Ahlfeld, Johann Friedrich - Bist du, der da kommen soll?

Ahlfeld, Johann Friedrich - Bist du, der da kommen soll?

(3. Sonntag des Advents.)

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.

Text: Matth. 11. 2-6.
Da aber Johannes im Gefängnis die Werke Christi hörte, sandte er zwei seiner Jünger, und ließ ihm sagen: Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines Andern warten? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Gehet hin und saget Johanni wieder, was ihr sehet und höret; die Blinden sehen, und die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein, und die Tauben hören, die die Toten stehen auf, und den Armen wird das Evangelium gepredigt. Und selig ist, der sich nicht an mir ärgert.

In Christo Jesu geliebte Gemeinde. Ein rechtes Christenherz ist wie ein schöner Garten, in dem eitel schöne Blumen und fruchtbare Bäume stehen. Mitten drinnen steht der Lebensbaum, Jesus Christus, und ragt hoch über alle andern hinauf. Um ihn herum stehet in schönen Gruppen die Zeder des Glaubens, deren Blätter Sommer und Winter grünen; die Palme des Sieges, den die Gläubigen schon davongetragen haben und weiter davontragen werden; der Weinstock und Ölbaum, als die Bilder des stillen und ruhigen Lebens in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit, und die Rose mit Blüten und Dornen, als das Bild des Kreuzträgers, dessen inneres Leben unter Trübsal nur herrlicher aufblüht. Hie und da im Schatten und in den Ecken stehet auch das unscheinbare Kräutlein der Geduld, Auch Unkraut wächst noch darin, denn wer ist rein unter allen, die von Weibern geboren sind? Aber es kann nicht emporkommen, es kann die edlen Gewächse nicht niederwuchern, die Gnadenpflanzungen lassen es nicht in die Höhe. Ein solcher Garten ist gar lieblich, lieblicher als die Lustgärten Salomos. Die Engel Gottes ergehen sich darin. Es ist der Anfang zu einem neuen Garten Eden. Möchtest du einen solchen Garten haben? Möchtest du, dass dein Herz ein solcher Garten wäre? Ja, ist deine Antwort. Nun, so kämpfe vor Allem gegen einen Feind. Höre, wenn der Herr angefangen hat diesen Garten in dir zu pflanzen, dann kommt der Feind, der Zweifel, führt eine Axt in seiner Hand und geht in dem Garten herum. Er zertritt die schönen Blumen, die da wachsen, er sieht sich die Bäume an, und versucht erst die kleinen niederzuhauen. Wenn du das duldest, geht er immer weiter, und haut die großen nieder. Zuletzt legt er seine Axt auch an den Lebensbaum inmitten des Gartens. Und wenn der fällt, ist der Garten eine Wüste geworden. Dornen und Disteln überwuchern ihn dann, und Giftpflanzen schlingen sich mit ihren Ranken empor. Ein Elend kommt über den Menschen, das sich nicht aussprechen lässt. -

Du Menschenkind, erkenne hier die unergründliche Erbarmung deines Gottes. In jenen Tagen, da Christus auf Erden wandelte, da der Himmel offen war zu den größten Gnadentaten, da mussten Zweifler aufstehen und die größten Grundwahrheiten des Evangeliums antasten. Sie mussten sie antasten, da sie der Herr noch persönlich widerlegen, da ihnen die Jünger, die ersten Träger und Zeugen des neuen Lebens, den Mund stopfen konnten. Thomas bezweifelte die Auferstehung des Herrn, die große Tat des Osterfestes. Christus gab ihm den handgreiflichen Beweis. Er ließ ihn seine Finger in die Nägelmale und seine Hand in die Seite legen. Als die Spötter am Pfingstfest schrien: „Sie sind voll süßen Weins,“ da konnte Petrus ihnen eine Antwort geben, die nicht Hörner noch Zähne hatte. Auch die große Gnadentat Gottes am Weihnachtsfest, dass er in Christo den in die Welt gesandt habe, der da kommen sollte, ist angezweifelt worden, und zwar von dem Mann, von dem wir es am wenigsten erwarten sollten. Johannes war schwankend geworden. Er sendet Boten, die müssen fragen: „Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines Andern warten?“ Gott sei Dank, er hat noch zur rechten Zeit, er hat bei dem rechten Mann gefragt. Er hat darum auch eine rechte und völlige Antwort erhalten. Wir tun heute mit ihm seine Frage noch einmal:

Bist du, der da kommen soll?

