Ahlfeld, Johann Friedrich - Siehe, dein König kommt zu dir in Macht und Herrlichkeit.

Ahlfeld, Johann Friedrich - Siehe, dein König kommt zu dir in Macht und Herrlichkeit.

(II. Sonntag des Advents.)

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.

Text: Luk. 21. 25 -36.
Und es werden Zeichen geschehen an der Sonne, und Mond und Sternen; und auf Erden wird den Leuten bange sein, und werden zagen; und das Meer und die Wasserwogen werden brausen. Und die Menschen werden verschmachten vor Furcht und vor Warten der Dinge, die kommen sollen auf Erden; denn auch der Himmel Kräfte sich bewegen werden. Und alsdann werden sie sehen des Menschen Sohn kommen in der Wolke, mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, so sehet auf, und hebet eure Häupter auf, darum, dass sich eure Erlösung nahet. Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Sehet an den Feigenbaum und alle Bäume. Wenn sie jetzt ausschlagen, so sehet ihr es an ihnen und merket, dass jetzt der Sommer nahe ist. Also auch ihr, wenn ihr dies Alles sehet angehen, so wisset, dass das Reich Gottes nahe ist. Wahrlich, ich sage euch: Dies Geschlecht wird nicht vergehen, bis dass es Alles geschehe. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht. Aber hütet euch, dass eure Herzen nicht beschweret werden mit Fressen und Saufen und mit Sorgen der Nahrung, und komme dieser Tag schnell über euch. Denn wie ein Fallstrick wird er kommen über Alle, die auf Erden wohnen. So seid nun wacker allezeit, und betet, dass ihr würdig werden möget, zu entfliehen diesem Allem, das geschehen soll, und zu stehen vor des Menschen Sohne.

Geliebte Christen! Ein großer Unterschied ist oft zwischen zwei Sonntagen, die dicht neben einander liegen, besonders in dieser Jahreszeit. An dem einen geht man trocknen Fußes zur Kirche, und die Sonne scheint so freundlich herab, wie wenn sie Ihres mittun wollte, dass es ja ein rechter Sonntag werde. Und am andern bahnt man sich den Weg durch den Schnee, und das Wetter wirbelt immer noch fort, als ob es die Kinder Gottes hindern wollte, sich vor dem Angesicht ihres Herrn zu versammeln.

Da spricht denn ein Kirchgänger zu dem andern: „Wie ist es doch heute so ganz anders als vor acht Tagen!“ - Liebe Christen, sehen wir das heutige Evangelium an, und vergleichen wir es mit dem vorigen, so wandelt uns dasselbe Gefühl an, nur in dem Grade gewaltiger, als der große Gerichtstag Gottes gewaltiger ist, denn jeder Winter- und Wettertag. Wie ist doch das heutige Evangelium so ganz anders als das vor acht Tagen! Dort kam Christus vom Ölberge hernieder - hier kommt er hernieder von dem Thron seiner ewigen Herrlichkeit, von der Rechten seines himmlischen Vaters. Dort kam er inmitten eines armen Volks- und Kinderhaufens, reitend auf einer Eselin - und hier inmitten der himmlischen Heerscharen in des Himmels Wolken. Dort kam er unter dem „Hosianna“ seiner Begleiter - hier heißt es: „Und das Meer und die Wasserwogen werden brausen. Und die Menschen werden verschmachten vor Furcht und Warten der Dinge, die da kommen sollen auf Erden; denn auch der Himmel Kräfte sich bewegen werden.“ Dort zieht er in Jerusalem ein - hier zieht er ein in den ganzen Kreis der Erden. Denn dann soll die ganze Erde ein Jerusalem, ja ein Zion, ja ein Tempel Gottes geworden sein. Dort treibt er aus, die nicht in den Tempel gehören - hier stößt er aus, die nicht in sein Reich gehören. Er sitzet und schmelzet und reiniget das Silber. Er scheidet das Silber von den Schlacken. - Also in den beiden Evangelien steht die erste und letzte Ankunft des Herrn nebeneinander: sein Kommen in der Niedrigkeit, sein Kommen in der Herrlichkeit; sein Kommen in der Geschichte, sein Kommen zum Gerichte; sein Kommen die streitende Kirche zu gründen, sein Kommen ihren Triumph zu verkünden.

