Tholuck, A. - Vorwort zu Arnd's Passionspredigten

Tholuck, A. - Vorwort zu Arnd's Passionspredigten

Haben wir auch in unserer Zeit so manche Zeugen des Worts, welche mit Erfahrung und Salbung von den Thaten Gottes zu reden wissen, immer finden sich unter unsern Christen nicht wenige, denen das Wort Gottes doch am trostreichsten und wohlthuendsten zu den Herzen spricht, wenn es aus dem Munde und in der Sprache der alten bewährten und unverdächtigen Zeugen unserer Kirche zu uns redet. Eines lassen freilich viele von diesen in etwas vermissen; es quillt ihr Wort nicht so aus der Innigkeit eines warmen Herzens hervor, wie wir es unserer Zeit wünschen. Dafür sind aber jene Männer Gottes solche gewesen, die so in der Schrift gelebt und gewebt haben, daß sie ihre Schriftzeugnisse nicht erst haben aus Concordanzen oder durch mühsames Blättern in der Schrift zusammensuchen müssen, deren eigene Rede vielmehr durch und durch von heiliger Schrift durchzogen und recht eigentlich nur ein Ausfluß heiliger Schrift gewesen. Haben sie doch ihre Predigten nur dem Worte Gottes zu sättigen gewußt und so lauter und unvermischt wiedergegeben, daß man fast zu jedem ihrer Sätze die Bibeltexte anführen könnte, und auch da, wo es nicht so scheint, der rechte Bibelkenner wenigstens verborgenere Anspielungen auf die heilige Schrift nachzuweisen vermöchte. Auch predigten sie in einer Zeit, die zur Rücksichtnahme und Reflexion auf die vielen Bedenken und Zweifel an der heiligen Wahrheit oder auf die Mißdeutungen derselben wenigere Veranlassung gab, so daß, wenn sie nicht etwa durch die zu hoch getriebene Schulweisheit ihrer Zeit sich von dem einfältigen Schriftwort zu weit abziehen ließen, sie recht eigentlich im Worte bleiben konnten. Ein solcher einfältiger und durch und durch vom Worte der Schrift erfüllter Zeuge ist nun auch der theure Arnd, dessen Passionspredigten hiemit auf's Neue der christlichen Welt dargeboten werden.

Diese Passionspredigten führen allerdings nicht so tief in die Empfindungen bei dem heiligen Leiden Christi ein, sie sind weniger Gefühlsergüsse wie manche andere, auch aus jener alten Zeit. Dafür liegt aber ein reicher Schatz gesunder und erbaulicher Lehre darin, welcher in ein schon gläubiges Herz nur aufgenommen zu werden braucht, um darin fruchtbar aufzugehen. Auch ist es dem Erbauung suchenden Herzen doch nicht gleichgültig, von dem Prediger, der uns erbauen will, noch etwas mehr zu wissen, als was wir aus seinen Predigten lesen und über ihn entnehmen können. Nun ist aber Arnd ein solcher Prediger, von dem wir es wissen, wie er durch sein Leben und seine Leiden gepredigt hat, und insonderheit in derjenigen Schule vom Herrn erzogen worden, aus welcher die gesegnetsten unter seinen Predigern hervorgehen, in der Kreuzschule. Wenn irgend einer von unsern Passionspredigern, so ist er es gewesen, der dem Herrn sein Kreuz nachgetragen, der mit der Leidenstaufe seines Herrn getauft worden. Und das fühlt man seinen Predigten an. Auch hat der Herr auf sein Wort das Zeugniß gedrückt wie auf das von wenigen andern. Kaum ist nach der Reformation einer aufgestanden, dessen Wort so weit durch die Länder deutscher Zunge und durch Millionen Herzen gedrungen, durch den so viel Todesschläfer zum Leben erweckt worden sind als der selige Arnd. Sind nun auch die geistlichen Bedürfnisse unserer Zeiten nicht mehr in allen Ständen und in allen Orten die von Arnd's Zeiten, wo das richtig glauben zwar allgemein war, doch das recht glauben fehlte, während jetzt auch nicht einmal die richtige Erkenntnis der Heilswahrheiten vorhanden, so ist es doch eben dieser Unterweisung in dem Reichthum der Schriftlehre, welche den Vorzug der Arnd'schen Predigt ausmacht. Denn ob ihm wohl vor allem angelegen hat, den rechten Glauben in die Herzen zu predigen, so ist er doch davon ausgegangen, daß dieser am reinsten aufwachse, wenn das vollständige Zeugniß des richtigen Glaubens ihm zu Grunde gelegt worden. Und, wie auch die Bedürfnisse der Zeiten wechseln mögen, wo ein Prediger so reich, lauter und erfahrungsmäßig aus der heiligen Schrift predigt, wie Arnd, wo sich einer so wie Arnd schon durch Jahrhunderte an so viel Millionen Herzen als ein Zeuge Gottes erwiesen hat, da können auch in der Gegenwart seine Zeugnisse nicht unfruchtbar bleiben.

So mögen denn auch diese deine Zeugnisse von der Passion des Herrn, du bewährter, seliger Knecht Gottes, der du während deines zeitlichen Lebens deinem Heilande das Kreuz nachgetragen und seinen Leidenskelch so reichlich getheilt hast, nach drittehalb hundert Jahren auf's Neue in die evangelische Kirche ausgehen und jetzt, wie damals, in die Gemeinschaft der Leiden Christi einladen.

Dr. A. Tholuck.

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