Frage und Antwort fassen wir zusammen in die Zeilen:

Tasten Zweifel deinen Glauben an.
Geh zu Christo, der sie lösen kann;
Antwort wird er auf die Frage geben,
Antwort aus dem Leben und zum Leben.

I.

Tasten Zweifel deinen Glauben an.
Geh zu Christo, der sie lösen kann.

Geliebte Gemeinde. Wie selten ist ein Herz, das Zeit seines ganzen Lebens fest steht in dem lieben Kinderglauben; das in die heiligen Wahrheiten des evangelischen Glaubens in der Kindheit eingeführt ist wie in ein festes Friedens-Haus, und dann nie darin unruhig geworden, nie auf die Türschwelle getreten ist, als ob es herausgehen wollte. Ach, wenn doch noch Alle auf der Schwelle stehen geblieben wären, die Schwelle gehört ja auch noch zum Hause! Sie hätten bei den Wettern des Lebens schnell wieder umkehren können. In unsern Tagen, in den Unruhen, die jetzt die Kirche durchschüttert haben, möchte man ein solches Herz länger suchen müssen, als Maria und Joseph das Christkind suchten. Ja, der Zweifel tastet das Herz an. Er kommt besonders, wenn die Seele arm ist an Gebet, wenn das Wort Gottes ungebraucht im Winkel liegt, wenn wir allein dastehen ohne christliche Gemeinschaft. Wer kann es denn zuriegeln? Der Zweifel ist wie ein nagender Wurm. Wenn wir uns Abends auf unser Lager gelegt hatten, und es kamen uns Gedanken des Zweifels in die Seele, dann dachten wir wohl: „Du willst deine Augen zuschließen, du willst die Gedanken zusammendrücken, dass sie stille sein müssen, du willst lieber schlafen, als ihnen weiter nachgehen.“ Aber sie ließen dich nicht schlafen, sie rüttelten dich wieder auf, und stahlen dir einen guten Teil der Nacht. Greifen sie doch selber diesen Johannes an, der Christo vorging im Werk und in der Kraft des Elias. Er hatte einst von sich und Christo ausgesagt: „Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüsten: Bereitet dem Herrn den Weg und machet seine Steige richtig! Ich muss abnehmen, jener aber muss zunehmen. Ich bin nicht wert, dass ich mich bücke und ihm die Riemen seiner Schuhe auflöse. Ich taufe mit Wasser, der aber nach mir kommt, wird euch mit Feuer und mit dem heiligen Geist taufen. Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt.“ Und nun fragt er: „Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines Andern warten?“ Wie kam er doch dahin? Wie war doch der feste Mann im Kleide von Kamelhaaren und mit dem ledernen Gürtel so wankend geworden? O, werfet keinen Stein auf ihn! Wenn wir einen werfen wollen, wollen wir ihn zuerst auf uns selbst werfen, denn wir kennen des Herrn Werk ganz, und Niemand hat uns abgeschlossen, Niemand hält uns gefangen, dass wir ihm in seinen großen Taten nicht nachgehen könnten.