Warum hat denn aber die Kirche diese beiden großen Tage so eng zusammengefasst, warum hat sie sie in den Evangelien wie Nachbarn neben einander gestellt? Darum, dass du erkennen sollst, wie Alles beschlossen ist in Jesum Christum, wie er das A und O, der Anfang und das Ende ist. Diese zwei Tage sind wie zwei Hände. Die eine legt er an den Anfang der Geschichte, und mit der andern fasset er ihr Ende, damit er Alles zusammenbündle in ein Bündlein. Die Kirche hat diese beiden Tage neben einander gestellt, damit, was der eine nicht ausrichtet, der andere ausrichte. Kann dich der Demutszug des Herrn, der erste Advent, nicht aufwecken, so soll dich sein Siegesgang, der letzte Advent, aufschrecken. Ist es dir zu klein in das „Hosianna“ der Kinder einzustimmen, so besiegt wohl das „Hosianna in der Höhe“ aus Engelsmund dein Herz, dass du rufen lernst: „Hilf doch, erbarme dich doch meiner, du Sohn Davids.“ - Haben wir uns denn vor 8 Tagen zugerufen: „Siehe dein König kommt zu dir, sanftmütig,“ so rufen wir heute.

Siehe, dein König kommt zu dir in Macht und Herrlichkeit.

Den Inhalt dieses großen Wortes zerteilen wir uns nach unserm Texte in dieser Folge:

Dein Herr kommt zum Gericht mit großer Macht,
Er kommt, ob auch der Spötter seiner lacht,
Christ, mach dich fertig und steh auf der Wacht,
Sonst kommt er wie ein Dieb in finstrer Nacht.

l. Dein Herr kommt zum Gericht mit großer Macht.

Jesus Christus, geliebte Christen, ist heimgegangen in seines Vaters Reich. Zwischen diesem Reiche und seinem Reiche hienieden ist keine Kluft befestigt, dass wir nicht hinüber könnten, dass er nicht herüber könnte. Im brünstigen Gebet steht die Seele an der Himmelspforte, und ein Stephanus sah unter den Händen seiner Steiniger und Peiniger den Himmel offen. Und wenn du hinüber kannst, wenn dem Diener der Weg offen steht, dann wird er dem Herrn auch offen stehen, dann wird der Herr auch herüber können. Er kommt auch alle Tage herüber im stillen Gange. Er kommt Seelen zu wecken aus dem Todesschlaf. Er kommt die Erweckten zu stärken. Er kommt Seelen abzufordern aus der Pilgerschaft. Es ist ein stetes Gehen und Kommen zwischen der streitenden und triumphierenden Kirche. Wenn dies nicht wäre, wären wir dem Fürsten dieser Welt längst unterlegen. Es ist das Himmelreich die große Hauptstadt der Kirche, aus der dem armen kleingläubigen Streiterhaufen die Kräfte und Heere Gottes ungesehen und ungezählt, aber nicht ungefühlt, zuziehen. Es ist das Himmelreich die hohe Burg, von der aus Christus sein großes Regiment führt über die Kirche. Er ist von dort aus bei ihr alle Tage bis an der Welt Ende. Er kommt alle Tage.

Das aber ist in unserm Evangelio nicht gemeint. Es gibt in der Geschichte seiner Kirche besondere Ankunftszeiten. Er kommt in großen Taten in der Geschichte. Wenn gewissen Völkern die Gnadensonne lange geschienen hat, und sie sind kalt und tot geblieben, ja sie sind immer kälter und toter geworden, dann kommt er zum Gericht solcher einzelnen Völker, dann stößt er den Leuchter unter ihnen um, dann schlägt er sie mit mächtigem Arm. Und unter solchen Schlägen muss sein Reich wachsen. Er ist gekommen in der Zerstörung Jerusalems. „Dies Geschlecht wird nicht vergehen, bis dass Alles geschehe.“ Gegen 40 Jahre nach seiner Himmelfahrt, im Jahre 71 nach seiner Geburt hienieden, zerbrach er die stolze, verhärtete Stadt. Es war dies wieder ein Anstoß zur Läuterung und zum Wachstum seines Reiches. Denn die letzten Gedanken von einem irdischen Reiche stürzten mit den Mauern der Stadt und brannten nieder mit dem brennenden Tempel. Und weil nun Israel keinen Tempel, keinen Altar, keinen Leibrock mehr hatte, weil es kein Volk mehr war, musste es immer klarer werden, dass der Herr sich ein neues Israel aus allen Geschlechtern der Erde bauen wollte. An Zeichen aber, an Furcht und Warten der Dinge, die da kommen sollten auf Erden, hat es nicht gefehlt. Josephus. der uns den Untergang des jüdischen Reichs durch die Römer beschreibet, erzählt, wie ein Mensch mit Namen Jesus, ein Sohn des Ananus, schon vier Jahre vor dem Kriege, da die Stadt noch in Frieden und Fülle lebte, durch die Straßen Jerusalems zog und Tag für Tag ausrief: „Wehe, wehe über Jerusalem!“ Und ob ihn auch der römische Landpfleger geißeln ließ, dass die Gebeine offen lagen, er hatte keine andere Antwort auf die Schläge, als: „Wehe über Jerusalem!“ Das trieb er fort, bis in die Tage, da die Römer die Stadt mit Wällen und Wagenburgen einschlossen. Am letzten Tage rief er aus: „Wehe auch mir!“ An diesem Tage ward er durch einen Stein von einer römischen Wurfmaschine getroffen. Sein letztes Wort war: „Wehe über Jerusalem!“ Derselbe Geschichtsschreiber Israels erzählt uns, dass der Tempel Jerusalems von Titus gerade an demselben Jahrestage verbrannt ward, wo er fast 700 Jahre früher von Nebukadnezar verbrannt war. Wer es liest, der merke darauf!

