Arnd, Johann - Passionspredigten - Zwanzigste Predigt.

Arnd, Johann - Passionspredigten - Zwanzigste Predigt.

Gleichwie der heilige Prophet Daniel unschuldiger Weise aus lauter Haß und Neid von den persischen Fürsten fälschlich und listig bei dem Könige Darius verunglimpfet und verklaget worden war, Dan. 6, aus lauter Haß und Neid, weil er mit seiner Weisheit und Verstand alle Fürsten in Persien übertroffen und deswegen über sie alle geschätzt, also daß auch der König gedachte ihn über's ganze Königreich zu setzen, dadurch die andern Fürsten dermaßen gegen ihn mit Haß und Feindschaft entbrannt und ihm so lange nachgestellet, bis sie den König bewogen hatten, ihn ohne alle Schuld nur um seines Bekenntnisses und Gebets willen in die Löwengrube werfen zu lassen. Darinnen aber wurde er wunderlich erhalten und mit großem Frohlocken des Königs wieder herausgezogen, auch erging ein Befehl vom Könige im ganzen Reiche, daß man den Gott Daniels fürchten solle, denn er sei der lebendige Gott, ein Erlöser und Nothhelfer, und thue Wunder und Zeichen im Himmel und auf Erden, und habe Daniel von den Löwen erlöset.

Also hören wir jetzo in der heiligen Passion, wie unser Herr Jesus Christus, der himmlische Daniel, von den jüdischen Fürsten, Hohenpriestern und Aeltesten des Volks, bei dem römischen Landpfleger Pilatus verklaget wird, und wie sie mit ihrer grausamen List und falschen Anklage den Landpfleger bewegen, den Herrn Jesum zum Tode des Kreuzes zu verurtheilen, welches aber endlich zu Gottes Ehren und zur Ausbreitung der wahren Erkenntnis? Gottes gereichet, daß der wahre lebendige Gott der Vater unsers Herrn Jesu Christi sei, und daß durch Christi Tod das menschliche Geschlecht erlöset sei.

Weil aber die Evangelisten hier mit einmischen die Historie von dem unwiederbringlichen Falle und von der Verzweiflung des Verräthers Judas, wollen wir dieselbe erstlich betrachten, und dann hören, wie unser Herr Jesus Christus vor Pilatus angeklagt worden sei.

I. Von der Verzweiflung des Verräthers.

Ehe wir die Anklage vor Pilatus vornehmen, müssen wir zuvor sehen, wie es dem Verräther Judas gegangen ist, welches schreckliche Ende von Matthäus am 27. beschrieben wird. Als derselbe gesehen, daß der Herr Christus vom geistlichen Rath zum Tode verurtheilet ist, erschrickt er, und bedenket, was er gethan hat, und fallen ihm ohne Zweifel die Worte ein, so der Herr mit ihm über Tisch im letzten Nachtmahl geredet hat: Wehe dem Menschen, durch welchen des Menschen Sohn verrathen wird; es wäre ihm besser, daß derselbe Mensch noch nie geboren wäre. Darüber geräth er in solche Reue und Schrecken, daß er alsobald hingehet zu den Priestern, und bekennet, daß er Unrecht gethan, daß er unschuldig Blut verrathen habe. Und da er keinen Rath oder Trost von ihnen empfähet, wirft er das Geld weg, das er zuvor so hoch geliebet hatte, denn im Zeitlichen ist kein Seelentrost, gehet hin und erhänget sich selbst, und ist mitten entzweigeborsten und seine Eingeweide ausgeschüttet.

Hier haben wir zunächst die falsche Buße des Judas zu bedenken. Erstlich gereuet es ihn; zum Andern bekennet er's den Priestern, daß er unrecht gethan; zum Dritten giebt er's Geld wieder, und ist dennoch keine rechte, wahrhaftige Buße, denn es fehlet ihm an dem Glauben an Christum, denn er sucht die Genugthuung für die Sünde in seinen Werken, und nicht im Verdienste Christi. Seine Sünde erkennet er wohl, und den Zorn Gottes wider die Sünde fühlet er, aber dieweil er Christum durch wahren Glauben nicht hat, welcher allein den Zorn Gottes stillet und unsre Strafe der Sünde auf sich nimmt, wie der Prophet Jesaias am 53. Cap. saget, so kann nichts andres folgen, denn ewige Verzweiflung.