Anders war es mit Johannes. Herodes hatte sein Weib, eine Tochter des arabischen Königs Aretas, mit der er fünfzehn Jahre in der Ehe gelebt, verstoßen, und hatte seinem Bruder Philippo sein Weib, die Herodias, genommen. Darüber war ein blutiger Krieg zwischen Aretas und ihm ausgebrochen. In diesen Gräueln tritt Johannes vor ihn und spricht: „Es ist nicht recht, dass du deines Bruders Philippi Weib habest!“ Zum Dank für seine treue Mahnung setzte ihn Herodes gefangen in das feste Schloss Machärus jenseits des toten Meeres. Jesu Arbeitsfeld aber war Galiläa und die Gegend um Jerusalem. Nur arme einzelne Botschaften von Christi Taten drangen dort in Johannes Ohren. Er hoffte wohl, dass der Welt Erlöser auch sein Erlöser aus den Ketten sein sollte. Er hoffte, dass der Herold bei dem Herrn, den er verkündigt hatte, bleiben und seine Werke schauen sollte. Er hoffte, dass das Werk rascher auf Flügeln des Sieges vorwärts schreiten sollte. Da in dem finstern Kerker, da in seiner Einsamkeit beschlich den Mann der Zweifel, und er sandte seine Boten und er tat seine Frage. -

Lieber Christ, willst du deine Seele bewahren vor Zweifeln, so wende besonders ein Mittel an, das in unserm Evangelio zwar nicht geschrieben stehet, das wir aber doch herauslesen können: hüte dich vor Trennung, hüte dich vor Absonderung von deinen christlichen Brüdern und Schwestern. O wie gern hätte Johannes in brüderlichem Bunde mit ihnen gestanden, aber er konnte nicht. Der Zweifel ist wie ein Räuber, der die Wüste und Öde der Einsamkeit durchstreift. Da überfällt er die einzelne Seele und fängt sie in seinen Stricken. Wenn aber dein Bruder neben dir steht, wenn du in christlicher Gemeinschaft wie ein Baum im dichten Walde stehst, dann prallt der Sturm ab an der gemeinsamen Stärke, dann steht Einer für Alle und Alle für Einen, Einer schützt und stützt den Andern. Es gehört eine hohe christliche Reife dazu, wenn wir uns in der Einsamkeit, in der Zurückgezogenheit von den Brüdern aufrecht erhalten oder gar aufbauen sollen. Eva ward auch verführt, da sie von dem Manne weggegangen war. -

Wenn nun aber dennoch der Zweifel kommt, sei es an den Einsamen, oder sei es an den, der in brüderlichem Verkehr stehet, so lernet von Johannes, wie ihr euch gegen ihn wehren sollt. Horcht, er hängt ihm nicht nach, er sitzt nicht stille, er nagt sich nicht tiefer in sein Bedenken hinein. Das ist ein schlechter Hausherr, dem bei einem Regenschauer das Wasser durch das Dach in das obere Stock gedrungen ist, und der nun ruhig den zweiten Schauer abwartet, wo es auch in das untere dringen wird. Johannes fragt auch nicht umher bei Andern, die etwa auch nicht fest sind in ihrem Glauben an Christum, oder die ihn gar ganz weggeworfen haben. Solch Nachfragen kann ihn zu keiner Gewissheit bringen. Das ist ein schlechter Hausherr, dem das Wetter durch das Dach gedrungen ist, und der dann auf der Nachbarschaft umherläuft und hie und da fragt: „Nachbar, sieht es denn in deinem Haus auch so aus, wie in meinem, oder gar noch ärger?“ und der dann in diesem gemeinsamen Ruin sich tröstet, und die Verwüstung weiter dringen lässt. Nein, der rechte Hauswirt läuft zum Meister. Er besinnt sich nicht lange, er berät sich nicht lange, er spricht zum Meister: „Bessere schnell den Riss aus, denn es könnte bald ein zweiter Platzregen kommen.“ Nun ist dem alten Johannes ein Riss in seinen Glauben gekommen. Er bedenkt sich nicht lange. Er selber kann nicht gehen, Herodes Kerkerdiener erlauben es ihm nicht. Da sendet er zwei seiner Jünger, die Ein- und Ausgang bei ihm hatten. Er sendet zwei, damit er ja eine volle Antwort bekomme. Was der Eine nicht sieht, soll der Andere sehen; was der Eine nicht hört, soll der Andere hören. Er sendet sie an den rechten Mann, vor die rechte Tür. Der Meister, der die Risse im Glaubensbau ausbessern kann, ist kein andrer, denn der den ganzen Bau ausgeführt hat, Jesus Christus. Er geht auch nicht lange um die Sache herum. Er lässt gleich die Grundfrage tun: „Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines Andern warten?“ Nun, mein Christ, wenn die Wellen des Unglaubens an dein Herz schlagen, wenn die Zweifel an deiner Seele nagen, hast du denn auch zwei Boten, die du zu Christo senden kannst? Ja, du hast sie, lass sie nur nicht schlafen. Sie sind: Gebet und Forschen in der Schrift. Den einen sollst du hinaufsenden zu dem Gnadenthrone Christi, den andern sollst du hineinsenden in das geoffenbarte Wort. Dennoch sollen sie beide Hand in Hand gehen. Du kannst nicht beten, ohne auf dem Boden der Schrift zu stehen. Die Schrift hat dich erst: „Gott“ und „Vater“ und „Heiland“ sagen gelehrt. Du kannst nicht forschen in der Schrift, ohne zu beten. Das Gebet ist das Grubenlicht, mit dem du in ihre Tiefen hineinsteigest. Wenn du betest, ohne den Glauben an Gottes Wort im Herzen zu haben, bist du wie ein Vogel, der in die Höhe will und doch keine Flügel hat. Wenn du die Schrift studierst ohne Gebet, bist du wie ein Bergmann, der in die Tiefe will und kein Licht hat. Mit diesen beiden Waffen geh an die Arbeit, durch diese beiden Boten frage an bei dem Herrn, ob er der sei, der da kommen solle. Und

