Argula von Grumbach - An einen Ehrsamen, weisen Rath der Stadt Ingolstadt.

Argula von Grumbach - An einen Ehrsamen, weisen Rath der Stadt Ingolstadt.

Gnade und Friede in Gott wünsch' ich euch, samt meinem freundlichen Gruß, als besonders lieben Brüdern in Christo. - Es tat sich vor einiger Zeit begeben, daß ich wegen der Handlung, so mit Arsatio Seehofer geschehen ist, einer hohen Schule daselbst geschrieben habe, und aus christlicher Pflicht dahin gedrungen [bin]. Hätte gemeinet, es wäre unter ihnen geblieben, und sie hätten mich, wo ich hätte geirret (daß ich nicht müßte), unterwiesen. Nun höre ich, daß solches durch sie ganz ruchbar geworden ist, bin viel auf diesem Weg darum angesprochen, und es wird mir gar viel anders ausgelegt, als ich es geschrieben oder gemeint habe. Dadurch werde ich bewogen, euch eine Copie derselben Schrift hiermit zuzuschicken, nicht, daß ich begehre, mich von meiner Person wegen zu verantworten, sondern allein um deren willen, die sich über mein Schreiben ärgern möchten, und bitte euch, dasselbe zu verlesen. Ich setze keinen Zweifel darein, der Geist Gottes werde wohl selbst Schulmeister sein und das rechte Urtheil fällen; deß will ich warten, denn es stehet Jes. am 30 [18]: Der HErr ist ein Gott des Gerichts; wohl allen, die seiner harren!

Ich bitte und ermahne euch als die Glieder Christi, welcher allein unser aller Haupt ist, als Paulus zu den Ephesern 4 (15. 16] sagt: Christus ist das Haupt, daraus der ganze Leib zusammengefügt ist. Nun sind wir alle in der Taufe Gott eingeleibet, als am Anfang dieses Kapitel [V. 4 6] steht: Ein Leib, Ein Geist, Eine Hoffnung, Ein HErr, Ein Glaube, Eine Taufe, Ein Gott, Ein Vater, der da ist über uns alle, und durch uns alle, und in uns allen, u. s. w. u. s. w. Darum setzet in's Gedächtniß das Gelübde, so ihr Gott in der Taufe gethan habt, also lautend: Ich glaube; ich entsage dem Teufel, und allem seinem Pomp und Gespenst. Halten wir Gott nach unserm Vermögen Glauben und Treue, d. i. So wir ihn bekennen, wozu er uns auch seine Ges walt will verleihen, so wird er uns auch bekennen, als er sagt Matth. 10 [32]. Darum, wer ein Christ sein will, muß ja, so viel er kann, denen, die Gottes Wort wollen verdammen, widersprechen, aber nicht mit Fechten, sondern mit dem Worte Gottes; denn Eph. am 4 (3): Vor allen Dingen bestellet den Frieden und die Liebe untereinander, u. s. w. u. s. w.

Welcher Doctor ist je so hochgelehrt gewesen, der ein anderes Gelübde gethan hätte, als ich? Mir ist eben sowohl der Geist verheißen, als ihm, wie Gott sagt Joel 2 (3, 1): Ich will ausgießen meinen Geist über alles Fleisch, und eure Söhne und Tochter sollen weissagen.

