Ahlfeld, Friedrich - Mariä Heimsuchung.

Ahlfeld, Friedrich - Mariä Heimsuchung.

An Mariä Verkündigung tun sich die goldenen Tore der göttlichen Erbarmung nach der armen Erde zu auf. Mariä Reinigung mit der Darstellung des Herrn im Tempel und seiner Begegnung mit Simeon und Hanna war allen Müttern ein hoher Dankestag und eine jährlich wiederkehrende Mahnung, wem sie ihre Kinder immerfort darzubringen hätten. Der Tag griff tief in das zarteste Leben jeder Mutter und in die Stellung der Eltern zu den Kindern ein. Und doch greift Mariä Heimsuchung fast noch weiter. Maria hat von dem Engel die Botschaft erhalten, dass ihre Freundin, ihre Verwandte Elisabeth, das Weib des Priesters Zacharias, auch schwanger ist mit einem Sohne im sechsten Monat. Der eine Engel der Verkündigung, die eine Botschaft und das eine Wörtlein auch knüpfen die Kinder und Mütter zusammen. Johannes ist im Himmel an Jesum gebunden, wie die Morgenröte, unter welcher der Tau fällt, an die Sonne, die sich in demselben bricht. Sie müssen sich auch auf der Erde begegnen. Sie begegnen sich schon im Mutterleibe. Maria steht auf in den Tagen und geht eilig auf das Gebirge zur Stadt Juda (wohl richtiger Jutha oder Jutta). Elisabeth kommt nicht zur Maria. Das Gesetz kommt nicht zum Evangelium, sondern das Evangelium zum Gesetze, um den Balsam Gottes in die zerschlagenen Herzen zu schütten. Maria muss nach Jutha, sie muss mit der Freundin, welche laut der Botschaft des Engels ihre eigene Freude am besten verstand, sich austauschen, sie muss geben und nehmen. Die Jungfrau scheuet sich nicht vor dem rauen Gebirge, nicht vor dem Wetter, dem Getier und den Räubern. Mit der Gnade Gottes unter dem Herzen und im Herzen kennt sie keine Furcht. Die Berge werden eben, das Wild wird zahm, über Kluft und Bergstrom muss sich eine Brücke und am Abend eine Herberge finden. Der Engel hat ihr den Pass zur Reise geschrieben, er muss auch sorgen für Weg und Steg. In dem Passe steht: „Tastet meine Gesalbten nicht an.“ Sie geht eilig, der Geist der Freude treibt sie. Wie könnte sie ruhen, die ihrer Freundin das Himmelreich bringen will? -

Sie kommt an, sie tritt ein. In dem Priesterhaus auf dem Gebirge begegnen sich der alte und der neue Bund, das Gesetz und das Evangelium, die Hoffnung und die Erfüllung, der König des Himmelreichs besucht seinen ersten Knecht. Elisabeth weiß, wer zu ihr kommt. Als ihre Base hat sie Maria schon längst erkannt, nun erkennt sie dieselbe auch im heiligen Geist als die Mutter ihres Herrn, als die Mutter dessen, welchem ihr eigener Sohn, den sie unter dem Herzen trägt, vorangehen soll im Geiste und der Kraft des Elias. Heute war ihr Gnadentag, ihrem Hause war Heil widerfahren, der Aufgang aus der Höhe besuchet sie. Es freute sich aber die Mutter nicht allein. Ward der längst geborene und längst gestorbene Abraham froh, dass er den Tag des Herrn sehen sollte, so freute sich hier der Ungeborne, und in ihm Alle, die noch geboren werden sollten. Das Kind unter dem Herzen der Elisabeth hüpfte, als sie den Gruß der Maria hörte, es hatte an der seligen Freude der Mutter schon seinen Teil. -