II.

Antwort wird er auf die Frage geben,
Antwort aus dem Leben und zum Leben.

Aber, möchtest du sagen, hat denn Christi Antwort über ihn selber eine Bedeutung? Gilt denn sein Zeugnis von ihm selber? Er spricht ja selbst: „So ich von mir selber zeuge, so ist mein Zeugnis Nichts,“ Du hättest Recht in diesem Bedenken, wenn Christus zeugte mit bloßen Worten, mit Versicherungen des Mundes. Da könnte kein „Ja“ und kein „Wahrhaftig“ und kein Schwur ausreichen. Er gibt lebendige, sichtbare Antwort. Klar hatten die Propheten von dem Messias geredet. Sie hatten, so zu sagen, von dem, der da kommen sollte, und der ist der Heiland, ein Signalement gegeben. Es lautet bei Jesaias: „Alsdann werden der Blinden Augen aufgetan werden, und der Tauben Ohren werden geöffnet werden. Alsdann werden die Lahmen löcken wie ein Hirsch, und der Stummen Zunge wird Lob sagen.“ (Jes. 35,5.6.) „Der Geist des Herrn ist über mir, darum hat mich der Herr gesalbt. Er hat mich gesandt, den Elenden zu predigen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden; zu predigen den Gefangenen eine Erledigung, und den Gebundenen eine Öffnung; zu predigen ein gnädiges Jahr des Herrn, und einen Tag der Rache unseres Gottes, zu trösten alle Traurigen“ (Jes. 61,1.2.). Diese Beschreibung des zukünftigen Heilandes musste Johannes kennen. Der Prophet musste wissen, was seine Vorgänger von ihm geweissagt hatten. Diesem Signalement stellt der Herr nun seine Taten entgegen. Er spricht zu Johannis Boten: „Gehet hin und saget Johanni wieder, was ihr sehet und höret: Die Blinden sehen, die Tauben hören, die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein, die Toten stehen auf, und den Armen wird das Evangelium gepredigt.“ Passt denn nun nicht hier die Erfüllung auf die Weissagung wie die rechte Hand auf die linke? Ja wohl, und überall in zwiefachem Sinne. Die Blinden sehen. Die, denen Star und Nacht auf dem auswendigen Auge lag, die, welche blinder gewesen waren als Isaak, der seine Söhne nicht mehr unterscheiden konnte, bekamen Licht; und um die, so in Finsternis und Schatten des Todes gewandelt hatten, schien es helle. Die, denen kein Laut mehr in die Ohren drang, hörten recht und helle; und die, welche bisher gegen Gottes Wort so taub gewesen waren wie Kieselstein, hatten Ohren dafür. Der Leibesaussatz ward geheilt; und der alte Aussatz, der die Seele zerfrisst, die Sünde, wich auch vor dem Arzte. Die da lahm waren an den Füßen wie Jonatans Sohn Mephi Boseth, den seine Amme bei der Schreckensbotschaft von Gilboa hatte fallen lassen, die konnten gehen; und die vorher nach beiden Seiten gehinkt, die halb Gott und halb der Welt gedient hatten, die wandelten recht.

