Arndt, Friedrich - Der Sündenfall - Vierzehnte Predigt. Das Strafurteil über Adam.

Arndt, Friedrich - Der Sündenfall - Vierzehnte Predigt. Das Strafurteil über Adam.

Straf mich nicht in Deinem Zorn,
Großer Gott, verschone!
Ach, lass mich nicht sein verlor'n,
Nach Verdienst nicht lohne!
Hat die Sünd'
Dich entzünd't,
Lösch ab in dem Lamme
Deines Grimmes Flamme. Amen.

Text: 1 Mose III., 23. 17-19.
Und zu Adam sprach Er: Dieweil du hast gehorcht der Stimme deines Weibes, und gegessen von dem Baum, davon ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen; verflucht sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollst du dich darauf nähren dein Lebenlang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und sollst das Kraut auf dem Feld essen. Im Schweiß deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis dass du wieder zur Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde, und sollst zur Erde werden.

Gottes Gerichte verschonen Niemanden und dürfen Niemanden verschonen. Nachdem sie über die Schlange und Eva ergangen sind, kommt die Reihe auch an Adam. Zwar hatte er nicht zuerst gesündigt, aber er hatte nicht minder, und nicht minder schwer gesündigt, als Eva. Darum begründet Gott der Herr das Strafurteil über ihn mit den Worten: „Weil du hast gehorcht der Stimme deines Weibes und hast gegessen von dem Baum, davon ich dir gebot, und sprach: Du sollst nicht davon essen“, und lässt darauf unmittelbar ein dreifaches Gericht ergehen, das sich in folgende Namen zusammenfassen lässt: 1) das dornenvolle Land, 2) das mühevolle Leben, 3) der unvermeidliche Tod.

