Arndt, Friedrich - Der Sündenfall - Dreizehnte Predigt. Das Strafurteil über Eva.

Arndt, Friedrich - Der Sündenfall - Dreizehnte Predigt. Das Strafurteil über Eva.

O Herr, lass uns in Deinem Licht
Des Falles Größ' erkennen.
Verwirf uns, die Gefall'nen, nicht,
Die wir Dich Schöpfer nennen.
Hilf uns durch Christum wieder auf
Und mach' uns tüchtig, unseren Lauf
Zur Ewigkeit zu richten. Amen.

Text: 1 Mose III., V. 16.
Und zum Weib sprach er: Ich will dir viele Schmerzen schaffen, wenn du schwanger wirst; du sollst mit Schmerzen Kinder gebären, und dein Wille roll deinem Manne unterworfen sein und er soll dein Herr sein.

Nachdem Gott das Urteil über den Verführer ohne Gleichen ausgesprochen, kommt jetzt die Reihe an die Verführten; zuerst an Eva, denn sie hatte Gottes Verbot zuerst übertreten, dann an Adam. Aber das göttliche Urteil über die Menschen klingt gleich beim ersten Laut ganz anders, als das über die Schlange; es ist kein Fluch, wie bei dieser, sondern nur eine Strafe. Zwar ist die Strafe hart und schwer, und besteht in lauter Leiden und Plagen, die nicht nur die ersten Menschen getroffen haben, sondern alle ihre Nachkommen, die bis auf diese Stunde auf der ganzen Menschheit liegen und von denen weder Fromme noch Gottlose verschont sind. Dennoch ist ein gewaltiger Unterschied zwischen Fluch und Strafe; der Fluch setzt Hass und Abscheu, die Strafe dagegen Wehmut und Liebe voraus; der Fluch ist das Urteil des Richters, die Strafe das Urteil eines Vaters; der Fluch will vernichten und zerstören, die Strafe nur züchtigen, um zu retten und zu bessern. Zweierlei Strafe wird der Mutter der Lebendigen und damit dem ganzen weiblichen Geschlecht auferlegt: 1) Geburtsschmerzen, und 2) unterwürfige Abhängigkeit vom Mann.

I.

Während die nachher dem Adam zuerkannte Strafe: dass er im Schweiß seines Angesichts sein Brot essen, dass der Acker ihm Dornen und Disteln tragen und er zuletzt Erde werden solle, von der er genommen sei, Eva ebenso gut trifft wie ihn, so erhält sie im Text ihre und ihres Geschlechte ganz besondere und eigentümliche Strafe, die sie und ihr Geschlecht allein zu tragen hat. Eva hatte vernehmlich durch Zweierlei, durch sinnliche Lüsternheit und durch Selbsterhebung, gesündigt: ihre Strafe ist das doppelte Entgegengesetzte, sinnlicher Schmerz - das Gegenteil ihrer Lüsternheit und Genusssucht, und Unterwürfigkeit - das Gegenteil ihres Hochmuts.

