Arnold, Gottfried - Noch ein ander inniges Geistes-Gebet um die rechte Kraft des Leidens JESU

Arnold, Gottfried - Noch ein ander inniges Geistes-Gebet um die rechte Kraft des Leidens JESU

(Aus des Autoris Parad. Lust-Garten VIII. Theil n. 12)

Getreuester Immanuel! dein verdorbenes und elendestes, aber doch durch dich erkauftes Geschöpf, das werk deiner Hände, wirft sich im Geist nieder an dein Creutz, und dürstet nach der verborgenen Gnade und Kraft, die du in dein Leiden geleget hast. Die äusserliche Geschichte desselben ist zwar lieblich und erbaulich; aber was hilft sie mir ohne die inwendige Wirkung? Ich finde nicht ruhe, bis ich die frucht geniesse: gleichwie du nicht ruhetest, bis alles vollbracht war. Also verkläre mir doch deine heilige Passion in meiner Seele, und flösse mir das Leben ein, das darinnen verborgen liegt. Ich werfe mich mit stöhnen und sehnen meines Geistes in deine ausgedehnte Armen, ja in deine tiefe Wunden hinein, und begehre mit allen Kräften deines Todes kräftiglich theilhaftig zu werden. Oeffne mir doch deine hole Seite, und ziehe da hinein alle mein verlangen! denn ich wünschte gar zu gern, aller dinge über Dir zu vergessen und müßig zu gehen. Ja, ich kanns nicht aussprechen, wie herzlich gern ich mich allein rühmen möchte in Deinem Creutz, daß mir die Welt gecreutziget bliebe, und ich ihr, mit allem ihren loben und schelten, bösen und guten Gerüchten, Lüsten und schrecken, Vortheilen und Beschädigungen. Alles diß mache doch ganz todt in mir, wie du allen dingen erstorben am Creutz hiengest. Verwunde, triff und zeichne mein herz mit deiner Wunden-Kraft so tief, so beständig und empfindlich, daß es mir eine Quaal sei, einen Augenblick ohne deine Gesellschaft zu leben, und ein Himmel, mit dir zu reden, zu wirken und zu leiden. Setze mich durch dein Leiden in eine solche Gnade und Liebe bei deinem Vater, daß ich nicht nach meinem, sondern nach deinem Verdienst von Ihm angesehen werde. Laß dein Blut für mich und in mir schreien, ja alle deine Wunden mich vertreten wieder alle meine feinde. Dein Geist mache sie mir zu sichern Felslöchern, darein ich zu fliehen mich stets übe, und also bewahret und erhalten werde. O meine einzige Hoffnung, gib mir eine selige Nachfolge in allen deinen heiligen Fußstapfen, die du nach dir gelassen hast. Zeige sie mir in allen meinen schritten, die ich zur Ewigkeit thue, und laß mich nicht im geringsten davon ausschweifen, noch die breite bahn der Welt jemals mehr betreten. Du hast mich deinem Vater mit samt deinem Geist zu treuen Händen empfohlen: alda versiegele und zeichne, färbe und durchdringe meine Seele mit deinem rosin-farben Blut, auf daß er sie darinne erkenne und aufnehme, wenn sie vom leibe scheidet. Begleite du sie vor deines Vaters Angesicht. Vertilge in mir die Lust zur Sünde, die du gebüssest hast. Hilf mir durch deine Geduld und Lammes-Natur alle mein elend überwinden, und kämpfe selbst in mir den guten Kampf des Glaubens in der Kraft deines letzten Streits. Dein ängstiges Seufzen unterhalte auch mein stöhnen zu dir bis ans ende. Unterdessen laß deine brünstige Liebe zu mir auch solche Liebe in mir wirken, Dir zu liebe alles anzunehmen, wie du es fügest, und alle Anfechtungen in liebe zu besiegen. Deßwegen du mir auch in allen zu hülfe kommen wollest, und meine Begierde mit dir allezeit stillen, daß ich unter deinem Joch bleibe, und nach nichts anders mich umsehe. Schreibe deine Striemen und Nägel-Maale in meinen sinn zum andenken deiner Liebe, die mich auch dankbar mache und erleuchte, deiner Erlösung ewig zu geniessen, und zwar durch die Kraft aller und jeder deiner Leiden und Schmerzen, Amen!


Quelle: Arnold, Gottfried - Zwo Lehr- und Trost-reiche Passionsbetrachtungen

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