I. Das dornenvolle Land.

Den Menschen unmittelbar traf nicht der Fluch des allmächtigen Gottes, vielmehr war ihm ein großer Trost und Segen für die Zukunft in den Tagen des Weltheilands verheißen worden; der Fluch traf den Boden und das Land, das Adam bebauen sollte: „Verflucht sei der Acker um deinetwillen, Dornen und Disteln soll er dir tragen, und sollst das Kraut auf dem Feld essen“. Im Paradies hatte es noch kein Unkraut, keine Dornen und Disteln, kein Gift unter den Pflanzen und Tieren gegeben: seitdem aber Gott die Erde verflucht hat, hat sich ihre Oberfläche wesentlich verändert. Wohl sind der gute Same und die edlen Früchte zur Nahrung der Menschen geblieben; aber daneben wie viel wucherndes Unkraut, das den guten Samen erstickt und verdrängt, wie viele giftige Früchte, die der Gesundheit nachteilig sind, wohl gar den Tod bringen! Wohl gibt es noch immer guten Boden die Fülle und Fülle und überaus fruchtreiche Gegenden, hinreichend, um die Millionen von Menschen Jahr aus Jahr ein zu ernähren; aber daneben wie viele schaurige Wüsteneien, wie viele öde Heiden, wie viele Stein- und Felsgegenden, wo nichts wächst und gedeiht! Wohl wechselt Jahr aus Jahr ein Frühling und Herbst, Sommer und Winter, Regen und Sonnenschein, damit die Auen voll stehen von Korn, und Gras wachse für das Vieh und Saat zu Nutz den Menschen, damit der Wein erfreue des Menschen Herz und das Brot des Menschen Herz stärke; aber daneben wie viele Verheerungen, welche Sturm uns Ungewitter, Hagelschlag und Überschwemmung, Frost und Hitze anrichten! Überall steht in der Natur, wie sie jetzt ist, neben dem Licht der Schatten, neben dem Nützlichen das Schädliche, neben der Schönheit die Missgestalt, neben dem Jubel die Klage, neben der Lilie die Distel, neben dem lachenden See Genezareth das unheilvolle tote Meer. Durch den Fall des Herrn und Königs ist Alles auf der Erde aus seinen Fugen gewichen und der Fluch über das Haus gekommen um seine Bewohners willen. Durch diesen Fluch ist die ganze Erbe ein Tränental geworden, das dem Menschen nicht mehr zu Dienste ist, sondern ihm widerstrebt mit allen Kräften und mühselige Anstrengungen von ihm verlangt und oft vereitelt. Die Sonne, sagt Luther, ist nirgends so schön und so klar, als sie im Anfang, da sie geschaffen war, gewesen; sie leuchtet uns wohl noch und gibt dem Tag sein Licht, aber zugleich ächzt der Arbeiter und Wanderer unter ihren brennenden Strahlen. Der Wind treibt wohl unsere Mühlen und reinigt unsere Lüfte, aber er entwurzelt auch in wenigen Augenblicken unsere Bäume und deckt unsere Häuser ab. Das Wasser löscht wohl unseren Durst und trägt unsere weltumsegelnden Schiffe, aber es durchbricht auch unsere schützenden Dämme und rafft Häuser, Menschen und Tiere fort. Das Feuer erwärmt wohl unsere Wohnungen, kocht unsere Speisen, schmilzt unsere Metalle, treibt unsere Maschinen; aber es zerstört und verzehrt auch mit seinen entfesselten Flammen unser Haus und Hof, Hab und Gut, und lässt nichts als brandige Trümmer zurück. Der Regen erquickt wohl die schmachtenden Fluren; aber in seinem Gefolge hat er nicht selten die zündenden Blitze und den verheerenden Hagelschlag. Die herrliche Harmonie, welche im Paradies unter allen Teilen der Schöpfung geherrscht hatte, ist aufgehoben; die Herrschaft, welche der Herr über Elemente und Tiere besaß, ist ihm