Die erste Strafe lautet demnach: „Ich will dir viele Schmerzen schaffen, wenn du schwanger wirst; du sollst mit Schmerzen Kinder gebären“. Die Bestimmung des Weibes, Mutter zu werden, bleibt auch nach dem Fall; aber während die Geburt schmerzlos erfolgt sein würde, wenn sie im Stande der Unschuld geblieben wäre, so soll sie fortan ihre geheimnisvolle Mutterpflicht mit Schmerzen erfüllen, ihre Lust soll Last werden, die Lüsternheit ihrer Sinne nach der verbotenen Frucht gerächt werden an ihr selbst in dem wichtigsten Augenblick ihres Lebens durch die empfindlichsten aller Wehgefühle. Diese Drohung bestätigt die Erfahrung, indem alle übrigen Geschöpfe viel leichter ihres Gleichen zeugen. Wenn Gott daher im Alten Testament die Empfindlichkeit irgend eines schweren Strafgerichts bezeichnen will, so vergleicht Er es mit der Angst einer Gebärerin, z. B. Ps. 48,7.: „Zittern ist sie daselbst ankommen, Angst, wie einer Gebärerin“, Hosea 13,13.: „Es soll ihnen weh werden wie einer Gebärerin“, Jes. 42,4. Jer. 4,31.: „Nun aber will ich wie eine Gebärerin schreien“; wenn Jesus die Traurigkeit Seiner Jünger, wann Er werde von ihnen genommen werden, schildern will, sagt Er: „Ein Weib, wenn sie gebiert, so hat sie Traurigkeit, denn ihre Stunde ist gekommen; wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass der Mensch zur Welt geboren ist“ (Joh. 16,21.). Diese bis an die Seele gehende Angst und Bangigkeit ist aber zugleich ein weises Erziehungsmittel in der Hand des Herrn für jede Mutter, wenn ihre Stunde kommt; denn Gott straft hienieden weniger, um zu strafen, als um zu erziehen und zu bessern. Sie ist für sie eine beständige Erinnerung an den Sündenfall, eine Mahnung: „das Paradies ist dahin, die Unschuld der Seele verloren, auch du bist eine Sünderin und dein Kind wird schon in Sünden empfangen und geboren: O, dass ich nur vor allen unsicheren Tritten und unglücklichem Fallen möge behütet bleiben, insbesondere vor Zorn und Eifer, vor Sorge und Schrecken, damit das Kind meines Leibes gesund und leicht das Licht der Welt erblicke und seine Geburt keine Fehlgeburt werde!“ Sie ist für sie eine starke Aufforderung, in der Stille und Demut zu bleiben: „Wer bin ich, Herr, Herr, dass Du mich so gnädig leitest, dass Deine Kraft in meiner Schwachheit mächtig ist und Du mir eine unsterbliche Seele anvertrauen willst, dass ich sie erziehen soll in der Zucht und Vermahnung zum Herrn und soll sie machen zu einer lebendigen Rebe an Christo, dem Weinstock?“ Sie ist für sie eine eindringliche Weisung an den Tod; denn Kindesnöte setzen auch die gesündeste Mutter dem Tod in ganz ungewöhnlichem Maß aus, damit sie alles ordne, was für diese Welt noch geordnet werden muss, sich mit allen Beleidigten versöhne und sich auf ein seliges Ende rüste: wie viele Frauen sterben Jahr aus, Jahr ein an ihrer Entbindung und lassen ihre neugeborenen Kindlein als hilflose Waisen zurück! Sie ist endlich ein mächtiger Trieb hinein in's stündliche Gebet um Erbarmung und Gnade, um Vergebung und Hilfe, um Trost und Stärke; wenn je Stoßseufzer sich aus der Seele ringen, je Gelübde laut werden: „Hier bin ich, o Herr; Dir sei geweiht, was Du mir gibst“, wenn je Entfernung aus der Welt, Zurückziehung, Sammlung, Selbsterkenntnis, Besserung, völlige Wiedergeburt nötig ist; wenn je das Bedürfnis nach dem heiligen Abendmahl und neuer Versiegelung der Erlösung rege wird; wenn je Christus der Arzt, der Heiland, der Nothelfer ist, Sein Blut unser Heil, Sein Tod unser Leben, Sein Schmerz unsere Arznei, Seine Qual unsere Erquickung und unser Labsal, je es eine Aufrichtung ist, sich sagen zu dürfen: Auch Er hat um unsertwillen im Schoß einer Mutter gelegen und durch Seine reine Empfängnis, Seine heilige Geburt, Seine selige Menschwerdung alle unsere Geburtsstunden gereinigt und geheiligt - so ist es in jenen vorbereitenden Wochen auf den Höhepunkt des mütterlichen Lebens, wo sich das süßeste Geheimnis ihres Berufs, das Kleinod ihrer Mutterehre, enthüllt.