Ja, in der Erfüllung war noch mehr denn in der Weissagung. Der Herr fügt noch hinzu: „Und die Toten stehen auf.“ Wir kennen die drei, die er vom leiblichen Tode erweckt hat. Wer will aber die zählen, die er geistlich auferweckt hat? Ja, er hat Solche auferweckt, über denen die Erde und ihre Lust höher und schwerer lag, denn die Grabesdecke über den Begrabenen. -

Das war die Antwort an Johannis Jünger. Wahrlich es war eine Antwort aus dem Leben. Es war aber auch eine Antwort zum Leben. „Gehet hin,“ spricht Christus, „und saget dies Johanni wieder.“ Und sie sind hingegangen. Was meinet ihr wohl, welche Freude in dem armen Gefängnis gewesen sei. als diese Botschaft kam? Es freuet sich Gras und Blume und Baum und Strauch, wenn nach der Dürre ein Regen darauf fällt. Die welken Blätter heben sich. Vorher hingen sie schlaff zur Erde nieder, nun gehen die Spitzen himmelan. Aber größer war die Freude bei dem Gefangenen. „Er ist es, auf den die Väter gehofft haben, er ist gekommen, es soll kein Anderer kommen!“ Sein Kerker ward ihm helle, selige Gewissheit schien in seine Seele. Auch das Strafwort: „Selig ist, der sich nicht an mir ärgert“ stört ihn nicht. Er hatte es ja verdient. Die Botschaft von dem Tatenfelde Christi war ein Quell, der mit ihm floss durch seine Wüste. Und als Herodes Henker mit dem Schwert kam, hatte er auch für diese heiße Stunde einen Labetrunk darauf: „Und die Toten stehen auf.“ -

Geliebte Gemeinde, das tote Meer des Unglaubens ist gar groß. Seine Arme ziehen sich durch die ganze Erde hin, seine Busen und Buchten ziehen sich tief in die Christenheit hinein. Wenn du nun in seiner Nähe wohnst, wenn der Zweifel, ob Christus der Welt Heiland sei, dein Herz antastet, und du sendest jene zwei Boten zu Christo, ob er dir wohl auch Antwort gibt? Ja, er tut es, sende deine Boten nur kühn hinaus zu ihm und hinein in das Wort. Er wird dir auch antworten - „Die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Tauben hören, die Aussätzigen werden rein, und den Armen wird das Evangelium gepredigt.“ Er wird dir Leute zeigen in deiner Bekanntschaft, in der Gemeinde der Gläubigen, die blind waren für ihr Heil und taub für Gottes Ruf, und nun haben sie sehen und hören gelernt. Er wird dir Leute zeigen in deiner Bekanntschaft, deren Wandel befleckt war mit dem Aussatz von Lug und Trug, von Wollust und Galle, und sie sind rein geworden, sie wandeln richtig vor dem Herrn. Er wird dir Leute zeigen in deiner Bekanntschaft, die geistig tot waren und siehe! sie leben; verlorene Söhne, die die Säue gehütet haben, und sie sind wieder bei ihrem Vater und dienen ihm. Und kannst du sie in deiner jetzigen Bekanntschaft nicht finden, so suche sie in der Geschichte der christlichen Kirche, denn die Gläubigen aller Zeiten sollen auch deine Bekannten sein. Im Rheinland lebte einst eine arme Witwe. Die Not lag hart auf ihr. Ein Stück Hausrat nach dem andern war verkauft. Endlich hatte sie nur noch ein neues Testament, über das sie verfügen konnte. Mit blutendem Herzen versetzte sie es bei einem Juden. Dieser nahm es, lud sich noch zwei Genossen dazu und wollte das Evangelium Matthäi mit ihnen durchlesen, um sich einmal über den Jesus von Nazareth recht satt zu lachen. Sie fingen an zu lesen und zu lachen. Aber je weiter sie hineinkamen, um so leiser ward das Lachen bei dem, der das ganze lose Treiben angefangen hatte. Und als sie hinkamen nach Golgatha, da verstummte sein Lachen ganz. Sie lasen fertig. Als sie fertig waren, fing jener allein an das Buch noch einmal zu lesen. Er las es aber nicht mehr mit Lachen. Und als er wieder hinkam nach Golgatha, da weinte er unter der Kreuzesstätte, wie weiland die Weiber, die Christo aus Galiläa gefolgt waren. Und als er ausgelesen hatte, da stand es ihm fest, dass Jesus der sei, der da kommen sollte, auf den die Väter gehofft, von dem die Propheten geweissagt haben; da stand er auf und suchte einen Geistlichen und bat ihn, dass er ihn taufen sollte auf den Namen Jesu Christi. -