Und nun beginnen die beiden Lobgesänge. Elisabeth bleibt mit dem ihren fast ausschließlich bei der Maria stehen. Sie hebt an: „Gebenedeit bist du unter den Weibern.“ Maria aber trug die ganze Ehre hinauf an den Thron Gottes. Sie hebt an: „Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Herz freut sich Gottes, meines Heilandes,“ die Palme zieht den Efeu, der sie mit seinem grünen Schmuck umrankt, mit empor. zum Himmel. Nun siehe, lieber Leser, wie die Gnade Gottes still wachsend und vorschreitend auf den Herrn hinweist. Hier erfährt eine Freundin, eine Verwandte, dass der ewige Sohn vom Vater eingezogen ist in sein Kämmerlein unter dem Herzen der Maria. An seinem Geburtstage und an dem Tage der Darstellung im Tempel erfahren Etliche, dass er geboren ist. An dem Tage, wo er als zwölfjähriger Knabe im Tempel zeugt von seinem Vater, werden hundert Augen auf ihn gerichtet. Die Samenkörner für seine Aufnahme, wenn er hervortreten würde, werden immer weiter ausgestreut. Das ist Gottes stilles Bauen. Doch bleiben wir noch im Hause des Zacharias! Maria und Elisabeth sind die ersten Freundinnen in dem Herrn. Doch ging die neue Freundschaft über die alte Verwandtschaft. Maria und Elisabeth machen die erste kleine gläubige Gemeinde aus. Die Zwo waren versammelt im Namen des Herrn: er mitten unter ihnen. -

Dies sind drei selige Monate gewesen. Ihre Augen sahen zurück in die den Vätern gegebene Verheißung, ihre Herzen ruhten in der gnadenreichen Verkündigung, ihr Geist webte mit zarter, keuscher Hand an der großen Zukunft. So selig kann es in deinem Hause auch werden, dein Herr will auch dich heimsuchen, lass ihn nur ein. Höre auf zu zweifeln. Von Zacharias ist unser ganzer Text still, weil er selbst stumm und still war zur Strafe seines Unglaubens. Er hat nicht mitgepriesen mit den beiden Frauen, sondern erst später. Es ist aber Schade um die schöne Zeit. Nach drei Monaten, also kurz vor der Geburt des Johannes, kehrte Maria wiederum heim nach Nazareth. Elisabeth aber hat diesen Besuch nie vergessen.1)

1)
Mariä Heimsuchung ist erst im Jahre 1389 von Papst Urban VI. in den abendländischen Festkalender aufgenommen und auf den 2. Juli gelegt worden. Diesem Papste lag die Vereinigung der griechischen mit der römischen Kirche sehr am Herzen. Die liebliche, freundliche Begegnung der Maria mit der Elisabeth sollte wahrscheinlich ein Vorbild der zwischen beiden Kirchen angestrebten Einigung und Einigkeit sein. Sein Wunsch ist unerfüllt geblieben.
Warum er das Fest grade auf den 2. Juli gelegt hat, ist schwer zu bestimmen. Nach der geschichtlichen Ordnung des Kirchenjahres müsste es bald nach dem 25. März und jedenfalls vor den Johannistag fallen. Der 25. März ist der Tag von Mariä Verkündigung, und gleich an die Verkündigung schließt sich (Lucas 1,39) das Wort: „Maria aber stand auf in den Tagen und ging auf das Gebirge zu der Stadt Juda.“ Es will mir scheinen, als ob folgender Gedanke den Tag bestimmt habe: Der 24. Juni ist Johannis Geburtstag, der 2. Juli der Tag seiner Beschneidung. An diesem Tag hat er seinen Namen empfangen: Johannes, d. i. Gott ist gnädig; in dieser Namensgebung drückt Zacharias nun seinen festen Glauben an das Wort des Engels aus; er bezeichnet und besiegelt den Sohn als den, welcher vor der Gnade Gottes, vor dem Herrn hergehen soll im Geiste und in der Kraft des Elias. Und nun sollen sich die Beiden auch gleich begegnen.
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