Arnd, Johann - Passionspredigten - Vierzehnte Predigt.

Arnd, Johann - Passionspredigten - Vierzehnte Predigt.

Psalm 66: Kommet her und sehet an die Werke Gottes, der so wunderlich ist mit seinem Thun unter den Menschenkindern. Er verwandelt das Meer in's Trockene, daß man zu Fuß über das Wasser gehet; deß freuen wir uns in ihm.

Diese Worte des Psalm sind eine Ermahnung an alle Menschen, daß sie mit aufmerkenden Herzen und Augen das Wunderwerk anschauen sollen, so Gott im rothen Meer gethan, als er die Kinder Israel mit trockenem Fuß hindurch geführet und sie aus der Hand Pharaos errettet hat. Und zwar ist es ein überaus groß Wunder, daß sich das Meer getheilet, und bis in die Wolken als Mauern sich aufgebäumet, zur Rechten und zur Linken, und dem Volke einen sichern Durchgang gemacht, ja, daß Gott durch einen Wind den Grund des Meeres getrocknet, daß man mit trockenem Fuße, als auf dem Lande, hat wandeln können; hernach aber, da Pharao mit seinem Heer dem Volke nachgejaget bis mitten in's Meer hinein, daß es durch Gottes Befehl und Ausstrecken des Stabes Mosis wieder herabgefallen und den Pharao mit aller seiner Macht bedecket, daß nicht einer hat entrinnen können. Groß ist dies Werk des Herrn, wunderlich ist's, und eine gewaltige Erlösung durch eine starke Hand. Darum der Psalm hier sagt: Kommet her und sehet die Werke des Herrn.

Es ist aber, Geliebte im Herrn, gleichwohl nur eine leibliche und zeitliche Erlösung; die Erlösung aber, davon wir in der Passion handeln, die ist geistlich und ewig und durch jene bedeutet. An dieser liegt all unser ewiges Heil und Seligkeit, hier giebt's das ewige Leben, hier ist nicht Pharao mit seiner irdischen Macht ersoffen, sondern alle höllische Macht. Darum wir vielmehr ermahnet sein sollen durch diese Worte: Kommet her und sehet die Werke des Herrn.

Kommet her!

  1. Schauet an die Person, die hier leidet; die Ursachen, darum er leidet. Kommet her und schauet die hohe Person leiden, ob's auch je zuvor geschehen sei? Kommet her, sehet an, wie die Feinde Gottes über euern Erlöser zusammenkommen, über ihn rathschlagen.
  2. Kommet her, sehet doch an das Zeichen, wie euer Erlöser im Hause Simonis aus Gottes Vorsehung zu seinem heiligen Tode und Begräbniß gesalbet sei.
  3. Kommet her und sehet, wie euer Erlöser von seinem eigenen Jünger verkaufet wird um 30 Silberlinge.
  4. Kommet her und schauet, wie euer Erlöser das letzte Osterlämmlein mit seinen Jüngern gegessen und das Sacrament seines Leibes und Blutes gestiftet.
  5. Kommet her und sehet, wie euer Erlöser auf dem Wege nach dem Oelberge seinen Jüngern eine Trauerpredigt gethan, und sie vor ihrem Abfall gewarnet.
  6. Kommet her und sehet, wie euer Erlöser im Oelgarten so heftig gebetet, getrauert, gezittert und gezaget, mit dem Tode gerungen und blutigen Schweiß geschwitzet.
  7. Kommet her und sehet, wie euer Erlöser von Juda verrathen mit einem Kuß, wie er gegriffen, gefangen und gebunden und von allen Jüngern verlassen.
  8. Kommet her und sehet, wie euer Erlöser vor den geistlichen Rath gestellet, durch falsche Zeugen angeklaget, sich für den Messias bekannte, darüber auf's Aeußerste verspottet und geschlagen.
  9. Kommet her und sehet, wie Petrus der Apostel seinen Herrn verleugnet hat, und dasselbe bitterlich beweinet.
  10. Kommet her und sehet, wie euer Erlöser vor das weltliche, öffentliche, peinliche Halsgericht vor Pilatus gestellet, verklaget wird; und wie Jedermann über ihn geschrieen: Kreuzige ihn.
  11. Kommet her und sehet, wie Pilatus Barrabam, einen Mörder und Aufrührer, losgiebt, Jesum aber, das unschuldige Lämmlein, zum Tode verurtheilet, darauf ihn die Kriegesknechte mit Purpur kleiden, mit Dornen krönen, mit Fäusten schlagen und auf's Aergste verspotten.
  12. Kommet her und sehet, wie sie euern Erlöser hinausführen, mit Galle und Essig tränken, an's Kreuz schlagen, ihn zwischen zween Uebelthätern aufrichten, ihn greulich lästern.
  13. Kommet her und sehet, wie euer Erlöser als ein blutig Opfer am Kreuz hanget; höret, was er redet, wie er schreiet, wie er verscheidet und was da für ein Zeichen geschehen, wie er abgenommen und begraben wird.