entzogen; jeder neue Misswuchs ist ein Strafgericht Gottes um der Sünden willen, und Jahr aus Jahr ein das Gebet an seiner Stelle um Gedeihen der Früchte des Landes und um reiche Ernten, sowie um Abwendung der Landplagen. Wohl sind noch die Spuren ihrer ursprünglichen Herrlichkeit vorhanden; aber teils so, dass sie nicht bleibend, sondern einem beständigen Wechsel von Blühen und Verwelken, Werden und Entwerden unterworfen sind: kaum hat des Sommers Schmuck das Herz mit Wonne erfüllt, so fallen schon wieder die welken Blätter zu Boden, die Rosen, die des Morgens uns ergötzen, sind des Abends matt und vom Wurm der Verwesung ergriffen - teile sind sie getrübt und entstellt durch die Zeichen ihres Verfalls oder den Ausdruck der Wehmut und der Schmerzes, der ihnen eingeprägt ist. Genug, alles Fleisch ist wie Gras und alle seine Herrlichkeit wie des Grases Blume; das Heu verdorrt, die Blume verwelkt, und es verbirgt die Natur ebensosehr Gottes Güte und Barmherzigkeit, wie sie sie offenbart; und offenbart nicht nur Seine Allmacht, Weisheit und Güte, sondern auch Seinen Zorn und Seine strafende Gerechtigkeit. Der Acker ist insbesondere noch immer eine Mahnung an den Sündenfall und ein Bild unseres Herzens, je nachdem er guter Boden, oder steinigt, oder mit Dornen bewachsen ist.

Gottlob, dass wir die Verheißung haben, dass dieser Fluch nicht ewig auf der Erde ruhen, sondern eine Zeit einmal kommen soll, wo die Einöde wird lustig sein und blühen wie die Lilien, wo Tannen für Hecken wachsen werden und Myrthen für Dornen, wo die Wasser in der Wüste fließen werden und Ströme in den Gefilden, wo die Heiden in Lustgärten verwandelt und die ganze Erde gekleidet sein wird in den Schmuck Karmels und Sarons (Jesaias 35,1. 55,13. 43,20.), und dass wir wissen, dass dieser verheißene Zustand kein lustiges Elfenreich ist, das nur in der Phantasie besteht, das man nicht sehen und hören, greifen und wahrnehmen kann, sondern dass er Wirklichkeit und Leben, Leiblichkeit und Sichtbarkeit sein wird. Weil Christus eine Dornenkrone getragen hat um unsertwillen, soll der Segen Seiner Erlösung Allem zu Gute kommen, was durch den Fluch Adam's hat leiden müssen. Jetzt hat unsere Welt, wie Luther so schön sagt, nur ihr Werktagskleid; aber Gott wird ihr schon einmal einen Osterrock und ein Pfingstkleid anziehen, und dann eine Auferstehung und Verklärung der Welt mit der Menschheit eintreten, weit über alles, was jetzt uns manchmal in der entarteten Natur gefällt und entzückt. Wenn der Allmächtige Seinem Sohn die Hochzeit ausrichtet und Seinen lieben Kindern und Erben ein ewiges Haus baut, o wie wird er da nach Seiner Allmacht und Herrlichkeit in der neuen Welt Wesen und Gestalten schaffen, allerdings nach Ähnlichkeit dessen, was jetzt ist, aber Alles rein und herrlich, denn Christus bringt mehr wieder als Adam zu Anfang hatte; wie wird er da Alles schmücken und prächtig machen, und Alles schimmern und glänzen wie lauteres Gold und reines Glas, was jetzt starr und finster ist; wie wird da Alles blühen und Frucht tragen, was sich regt und lebt im Licht des ewigen Lebens! Dann heißt es: „Der erste Himmel und die erste Erde ist vergangen, und das Meer ist nicht mehr; die Stadt bedarf nicht der Sonne und des Mondes, dass sie ihr scheinen, denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm“ (Offenbarung 21,1. 18.23.).