Wenn Gott im Text nur der Schmerzen bei der Geburt gedenkt, so hat er damit nur einen Teil des Leidens für das Ganze, einen Schmerz für alle Schmerzen genannt. Mit der Geburt in's jammervolle Leben fängt das irdische Leben überhaupt an, und zwar Beides, für Mutter und für Kind. Was kostets der armen Mutter an schlaflosen Nächten, an Sorgen und Mühen, bis das Kind groß gezogen ist, damit es gehen lernt, damit es vor Krankheiten bewahrt und aus Krankheiten errettet wird! Wieviel Not und Angst, wenn das Kind früh wieder stirbt, nicht selten gerade dann, wenn es den Eltern Freude macht und zu den lieblichsten Hoffnungen berechtigt, oder wenn es durch das Beispiel und die Verführung anderer Kinder sich Unarten angewöhnt, wenn die angeborene Sündhaftigkeit immer mehr hervor bricht, wenn die Fehler der Eltern in dem Kind forterben und zum Ausbruch kommen, wenn es auf Irrwege gerät und durch Unglauben und Laster ihnen nichts als Kummer und Herzleid bereitet! Arme Eva, wie war dir zu Mute, als dein Erstgeborener, auf den du so viele Hoffnungen gesetzt, sie so schmählich vereitelte und an dem eigenen Bruder zum Mörder ward! Arme Eva, wie musste dein Herz bluten, als der fromme Abel, eine kalte Leiche, mit Blut bedeckt, auf dem Boden lag und des Erschlagenen Blut um Rache gen Himmel schrie! Im Stande der Unschuld wäre die Erziehung die angenehmste Beschäftigung für liebende Elternherzen gewesen, während jetzt alle und jede Erzieher einen schweren Stand haben und in keinem Beruf soviel Weisheit, Liebe und Ernst, Geduld und Konsequenz notwendig ist, als in diesem verantwortungsreichen Beruf. Auf diese Weise ist aus dem Ehestand nunmehr ein Wehestand geworden, eine Werkstatt der Schmerzen, Anfechtungen und Trübsale, da eine Sorge der andern auf dem Fuße folgt und es sprichwörtlich heißt: Kleine Kinder, kleine Sorgen, große Kinder, große Sorgen! Nehmen wir hinzu, dass die Sünde auch den Ehestand wie jedes andere Verhältnis vergiftet, dass sie die Stätte des Glücks und des Friedens oft zu einer Hölle auf Erden macht, dass oft gerade die Kinder der schlimmste Zankapfel zwischen Vater und Mutter werden, dass kein Stand der Erde so sehr der Buße und der Vergebung bedarf, als der Ehestand, ist es da ein Wunder, dass Tausende heut zu Tage den Ehestand fliehen, um nur nicht in ihrer Ruhe und Gemächlichkeit gestört zu werden, und die Zahl der Hagestolzen so groß ist, die es für eine Torheit halten, sich unnötigerweise in ein so hartes und knechtisches Joch zu begeben, und es für besser und vernünftiger ansehen, in der Ungebundenheit des ledigen Standes zu bleiben? Sprachen doch damals selbst die Jünger: Steht die Sache eines Mannes mit einem Weib also, so ist's nicht gut, ehelich werden.

Aber nicht nur für die Mutter ist die Geburt eines Kindleins der erste Ring einer langen Leidens- und Trübsalskette, auch für das neugeborene sind nicht minder. Seine erste Träne ist Weissagung aller der Tränen, die es in seinem langen oder kurzen Leben noch weinen wird; sein erster Schrei verkündet im Voraus schon alle die Stunden und Zeiten, wo noch anderer Jammerschrei aus der Tiefe seiner Brust steigen wird. Angelebt, heißt es, angeweint, fortgelebt, fortgeweint, ausgelebt, ausgeweint. Wie vielen Krankheiten und Gefahren ist ein Kindesleben bloßgestellt! Wie oft kann die sorgsamste Pflege und die treueste Liebe das Kommen derselben nicht abwenden, ihre Kraft nicht brechen! Wie bald ist es oft um ein zartes Kindesleben geschehen! Ein Viertel der Menschen stirbt schon vor dem siebenten Jahre, die Hälfte vor dem siebenzehnten. Jedes Alter hat seine besonderen Krankheiten, die kleinen Kinder leiden meist am Kopf, die Jünglinge und Jungfrauen an der Brust, Männer und Frauen am Unterleib, das Greisenalter an den Füßen, welche bei ihnen nicht mehr fortwollen und den Weg in die Grube weisen. Auch hat jedes Alter seine eigenen Sünden, in der Kindheit regt sich stark der Eigensinn, in der Jugend die sinnliche Lust, im männlichen Alter der Ehrgeiz und die Eitelkeit, im hohen Alter Geiz und Habsucht; und diese Sünden - bereiten sie nicht neue Heere von Not und Versuchung? Wer nennt alle die Quellen, aus denen hienieden das Gift der Trübsal und Angst, des Kummers und der Sorge fließt? Wer dringt in die mancherlei Höhlen des Jammers und Elende, die sich überall in die Felsen des Glücks verlieren? Wer zählt die Zahl der Tränen, die geweint, der Wunden, die geschlagen, der Schmerzen Leibes und der Seele, die ausgestanden werden, der Klagen, die gen Himmel steigen? Die Namen: Hospitäler, Siechenhäuser, Gefängnisse, Zuchthäuser, Operationen, Schlachtfelder, Feuersbrünste, Orkane, Wolkenbrüche, Sklavenhandel, Sterbekammern, was für eine Masse Not und Elend bergen sie in ihrem Schoß und in ihren Mauern! In der Tat, des menschlichen Jammers ist mehr, denn des Sands am Meer, und mit Recht haben unsere Väter die Erde ein Jammertal, ein Tränental, und das Leben eine Wüste, oder eine Schifffahrt durch Sturm und Wellen genannt, wo wir von Seeräubern, Fleisch, Welt und Teufel verfolgt werden und keine Ruhe haben Tag und Nacht