Nun Geliebte, wenn denn das Wort Gottes selber den, welcher es ohne Gebet zum Spott lesen wollte, überzeugen kann, dass Jesus ist der Christ, der Heilige Gottes, der Welt Heiland - wie soll es nicht den überzeugen, der als ein redlicher Sucher mit demütigem Gebet daran geht. Aber daran fehlt es, dass die Meisten, die gegen Christum reden, sich nie Mühe gegeben haben, die alte Gnadenurkunde mit Ernst und Gebet zu lesen, sie wohl seit ihren Kinderjahren nicht wieder in die Hand genommen haben. - Wohlan denn, senke deine Seele hinein! Der Herr wird dir eine Antwort geben aus dem Leben zum Leben. Das Wort wird ein Tau sein, der auf deine Seele fällt. Der Zweifel wird weichen. Die dürren Auen werden in dir grünen. Aus dem Lebensquell wird neues Leben in dein Herz quillen. Du wirst rühmen: „Ich bin nie so selig gewesen, ich habe nie ein solches Leben in mir gefühlt, als in dieser Gnadenzeit.“ Du wirst trauern, dass du dich je an Christo geärgert hast. Du wirst sagen: „Es war eine arme Zeit. Gottlob, dass sie vorbei ist.“ Und wer hat das Alles getan? Der die Blinden sehen, der die Lahmen gehen, der die Tauben hören, die Aussätzigen rein werden und die Toten aufstehen heißt. Er hat es getan, und kein Anderer. -

Wollen wir noch eines Andern warten? Nein. Die Sonne der Gerechtigkeit ist aufgegangen. Wenn nun mitten am Tage, wo die äußere Sonne schon hoch stehet, Jemand unverwandt, nach Oben schaute, als ob sie erst kommen sollte, so würden wir ihn einen Toren nennen. Wir würden ihm sagen: Da steht sie ja, du willst nur nicht sehen. Ein solcher Tor ist auch der. der nach einem andern Heiland ausschaut. So wahr die alte Sonne, die wir kennen, die rechte ist, von Gott bestimmt, die Erde zu erleuchten und zu erwärmen und zu geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre: so wahr ist Jesus Christus die einzige Sonne der Gerechtigkeit, von Gott geordnet und gesetzt, den inwendigen Menschen zu erleuchten und zu erwärmen, und ihm zu geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre. Es geht keine andere Gnadensonne auf, und wenn sich noch so Viele ihrem Lichte verschließen. - Sie hat genugsam von sich gezeugt. Uns liegt nun das ob: Wie Christus mit seinem Leben und Sterben bezeuget hat, dass er der Christ sei, so wollen wir mit Leben und Sterben bezeugen, dass wir Christen sind. Das walte in uns, dazu helfen uns der dreieinige Gott durch seine Gnade. Amen.

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