sei der HErr, der uns nicht zum Raub in ihre Zähne gegeben hat. Unsere Seele ist entronnen, wie ein Vogel dem Strick des Voglers, der Strick ist zerrissen, und wir sind los! Amen.

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