Darum ist dies die rechte Buße, daß Gott durch's heilige Gesetz, wenn der Geist Gottes drein bläset, alles menschliche Vermögen zu nichte machet und die Sünde und Strafe der Sünde zu erkennen giebt, auch den Zorn Gottes im Herzen empfinden lässet, denn dadurch wird wahre, göttliche Traurigkeit in unseren Herzen angezündet, die da wirket eine Reue zur Seligkeit, die Niemand gereuet. Und darnach wird durch die Gnadenpredigt des Evangelii Glauben und Trost im Herzen erwecket, wenn wir hören, daß Christus unsre Sünde getragen, den Zorn Gottes hinweggenommen und Gott versöhnet habe, uns Vergebung der Sünden erworben und mit seinem Gehorsam vor Gott gerecht gemacht habe.

Diese Lehre von der Buße wird keinen Menschen verzweifeln lassen, denn sie ist auf Christum gegründet, darum er selbst befohlen, diese beiden Stücke in seinem Namen zu predigen, Buße und Vergebung der Sünden, Luc. am 24. Und St. Petrus spricht in der Apostelgeschichte, daß Christus unser Herr von Gott erhöhet sei zu einem Fürsten und Heilande, zu geben Israel Buße und Vergebung der Sünden. Darum, wenn man die Buße ohne Glauben prediget, so muß die Verzweiflung darauf folgen, sintemal der Mensch mit seinem Verdienst ohne Christum vor Gottes gestrengem Gericht nicht bestehen kann, und wenn das Gewissen dasselbe empfindet, daß die Sünde groß, Gottes Gericht gestreng, des Menschen Verdienst viel zu gering sei, und kein Glaube da ist an Christum, so ist die Verzweiflung vorhanden.

2. Lerne an Judas die grausame List des Satan bedenken, daß er den Menschen ihre Sinne verblendet, daß sie die Abscheulichkeit der Sünde nicht sehen können, und hernach, wenn die Sünde begangen ist, macht er sie so groß und abscheulich, daß sie darüber verzweifeln. Der Teufel schmücket erst die Sünde, darnach offenbaret er die Greulichkeit der Sünde, und seine Absicht und List gehet nur dahin, daß er die Menschen in Verzweiflung stürze.

3. Lerne hier, daß Alle die, so andern Leuten zu Gefallen, wider Gott, Christum und ihr eigen Gewissen handeln, Christum verrathen und verkaufen, daß sie endlich von denen, welchen zu Gefallen sie Böses gethan wider Gott und sein Wort, verlassen und verachtet werden. Alle Verräther werden endlich nach der That verachtet und zu Schanden.

4. Lerne hier, daß in aller falschen Lehre kein wahrer, beständiger Trost sei. Ursach: Sie ist nicht von Gott, und der heilige Geist, der einige wahre Tröster ist nicht dabei. Darum sprechen die falschen Priester: Was gehet's uns an, da siehe du zu, Christus unser Herr allein ist der getreue Hirt, und sein Wort und Evangelium ist die rechte Weide, Hesekiel am 34.: Ich will mich meiner Heerde selbst annehmen, das Verlorene wieder suchen und das Verirrete wieder bringen, und das Verwundete verbinden und des Schwachen warten. O, suche uns lieber Herr, und laß uns nicht ewig verloren sein, wie den Judas, das verlorene Kind. Gieb getreue Hirten, die Uns rufen, recht weiden und trösten und nicht sagen: Was gehet's uns an, da siehe du zu. Das ist nicht Christi, sondern des Teufels Trost.

