Arnd, Johann - Von der grossen Liebe Gottes

Arnd, Johann - Von der grossen Liebe Gottes

Bei dir, o Herr, ist Freude die Fülle und liebliches Wesen; außer dir ist lauter Pein und Bitterkeit. Ach, schenke uns deine wahre Liebe, damit wir dich in allen Dingen, und alles in dir suchen, finden, auch in dir allein hier zeitlich und dort ewig erfreuet werden mögen durch Jesum Christum unsern Herrn. Amen.

Weil Gott die höchste Liebe ist, hat er sich gern mitteilen wollen mit allen seinen Gütern. Sollte er sich aber mitteilen, so mußte er seinesgleichen haben, der ihn aufnähme. So wollte er sich auch einer solchen Kreatur mitteilen, die ihn dafür mit reiner herzlicher Gegenliebe aufnehmen und wieder lieben könnte. Darum hat er den Menschen nach seinem Bilde geschaffen, welches vornehmlich stehet in der vollkommenen liebe.

Nun ist zwar ein großes Wunder, daß Gott aus unaussprechlicher Gnade und Liebe vergisset der großen Beleidigung und des Ungehorsams und der Verachtung, damit ihn das menschliche Geschlecht verachtet. Aber daß er ihnen über das noch seinen Sohn geschenket hat und solch einen schrecklichen Tod lassen leiden, wer kann doch das ausdenken!

Durch die Liebe Gottes in Christo leben wir alle. An dieselbe Liebe sollen wir uns halten in unserem ganzen Leben, es gehe uns, wie es wolle. Und gleichwie die Schiffleute in großem Ungestüm des Meeres Anker auswerfen, an die sich das Schiff hält: also, wenn diese Welt, welche ein ungestümes Meer ist, das Schifflein unseres Herzens bewegt durch die Wellen der mannigfachen Laster, sollen wir uns an die Liebe Gottes und Christi halten als an einen Anker und uns nicht so bald von der Liebe Christi abreißen lassen.

Wenn wir die Freundlichkeit und Güte Gottes bedenken, die er uns im Werke der Erlösung und Heiligung bezeigt, so werden wir unser Leben lang, ja in Ewigkeit genug zu preisen und zu loben haben. Denn es ist ein viel größeres Werk, die Welt erlösen, als die Welt erschaffen; den Menschen lassen geistlich neu geboren werden, als leiblich lassen geboren werden.

Ob wir Gott wohl mit unzähligen Sünden täglich beleidigen, so bleibt er doch getreu und ist bereit, so oft wir Buße tun, uns wieder zu Gnaden anzunehmen (Jer. 3, 12). Er hat Geduld mit uns und wartet Tag und Nacht auf uns, bis wir wiederkehren. Denn seine Liebe ist so brünstig und so feurig, daß sie durch keine Sünde und Undankbarkeit ausgelöscht werden kann, wenn wir nur Buße tun.

Diese unaussprechliche Gnade Gottes in Christo, wenn sie das Herz recht empfindet, ist so lebendig und kräftig in den Gläubigen, daß sie sich allein an dieser Gnade begnügen lassen, wie denn auch diese Gnade Gottes weit höher und besser ist denn alles, was man wünschen, bitten und begehren kann. Ja, diese unaussprechliche Gnade Gottes sättigt das gläubige Herz, also daß man nichts mehr wünschet, ja daß man Himmel und Erde dagegen für nichts hält, wie der liebe Assaph im 73. Psalm Vers 25 spricht, da er die Kraft dieser Gnade empfängt: Herr! wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde, ja nichts frage ich nach meinem Leib und Leben, denn deine Gnade ist besser denn Leben.

Wir müssen erkennen, daß in dem einzigen Wort Vater ein vollkommener Trost liegt, der allein genug wider allerlei Trübsal und größer ist als alles Elend. Und damit wir ihn recht kennen lernen, was er für ein Vater sei, nennet ihn Paulus einen Vater der Barmherzigkeit, von welchem alle väterliche Barmherzigkeit ihren Ursprung hat.