Wer will uns hindern, auch in der Reformation und in den Schrecken, die ihr folgten, ein Kommen des Herrn zu sehen? Er hat seine Kirche sichten wollen, wie man den Weizen von der Spreu sichtet. Bewegung und Erwartung der Völker ist ihr genug vorangegangen. Und so wir nach Zeichen fragen, so mögen wir nur den Melanchthon hören. Dieser erzählt, wie 30 Jahre vor Luther zu Eisenach ein armer Mönch, Namens Johannes Hilten eingekerkert sei, weil er die Irrlehre und die Missbräuche der katholischen Kirche mit scharfem Wort gerügt habe. Als ihm die Mönche im Gefängnis hart zusetzten, sagte er ihnen ins Angesicht - „Im Jahre 1516 wird ein Anderer kommen. der wird eure Herrlichkeit zu Grunde richten, dem werdet ihr nicht widerstehen können.“ Und als er endlich im Kerker gestorben war, fand man diese Weissagung auch in seinen Büchern.

Doch alle diese Wege des Herrn sind nur kleine Vorboten auf seine große Zukunft, es sind nur Zeugnisse, dass seine Weissagungen Ja und Amen sind. Sie sind Weckstimmen für die Ungläubigen, sind Stärkungen für die Gläubigen. - Einst wird er kommen in der Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit, Sichtbar wird er wieder auf die Erde treten. Wie der Blitz ausgeht vom Anfang und scheinet bis zum Niedergang, also wird auch sein die Zukunft des Menschensohnes. Dann ist die Kirche sein Jerusalem. Dann scheint sein Glanz nicht allein in die Herzen der Lebendigen, sondern sein Licht und Ruf dringet in die Gräber. Dann wird nicht allein die neue Gottesstadt, die Kirche, erreget, sondern der weite Kirchhof, Erde, Meer und Hölle geben ihre Toten wieder. Es werden alle Völker um ihn versammelt, die da waren und die da sind. Die Toten werden angekleidet mit neuen Leibern, und die Heiligen, die da leben, werden überkleidet mit verklärten Leibern. Dann wird er sein Gericht halten, dann wird er den Weizen von der Spreu, das Silber von den Schlacken, die Schafe von den Böcken scheiden. Das ist dann seine letzte Ankunft. Er braucht nicht wieder zu kommen. Er gibt dann Allem seine ewige Gestalt. Dann ererben seine Heiligen ewiges Leben und ewiges Erbe, und die sich verstocket haben ewige Verdammnis. Es ist der Schluss aller Geschichte. Sünde und Gnade haben ausgerungen mit einander. Die Gnade hat gesiegt. In wem sie aber nicht gesiegt hat, für den ist alle Gnadenzeit aus, er fällt in den Arm der Gerechtigkeit. Schrecklich aber ist es in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.

Die Zeichen aber, die diesem großen Tage vorangehen, geschehen am Firmament, an Sonne, Mond und Sternen, geschehen an der Natur - das Meer und die Wasserwogen werden brausen! - geschehen an dem Menschenherzen: auf Erden wird den Leuten bange werden vor Furcht und Warten der Dinge, die da kommen sollen auf Erden. Sie müssen aber dann an allen Dingen geschehen, weil alle Dinge an diesem großen Tage Teil haben sollen, weil Gott dann einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, und weil er die Auserwählten völlig erneuern will in seinem Sohne.