5. Bedenke hier, welch ein schrecklicher Tod des Judas sei, daß er mitten entzweigeborsten und seine Eingeweide ausgeschüttet wurden. Der böse Feind, dem er sich ergeben durch den Geiz, hat ihm seine Eingeweide aus dem Leibe gerissen. Dieweil er nicht hat ersättiget werden können, wegen des Geizes, so hat er auch seine eigenen unersättlichen, innerlichen Glieder ausschütten müssen, zum Zeugniß, daß sie der Satan nun mit höllischer Qual und Pein erfüllen und ersättigen müsse. Weil er in seinen innerlichen Gliedern keine Barmherzigkeit gehabt, so müssen sie ihm ohne alle Barmherzigkeit wieder aus dem Leibe gerissen werden.

6. Bedenke hier und lerne, wie du in großen, hohen Anfechtungen, da man oft mit der Verzweiflung ringen muß, nicht von Christo, sondern zu Christo fliehen sollst. Hätte er sich wieder zu Christum gemacht wie Petrus, und wäre mit dem Herrn hinausgegangen nach dem Kreuz, der Herr würde ihn gewiß auch angesehen haben wie Petrum. Aber weil er zu den Feinden des Herrn gehet, und Christum fliehet, so kann er auch keinen Trost erlangen, denn außer Christo ist kein Trost. Ach, fliehe zu Christo in großen Anfechtungen, der wird dich nicht verzweifeln, noch ewig verderben lassen. Gott will haben, daß alle armen Sünder bei Christo Trost suchen sollen, darum auch der Herr die Sünder zu sich rufet. Wer nun Christum und seinen Trost nicht suchen, noch haben will, der erzürnet Gott mehr damit denn mit allen seinen Sünden, die er gethan hat. Daher St. Hieronymus sagt: Judas hat Gott mehr damit erzürnet, daß er verzweifelte, als damit, daß er Christum verrieth.

Merke aber hier, daß hoch zu verwundern ist, daß der Prophet Sacharja am 11. von dem Blutgelde und von dem Töpfersacker, der für das Geld gekauft ist, geweissaget hat. Welches Alles darum zuvor gesaget ist, nicht, daß Judas diese Sünde thun müßte, sondern weil er's thun, und keine Warnung annehmen würde, so hat's der heilige Geist zuvor gesehen, daß dadurch die ganze Welt überzeuget würde, daß unser Herr Jesus Christus der wahre Messias sei, von dem die Propheten geweissaget haben, weil in ihm die Schrift erfüllet ist. Merke aber das Geheimniß, daß aus Christi Blut zu Jerusalem ein Begräbniß für Pilger erkauft ist. Wir sind die Pilger. Durch Christi Blut ist uns eine Ruhestätte erkauft im himmlischen Jerusalem, nämlich die Ruhe unsrer Seelen im Verdienst Christi, in der Heimath des Friedens, im Schooße Abrahams. Also hat uns Christus mit seinem Blut einen Ort der ewigen Ruhe erworben.

II. Von der Anklage der Hohenpriester wider unsern Herrn Jesum Christum vor Pilato.

Erstlich betrachte allhier die große Heuchelei der Hohenpriester, daß sie nicht in's Richthaus gehen wollen, damit sie nicht unrein würden, sondern die Ostern oder das Osterlämmlein essen möchten. Dies ist aller Heuchler Art, daß sie die äußerliche Unreinigkeit meiden zum Schein, und im Herzen die Allerunreinsten sind. Sie waren Mörder im Herzen und dürsteten nach unschuldigem Blut, und hatten das rechte Bluthaus und Mördergrube im Herzen, und fürchteten sich vor dem Richthause Pilati. Es gehet ihnen aber wie den Gottlosen, denn was der Gottlose fürchtet, das wird ihm begegnen. Sie fürchten, sie möchten das Osterlämmlein nicht essen, wenn sie unrein würden. Freilich sind sie die Allerunreinsten im Herzen, und haben das wahre Osterlämmlein, Christum, nicht gegessen. Das äußerliche figürliche Osterlamm haben sie zwar gegessen, aber mit befleckten, unreinen Herzen und Gewissen. Siehe du dich nur vor, wenn du das rechte Osterlämmlein essen willst, im heiligen Nachtmahl, daß du ein reines Herz ohne Blut und Mord, Haß und Neid mitbringest, und in wahrer Buße mit den bitteren Salzen der wahren Reue und reinem Glauben Christum issest, so wird er dir eine Speise sein in's ewige Leben.