Ach, lieber Herr, sollte deine Barmherzigkeit nicht so stark sein, mich armen kranken Menschen aufzurichten, weil ich mich selbst nicht aufrichten kann. Hast du mich doch geliebt, ehe ich dich geliebt habe (1. Joh. 4,19). Ist doch deine Barmherzigkeit so stark, daß sie sich selbst überwunden hat; denn sie hat dich selbst ans Kreuz geheftet und in den Tod gesenkt. Wer ist so stark, der dich Starken überwinden kann, außer deiner Barmherzigkeit? Wer hat doch so große Macht gehabt, dich zu fangen, dich zu binden, zu kreuzigen, zu töten als deine Liebe, mit der du uns geliebt hast, da wir noch tot in Sünden waren (Eph. 2,1).

In dir, o Gott, leben, weben und sind wir. Dein Aufsehen bewahret unsern Odem. Sei gelobt, daß du dich um uns bekümmerst und so treulich für uns sorgst. Sei gelobt, daß du alle Geschöpfe uns zum Dienst verordnet hast und sie zu unserem Bedarf erhältst. Die Fußstapfen deiner gnädigen Vorsehung erblicken wir in unserm ganzen Leben.

Mein himmlischer Vater weiß alle meine Trübsal und Armut, ja, mein Herr Christus fühlt meinen Hunger und meine Armut an seinem heiligen Leibe, aber ich muß also seinem Bilde ähnlich werden, ich muß ihm helfen, sein Kreuz tragen, er wird mich in meiner Armut wunderlich speisen und erhalten. Ob ich gleich im Kreuz und in Armut bin, so glaube ich doch, daß ich sein liebes Kind bin, wie mein Herr Christus darum nicht aufhörte Gottes Sohn zu sein, ob er gleich in Hunger und Armut geriet. Denn er spricht, er habe seine Gläubigen so lieb als seine eigne Seele; er bewahret sie wie einen Augapfel im Auge. Darum glaube ich, er sei doch mein lieber Gott und Vater, auch mitten im Kreuz und in meiner Armut.

Also läßt es unser lieber Vater im Himmel dabei nicht bleiben, daß er uns mit so holdseligen und freundlichen Worten durch die Propheten und Apostel zu sich ruft, sondern er gibt und wirft uns auch noch viele gute Gaben, viele fruchtbare Zeiten vom Himmel zu und erfüllt unsere Herzen mit Speise und Freude. Dieses sind lauter Hände und Boten Gottes, die uns zu ihm führen und uns seine Liebe bezeugen und einbilden sollen, auf daß wir den Geber selbst in den Kreaturen und Gaben empfangen.

Hat Gott Himmel und Erde aus nichts gemacht, und erhält alles, so wird er dich, das kleine Stäublein der Erde, auch erhalten können.

Es kann niemand wissen, was Liebe sei, als wer sie selbst hat und tut. Und also geht die Erkenntnis eines jeglichen Dinges aus der Erfahrung, aus der Tat und Empfindung, aus den Werken der Wahrheit. Wer nun die Liebe nicht übt, der weiß nicht, was Liebe ist, ob er gleich viel davon redet. Christus ist lautere Liebe, Demut, Sanftmut, Geduld und Tugend.

Die Liebe Christi ist so stark, sie zieht uns alle nach sich aus der Hölle und aus dem Tode, denn die Liebe hat ihn zu uns heruntergebracht.

Die Liebe Gottes ist ein göttlicher Same in uns, aus dem alles Gute wächst.

Wenn ein Mensch siehet Gottes Herrlichkeit und überströmende Liebe und Gnade, dann fangen an die Gnadenströme herabzufließen in eine solche gläubige und demütige Seele durch das Gebet. Durch solche Gnade Gottes wird auch der Heilige Geist über uns mehr und mehr ausgegossen und seine Gaben vermehrt und durch den Heiligen Geist die Liebe Gottes in unser Herz gepflanzt (Rom. 5,5). Denn wenn eine gläubige Seele siehet ihre Nichtigkeit, und daß gleichwohl Gottes Sohn selbst sich so tief heruntergelassen und nicht allein Mensch geworden, sondern um so elender Kreatur willen so ein schweres, hartes, unaussprechliches Kreuz erlitten:

so wird in dieser Demut solches edle Flämmchen der Liebe Gottes vermehrt, und die Liebe durch den Glauben in Gott gezogen, also daß sie in Gott und Christo alle Menschen liebt um der großen Liebe Gottes willen; denn sie siehet, wie hoch sie selbst und alle Menschen in Christo geliebt werden. Und weil sie in Gott gezogen und in Gottes Liebe beschlossen ist, so liebt sie auch alles, was Gott liebt.