II. Er kommt, ob auch der Spötter seiner lacht

Ist das wahr, liebe Christen? Kommt Jesus zum Gericht mit großer Macht? Ja, er kommt, ob auch der Spötter seiner lacht. Worauf ruht diese Wahrheit? Sie ruht auf Jesu eigenem Worte, und das ist fester als irgend ein Felsen, und wäre es ein Granit, der bis in die Mitte der Erde mit seinen Wurzeln hineinreichte. Er aber kannte unseren schwachen Glauben in diesem Stück. Was nur einmal geschieht in der ganzen Geschichte der Welt, was nur einmal geschehen kann, was der Herr hingesetzt hat an das Ende der Tage, wovon Niemand aus Erfahrung reden kann, das ist vor Allem dem Zweifel ausgesetzt. An Nichts hat dieser mehr genagt, als an Christi Wiederkunft zum Gericht. Die Geburt des Herrn kannst du in dir feiern, in der Wiedergeburt. Die Auferstehung des Herrn kannst du in dir feiern, wenn der alte Mensch mit allen Lüsten und Begierden in dir stirbt, und du in einem neuen Leben wandelst. Die Ausgießung des heiligen Geistes kannst du in dir feiern in deinen Pfingsttagen. Diese Pfingsttage können auch mitten im Winter sein. Auch in Frost und Wetter kann dich der Odem des Heiligen Geistes anwehen. Aber dieses letzte große Totenfest hat keinen Vorgang im inneren Leben, der ihm ähnlich wäre. Es reichet Alles nicht hinein. Darum hat hier der Zweifel, der Unglaube und der Spott sein sonderliches Feld. Darum lässt es dir aber auch der Herr von drei Evangelisten fast mit denselben Worten erzählen. Darum drücket er bei allen dreien selbst sein Siegel drauf. „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“ -

Der Glaube an die Ankunft des Herrn ruht aber auch schon auf der Geschichte. Wenn du eine Reise machst in ein unbekanntes Land, so fragst du einen des Landes und Weges kundigen Mann, was dir begegnen wird. Und er antwortet dir etwa: „Wenn du eine kleine Strecke gezogen bist, so kommt ein wilder Strom, der das sichre Land an den Ufern fortreißt, und dahinströmt unter Brausen und Zerstören. Doch wirst du eine Brücke finden, die dich sicher über ihn leitet.“ Und nun beschreibt er weiter. Und zuletzt heißt es: „Des Landes Grenze ist ein wildes Meer. Seine Fluten gehen so hoch, wie die Fluten keines andern Meeres, und die Stürme rasen auf ihm wie auf keinem andern. Doch ist ein Steuermann oder ein Lotse da, der dich treu und sicher hinüber führt.“ - Du ziehst nun vorwärts, du findest Strom und Brücke. Du glaubst nun auch dem weitern Wort des Raters, auch von dem Meer, das du noch nicht gesehen, auch von dem Lotsen, der dich führen soll. Sieh, der Pilgersmann, das ist die Kirche. Der Wegweiser, der ihr Fingerzeige gegeben hat in das finstere Land der Zukunft, das ist der Herr. Der Strom, der Land und Leute fortgerissen, war das Gericht über das jüdische Volk. Die Brücke über diesen Strom war Gottes Gnade, die damals seine Kirche wunderbar beschirmte. Die Kirche hat nun so weit erfahren, dass Jesu Wort die lautere Wahrheit war. Sie hat es schon weiter erfahren. Soll sie es nun nicht glauben von dem Sturm und der Flut seiner Wiederkunft und des Gericht? Hast in 1800 Jahren keinen Betrug in seinem Munde erfunden, und du wirst auch keinen erfinden in der Zeit, die dir und der Kirche noch übrig ist bis hin an ihre Grenze. Seine ersten Weissagungen sind Ja und Amen geworden, und die letzten werden es auch. -

Der Glaube an die Zukunft des Herrn ruht auch auf unserm eigenen Denken. Wer mit dem Saattuche still durch sein Feld gehet, die weichen Furchen entlang, und ausstreut guten Samen auf seinen Acker, ist der nun fertig? Kommt der nicht wieder? Lässt er es nun wachsen und reifen, wie es will? O nein, er kommt zur Zeit in festem Schritt mit der Sense, und lässt sie hinrauschen durch die vollen und leeren Halme. Dein Herr hat auch gesät, er ist über das Land geschritten, das Johannes mit dem Pflug der Bußpredigt ausgerissen hatte. Er hat gesät bis in seinen Tod. Vom Kreuze herab hat er die Saat noch mit seinem teuren Blut begossen. Soll er nun nicht kommen zur Ernte? Ja er wird kommen. -