Und doch lugt auch durch diese schwere Strafe wieder eine liebliche göttliche Verheißung hindurch, denn wenn auch der einzelne Mensch sterben muss, so verheißt doch dadurch Gott, dass die Menschheit, als solche, nicht sterben, nicht untergehen, sondern fortbestehen solle auf Erden, und wurden dann den ersten Menschen Söhne geboren, so konnte auch der Sieg über das Böse und den Samen der Schlange kommen durch den Samen des Weibes. Und andererseits, da alle Güter uns durch Schmerzen nur um so lieber und teurer werden, so mussten die Schmerzen einiger Stunden um so reicheren Ersatz finden in den reinen Mutterfreuden, welche gutgeratende, folgsame Kinder im höchsten Grad bereiten.

II.

Die zweite Strafe Evas war ihre von nun an eintretende unterwürfige Abhängigkeit vom Mann. Luther hat die hebräischen Worte übersetzt: „Und dein Wille soll deinem Mann unterworfen sein, und er soll dein Herr sein“; sie heißen aber genauer also: „Zu deinem Manne soll deine Begierde gerichtet sein, und er soll über dich herrschen“. Darin liegt eine doppelte Wahrheit, einmal die, dass, trotz der Schmerzen, doch die Neigung zu dem Mann hin bleiben soll. Wenn das nicht wäre: würde es so viele unglückliche Ehen geben, als es gibt? würden so viele Mädchen sich so leichtsinnig in das bitterste Elend der Welt hineinstürzen und alle Gegengründe der Vernunft, des Gewissens und der Erfahrung aus den Augen setzen, indem sie den ersten besten Antrag gleich annehmen, ohne zu prüfen: kommt er auch vom Herrn oder nicht? ist er ehrlich gemeint und aus wahrer, herzlicher Liebe hervorgegangen? oder sucht er nur Befriedigung äußerer Vorteile und sinnlicher Leidenschaft? Hat der, der ihn stellt, auch den Herrn Jesum lieb und Sein Wort und Seine Kirche und das Gebet? Würden so viele Mädchen sich Männern anvertrauen, die keinen guten Namen haben, einen unsittlichen Lebenswandel führen, dem Trunk, dem Spiel, dem Müßiggang ergeben und wegen Verbrechen schon gestraft worden sind? Würde es so viele gefallene Mädchen unter uns geben, die ohne Brautkranz vor den Altar treten müssen? so viele, deren Herzen auf der Schule und im Katechumenen-Unterricht schon verderbt und verunreinigt sind? Wer sich wohl bettet, schläft gut, wer aber mit den heiligsten Neigungen und Gefühlen scherzt und spielt, bereitet sich nichts als Qual.

