Augustinus, Aurelius - Soliloquien - V. Was es heiße, nichts werden.

Augustinus, Aurelius - Soliloquien - V. Was es heiße, nichts werden.

So lass mich nun, o Vater, bekennen, der Du bist ein HErr Himmels und der Erden: lass mich Dir bekennen mein Elend, auf dass ich kommen möge zu Deiner Barmherzigkeit. Ich bin elend und zu nichts worden, und habe es nicht gewusst. Denn Du bist die Wahrheit und ich war nicht bei Dir. Meine Missetaten haben mich verwundet und ich habe meine Schmerzen nicht empfunden; denn Du bist die Wahrheit und ich war nicht bei Dir. Sie haben mich gar vernichtet; denn Du bist das Wort und ich war nicht bei Dir, durch welchen alle Dinge gemacht sind, und ohne den nichts gemacht ist: weshalb ich denn ohne Dich zu nichts worden bin; denn was zunichte macht, das ist nichts. Alle Dinge sind durch Ihn gemacht, die gemacht sind. Und wie sind sie denn gemacht worden? Gott sah an alles, was Er gemacht hatte, und siehe da, es war sehr gut. Alle Dinge, die gemacht sind, sind durch das Wort gemacht, und alle Dinge, die durch dasselbige gemacht sind, sind sehr gut. Warum sind sie gut? Weil sie alle durch das Wort gemacht sind und ohne dasselbige ist nichts gemacht; denn ohne das höchste Gut ist nichts gut. Denn wo dies höchste Gut nicht ist, da ist das Böse, das gewisslich nichts ist; denn das Böse ist nichts anders als der Mangel des Guten, gleich wie die Blindheit nichts anders ist, denn Mangel des Lichts.

So ist denn das Böse nichts, weil es ohne das Wort gemacht ist, ohne welches nichts gemacht ist. Das aber ist böse, dem das Gute mangelt, durch welches alle Dinge gemacht sind, die je gemacht sind. Dagegen sind die Dinge, so nicht sind, durch Ihn nicht gemacht, und darum sind die Dinge böse, die nicht gemacht sind; denn alle Dinge, die gemacht sind, sind durch das Wort gemacht, und alle Dinge sind durch das Wort gut gemacht. So nun aber alle Dinge durch das Wort gemacht sind, so sind die bösen nicht durch dasselbige gemacht. Nun, so folgt ja, dass alle Dinge, die nicht gemacht sind, nicht gut sind, weil alle Dinge, die gemacht sind, gut sind, und deshalb sind die Dinge böse, die nicht gemacht sind, und darum sind sie nichts, weil ohne das Wort nichts gemacht ist. Darum ist das Böse nichts, weil es nicht gemacht ist. Wie ist aber das Böse, so es nicht gemacht ist? Weil das Böse der Mangel des Guten ist, durch welches das Gute gemacht ist, so ist also das Böse, das ohne das Wort ist, so viel als nicht sein; denn ohne dasselbe ist nichts. Was heißt aber vom Worte abgesondert werden?

Der du das zu wissen begehrst, höre, was das Wort sei! Das Wort Gottes spricht: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Nun, so ist die Absonderung vom Wort nichts anders, als ohne Weg sein, ohne Wahrheit sein, ohne Leben sein, das heißt so viel, als ohne dasselbige nichts sein, und darum heißt „böse“: abgesondert werden vom Worte, durch welches alle Dinge sehr gut gemacht sind. Vom Worte aber, durch welches alle Dinge gemacht sind, abgesondert werden, ist nichts andres, als zu nichts werden und aus dem Stande eines gemachten Dinges in die Nichtigkeit geraten. Denn ohne das Wort ist nichts. So oft du deshalb vom Guten abweichst, sonderst du dich vom Worte ab. Denn es ist das Gute selbst. Wenn du nun ohne das Wort bist, ohne welches nichts gemacht ist, so wirst du zu Nichts. Darum, o HErr, mein Licht, hast Du mich erleuchtet, dass ich Dich sehe, ich habe Dich gesehen, und erkannt, dass ich, so oft ich von Dir abgesondert bin, auch zu nichts geworden bin. Denn des Guten, das Du bist, habe ich vergessen, und darum bin ich böse geworden. Wehe mir Elenden, warum erkannte ich es nicht, dass ich, indem ich Dich verließ, zu nichts ward? Aber warum frage ich Solches? War ich nichts, wie wollte ich es erkennen? Wir wissen, dass das Böse nichts ist, und was nichts ist, das ist nicht, dieweil es nichts ist. So ich nun nichts gewesen bin, da ich ohne Dich gewesen bin, so bin ich gleich wie nichts gewesen und wie ein Götze, der nichts ist. Er hat Ohren und hört nicht; er hat eine Nase und riecht nicht; er hat Augen und sieht nicht; er hat ein Maul und redet nicht; hat Hände und greift nicht; hat Füße und geht nicht, und hat alle Gestalt und ordentliche Verteilung der Gliedmaßen, aber sie empfinden nichts!

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