Dein göttliches Wort, o Herr, sei unser Licht, das uns erleuchtet; der Same, dadurch wir geistlich lebendig werden; das Manna, das uns speiset; der Wein, der uns er freuet. Ja, laß dein Wort uns lieber sein denn viel tausend Stück Goldes und Silbers. Hilf uns, diesen Schatz bewahren, und laß uns im Glauben, in der Liebe, in der Geduld, in der Hoffnung, nach dem Inhalt deines Wortes recht gegründet, befestigt und gestärkt werden zum ewigen Leben. Amen.

Christus Jesus, der wahrhaftige hochgelobte Gott in Ewigkeit, ist der ganzen Schrift einiger Zweck und Kern und ist uns gegeben zu einer Arznei und Reinigung unseres Verderbens.

Dahin gehet die ganze Heilige Schrift, daß sie Christum ins Herz bringe und einpflanze durch den Glauben.

Gottes Wort ist ein kräftiges Wort, Ja die Kraft Gottes, von dem mächtigsten Herrn ausgegangen; es ist heilig von dem Allerheiligsten; wahrhaftig von der ewigen Wahrheit entsprossen; ewig von dem Ewigen; unüberwindlich von dem Unüberwindlichen; gerecht von dem Gerechten; ein Richter aller Dinge von dem, der aller Welt Richter ist.

Die Kraft des Wortes Gottes umschließt alle Kraft des Himmels und der Erde. Es ist ein kräftiges Wort, denn sobald es geredet ist, sobald ist es geschehen. Dictum factum. Wie ein Feuer, sobald es auf ein Pulver fällt, sobald ist's geschehen, was geschehen soll: also ist Gottes Wort ein Feuer, eine durchdringende, lebendige Kraft.

Was der Herr im heiligen Abendmahl namhaftig machet und mit deutlichen Worten nennet, dasselbe gibt Er uns auch, denn Er wird nicht anders reden und anders tun: was Er sagt, das tut er.

Wenn ich einem ein Papierlein darreiche, darin ein Stück Goldes ist, so sage ich: nimm hin, das ist ein Stück Goldes. Ungereimt wäre es demnach, wenn ich sagte: nimm hin, das bedeutet ein Stück Goldes.

Gott hat aller gläubigen Christen Leben und Wandel, Kreuz und Verfolgung, Glauben und Hoffnung in der Heiligen Schrift dermaßen abgebildet, daß es der Glaube bald annimmt, als wäre es von ihm allein gesagt; so daß gleichsam der gläubige Mensch sein eigen Herz in den Beispielen der Heiligen siehet, dergleichen auch sein Kreuz, seinen Trost, seine Hilfe und Errettung.

Also wird nimmermehr ein Gewissen der Menschen zur Ruhe kommen, es wende sich denn von ganzem Herzen zu Christo und glaube einfältig seinem Wort und lasse alle Menschenlehre, so aus der Vernunft gesponnen ist, dahinfahren.

Unser Herz wird durch Gottes Wort neu geboren als durch Gottes Samen, welcher die fleischlichen Lüste ändert, und macht neue geistliche Bewegungen und Gedanken, gibt einen neuen Geist, welcher unsere Gemüter nach dem Bilde Gottes erneuert. Und daraus wächst als aus dem lebendigen Samen die wahre Erkenntnis Gottes, Gottes Liebe und der Glaube, Gebet, Gottesfurcht und der ganze inwendige neue Mensch mit allen seinen Gliedern.

Ein jeglicher Glaubensartikel oder beständiger Lehrpunkt unserer christlichen Religion muß in der Schrift in hellen, klaren deutlichen Worten wie sie lauten begriffen und gegründet sein, sonst könnte man keine Gewißheit unserer Religion haben.

Gleichwie alle Morgen das Himmelsbrot fiel, also empfinden wir täglich im Glauben des Heiligen Geistes Trost und Kraft. Die geistliche grüne Aue ist sein göttliches Wort. Und Gottes Wort ist uns täglich so neu, als wenn es gestern zu uns geredet wäre.