Die andere mit dieser eng zusammenhängende Wahrheit ist: „Und er soll über dich herrschen“. Eva, die unter dem verbotenen Baum von nichts als Freiheit, Unumschränktheit, Gottgleichheit geträumt, die sich selbst erhoben, und getrennt vom Mann gar selbstständig mit der Schlange gehandelt hatte, wird nun die Dienerin des Mannes und verliert die Stellung, die ihr als seiner Gehilfin gegeben war, welche nicht über, noch unter, noch vor, noch hinter, sondern um ihn sein sollte; sie wird viel tiefer als Adam gebeugt; die Sünderin wird dem Sünder unterworfen und in das untertänige Verhältnis zu einem Herrn gestellt. In der Tat bedurfte die gefallene Eva eines Hauptes, von dem sie geleitet, regiert, beschützt, ernährt und versorgt wurde, und bedarf jedes gefallene, schwache, wankelmütige, unentschlossene, vor Allem launenhafte und herrschsüchtige Weib eines solchen. Auch konnte unter Sündern kein Glück in der Ehe mehr stattfinden, als nur durch Unterordnung des schwächeren Teils unter den stärkeren. Zwar war diese Unterordnung schon die ursprüngliche Ordnung Gottes, indem der Mann am ersten gemacht worden und danach Eva, und zwar vom Mann (1 Tim. 2,12.); aber sie war im Stand der Unschuld leicht und süß, weil zwischen dem Willen Adams und dem Willen Evas kein Unterschied war, Beide waren einig in Gott. Durch den Sündenfall kam aber Zwiespalt und Trennung unter sie, in Beiden regte sich der lüsterne Eigenwille: dieser Eigenwille musste gebrochen werden, und er sollte es durch die jetzt verordnete Strafe, beim Mann durch die schwere, lebenslängliche Arbeit im Schweiß des Angesichts auf einem fluchbeladenen Acker, dessen Disteln und Dornen ihm lauter Hindernisse in den Weg legen und ihn zu einem Tagelöhner machen, beim Weib durch die verordnete Untertänigkeit unter den Mann.

O wie hart und drückend ist die Abhängigkeit und Dienstbarkeit des weiblichen Geschlechts geworden in der Folgezeit bei allen heidnischen und muhamedanischen Völkern! Wie ist die Herrschaft des Mannes über sie da in vollste Tyrannei und Unterdrückung ausgeartet! Wie sind die Frauen da zu Lasttieren und Sklavinnen herabgesunken, ja zu einem Eigentum des Mannes, mit dem er schalten und walten kann, wie er will, und wie muss das arme Weib von klein an seufzen und jammern über ihr beklagenswertes Los! Ging es ihnen auch bei den alten Griechen, Römern und Deutschen besser: bei allen andern heidnischen Völkern alter und neuer Zeit sehen wir nur rohe, willkürliche, grausame Behandlung und tiefe Erniedrigung des weiblichen Geschlechts. Kaum geboren, werden im Morgenland noch immer die Mädchen sofort ausgesetzt oder getötet; bleiben sie am Leben, so wachsen sie ohne allen Unterricht und Bildung in verborgenen Winkeln, geschieden von der Welt, heran, und werden später an einen Mann verhandelt und verkauft, den sie niemals gesehen haben; und es ist noch gar nicht so lange her, dass in Indien das den Mann überlebende Weib mit der Leiche des Mannes zusammengebunden und lebendig verbrannt wurde. Müssen sie nicht den Wilden Amerikas auf ihren Jagd- und Feldzügen überallhin wie Sklavinnen folgen, alle ihre Bedürfnisse nebst zwei bis drei Kindern tragen und wenn der Mann am Abend ruht, ihm Chica bereiten, worin er sich besäuft und sie dann prügelt? Mussten doch selbst in Israel die Frauen diese Nichtachtung aufs Bitterste fühlen, teils durch die Vielweiberei, die allmählig unter ihnen, wie unter den heidnischen Völkern um sie her, entstand, teils durch die willkürliche Entlassung der Frau aus dem Haus und aus der Ehe durch eigenmächtige Ausstellung eines Scheidebriefs, nicht selten bei den unbedeutendsten Veranlassungen.

