Augustinus, Aurelius - Soliloquien - VII. Von den unzähligen Wohltaten Gottes.

Augustinus, Aurelius - Soliloquien - VII. Von den unzähligen Wohltaten Gottes.

O mein GOtt, zeige mir elenden Menschen, wie sehr ich Dich zu lieben verpflichtet bin: eröffne mir, wie hoch ich Dich loben soll: tue mir kund, wie sehr ich Dir gefallen soll! HErr, donnere vom Himmel her mit mächtigem Schall in das innerliche Ohr meines Herzens: lehre mich und hilf mir, so will ich Dich loben, der Du mich erschaffen hast, da ich nichts war: der Du mich erleuchtet hast, da ich in Finsternis war: der Du mich auferweckt hast, da ich gestorben war; der Du mich mein Leben lang erhalten hast mit allen Deinen Gütern. Diesen unnützen Wurm, der vor Sünden stinkt, ernährst Du mit Deinen allerbesten Gaben!

Tue mir auf, o Du Schlüssel Davids, der Du auftust, und dem Niemand zuschließt, dem Du auftust: der Du zuschließt, und dem Niemand auftut, dem Du zuschließt: tue mir auf Deines Lichtes Tore, dass ich da hineingehen, sehen und erkennen, auch Dir Lob und Dank sagen möge von Grund meines Herzens. Denn Deine Barmherzigkeit hast Du mir wunderlich bewiesen und meine Seele auch aus der tiefen Hölle erlöst. O HErr, unser GOtt, wie herrlich und löblich ist Dein Name in aller Welt, und was ist der Mensch, dass Du sein gedenkst und des Menschen Kind, dass Du Dich sein annimmst? O HErr, Du bist die Hoffnung der Heiligen und ihr starker Turm! O GOtt, Du bist das Leben meiner Seele, durch welches ich lebe, ohne dass ich sterbe; Du bist das Licht meiner Augen, durch das ich sehe, ohne dass ich blind werde: Du bist die Freude meines Herzens und die Lust meines Geistes: Ich will Dich lieben von ganzem Herzen und von ganzem Gemüte und aus allen meinen innersten Kräften, denn Du hast mich zuvor geliebt.

Und woher kommt mir das, o Du Schöpfer Himmels und der Erden und der Tiefen, der doch meines Gutes nicht bedarf? Woher kommt es mir, dass Du mich geliebt hast? O Du Weisheit, die Du den Stummen den Mund öffnest: O Du Wort, durch welches alle Dinge gemacht sind: öffne mir den Mund, schenke mir die Stimme des Lobes, auf dass ich erzählen möge alle Deine Wohltaten, die Du, o HErr, von Anfang mir erwiesen hast. Denn siehe, weil Du mich erschaffen hast, so bin ich dass du mich aber erschufst und in die Zahl Deiner Geschöpfe aufgenommen, das hast Du von Ewigkeit her also verordnet! Ehe denn Du etwas machtest, von Anbeginn, ehe Du den Himmel ausspanntest, als die Tiefe noch nicht war, da Du die Erde noch nicht bereitet, auch die Berge noch nicht gegründet hattest, noch die Brunnen hervorgequollen waren; ehe denn Du diese Dinge alle machtest, die Du durch Dein Wort machtest: da hast Du schon zuvor gesehen durch die allergewisseste unfehlbare Weisheit Deiner Vorsehung, dass ich Deine Kreatur werden würde, und gewollt, dass ich Deine Kreatur sein sollte!

Und woher kommt mir das, o Du gütigster GOtt, Du allerhöchster GOtt, Du allbarmherziger, Du allgewaltiger und doch allezeit sanftmütigster Schöpfer? Welches sind denn meine Verdienste, was hast Du Holdseliges an mir gefunden, dass es vor dem Angesicht Deiner großmächtigen herrlichen Majestät ein Wohlgefallen hätte erwecken können, mich zu erschaffen? Ich war nicht und Du hast mich geschaffen; ich war zuvor nichts und aus dem Nichts hast Du mich zu Etwas gemacht! Was aber ist dieses Etwas? Kein Wassertropfen, kein Feuer, kein Vogel, kein Fisch, kein kriechendes Tier, auch keins von den unvernünftigen Tieren, keins aus der Art, denen bloß gegeben ist zu sein, oder von den Dingen, die da für sich allein sind und wachsen; keins aus der Art, die allein sind, wachsen und empfinden, sondern weit über diese alle hast Du gewollt, dass ich aus den Dingen sein sollte, denen gegeben ist, dass sie sind; denn ich bin ja: und aus denen, die sind und wachsen; denn ich bin und wachse: und aus denen, die da sind, wachsen und empfinden; denn ich bin, wachse und empfinde; und Du hast mich nur etwas geringer als die Engel geschaffen, dieweil ich die Vernunft, Dich zu erkennen, mit ihnen gemeinsam von Dir empfangen habe. Aber nicht umsonst hab' ich gesagt: etwas geringer; denn sie haben schon Deine selige Erkenntnis in gegenwärtiger Gestalt, ich aber in Hoffnung: sie haben es von Angesicht zu Angesicht, ich aber durch einen Spiegel in einem dunklen Wort: sie haben es völlig, ich nur stückweise!

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