Dies sind dreizehn Stück des allertraurigsten Schauspiels, dergleichen nie unter der Sonne geschehen. Der Himmel und die Sonne und alle Creaturen haben dergleichen zuvor nie gesehen. Daß Pharao im rothen Meer ersoffen, das hat die Sonne zuvor auch gesehen in der Sündfluth. Daß die drei Männer im feurigen Ofen erhalten, das ist zuvor mehr geschehen, da die Engel den Loth ausführeten aus Sodom. Es haben zuvor auch Kriegshelden gesieget über ihre Feinde, aber es hat noch nie einer den Teufel und Tod überwunden, denn dieser Held.

Darum kommet her und schauet die Werke des Herrn. Wir wollen diese Werke Gottes nach der Ermahnung des Psalms also anschauen, daß wir's in's Herz fassen.

Jetzt wollen wir beschauen: Die Zusammenkunft und den Rathschlag der Feinde wider Jesum, und darin fünf Händel besehen.

I. Der Rathschlag der Feinde wider Christum.

Anfänglich laßt uns besehen die Hohenpriester, Schriftgelehrten, und Aeltesten im Volke, wie sie wider den Herrn Jesum gerathschlaget, daß sie ihn mit List griffen und tödteten.

Da lasset uns erstlich bedenken die Weissagung der Propheten, sonderlich des 2. Psalm: Warum toben die Heiden und die Leute reden so vergeblich? Die Könige im Lande lehnen sich auf, und die Herren rathschlagen mit einander wider den Herrn und seinen Gesalbten? das ist, wider den Messias. Davon merket diesen Bericht: Es hat sich von Ansang der Welt her das menschliche Geschlecht in zween Haufen getheilet, da ein Theil die rechte Kirche und Volk Gottes gewesen, der andre Theil die falsche Kirche, die dem Satan angehangen. Ein Theil hat. die Verheißung von Christo angenommen, und sind die Gläubigen. Der andre Theil hat dieselbe verworfen, und sind die Ungläubigen. Zwischen den beiden ist immer Feindschaft gewesen von Ansang, wie unser lieber Gott spricht: Ich will Feindschaft setzen zwischen der Schlange und dem Weibe und zwischen der Schlange Samen und Weibes Samen.

Die Pharisäer und Schriftgelehrten zu Jerusalem waren recht Schlangen Samen, wie sie der heilige Täufer Johannes nennet Otterngezüchte. Denn sie waren abgewichen von den Fußstapfen der heiligen Väter und Propheten, und waren des Herrn Christi ärgste Feinde. So ist's von Anfang gegangen, Christus ist von Ansang verfolget, auch vor seiner Menschwerdung; denn in den Verheißungen ist er verfolget, und in denen, so der Verheißung geglaubet haben. Warum ward Abel erwürget als um seines Glaubens willen? Mußte nicht Moses große Verfolgung leiden von seinen Widerwärtigen, von der Rotte Korah? Die heiligen Propheten von den falschen Propheten? Die heiligen Apostel von den falschen Aposteln? Und so ist's noch auf den heutigen Tag. Man rathschlaget allenthalben wider Christum, wie man ihn würgen und tödten möge. Dawider müssen wir beten und unsre Seele in Geduld fassen, bis Gott endlich diesem Streite mit dem jüngsten Tage ein Ende machet.