So Jemand ein Netz aufgestellt hat in den Fluss oder in das Meer, so geht er von dannen. Kommt er denn aber nicht wieder? Ja er kommt wieder, er wird es zuziehen, er wird es ans Land ziehen, er wird zusehen, was er gefangen hat. Er wird die guten Fische auslesen in seine Gefäße, und die schlechten wird er wegwerfen. - Der Herr hat auch ein Netz aufgestellt. Das Netz ist seine Kirche. Er dehnt es immer weiter aus, damit es den ganzen Strom des Menschengeschlechts bespanne. Soll er nun nicht kommen und sein Netz zusammen und ans Land ziehen? Ja er wird kommen am letzten Tage. Er wird es an das einzige feste Ufer des großen Meeres ziehen; dies Ufer und Land ist sein ewiges Reich. -

Der du aber dieser evangelischen Lehre lachst, was dünket dich um die Welt und ihre Zukunft? Soll es ewig so fortgehen: geboren werden und sterben, freien und sich freien lassen, einmal ein Krieg und eine Pest, dann wieder Friede und Gesundheit, heute das Angesicht voll Lachen und morgen voll Tränen? Soll die Welt ein ewiger Kirchhof sein, wo fort und fort die Geschlechter in den Staub sinken, und aus dem Staub immerfort neue Geschlechter sich erheben? Soll die Sünde wuchern fort und fort ohne Maß und Ziel, und in neuen Formen und Farben sich erheben? Und soll das Reich Gottes einen ewigen Kampf kämpfen, ohne einst ein Siegeslied zu singen, ohne ein letztes, volles Halleluja? Nein, so wahr Gott die Welt geschaffen hat mit seinem Wort, so wahr er den Erneurer, seinen lieben Sohn gesandt hat, so wahr wird er einst ihre Erneuerung vollenden. Himmel und Erde werden vergehen, aber seine Worte werden nicht vergehen. Die Stunde aber, wann des Menschen Sohn kommen wird, weiß Niemand, denn allein der Vater. Darum

III. Christ, mach dich fertig und steh auf der Wacht, Er kommt sonst wie ein Dieb in finstrer Nacht.

Der ganze Schluss unseres Evangeliums ist eine große Warnung. „Aber hütet euch, dass eure Herzen nicht beschwert werden mit Fressen und Saufen und Sorgen der Nahrung, und komme dieser Tag schnell über euch. Denn wie ein Fallstrick wird er kommen über Alle, die auf Erden wohnen. So seid nun wacker allezeit und betet, dass ihr würdig sein möget, zu entfliehen diesem allem, das geschehen soll, und zu stehen vor des Menschen Sohne.“ Zwei Dinge sind es besonders, die uns in diese Sicherheit einwiegen vor dem Tode und vor dem Kommen des Herrn. Es ist die Lust des Lebens, es ist der Genuss, der den Tag und den Abend seine Befriedigung gefunden hat und den Morgen wieder nachdenkt, wo er sie heute finden soll. Du siehest darin wohl um dich, du siehest wohl unter dich. Du hebest auch in Freude und Mut deines natürlichen Menschen dein Haupt empor, du reckest es hoch auf. Aber willst du dabei sehen, ob sich deine Erlösung nahet? Nein, du willst ja nicht los sein, du zitterst vor der Erlösung, die dir keine Erlösung ist. Du reckst und streckst dich um zu zeigen, wie wohl du in deiner Lust zu Hause bist, und wie du nicht heraus willst. Erst musst du das Haupt mit Demut niedersenken lernen, erst musst du arm werden in dem Herrn, erst musst du fühlen, dass deine Freude Nichts ist, als wilde Blumen um ein hohles Grab - dann lernst du dein Haupt emporheben und aufschauen nach deiner Erlösung. -