II. Das mühevolle Leben.

Die zweite Strafe, welche Gott Adam, aber in und mit ihm auch zugleich Eva und darum allen ihren männlichen und weiblichen Nachkommen ankündigt - denn, mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen - ist das mühevolle Leben: „Verflucht sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollst du dich darauf nähren dein Leben lang, und im Schweiß deines Angesichts sollst du dein Brot essen“. Zwar hatte Gott schon im Paradies den ersten Menschen verordnet, dass sie den Garten Eden bebauen und bewahren sollten; denn zum Müßiggang hat Gott noch nie Menschen geschaffen, weder im Anfang, noch in unseren Tagen; auch von Jesu, dem Sohn Gottes, steht ausdrücklich geschrieben: „Der Vater wirkt bisher und ich wirke auch, und was der Vater tut, dasselbige tut auch gleich der Sohn“. So arbeiteten sie als die lieben Kinder, die auf den Vater sehen und nicht anders können, als tun gleich wie Er; die Arbeit war ihnen eine Lust des Herzens, noch keine Last des Gesetzes, noch nicht der Weg zum Genuss, noch nicht die Bedingung zur Ruhe, sondern kam heraus aus ihrem lebendigen Zusammenhang mit dem allwirkenden Vater, aus ihrer Freude an Ihm, aus ihrer Lust und Liebe, gleich ihm zu leben und wirksam zu sein; ihre Arbeit war ihnen noch leicht, ohne jegliche Beschwerde und Ermüdung, teils weil die Stärke und Gesundheit ihres Leibes sie zu Allem, was sie sollten und wollten, befähigte, teils weil die Erde hinreichend, ja überflüssig von selbst trug, was zu ihrer Erhaltung erforderlich war. Andere ist es seit dem Sündenfall geworden, der leichtere Gartenbau hat dem schwereren Ackerbau weichen müssen und die Arbeit ist seitdem nicht mehr freier Trieb des freien Geistes, nicht mehr des seligen Herzens selige Beschäftigung, sondern eine herbe Pflicht, eine Strafe der Sünde; im Schweiß des Angesichts müssen wir jetzt unser Brot essen und mit Kummer uns nähren unser leben lang. An alle Adamskinder ergeht seitdem der Ruf: „Auf, an die Arbeit! Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen!“ Nicht nur der Landmann muss früh, vor Tagesanbruch, aufstehen, und, bald dem durchschüttelnden Frost, bald der brennenden Hitze preisgegeben, bis in die späte Abendstunde, bis zur völligen Ermüdung seine Kräfte anstrengen, - jeder Stand hat seine Last, jeder Beruf, auch der in der Werkstatt, im Studierzimmer, in der Schule, in der Kirche, auf dem Thron, am friedlichen Herd des Hauses, bereitet Mühe und Sorge, Kopfzerbrechen und Handschwielen und hat seine Dornen und Stacheln. Es ist ein leidiger Irrtum der niederen Stände, wenn sie die höheren Stände beneiden und meinen, die hätten es leichter: sie säen dadurch nur Unzufriedenheit mit ihrem eigenen Los in ihr Herz. Hienieden ist jetzt kein Genuss ohne Mühe, keine Labung ohne Ermattung, kein Gewinn ohne Anstrengung, kein Sieg ohne Kampf. Schon Moses spricht: „Unser Leben währt siebzig Jahr, und wenn es hochkommt, so sind es achtzig Jahr, und wenn es köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen“ (Psalm 90,10.). Schon Jakob bezeugt: „Wenig und böse ist die Zeit meines Lebens“ (1 Mos. 47,9.). Schon Hiob klagt (7,1.): „Muss nicht der Mensch immer im Streit sein auf Erden, und seine Tage sind wie eines Tagelöhners?“ Schon Sirach (Kapitel 40,1.) beschreibt das Leben als ein elend jämmerlich Ding, von Mutterleib an, bis wir wieder zur Erde werden, die unser Aller Mutter ist, da ist nichts als Sorge, Furcht, Hoffnung, und zuletzt der Tod. Und Jesus bestätigt das Alles durch Sein Wort (Matth. 6,34.): „Sorgt nicht für den andern Morgen, es ist genug, dass ein jeglicher Tag seine eigene Plage habe“. Um nur Leben und ihr Auskommen haben zu können, müssen die meisten Menschen den größten Teil ihrer Zeit anwenden, und hat's Gott keinem Geschöpf so schwer gemacht, sich zu erhalten, als dem Menschen; die Arbeit hört bei uns nicht auf bis in den Tod, wir werden mit ihr niemals fertig; wo wir heute aufhören, beginnen wir morgen wieder, und hätte der barmherzige Gott nicht einen Sabbattag in der Woche gegeben, wir hätten nicht einmal Zeit, den Schweiß von der Stirn abzutrocknen; und doch benutzen so Unzählige in ihrer Undankbarkeit und Gottlosigkeit diese ihnen dargebotene Gnade nicht! O, wie viel Arbeitsschweiß, wie viel Fieberschweiß, wie viel Angstschweiß fließt von der Stirn der armen Menschen! Und wie oft ist die sauerste, mühevollste Arbeit so undankbar und vergeblich! Wie eine Kette aus Ringen zusammengesetzt ist, so ist das Leben aus mancherlei Arbeit zusammengesetzt und trifft diese uns als Menschen, als Sünder und als Christen. Als Menschen müssen wir arbeiten, sowohl für uns, als für Andere, ein Jeder in seinem Stand und Beruf, auch in seinem besonderen Kreuz und Anliegen, Jeder hat des Tages Last und Hitze zu tragen, und Keiner kann sich beklagen, dass nichts zu tun sei und er ein Recht habe, an dem Markt des Lebens müßig zu stehen. Als Sünder machen wir uns gar viele neue Arbeit, denn die Sünde verursacht Arbeit, sowohl wenn sie ausgesonnen, als wenn sie ausgeübt wird, sowohl wenn wir sie entschuldigen wollen, als wenn wir die Früchte unserer Missetat tragen müssen an einem kranken Leib und an einer gepeinigten Seele, und die Klage laut wird: „Ich bin so müde von Seufzen, meine Sünden sind wie eine schwere Last mir zu schwer geworden“. Alle Christen haben wir endlich in unserem himmlischen Beruf zu arbeiten, sowohl durch die Werke der Heiligung gegen uns selbst, als durch die Werke der Liebe gegen den Nächsten, als durch die Werke der Andacht gegen Gott. Eine Arbeit ist, und gewiss keine geringe, die Fortsetzung unserer Wiedergeburt, damit wir von allen Befleckungen des Fleisches und Geistes uns reinigen und fortfahren mit der Heiligung in der Furcht Gottes, damit wir vergessen, was dahinten ist, und uns strecken nach dem, was vor uns liegt, und nachjagen dem himmlischen Kleinod, welches uns vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu, bis wir Alle hinankommen zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohnes Gottes, und ein vollkommener Mann werden, der da sei in der Maße des vollkommenen Alters Christi. Eine Arbeit sind die Liebesdienste gegen den Nächsten, wenn wir nach Hiobs Beispiel des Blinden Auge und des Lahmen Fuß und Väter der Armen sein wollen (29,5.) und jedermann helfen, besonders den Verlassenen, dem Fremdling, den Unterdrückten. Und ist endlich nicht auch die Andacht und Erbauung eine Arbeit, beim rechten Christen die erste und die letzte jeden Tages; so lange er auf Erden wandelt? Du sollst, sagt der Herr im Text, im Schweiß deines Angesichts arbeiten dein Lebenlang, und erklärt es damit für eine Sünde, wenn wir die Hände in den Schoß legen, und der Arbeit entziehen, oder vor der Zeit es uns bequem machen und eigenmächtig in den Ruhestand versetzen.