Erst das Christentum hat durch die Erlösung, die es der ganzen Menschheit erworben hat, auch die Lage des weiblichen Geschlechts in der Welt wesentlich verändert und die Strafe wieder aufgehoben, welche Gott nach dem Sündenfall über die Frauen ausgesprochen hatte; es hat in Beziehung auf ihr inneres höheres Glaubensleben und ihr Verhältnis zu Christo den großen Ausspruch getan: „Hier ist kein Mann noch Weib, kein Knecht noch Freier, kein Heide noch Jude, ihr seid allzumal einer in Christo Jesu“ (Galater 3,28.); ex hat dem Mann das einseitige Recht der Ehescheidung abgesprochen (Matth. 5,31.32.); es hat den Mann ebenso fest an das Weib gebunden, wie das Weib an den Mann (1 Korinther 7,3.4.); es hat dem Mann die höchste und innigste Liebe zum Weib zur heiligsten Pflicht gemacht, wie sie Christus Seiner Gemeinde bewiesen hat und fort und fort beweist; es hat die bestimmte Vorschrift aufgestellt: „Ihr Männer, wohnt bei euren Frauen mit Vernunft, und gebt dem Weib, als dem schwächsten Werkzeug, seine Ehre, als auch Miterben der Gnade des Lebens, auf dass euer Gebet nicht verhindert werde“ (1 Petri 3,7.). Wie ganz anders hat sich seitdem das häusliche und eheliche Leben gestaltet, als es, auch unter den günstigsten Verhältnissen, vorher im Heidentum gewesen war oder noch ist! Wenn irgend wo, so ist hier der Umschwung und die Wiedergeburt, ja, der himmlische segnende Einfluss des christlichen Geistes augenfällig und herrlich.