II. Die Ursach des Todes Christi.

Zweitens sollen wir hier die Ursach des Todes Christi bedenken. Daß nicht eben die Feindschaft der boshaftigen Leute Christum an's Kreuz gebracht habe, sondern der Wille seines himmlischen Vaters, daß er beschlossen hatte uns durch den Tod seines Sohnes zu erlösen. Darum die Hohenpriester und alle Feinde nichts wider ihn vermocht hätten, wo es nicht Gottes Wille gewesen, seinen Sohn für uns zu geben. Darum stehet Apostelgesch. am 4. daß Herodes, Pilatus, Heiden und Juden zusammenkommen seien, auszurichten, was Gott vorhin mit seiner Hand und Rath beschlossen hatte, daß es geschehen sollte.

Daraus entstehet nun die Frage: Weil's der getreue Gott in seinem ewigen Rath beschlossen, daß Christus leiden und sterben sollte, so scheinet's, als wenn die gottlosen Juden entschuldiget wären, weil sie Gottes Rath und Versehung also erfüllet haben? Antwort: Man soll durch die Versehung und Ordnung Gottes die Sünde der Gottlosen nicht entschuldigen. Denn 1., so ist solche Feindschaft wider Christum nicht von Gott, sondern vom Teufel, und werden nicht durch den Geist Gottes dazu getrieben, sondern durch den bösen Geist, und ihre eigene Bosheit. Daran hat Gott keinen Gefallen, denn er ist nicht ein Gott, dem gottlos Wesen gefällt.

2. So ist's von ihnen nicht in der Meinung geschehen, daß sie Gottes Rath und der Menschen Erlösung befördern, sondern daß sie ihren grausamen Haß und Neid erfüllen wollten, ihn nicht für Gottes Sohn erkennen und für den Heiland der Welt; darum sind sie nicht zu entschuldigen, denn der sie dazu treibet ist der Teufel und ihre Bosheit, und haben keinen guten Eifer, denn sie gedenken Christum auszurotten, können ihn nicht leiden.

III. Die wahre Ursach des Todes Christi sind unsre Sünden.

So sage mir doch, wie soll ich mich denn recht drein schicken? Hat Gott seinen Sohn dahingegeben, und die gottlosen Juden haben's in's Werk gerichtet, so hat's ja gleichwohl geschehen müssen, wie es Gott beschlossen? Darauf ist die beste Antwort: Mein lieber Christ, siehe auf dich selbst, und auf die Ursach des Todes Christi. Wer hat Christum erwürget und gekreuziget? Haben's nicht deine Sünden gethan?

Darum mußt du alle diese Handlung, so mit der Kreuzigung Christi vorgelaufen, auf dich selbst beziehen. Denn wir sind die, so Christum an's Kreuz gebracht haben, dieweil er den Tod um unsertwillen hat leiden müssen; dürfen's deswegen weder den Juden, noch den Hohenpriestern, noch den Schriftgelehrten, noch Pilato Schuld geben, sondern uns selbst. Denn wenn wir in uns selbst gehen, werden wir den geizigen Judas finden, die neidischen Pharisäer, den ehrsüchtigen Pilatus, und werden auch die gottlosen muthwilligen Kriegesknechte in unserm Busen finden, dieweil wir eben das täglich thun, um welches willen Christus hat müssen den Tod leiden. Sollen demnach Buße thun, unsere Sünde beweinen, und festiglich glauben, daß Christus unsere Sünde vollkömmlich bezahlet, und uns gegen ihn dankbar erzeigen, unser Leben bessern, damit wir die Freiheit behalten, in welche uns Christus mit seinem Verdienst gesetzt hat.

2. Sollen wir die unerforschliche Weisheit Gottes erkennen, daß er auch der boshaften, verruchten Menschen böse Begierden zur Förderung seiner Ehre und der Menschen Nutz brauchen kann. Also auch jetzo noch, wenn gleich die Welt wider Christum wüthet und tobet, die Christen martert, peiniget und tödtet, so muß es doch Alles zu Gottes Ehre, der Christen Bestem, und Erbauung der Kirche dienen. Gottes Weisheit richtet Alles den Seinen zum Besten.

IV. Menschenwerke und Christi Verdienst.

Aus dieser Ursach des Todes Christi, welches sind unsere Sünden und die Barmherzigkeit Gottes, daß er seinen Sohn für uns gegeben, haben wir zu lernen, daß unser Heil und Seligkeit nicht in unserm Verdienst und Menschenwerken, sondern allein in Gottes Gnade und Christi Verdienst stehen. Gott hat uns Christum aus Gnaden zu unserm Heil gegeben. Darum hat unser Heil und Seligkeit nirgend anders herkommen können, denn aus Christo, und darum stehet all unser Heil in Christo und seinem Verdienst, Apostelgeschichte am 4.