Indes wie mühevoll und beschwerlich auch die Erdenarbeit sein mag: hinter der Arbeit steckt doch ein großer Segen verborgen, und es ist in mehr als einer Hinsicht gut und köstlich, dass es Gott also geordnet und die Arbeit als ein Erziehungsmittel für unseren inwendigen Menschen eingesetzt hat. Nicht nur, dass lässige Hand arm, der Fleißigen Hand reich macht, nicht nur, dass Tätigkeit die Kräfte übt und stählt und gesunden Appetit und gesunden Schlaf gibt, sie bewahrt auch vor bösen Gedanken und Lüsten, sie zieht auch von der Sünde ab, sie übt in der Selbstverleugnung, sie weckt die Sehnsucht nach dem Himmel. Wer möchte immer die Hände in den Schoß legen? Die Kranken, die Alten, die nicht mehr arbeiten können, wie fühlen sie die Last der Langenweile und des Müßiggangs! Nein, es ist eine weise Ordnung Gottes, dass wer nicht arbeiten will, auch nicht essen soll. Ein Sprichwort sagt: Arbeit ist Gottesdienst. Traurig daher, wenn man nie an die Arbeit gewöhnt worden ist. Der Teufel ist flink, böses Werk für müßige Hände zu finden; Müßiggang, Bequemlichkeit, Sinnengenuss ist uns Sündern durchaus schädlich. Müßiggang ist aller Laster Anfang und des Teufels Ruhebank. Kein Wunder: wenn der Stahl nicht oft poliert wird, wird er rostig; wenn das Land nicht gepflügt wird, wächst Unkraut darauf. Als Simson aufhörte, mit den Philistern zu streiten, ließ er sich in den Schoß der Delila nieder und ward geblendet. Als David müßig auf der Zinne seines Palastes lustwandelte, stürzte ihn der Satan in Mord und Ehebruch. Dem fliegenden Vogel in der Luft trachtet der Jäger nicht so leicht nach, als dem, der auf dem Baum sitzt; so greift auch der höllische Jäger einen in Arbeit stehenden Menschen nicht so leicht an, als einen müßigen. Wirf ein Steinchen in ein stillstehendes Wasser, und siehe, ob nicht ein Kreis aus dem andern entsteht, was in fließendem Wasser niemals geschieht. Darum, Geliebte in dem Herrn, seid fleißig im Schweiß eures Angesichts für euren euch von Gott anvertrauten Beruf, und wirkt mit dem Herrn, so lange es Tag ist; es kommt die Nacht, da Niemand wirken kann. Siehe, die Biene sammelt ihren Honig mit großer Mühe aus den Blumen, die Ameise ist geschäftig, ihre Körnlein in ihre Höhlen zu tragen, die Spinne webt mit ihren Händen und baut ihr Häuschen; wie viel mehr ziemt uns Arbeitsamkeit und Gebrauch unserer Gaben und Kräfte, die Gott so hoch gestellt hat über alle anderen Geschöpfe! Aber seid nicht nur fleißig in eurem irdischen, seid es vor Allem in eurem himmlischen Beruf, und vergesst nicht eure geistlichen Arbeiten zu verrichten, an denen eurer Seelen Seligkeit hängt, so lange noch die Gnadenzeit währt. Ein Acker hat nicht soviel Arbeit nötig, als unser Herz: heute muss man das wachsende Unkraut der Sünde ausrotten, morgen mit dem Pflug des Gesetzes das harte Erdreich des Herzens durchschneiden und die Steine der Hindernisse wegtun, ein andermal den Samen des göttlichen Wortes ausstreuen, ein andermal wieder des Himmels Einfluss erbitten, oder prüfen, ob die Frucht rechter Art sei. Was sagt die Schrift? „Schafft, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. So wendet allen euren Fleiß daran, und reicht dar in eurem Glauben Tugend, und in der Tugend Bescheidenheit, und in der Bescheidenheit Geduld, in der Geduld Gottseligkeit, und in der Gottseligkeit brüderliche Liebe, und in der brüderlichen Liebe allgemeine Liebe. Darum tut desto mehr Fleiß, euren Beruf und Erwählung festzumachen, denn wo ihr Solches tut, werdet ihr nicht straucheln. Seid fleißig, zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens, dazu ihr berufen seid. So lasst uns nun Fleiß tun, einzukommen zur Ruhe Gottes. So sei nun fleißig und tue Buße“. Immer und immer ist da die Rede vom Fleißigsein, nicht nur bei einer, bei allen Tugenden, und im ganzen Gnadenstand. Ach, es gibt auch einen geistigen Müßiggang und ein Faulbett innerer Sicherheit! Dieses stürzt in beispiellose Seelengefahr für Zeit und Ewigkeit. Zuletzt kommt nach dem Schweiß des Angesichts der Feierabend, nach den Werktagen der Sabbat, nach der Welt-, Sünden- und Christenarbeit der ewige Frieden, und es bewährt sich das Sprichwort: Nach der Arbeit ist gut ruhen.