Dennoch soll nach den Vorschriften Christi und der Apostel, da die Sünde noch fortdauert, in Bezug auf das äußere irdische leben auch im Christentum die Untertänigkeit des Weibes unter den Mann in der milden, durch die Liebe vermittelten und versöhnten Gestalt fortdauern. Ausdrücklich heißt es an den verschiedenen Stellen des Neuen Testaments, die über die Verhältnis handeln: „Die Weiber seien untertan ihren Männern, als dem Herrn, denn der Mann ist des Weibes Haupt, gleichwie auch Christus ist das Haupt der Gemeinde, und er ist seines Leibes Heiland. Aber wie nun die Gemeinde ist Christo untertan, also auch die Weiber ihren Männern in allen Dingen; das Weib fürchte den Mann“ (Epheser 5,22-24,33. Kolosser 3,18. 1 Petri 3,1-6.). In diesen Stellen wird der Mann der Herr, das Haupt und der Heiland seines Weibes genannt, und von ihr verlangt, dass sie ihn als solchen fürchten, das heißt, ehren, und aus solcher Ehrfurcht um der göttlichen Ordnung willen ihm untertan sein soll als dem Herrn, d. h. sie soll in dem durch das Blut Christi erlösten und durch den Glauben mit Christo verbundenen, geheiligten und gerechtfertigten Mann nicht mehr die heidnische Übermacht, auch nicht den natürlichen Sünder, sondern Christum erkennen, sie soll Christum den Herrn auch dann an ihm erkennen und ihm still halten, seinen Gedanken sich anschmiegen, seinen Zwecken sich hingeben, wenn der alte Mensch noch da ist und kein Leben aus Christo ihn erneuert hat, wie ja auch nicht alle gläubigen Frauen zu Ephesus und Colossä Christen zu Männern hatten, und ihnen dennoch Ehre und Gehorsam erweisen und sie heilig halten sollten um Christi willen. Selbst in Beziehung auf die äußeren kirchlichen Verhältnisse fordern die Apostel des Herrn Jesu diese Unterordnung, indem sie 1 Korinth. 14,34. anordnen: „Eure Weiber lasst schweigen unter der Gemeinde, denn es soll ihnen nicht zugelassen werden, dass sie reden, sondern untertan sein, wie auch das Gesetz sagt“. Diese Dienstbarkeit zeigte sich sogar bei dem Ideal aller Weiblichkeit, bei Maria; wo sie einigemal die zarte Grenzlinie in der wohlmeinendsten Absicht übertrat, wurde sie von dem, welchem es allein zustand, jedesmal zurechtgewiesen und in ihre Schranken zurückgeführt (Johannes 2,3.4. Matthäi 12,36-40.). Wehe, wenn die Frau ihren Mann, ihr Haus und Alles regieren will, so dass sie die Gebietende ist, und er der Dienende: das ist unchristliche Unnatur und macht keine Frau glücklich; kein größeres Glück gibt es, als Gehorsam. Wehe, wenn Beider Willen nicht nur getrennt, sondern in beständigem Widerspruch mit einander befangen sind; die Frucht solchen Missverhältnisses ist dann Zank und Zwietracht, Zorn und Erbitterung, Hass und Feindschaft! Wehe, wenn herrschsüchtige Frauen die lächerlichste Faselei der Emanzipation behaupten, und sich selbst erhöhen und in den Rat und die Tat der Männer eindringen wollen: sie gehen allemal ihrer sicheren Erniedrigung entgegen! Entgegnet nicht: „Solch Untertansein ist aber schwer, sehr schwer“, - es ist die Vorschrift, dass die Männer ihre Frauen lieben sollen, wie Christus die Gemeinde liebt, nicht minder schwer, und gehört dazu ein durch Christum geläutertes, geheiligtes, königlich gesinntes Herz, das sein eigenstes, selbstsüchtiges Leben für sein Weib dahin gibt, sie liebt als seinen eigenen Leib, ja mehr als sein eigenes Leben in der Welt. Es wird aber das Eine wie das Andere leicht gemacht durch die gemeinsame Liebe zu Christo, dem gemeinsamen Herrn. Diese Liebe stellt das ursprüngliche Verhältnis des Ehestandes, wie es vor dem Sündenfall gewesen, wieder her; diese Liebe schafft ein Herz, einen Sinn, einen Geist, eine Richtung, eine Herrlichkeit unter beiden Eheleuten; Beide erkennen sich dann unter dem Kreuz Jesu Christi als arme Sünder, die nur von Gnade leben können und daher täglich des gemeinsamen Gebets, des göttlichen Wort, der Zucht des heiligen Geistes bedürfen. Herrscht Christi Geist im Mann, so wird er seine höhere Stellung niemals durch Taten der Rohheit und Willkür, der Tyrannei und Härte missbrauchen; und herrscht Christi Geist im Weib, so wird ihr das Untertansein keine Strafe mehr sein, sondern ihre größte Freude und ein Segen für Mann und Haus und Kinder, und sie wird durch ihre Demut und Hingebung, Sanftmut und Geduld, Selbstverleugnung und Friedfertigkeit um so nachhaltiger durch ihren Wandel ohne Wort wirken und in engen und weiten Kreisen eine lebendige Triebfeder alles Guten und Herrlichen werden. Insbesondere sucht dann jeder aus Liebe diejenigen Schwächen und Eigenschaften in sich zu entdecken und zu beschränken, die für das Zusammenleben störend werden können, und diejenigen in sich zu bilden, die dem Andern und dem Ehestand wohltätig sind. So fördert Einer den Andern auf dem Weg zum ewigen Leben. So wird geteilte Freude doppelte Freude und geteilter Schmerz nur halber Schmerz. So verschwinden allmählig die Dornen und es blühen Rosen auf diesem Weg, die ihres Gleichen nicht haben, und sie blühen für Zeit und Ewigkeit. So wird Alles, auch Kreuz und Leiden, ihnen in Segen verwandelt und verliert, wenn der Eine von ihnen stirbt, der Andere dadurch sein halbes Leben. Das ist der Segen des Christentums, trotz der Strafe des Sündenfalls, für dieses Leben. Noch einen ganz anderen Segen behält es uns vor für die Ewigkeit, wenn die vollendete Erlösung eintreten und das wirkliche Paradies wieder hergestellt werden wird. In der Auferstehung der Toten und im ewigen Leben werden Mann und Weib gleich sein in allen Dingen; dann wird Gott allen Unterschied hinwegtun, sie werden nicht mehr freien, noch sich freien lassen, sondern gleich sein wie die Engel Gottes im Himmel (Matth. 22,30.).

Wie gut daher, Geliebte, dass Gott nicht bloß barmherzig, sondern auch gerecht, nicht bloß gerecht, sondern auch barmherzig ist, und allezeit Güte und Ernst vereinigt in Seinem Regiment! Beides, Strafe und Güte, soll uns zur Buße führen; von der Strafe versteht sich das von selbst, aber auch von der Güte sagt der Apostel: „Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?“ Je bußfertiger und demütiger, desto glücklicher und beglückender, nicht bloß im Ehestand, sondern unter allen Verhältnissen, auch im Verhältnis der Eltern und der Kinder, der Herrschaften und der Dienstboten, der Freunde und Freunde. Gebe uns denn der Herr rechte Buße: dann werden wir überall und allezeit ein Segen sein, für uns und für Andere, in Zeit und in Ewigkeit. Amen.

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