Ich höre, wie etliche so sehr über mich erzürnet sind, daß sie nicht wissen, wie sie es nur dahin bringen möchten, daß ich vom Leben zum Tode käme. Nun weiß ich wohl, daß sie mir nicht schaden können, so lange, bis ihnen die Gewalt von Gott gegeben wird; der wird mich wohl erhalten, bis zu seinem Lobe. Paulus, 2 Cor. 4 [7 ff.]: Wir leiden alle Dinge ohne Beschwerds, um den Namen des HErrn; Psalm 3 [7]: Ich fürchte mich nicht vor viel hundert Tausenden; und Jes. 30 (17): Tausend werden fliehen vor eines einzigen Schelten. Höret den HErrn, Jes. 43 [5]: So fürchte dich nun nicht, denn Ich bin bei dir; und Jes. 51 (12) sagt Gott: Ich, ich bin euer Tröster. Wer bist du denn, daß du dich vor Menschen fürchtest, die doch sterben? und vor Menschenkindern, die als Heu verzehret werden? Wir lesen Joh. 9 [22], die Juden hatten schon einen Rath beschlossen und sich vereinigt, wer Christum bekennen würde, der sollte im Bann sein und aus der Kirche geworfen werden. So haben leider eure Sophisten1) auch gethan, setzen die römische Kirche vor die heilige christliche Kirche, wie in Seehofers Eid geschrieben ist; so ganz und gar hat sie Gott verblendet und geschändet! Ja halte dafür, das unsere Fürsten aus ihrem Anhalten und ungestümen Drängen so gewaltsam handeln müssen, wollen sie anders Ruhe vor ihrem Laufen haben. Sie sagen auch, wie die Juden zu Pilato sagten: Wir haben ein Gesetz, nach dem muß er sterben. Ich wollte gern wissen, was Gewinns sie hätten, wenn sie mich gleich ermordeten? Sie trösten sich vielleicht der Freiheit des heimlichen Gerichts, das ihnen nicht übel dazu dient. Nun denn im Namen Gottes! so denn das die Stadt wäre, darin man die Christen martert, als Jerusalem auch war, so geschehe mir auch, wie Gott will; aber ich bitte Gott, daß er nicht auch über euch, durch jene verschuldet, dieselbige Strafe verhänge. Denn wir müssen ja alles verlassen, als Matth. 10 [37-39] steht, Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Kinder, Gut, Leib, Leben: Wer das nicht verläßt, sagt der HErr, ist mein nicht würdig. So ich schon gestorben bin, ist das Wort Gottes nicht vertilgt; denn es bleibt ewig. Ich halte auch dafür, so ich die Gnade hätte, den Tod um seines Namens willen zu leiden, daß gar viel Herzen dadurch erweckt würden; ja, wenn ich allein stürbe, würden viel tausend Weiber wider sie schreiben. Denn ihrer sind viel, die belesener und geschickter sind, und sie möchten also den Namen überkommen, daß man sie eine Schule für die Weiber hieße; wiewohl ich keinen Zweifel darein setze, es seien noch viele unter ihnen, die heimliche Jünger des HErrn sind, und vor Furcht, wie Nicodemus, Christum nicht zu bekennen wagen; wiewohl es nicht genug ist; wir müssen bekennen, als Matth. 10 [32 geschrieben steht]. Denn gedenken heißt nicht: vor den Menschen bekennet. Gott schicke ihnen einen herzhaftigen Geist!

Was meiner Person nachgeredet wird, wolle euch nicht ärgern. Meinethalben achte ich ihrer Verfolgung nicht, es ist mir eine Freude, daß ich von wegen des heiligen Evangeliums vermaledeiet werde. Gott verzeihe es ihnen, sie wissen nicht, was sie thun; ich bitte auch herzlich für sie, daß sie Gott erleuchte, bitte auch euch, auch für sie und alle verstockte Herzen zu bitten. Höret den HErrn, Jes. 30 [9. 10]: Dies ist ein ungehorsames Volk, und verlogene Kinder, die nicht hören wollen des HErrn Gesetz, sondern sagen zu den Sehern: Ihr sollt nicht sehen, und zu den Schauern: Ihr sollt uns nicht schauen die rechte Lehre! Jer. 10 (21): Die Hirten sind zu Narren geworden, und fragen nach dem HErrn nichts; darum können sie auch nichts rechtes lehren, sondern alle Herden sind zerstreuet. Und Jer. 23 [9-40]: Ihr habt verkehrt das Wort des lebendigen Gottes, und nennt es eine Last, darum will ich euch einige Schande und ewige Schmach zufügen, deren nimmer vergessen soll werden; und Apostelgesch. 15 [10. 11] sagt Petrus: Was unterstehet ihr euch, uns die Bürden aufzulegen, welche weder unsere Väter noch wir haben mögen (können) tragen? Sondern wir glauben, daß wir durch die Gnade Gottes selig werden, als denn unsere Väter auch geglaubt haben. Was sagt Gott mehr Jer. 23 [16]: Gehorchet nicht den Worten der Propheten, so euch weissagen. Sie betrügen euch; denn sie predigen ihres Herzens Gesicht, und nicht aus des HErrn Munde; und Jer. 50 [6]: Mein Volk ist wie eine verlorne Herde, ihre Hirten haben sie verführet, u. s. w. u. s. w. Es wäre viel besser, daß ein Mensch nicht zu solcher Predigt ginge. Christus ermahnt Matth. 7 (15) und 16 [6. 12], daß wir uns hüten sollen vor der Lehre der Pharisäer, die er heißt einen Sauerteig, und sagt: Ein wenig Sauerteig macht viel Teig sauer; also auch ein wenig falsche Lehre scheidet und bringt viel Uebels.

Darum, meine lieben Freunde und Brüder in Christo, Seht euch wohl vor, das ihr nicht samt ihnen verderbet. Dazu wünsche ich euch die Gnade Gottes, in welche ich euer Seel', Leib, Ehre und Gut befehle. Bittet Gott für mich, desgleichen will ich Gott auch für euch bitten.

Datum Grünbach am Abend Simonis und Judi, Anno 1523.

Argula von Grünbach, geb. v. Stauffen.

1)
Sophisten hießen seit der Zeit des Sokrates eine Sorte Philosophen, deren Hauptkunst in Großsprecherei, Wortspielerei und der Fertigkeit bestand, aus schwarz weiß und wiederum schwarz und was man wollte machen, womit sie viel Geld verdienten.
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