2. Laßt uns ansehen die Anklage der Hohenpriester. Dreierlei Klage führen sie wider ihn: 1. Daß er das Volk abwende mit seiner Lehre. 2. Daß er verbiete dem Kaiser den Schoß zu geben. 3. Daß er sich für einen König und den verheißenen Messias ausgebe.

Was die erste Anklage belanget, so belügen und beschuldigen sie den Herrn, dessen sie selbst schuldig waren. Denn sie hatten das Volk vom rechten und wahren Gottesdienst abgewandt, und dasselbe mit ihren Menschensatzungen verführet.

Das Andre, daß man dem Kaiser den Schoß nicht geben sollte, ist eine offenbare Lüge. Denn sie wußten wohl, was der Herr gesaget und gelehret hatte, Matth, am 22.: Gebe! dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gotte, was Gottes ist. Daß er aber der wahre verheißene Messias und König sei, das hat er droben vor dem geistlichen Gericht bekannt, und bekennet's noch vor Pilato, wird's auch wohl in Ewigkeit bleiben, ob er gleich vornehmlich darum zum Tode verurtheilet und gekreuziget worden ist; daß er aber ein weltlich Reich affectiret haben sollte, lügen sie ihm an, denn er hat ja dasselbe geflohen.

3. Bedenke auch zuvörderst allhier, warum dein Herr und Erlöser also hart angeklaget wird. Ach, mein liebes Kind, das haben wir Alle verdienet, und sind Alle dieser bösen Thaten schuldig, deren der Herr hier beschuldiget wird. Erstlich sind wir von Gott Alle abgewichen, und Alle abtrünnig geworden, darüber uns der 14. Psalm strafet, und der Prophet Jesaias am 1. Cap.: Ich habe Kinder auferzogen, und sie sind von mir abgefallen. Ein Ochse kennet seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn, aber Israel kennet mein nicht. O wehe des sündigen Volks, des Volks von großer Missethat, des boshaftigen Samens, der schädlichen Kinder, die den Herrn verlassen, den Heiligen in Israel lästern, weichen zurück.

Der Herr Christus wird als ein Aufrührer verklaget. Wir sind die Rebellen wider Gott und alle seine Gebote, und hätten verdienet, daß uns die Erde, ja die Hölle lebendig verschlinge, wie Korah, Dathan und Abiram. Aber der Herr wird hier um unsertwillen verklaget, lässet sich für uns anklagen und verdammen, und erlöset uns von der erschrecklichen Anklage des Gesetzes, ja des Teufels, der uns vor Gott verklaget Tag und Nacht.

Der Herr Christus wird beschuldiget, als hätte er sich das weltliche Regiment angemaßet und eines irdischen Königreiches begehret. Wir, wir haben unserm lieben Gott nach seinem Scepter und Krone gegriffen, durch eigne Ehre und Hoffart, und haben wollen Gott sein, darum wir werth waren, daß uns Gott ewig aus dem Himmel verstieße, wie den Lucifer. Aber der Herr Christus lässet hier die Anklage über sich gehen und erlöset uns von der schrecklichen Anklage und Strafe. Dessen sollen wir uns trösten, wenn uns der Satan und unser eigen Gewissen und unsre Sünden verklagen, und uns vor Gottes Gericht stellen, daß wir zittern und zagen, so sollen wir im Glauben unsern Herrn Jesum Christum anschauen, wie er vor dem öffentlichen, peinlichen Halsgerichte, als vor Gottes Gericht dastehet und angeklaget wird und des Urtheils erwartet, welches er auch um unsertwillen über sich ergehen lässet, auf daß er alle Anklagen unsrer Sünden, des Satans, und unsers Gewissens, kraftlos und zu nichte machte.