III. Der unvermeidliche Tod.

Noch eine dritte Strafe verkündigt unser Text: „Bis dass du wieder zur Erde werdest, davon du genommen bist; denn Du bist Erde, und sollst wieder zur Erde werden“. Diese Worte sind die erste Todespredigt, die Gott den Menschen gehalten hat. Sie setzen voraus, dass der ursprüngliche Leib zwar aus einer Erdscholle gebildet, aber ein unsterblicher und unverweslicher gewesen sei, dass er durch allmählige Verwandlung und Verklärung in einen himmlischen Leib habe übergehen sollen, aber durch die Sünde der Tod in die Welt gekommen sei und den unsterblichen Leib in einen sterblichen und verweslichen verwandelt habe. Seitdem fließt das Todesgift in unseren Adern von unserer Geburt an; unser Leben ist ein gebrechliches und hinfälliges; je länger es währt, desto kürzer wird es; jeder Schritt, den wir tun, ist ein Schritt zum Grab; jeder Tag, den wir erleben, bringt und dem Ende näher; es ist jedem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht, und ist die Erde ein weites Grab geworden, wo sich ein Todeshügel an den andern reiht. Wie groß auch sonst die Unterschiede zwischen den Menschen sein mögen: in diesem Stück sind wir uns Alle einander gleich, Könige und Bettler, Greise und Säuglinge, Frohe und Traurige, Gesunde und Kranke. Wie wir mit einem Schrei die Welt betreten haben, so müssen wir sie mit einem kalten Schweiß auf der Stirn einmal wieder verlassen. Die oft so schmerzlichen und langen Krankheiten, welche dem Tod vorangehen, die letzten Seufzer und Kämpfe, welche sein Erscheinen anmelden, das Brechen der Augen, das Stillstehen des Pulses, das Erkalten der Hände, das Erstarren aller Glieder, und zuletzt das dumpfe, unheimliche Fallen der Erde auf den Sarg im Grab sind die äußeren Zeichen des Gerichtes, welches Gott über die Welt ausgesprochen hat, und die sich immer wieder erneuernden Erinnerungen an den Sündenfall und seine Schrecken.

Merkwürdig, dass der Herr ganz von der Seele und ihrer Unsterblichkeit schweigt; es wäre ihm ein leichtes gewesen, zu den Worten: „Du bist Erde und sollst wieder zur Erde werden“ hinzuzusetzen: „Dein Geist soll aber wieder zu mir kommen, der ihn dir gegeben hat“, - Er tut's aber nicht, Er schweigt gänzlich davon, und wir dürfen uns nicht wundern, wenn deshalb sich die Vorstellung im Altertum bildete, dass, wie der Leib in das Grab, so die Seele in das Innere der Erde hinabfahre, und dort, da sie nicht verwesen kann, ein Dasein führe, welches wie Nichtsein, und also ein Schattendasein ist. Er ist dies Schweigen Gottes hier und weiterhin im Alten Testament über das Leben nach dem Tod erzieherische Weisheit; es sollte die Furcht des Todes mit ein Zuchtmittel der Gnade werden, wie das Gesetz; es sollte der Stachel des Todes, die Sünde, erst gefühlt werden in seiner ganzen Schärfe, bis in dem Fürsten des Lebens, der die Auferstehung und das Leben ist, das alttestamentliche Schweigen sich in herrliche Tat- und Wort-Offenbarung verwandeln und Der siegreich aus dem Grab hervorgehen würde, der dem Tod die Macht genommen und leben und unvergängliches Wesen an das Licht gebracht hat.

