Augustinus, Aurelius - Soliloquien - Vorwort.

Augustinus, Aurelius - Soliloquien - Vorwort.

Zur Herausgabe einer Übersetzung der Soliloquien und des Manuale des heiligen Augustin, um dem evangelischen Volke als Betbüchlein zu dienen, bestimmten mich zunächst Gründe rein innerer Art.

In schwülen Tagen des Kampfes, in dunkeln Nächten tränenreicher Bekümmernis um die liebe heilige Kirche, das mit den reinen Edelsteinen des Wortes und Sakramentes gezierte Haus des HErrn, im mächtigen Ringen um die ewigen Wahrheiten des dritten Artikels unsers allerheiligsten Glaubens ward mir durch das Studium der Schriften des alten Kirchenvaters der Standpunkt außerhalb der streitenden Kirche gewiesen, von welchem aus diese Erde mit ihrer Kirchennot, Kirchenarbeit und Kirchenzerteilung aus ihren Angeln gehoben wird. Dieser Standpunkt ist der Artikel vom ewigen Leben, der sich gründet auf Christum, der da ist die Hoffnung der Herrlichkeit. Ich durchsuchte eifrig die Väter unsrer lieben Kirche von der Reformationszeit bis zum westfälischen Frieden oder konkreter von Luther bis auf Meyfart, und fand zu meiner großen Freude, dass dieselben alle aus den alten Vätern der Kirche, als deren Kinder sie sich selbst so gerne bekannten, denselben Artikel gelernt, und zum festen Anker im Grunde dieses ungestümen Lebensmeeres und zum Leitstern auf der Fahrt durch seine wildbrausenden Wogen erwählt hatten. Besonders trat mir der Kämpfer und Held in der streitenden Kirche des HErrn, Dr. Philipp Nikolai, der bekannte geistliche Sänger des Königs und der Königin der Lieder entgegen, von welchem bezeugt wird: An diesem fürtrefflichen Mann haben wir ein unläugbares Exempel, dass der heilige Eifer wider die Feinde göttlicher Wahrheit und das unermüdete ernstliche Streiten wider die irrigen Lehren einen Knecht Gottes ganz und gar nicht aus seiner Gemütsstille - noch weniger aus Gottes Gnade setze, wie die heiligen Heuchler und sanftmütigen Wölfe in diesen letzten Zeiten gerne die Kirche bereden wollten, denen die Streittheologie nichts anders ist, als ein fleischlich Werk, eine Brut des Hirnglaubens. Unser seliger Dr. Ph. Nikolai war täglich im Streit des HErrn und zugleich mit seinem Geist in dem Schoß Abrahams. Er focht täglich als ein Held und Streiter JEsu Christi in der streitenden Kirche und war seiner Seele nach ohn‘ Unterlass in der triumphierenden Kirche. Sein Leichenprediger fragt: „Was hat die triumphierende Kirche an ihm aufgenommen? und antwortet: Einen wahrhaftigen Heiligen in Christo JEsu, einen sieghaften Kämpfer, der seine Palmzweige für Gottes Angesicht bringt, ist in der himmlischen Glorie und Herrlichkeit selig, ruht von aller seiner schweren Arbeit und jubiliert mit den heiligen Engeln.“ Nun, dieser Held und Streiter des HErrn schrieb aus tiefster Bekümmernis, darin seine Seele hier lag, heraus: „Da war mir nichts Süßeres, nichts Lieberes und nichts Angenehmeres als die Betrachtung des edlen hohen Artikels vom ewigen Leben durch Christus Blut erworben. Ließ denselben Tags und Nachts in meinem Herzen wallen und durchforschte die Schrift, was sie hiervon zeugte, las auch des alten S. Augustini liebliche Traktätlein, darin er die hohe Geheimnis als ein Nüßlein aufbeißt und den wundersüßen Kern herausbringt.“ Wer jenes Mannes Freudenspiegel des ewigen Lebens kennt, weiß, dass beinahe der ganze erste Teil dieses herrlichen Buches aus solchen von S. Augustin aufgebissenen wundersüßen Nusskernen besteht, entnommen seinen Meditationen, Soliloquien, dem Manuale u. a. m.