Das ist die eine Hälfte unter uns. Die andere gehet einher verstrickt in Sorgen des Lebens. Sie sieht zur Erde nieder. Sie singt das Klagelied: „Was werden wir essen, was werden wir trinken, womit werden wir uns kleiden?“ O du Sorgenkind, soll dich denn dein Sorgen um den köstlichsten Ausblick betrügen? Tue nach Gottes Ordnung was in deinen Kräften steht. Dann lass ihn sorgen. „Schaue die Vögel unter dem Himmel an, die nicht säen und nicht ernten und nicht in die Scheuern sammeln. Und dein himmlischer Vater nähret sie doch. Bist du denn nicht viel mehr denn sie? Schaue die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen. Sie nähen nicht, sie spinnen auch nicht. Und doch sage ich dir, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht bekleidet gewesen ist, als derselbigen eins. Bist du denn nicht viel mehr denn sie?“ Wie tief ist aber die Sicherheit, in die uns die Freude und die Sorge dieser Welt wieget! Wenn dir Jemand gewiss verkündigen könnte: „In vier Wochen wirst du sterben,“ ei, würdest du da auf deiner Sicherheit herausgeschreckt! Du schlössest deine Rechnungen, du machtest dein Testament, du suchtest das Angesicht deines Gottes, du lägest vor ihm auf den Knien, dass er dir ein seliges Ende bescherte. In deinem Haus wärst du ein Engel des Friedens, es ginge so still darinnen her, als ob es ein Vorhof zum Himmel wäre. Deine Kinder sprächen leise untereinander: „Lasset uns in Liebe und in der Furcht Gottes wandeln mit dem Vater, denn er geht bald von uns.“ Ja, ich glaube, du gingest zu deinem Feinde, reichtest ihm die Hand und sprächest: „Mein Bruder, mir ist mein Sterbetag angesagt, wir haben einen alten Hader mit einander; wir wollen unsere Feindschaft nicht erst in den Sarg legen und sie da vermodern lassen; wir wollen sie noch tilgen, dieweil wir im Leben sind. Ich vergebe dir, so wahr ich hoffe, dass mir mein Gott meine Sünde vergebe; vergib du mir auch.“ Und dann ließest du den Tag still herbeikommen und beföhlet dich in Gottes Barmherzigkeit in Christo seinem Sohne. Das tätest du, wenn du wüsstest, dass du in vier Wochen stürbest. Nun bist du aber nicht eine einzige Stunde sicher. Wer sagt dir denn, dass du noch einen Termin von vier Wochen hast? Über Nacht kann der Herr deine Seele von dir fordern. Und da kannst du Tage und Monden hinleben, ohne deine Rechnung mit Himmel und Erde zu machen, ohne deinen Frieden mit Gott und Menschen zu schließen? Sonst fährst du so klüglich; wo ist denn hier deine Klugheit? In deiner Sicherheit kommt der Tag des Herrn wie ein Fallstrick über dich. Hiobs Söhne und Töchter saßen und aßen und tranken im Haus des erstgebornen Bruders. Da fasste ein Sturm das Haus an seinen vier Ecken, und das Haus erschlug sie allzumal, Beltsazer, der Chaldäerkönig, saß zu Babel mit seinen Höflingen und Weibern beim lustigen Mahl. Da schrieb eine ungesehene Hand an die Wand: „Ich habe dich gewogen und zu leicht gefunden.“ Da erschrak der König, dass ihm die Lenden schütterten und die Beine zitterten. In der Nacht brachen die Perser herein, und der Chaldäerkönig ward getötet. -

Dein Leben hängt an keinem festern Faden, als das der Kinder Hiobs und des Chaldäerkönigs. Es kann gar leicht im Leben ein solcher Unterschied zwischen zwei Sonntagen sein, wie zwischen zwei Sonntagen im Wort. Die Ankunft deines Herrn zum Gericht kann so nahe sein wie die des Perserkönigs. Du hast so wenig einen Sicherheitsbrief wie Jene, nicht einmal einen Heimatsschein auf etliche Jahre. Wohlauf denn! Reiß dich los aus den Banden der Lust und Sorge. Sei wacker allezeit. Wache und bete. Stehe fest im Glauben. Heilige dem Herrn dein Leben. Stelle dir seine Zukunft fleißig vor. Und wenn du an das liebe Weihnachtsfest denkest, und es geht wie ein Freudenstrahl der Gedanke durch die Seele: „Der Herr ist gekommen sanftmütig,“ dann mag dich auch der andere durchzittern und durchschauern: „Er wird kommen in Herrlichkeit und Macht, er kommt vielleicht bald.“ Tue es, es dient dies zu deinem Frieden. Ja, tu es, Christ, sei auf dein Heil bedacht. Sei allzeit fertig und steh auf der Wacht, Sonst kommt wie ein Dieb in finstrer Nacht. Amen.

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