Wie schwer musste diese Strafe für Adam und Eva sein! Wie ein Donner des Allmächtigen musste sie in ihr Ohr tönen, denn die Liebe zum Leben ist der menschlichen Natur angeboren; auch das mühseligste Leben wird als Leben selbst von Solchen geliebt, die seiner Bürde fast erliegen. Und wie hatte ihnen bisher das Leben so freundlich gelächelt! Welche Wonne hatten sie genossen und welche viel höhere erwartet, wenn nach treu bestandener Prüfung die schöne Knospe ihres Daseins zur herrlichsten Blume sich würde entfaltet haben! Was musste für sie der Gedanke des Todes sein! Wie traurig, wenn sie nun glaubten, dass mit dem irdischen Leben ihr Dasein aufhören werde; wie grauenvoll, wenn sie fürchteten, dass nach dem Tod des Leibes die Bestrafung der Seele beginnen und ewig anhalten sollte! -

Adams Strafe ist auch unsere Strafe. Wir wissen nicht, Geliebte, was uns sonst noch bevorsteht; aber Eins, das wissen wir, steht und sicher bevor, das ist der Tod, der Sünden Sold. Einmal wird kommen ein Tag, eine Stunde, ein Augenblick, ob bewusst oder unbewusst, wo dieses Haus, von Gott erbaut, in Staub zerfällt, wo man uns suchen wird und wir werden nicht mehr da sein. Freilich ist dies Leben an sich schon des Todes Anfang und ein beständiges Sterben; aber das eigentliche Sterben beginnt doch immer erst, wenn der König des Schreckens in unsere Hütte einbricht. O, dass wir denn sterben lernen, ehe wir sterben, damit wir nicht zu sterben brauchen, wenn wir einmal sterben müssen! Was durch den ersten Adam eine Strafe der Sünde geworden, kann durch den zweiten Adam wieder ein Segen, ein Gewinn, die größte Wohltat, die Erlösung von allem Übel und die Aushilfe zu Gottes himmlischem Reich werden. Christus ist ja auch gestorben, und darum für uns gestorben und auferstanden, damit Er über Tote und Lebendige Herr sei. Durch ihn wird einst das Verwesliche anziehen die Unverweslichkeit und das Sterbliche die Unsterblichkeit; der Tod ist nun wieder verschlungen in den Sieg, und wie wir hier getragen haben das Bild des Irdischen, nämlich Adam's, so werden wir dereinst auch leiblich tragen das Bild des Himmlischen, nämlich Christi, der unseren nichtigen Leib verklären wird, dass er ähnlich werde Seinem verklärten Leib.

Das dornenreiche Land, das mühevolle Leben, der uns vermeidliche Tod, das sind die drei bitteren Folgen des Sündenfalls für Adam und für alle seine Kinder. Sie bleiben Strafen für jedes Kind des ersten Adam's, mag er sie als solche anerkennen oder sich die Augen verbinden und bei hellem Sonnenschein des göttlichen Wortes nicht sehen wollen, dass sie Strafen sind, und er fühlt sie als solche in seiner herrschenden Unzufriedenheit. Sie hören aber auf, Strafen zu sein für das Kind des zweiten Adams und verwandeln sich für dasselbe in ein Gnadenkreuz und Erziehungsmittel, sofern sie ihn in die Demut hineinführen, die da spricht: „Ich will des Herrn Zorn tragen, denn ich habe wider Ihn gesündigt“ (Micha 7,9.), aber auch in die innigste Vereinigung mit dem Herrn, auf dem unsere Strafe gelegen hat, damit wir Frieden hätten, und es erfüllt sich dann das Wort der Schrift: „Die Strafe der Zucht ist ein Weg des Lebens“ (Sprüche 6,20.); es wird dann laut das Bekenntnis der heiligen Augustinus: „Schwer ist, was ich begangen, und leicht, was ich erdulde“; das Bekenntnis des heiligen Bernhard: „Die Leiden dieser Zeit bedeuten nichts gegen die vergangene Schuld, die uns vergeben, gegen den gegenwärtigen Trost der Gnade, die uns geschenkt, und gegen die zukünftige Herrlichkeit, die uns verheißen ist“. Wohl Allen, die auch in diesem Sinn sich selbst verleugnen, dem Herrn ihr Kreuz nachtragen und ihm nachfolgen durch Kreuz zur Krone, durch Schmach zur Herrlichkeit! Amen.

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