Solcher Fund in den Vätern unsrer Kirche, welchen `auch gar manche alte Kirchenordnungen, die von solch süßen Kernen nicht wenige in sich bergen, bestätigten, freute mich über die Maßen; denn er schenkte mir die Süßigkeit, mich unter allen irdischen Kirchendissonanzen doch frei zu fühlen von allen diesen Missklängen durch die Betrachtung der Freudenfülle des ewigen Lebens und mich zu wissen in der allerseligsten, himmlischen Union, die allein etwas taugt, weil sie allein vom HErrn ist. Zugleich war mir dieser Fund eine Bestätigung dafür, dass ich, nächst der Schrift die rechte Quelle gefunden hatte, aus der wir Kämpfer und Streiter dieser letzten Zeit recht fleißig schöpfen müssen. Denn alle Schriften grade dieses Kirchenvaters wogen von himmlischen, seligen Freudenergüssen eines die sichtbar-unsichtbare Kirche treu umfangenden Herzens. So besonders seine Soliloquien, recht eigentlich stille Stunden, die er vor dem HErrn verbrachte, und sein Manuale oder sein Handbüchlein zur Betrachtung der heiligen Liebe des HErrn. Beide Schriftchen reichten mir selige Herzenslabung und rechte Herzstärkung, und ich durfte im Nachseufzen und Nachjubeln dieser Gebetsbetrachtungen so recht die Wahrheit des Wortes des heiligen Hieronymus erfahren: Meditare Deum et coelum fiet cor tuum, das heißt: im Betrachten Gottes wird dein Herz zum Himmel. Ich wurde ganz von ihnen und mit ihnen in die Herrlichkeit des triumphierenden Zions hineingezogen und dadurch erst recht gestärkt, für die volle Wahrheit unsrer lutherischen Kirche hienieden zu streiten und nicht lax zu werden, so lange mich der HErr der Kirche an dem gegenwärtigen letzten Kampf um die Wahrheiten des dritten Artikels unsers Glaubens Teil zu nehmen begnadet.

Hatte ich für meine Person solch reichen Segen von diesen beiden Büchlein empfangen, so dachte ich dann weiter, es könnte die Herausgabe derselben überhaupt eine Segensquelle werden für die Mitstreiter und Mitbeter der Wahrheit in diesen letzten betrübten Zeiten. In den Büchlein selbst hatte ich gar nichts zu ändern bis auf den Lehrartikel von der Prädestination in den Soliloquien, welcher nach der Konkordie unsrer Kirche, welche diese Lehre zum vollen Abschluss brachte, gebessert wurde, aber auch dies nur mit wenigen Strichen. Sonst vielleicht nur unverständliche oder anstößige Stellen sind durch Noten kurz erläutert. Angehängt habe ich noch eine Übersetzung des Psalteriums, welches S. Augustin für seine Mutter zusammengestellt haben soll, und die Zugabe dieser Perlenschnur, welche am verborgenen Menschen des Herzens Monikas einst wunderbar glänzen musste, wird hoffentlich nicht unwillkommen sein.

Bei der Übersetzung lagen die Pariser Benediktiner- und die Baseler Frobensche Ausgabe der Werke St. Augustins zu Grunde, und ist dieselbe möglichst wörtlich gehalten, ohne undeutsch zu werden. Auch hoffe ich den alten tiefen Gebetston nicht ganz verfehlt zu haben.

So mag denn der liebe heilige Augustin, unsers Luthers Ältervater (im engen Anschluss an die von dem Herrn Verleger der Christenheit dargebotenen Konfessionen und Meditationen desselben Kirchenvaters) mit Luthers Spätenkeln betend wallen durch diese Zeit der Leiden in der streitenden Kirche, bis da anbricht der ewig sonnenhelle Tag der Freuden in der triumphierenden Kirche, durch JEsum Christum, unsern HErrn. Amen.

Beerfelden im hessischen Odenwald
in der heiligen Fastenzeit
1857.

Jakob Christian Müller.

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