Dies ist unser höchster Trost wider die Verzweiflung. Denn sobald wir unsre Gerechtigkeit in unsren Werken suchen, sobald fallen wir von Christo ab, und verlassen unser Heil und Seligkeit, so uns aus Gnaden von Gott gegeben. Dies erwecket denn in uns die schuldige Dankbarkeit und Liebe gegen Gott. Also sehen wir, wie aus dem Glauben die Liebe herfließt, dadurch Gott hinwieder von uns geliebet, und in allen Dingen geehret und gepriesen wird.

Ach, wie sind das blinde Leute, die ihr Heil und Seligkeit anderswo suchen denn in Christo, der uns von Gott gemacht ist zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung. Und wie undankbare Leute sind nun die, so Christum dafür nicht lieb haben, und ihm zu Ehren die Sünde meiden, um welcher willen Christus gestorben ist. Wissen, daß Christus um der Sünde willen gestorben, und dennoch die Sünde nicht lassen wollen, ist die höchste Undankbarkeit und Unehre Christi.

V. Die Furcht eines bösen Gewissens.

Letztlich ist zu betrachten, daß bei dem Rathschlag der Obersten eine Furcht ist, sie möchten einen Aufruhr erregen im Volke. Dies hat der Evangelist nicht ohne Ursach mit angehängt. Es bezeuget erstens ein böses Gewissen, und des Herrn Unschuld. Denn erstlich rathschlagen sie, wie sie den Herrn mit List greifen wollen, das bezeuget des Herrn Unschuld. Hätten sie Recht zu ihm gehabt, so hätten sie ihn nicht mit List greifen dürfen. Und diese List ist ein Stück von der Kunst der alten Schlange, des Teufels. Durch der Schlange List sind unsere ersten Eltern betrogen und verführet, und diese List übet die alte Schlange wider Christum in ihren Werkzeugen, in den Hohenpriestern und Schriftgelehrten. Denn es ist zuvor geweissaget: Du wirst ihn mit List in die Ferse stechen. Und mit solcher List stellet uns der Satan allzeit nach. Gott wecke uns auf, daß wir wachen und beten. Es ist hohe Zeit.

Daß sie sich aber vor dem Volk fürchten, zeuget eine böse Sache und ein böses Gewissen. Also machet Gott der Herr den Feinden der Wahrheit eine Furcht und Schrecken, wenn sie sich's gleich allzeit nicht merken lassen, sondern sich frech und trotzig stellen. Denn es feiert das Gewissen nicht, sondern klopfet für und für, und erschrecket also, daß dem Gottlosen seine Rathschläge sauer genug werden, wenn sie schon vor sich gehen. Und dies ist die gemeine Strafe der Tyrannen, damit Gott ihre unbillige Gewalt unterzuhalten pfleget, daß sie sich fürchten müssen vor denen, denen sie eine Furcht und Schrecken sein sollten. Denn die Obrigkeit ist darum geordnet, daß man sie fürchten und ihnen gehorsam sein solle. Wenn sie aber ihrer Gewalt mißbrauchen und die Frommen verfolgen, und wider die Wahrheit streiten, so schlägt sie Gott mit Furcht, daß sie sich vor ihren Unterthanen fürchten, und vielfältigen Schutz suchen müssen; und doch zuletzt dem gestrengen Gericht und Urtheil Gottes nicht entrinnen mögen. Der Teufel, ob er wohl ein listiger und trotziger Geist ist, so ist er doch furchtsam, darum können wir ihn, wenn wir standhaftig im Glauben sind und unerschrocken, überwinden. Deshalb sollen wir uns vor so einem furchtsamen Geist nicht fürchten, sondern wissen, daß unser Glaube der Sieg ist über Teufel und Welt.

Wir aber sollen beten Tag und Nacht, daß uns Gott wider die geschwinde List des Teufels und seiner Werkzeuge behüten, und ihre Anschläge und heimlichen Stricke und Netze zerreißen wolle, wie David im 64. Psalm betet.

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