4. Laßt uns allhier bedenken das Examen Pilati, wie er den Herrn auf die Anklage fraget, und was der Herr antwortet. Pilatus fraget den Herrn, ob er ein König sei, oder ob er sich jemals unterstanden habe, sich selbst zum Könige zu machen und auszuwerfen, und das jüdische Volk vom Gehorsam des Kaisers abzuwenden? Der Herr aber giebt ihm darüber eine gar freundliche Antwort, bekennet zwar, daß er ein König sei und der verheißene Messias, aber er sei kein weltlicher König, habe mit dieser Welt nichts zu thun, noch mit weltlicher Herrschaft, denn sein Reich sei nicht von dieser Welt, darum habe der Kaiser nichts von ihm zu befürchten, welches er mit der That bewies, denn es sei ja Niemand, der mit gewaffneter Hand ihn vertheidige, sondern er sei darum in die Welt kommen, daß er der Wahrheit Zeugniß geben solle, das ist, die Schriften der Propheten zu erfüllen, denn das ist die Wahrheit. Und er lehret hiermit, er sei der, in welchem alle Figuren des alten Testaments und alle Verheißungen der Propheten erfüllet werden sollen. Denn so leget's St. Johannes aus am 1.: Das Gesetz ist durch Mosen gegeben, die Gnade aber und Wahrheit ist durch Jesum Christum worden. Und St. Paulus sagt zu den Römern am 15.: Christus sei ein Diener worden der Beschneidung um der Wahrheit willen, zu bestätigen die Verheißung, so Gott den Vätern gegeben.

Darauf antwortet Pilatus: Was ist Wahrheit? Was ist das für eine Lehre, so du allein für die Wahrheit hältst? Was gehet mich oder den Kaiser deine Lehre an, die du für Wahrheit achtest! Allhier bedenke und lerne erstlich, was das Reich Christi sei. Nämlich keine weltliche Herrlichkeit, Ehre, Reichthum, Gewalt, Wollust, sondern es ist Wahrheit, das ist, daß du erkennen lernest deine Sünde, wie du durch Satans Lügen betrogen bist, und wie du durch Erkenntniß Gottes und Christi, als durch die ewige Wahrheit, wiederkommen sollst zur ewigen Gerechtigkeit, Leben und Seligkeit.

Lerne hier, wie du aus dem Lügenreich des Teufels erlöset werden mögest durch die ewige Wahrheit; denn dieser Welt Reich, Hoffart, Geiz, Wollust, Augenlust, Fleischeslust, hoffärtiges Leben, ist das rechte Lügenreich des Teufels, welches den Menschen betrüget, und verführet in die ewige Verdammniß. Die Wahrheit Christi aber, Buße thun, sich von der Welt bekehren, Christo nachfolgen im Glauben und Liebe, in Hoffnung, Geduld, Sanftmuth, Demuth, Gottesfurcht, das ist die ewige Wahrheit, die Niemanden verführen noch betrügen wird.

Darnach zum Andern lerne hier bedenken, wie der Satan durch seinen Betrug und Lügen den armen Menschen gar von Gott abgerissen, und zur Welt gewandt hat. Dadurch ist der Mensch gar irdisch, fleischlich und weltlich worden, daß er nichts mehr suchet und liebet denn die Welt und Alles, was in der Welt ist, welches doch den Menschen endlich betrüget und in die Hölle führet, wie wir an dem reichen Manne sehen, Lucas am 16. Dagegen ist nun der Herr Jesus Christus kommen, daß er uns von der Welt, vom Irdischen und Zeitlichen wieder abwende und wieder zu Gott führe und wieder mit Gott vereinige. Darum spricht er: Er sei dazu geboren und auf die Welt kommen, daß er die Wahrheit zeugen soll, das ist, daß er uns von aller Abgötterei und falschen Lehre, von der Weltliebe, vom Geiz, Hoffart und Wollust abwenden soll, daß wir dasselbe für Sünde erkennen, Reue und Leid drüber haben, und wissen und glauben sollen, daß er darum in die Welt geboren sei, daß er für unsre Sünde genug thun solle, uns von der ewigen Verdammniß durch seine Bezahlung erlöset, uns zu neuen himmlischen Creaturen und Kindern Gottes machte, uns den heiligen Geist erwerbe und gebe, durch welchen wir neu geboren werden, und dem Exempel des heiligen Lebens nachfolgen können in Liebe, Sanftmuth, Demuth, Geduld, Furcht Gottes, und uns vom heiligen Geist regieren und treiben lassen, daß wir nicht mit den Gottlosen verdammt werden.

