Spurgeon, Charles Haddon – Ein Brunnen lebendigen Wassers - Geheilt durch Jesu Wunden.

Spurgeon, Charles Haddon – Ein Brunnen lebendigen Wassers - Geheilt durch Jesu Wunden.

Dies war die zweitausendste Predigt, die Spurgeon in ununterbrochener Reihenfolge erscheinen ließ. Sie ward bei der Eröffnung einer neuen von ihm erbauten Kapelle gehalten. Anm. d. Üb.

“Durch seine Wunden sind wir geheilt.“
Jes. 53, 5.

Eines Abends hörte ich in Exeter Hall von unserem lieben verstorbenen Bruder Mackay eine Rede, in welcher er uns etwa Folgendes erzählte: ein Mann war in tiefer Seelenangst und fühlte, dass er nicht ruhen könne, bis er das Heil gefunden. Deshalb nahm er die Bibel in die Hand und sagte zu sich: „Das ewige Leben ist irgendwo in diesem Worte Gottes zu finden; und wenn es hier ist, so will ich es finden, denn ich will das Buch ganz durchlesen und bei jeder Seite zu Gott beten, ob sie nicht vielleicht irgendeine errettende Botschaft für mich enthält.“ Der ernste Sucher las das erste, zweite, dritte Buch Mose durch und dann weiter, und obgleich Christus ganz augenscheinlich dort ist, konnte er ihn doch nicht in den Vorbildern und Symbolen finden. Ebenso wenig gewährten die heiligen Geschichten oder das Buch Hiob ihm Trost. Er ging die Psalmen durch, aber er fand seinen Heiland nicht darin, und ein Gleiches war der Fall bei den andern Büchern, bis er zum Jesaias gelangte. Diesen Propheten las er durch bis nahe ans Ende, und dann, im 53. Kapitel, fesselten diese Worte seine freudige Aufmerksamkeit: „durch seine Wunden sind wir geheilt“. „Nun habe ich es gefunden“, sprach er, „hier ist die Heilung, die ich für meine sündenkranke Seele brauche, und ich sehe, wie sie mir durch die Leiden des Herrn Jesu Christi zu Teil wird. Gelobt sei sein Name, ich bin geheilt!“ Es war gut, dass der Sucher verständig genug war, in dem heiligen Buche zu forschen; es war noch besser, dass in diesem Buche solch Leben gebendes Wort war und dass der Heilige Geist es dem Herzen des Suchenden offenbarte. Ich sagte zu mir selbst: „Dieser Spruch ist mir gerade recht und vielleicht wird eine Stimme von Gott abermals durch denselben zu einem andern erweckten Sünder reden.“ Möge er, der durch diese Worte zu dem Kämmerer der äthiopischen Königin sprach, auf den sie bei seinem Forschen in der Schrift ebenfalls Eindruck machten, auch zu vielen. sprechen, welche diese Predigt hören oder lesen werden! Lasst uns beten, dass es so sein möge. Gott ist sehr gnädig, und er wird. unsere Gebete hören.

Der Zweck meiner Rede ist sehr einfach; ich möchte dem Texte gerecht werden, und ich möchte an euch kommen. Möge der Heilige Geist mir Kraft geben, beides zur Ehre Gottes zu tun!

I.