Gott redet in seinem Wort so freundlich mit uns und hat sich so holdselig dargestellt, daß kein Vater und Mutter ihre weinenden Kinder freundlicher und liebkosender anreden könnte. Bist du nicht mein liebes Kind und mein trauter Sohn? Darum bricht mir mein Herz, ich muß mich dein erbarmen, spricht unser Gott (Jer. 31, 20).

Damit nun Gott selbst unsere Seele sättige und speise, so hat er sich mit aller seiner Gnade und Liebe ins Wort verwickelt. Denn, wenn es nur bloßes Wort wäre ohne Gottes Kraft und Leben, könnte es unsere Seelenspeise nicht sein. Weil aber Gott im Wort ist, so speiset er die Seele, erquickt sie, macht sie lebendig.

Die ganze Heilige Schrift ist nichts anderes, als ein Gespräch der gläubigen Seele mit Gott. Und so oft ein gläubiges Herz Gott seine Not klagt oder zu Gott seufzt, so oft antwortet ihm Gott darauf durch innerlichen Trost, oder durch den Trost seines göttlichen Worts.

Erstlich wird unser Seelenleben und Gesundheit durch Gottes Wort erhalten; denn Christus ist das lebendige und wesentliche Wort Gottes. Es wird aber im Wort vorgetragen und ausgeteilet, derhalben, wer das Wort fasset und glaubet, der hat Christum, das Leben selbst, und also befindet sich's nun, daß der Mensch geistlich aus dem Worte Gottes lebt. Zum ändern, so lebet auch der Mensch leiblich aus dem Worte Gottes. Denn woher hat das Brot die Kraft, das es dich speiset? Aus dem Wort und der Ordnung Gottes. Das Brot tut's aus sich selbst nicht, deshalb nähret dich weder deine Arbeit, noch deine Sorge, sondern das Wort Gottes, das aller Dinge Kraft ist. Darum die Epistel an die Hebräer am l. sagt: Gott hält und trägt alles durch sein kräftiges Wort.

Wenn alles am Brot gelegen wäre, und Gott ohne dasselbe nicht erhalten könnte, so sollst du dennoch wissen, daß es Gott gar leicht ist, aus Steinen Brot zu machen. Weißt du nicht, daß Gott Himmel und Erde aus nichts gemacht hat? Das ist ja mehr, denn aus Steinen Brot machen. Weißt du nicht, daß Gott aus der Finsternis Licht gemacht hat? Aus der Erde einen lebendigen Menschen? Das alles ist mehr, denn aus Steinen Brot machen. Woraus hat Gott das Himmelsbrot gemacht, damit er die Juden in der Wüste speisete? Aus seinem Worte. Wo kam das Wasser her, das aus dem Felsen sprang? Aus Gottes Wort, und ist im Himmelsbrot vorgebildet das Vertrauen auf Gott. Denn die Juden mußten, was einen Tag gefallen war, alles aufessen. Damit lehret sie Gott der Herr, daß sie allein von seiner Gnade leben, und aus seinem Munde und Worte gespeiset werden, nicht aber aufs Brot, sondern auf sein Wort sehen sollten.

Was ist aber die Ursache, daß der Herr wenig Glauben finden wird auf Erden, wenn er kommen wird? Das ist die Ursache, daß Gottes Wort jetzo vom meisten Haufen der Welt verworfen und verleugnet wird, denn wo kein Wort Gottes ist, da kann auch kein Glaube sein. Denn der Glaube hanget am Worte und wachset aus dem Worte als aus einem Samen.

Hüte dich vor denen, die da sagen, es könne kein Mensch wissen, ob er bei Gott in Gnaden sei, und jedermann müsse an Gottes Gnade zweifeln. Dem widersprich und sage: mein Glaube lehrt mich, nicht zu zweifeln, sondern festiglich zu glauben; Gott hat gesagt, er sei mein Vater; Gott hat gesagt: seine Gnade waltet über alle, die ihn fürchten.

In soviel Religionsstreiten laß die verachtete Einfalt des Wortes Gottes deine einzige Festung sein.

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