5. Laßt uns hier auch die große Geduld des Herrn bedenken. Denn da Pilatus den Herrn examiniret, und findet aus der Antwort des Herrn, daß er unschuldig sei, gehet er hinaus und giebt dem Herrn Zeugniß seiner Unschuld. Da sie ihn aber auf's Neue hart verklagen, und Pilatus den Henn weiter fragt, antwortet er nichts, also daß sich auch der Landpfleger sehr verwundert. Es sind aber vornehmlich drei Ursachen seines Stillschweigens:

Die erste ist sein heiliger Gehorsam. Denn er wußte, daß es der gnädige Wille seines himmlischen Vaters sei, daß er leiden und sterben sollte. Darum will er seinen Anklägern nicht widersprechen, ob sie ihm gleich Unrecht thun, wie der 27. Psalm sagt: Es stehen falsche Zeugen wider mich, und thun mir Unrecht ohne Scheu. Und abermal Psalm 35: Es treten frevelhafte Zeugen auf, und zeihen mich deß ich nicht schuldig bin. Dadurch ist nun unser Ungehorsam gebüßet, und durch diesen heiligen Gehorsam ist's Gesetz erfüllet, und darum ist dieser Gehorsam unsere Gerechtigkeit, Röm. 5.

Die andere Ursach seines Stillschweigens ist seine Geduld. Denn zu einem vollkommenen Gehorsam gehöret vollkommene Geduld. Er läßet's aber Alles über sich gehen, läßet seine Feinde mit Worten und Werken mit sich handeln, wie sie nur wollen, und soviel wie ihnen Gott verhänget, denn er weiß, daß er das Lamm Gottes sei, das der Welt Sünde tragen müsse. Darum duldet er alle Schmach, Lügen und Lästerung, und verantwortet's nicht, daß er damit unsre Ungeduld, Murren wider Gott, und unsere Halsstarrigkeit büße und dafür genug thue.

Die dritte Ursach seines Stillschweigens ist seine große Sanftmuth. Daß er im Geringsten keinen Zorn, Widerwillen, noch Rachgier spüren ließ wieder einige Injurien und Schmach, sondern Alles mit lauter heiliger Sanftmuth überwinde, und dadurch unsern Zorn und Rachgier büßete und bezahlete. Darum sagt St. Petrus: Er hat uns ein Exempel gelassen, daß wir sollen nachfolgen seinen Fußstapfen, denn er nicht wieder gescholten, da er gescholten ward, nicht drohete, da er litt, sondern stellet's dem heim, der da recht richtet.

Dieses Alles ist geschehen, auf daß unser Mittler und Seligmacher den gerechten Zorn Gottes wider unsern Ungehorsam und große Sünde versöhnete. Denn wie sollte Gottes Zorn und unsre Sünde so groß sein, daß sie nicht durch einen so großen, heiligen Gehorsam, durch eine so große Geduld, die Alles, Alles, Alles gelitten, erduldet ohne einige Geberde, oder Ungeduld, oder Ungehorsam, durch eine so heilige Sanftmuth, da kein Anzeichen gewesen eines einigen Unmuth's, oder Zorn's, oder Rachgier, versöhnet sein sollte? Ach, wie sollte ein solcher Gehorsam, Demuth, Geduld und Sanftmuth Gott nicht versöhnen? Dafür kann dem geduldigen Lämmlein Gottes in Ewigkeit nicht genugsam gedanket werden. -

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