In dem Bemühen, zu der vollen Bedeutung des Textes zu kommen, möchte ich zuerst bemerken, dass Gott in unendlicher Barmherzigkeit hier die Sünde als eine Krankheit behandelt. „Durch seine Wunden“ das heißt die Wunden des Herrn Jesu „sind wir geheilt.“ Durch die Leiden unseres Herrn ist die Sünde vergeben, und wir sind von der Macht des Bösen befreit; dies wird als die Heilung einer tödlichen Krankheit betrachtet. Der Herr behandelt in diesem jetzigen Leben die Sünde als eine Krankheit. Wenn er sie sofort als Sünde behandelte und uns zur Verantwortung vor die Schranken seines Gerichtes forderte, würden wir sogleich über den Bereich der Hoffnung hinaussinken, denn wir könnten weder auf seine Anklagen antworten, noch uns vor seiner Gerechtigkeit verteidigen. In großer Barmherzigkeit sieht er mit Mitleid auf uns und behandelt fürs erste unser schlechtes Verhalten mehr wie eine Krankheit, die zu heilen ist, denn als eine Empörung, die zu strafen ist. Es ist sehr gnädig von ihm, dass er dies tut, denn, wenn auch die Sünde eine Krankheit ist, so ist sie doch sehr viel mehr. Wären unsere Missetaten das Ergebnis einer unvermeidlichen Krankheit, so möchten wir eher Mitleid als Tadel verdienen; aber wir sündigen vorsätzlich, wir wählen das Böse, wir übertreten im Herzen und tragen deshalb eine sittliche Verantwortlichkeit, welche die Sünde zu einem unendlichen Übel macht. Unsere Sünde ist mehr unser Verbrechen, als unser Unglück; indessen, Gott sieht sie auf eine Weile anders an. Um mit uns auf einer hoffnungsvollen Grundlage verhandeln zu können, blickt er auf die Krankheit der Sünde und noch nicht auf die Schlechtigkeit derselben. Auch ist dies nicht ohne Ursache, denn Menschen, die in groben Lastern leben, werden oft von ihren Mitmenschen nicht nur für ganz schlecht, sondern für teilweise wahnsinnig gehalten. Neigungen zum Bösen sind gewöhnlich mit einem größeren oder geringeren Grade geistiger, vielleicht auch körperlicher Krankheit verbunden. Jedenfalls ist die Sünde eine geistliche Krankheit der schlimmsten Art.

Die Sünde ist eine Krankheit, denn sie gehört nicht wesentlich zum Menschen, und ist ein kein notwendiger Teil der menschlichen Natur, so wie Gott diese erschaffen hat. Nie war der Mensch völliger und wahrhafter ein Mensch, als er es war, ehe er fiel; und er, der in besonderem Sinne der Menschensohn“ heißt, wusste von keiner Sünde, und es ward auch kein Betrug in seinem Munde erfunden, dennoch war er vollkommen ein Mensch. Die Sünde ist abnorm; ein krebsartiges Gewächs, das nicht in der Seele sein sollte. Die Sünde stört die Menschheit, sie entmenscht den Menschen. Sie ist ihm verderblich, sie nimmt die Krone von seinem Haupte, das Licht von seinem Geiste und die Freude von seinem Herzen. Wir können viele traurige Krankheiten nennen, welche die Zerstörer unseres Geschlechtes sind, aber die größte von ihnen ist die Sünde, diese ist in der Tat das verhängnisvolle Ei, aus dem alle andern ausgebrütet werden. Sie ist die Quelle und der Born aller tödlichen Krankheiten.

Sie ist eine Krankheit, weil sie den ganzen Organismus des Menschen in Unordnung bringt. Sie stellt die niedrigeren Fähigkeiten an den höheren Platz, denn sie macht den Körper zum Herrn über die Seele. Der Mann sollte das Pferd reiten, aber in dem Sünder reitet das Pferd den Mann. Der Geist sollte die tierischen Instinkte und Neigungen im Zaum halten, aber in vielen Menschen zertritt das Tier das Geistige und Geistliche. Wie viele leben z. B. als wenn Essen und Trinken die Hauptzwecke des Daseins wären; sie leben, um zu essen, statt zu essen, um zu leben! Die Fähigkeiten sind aus dem Gleise gerückt durch die Sünde, so dass sie launisch und unregelmäßig wirken; ihr könnt nicht darauf rechnen, dass eine von ihnen an ihrem Platze bleibt. Das Gleichgewicht der Lebenskräfte ist schwer gestört. Eben wie Krankheit des Körpers eine Unordnung genannt wird, so ist die Sünde eine Unordnung der Seele. Die menschliche Natur ist aus den Fugen und ungesund, und der Mensch ist nicht mehr ein Mensch; er ist tot durch die Sünde, wie es ihm vor alters gedroht ward: „Welches Tages du davon isst, wirst du des Todes sterben“. Der Mensch ist entstellt, zerschlagen, krank, gelähmt, verunreinigt, verfault durch Krankheit, gerade in dem Maße, wie die Sünde ihren wahren Charakter gezeigt hat.

Die Sünde gleicht der Krankheit, denn sie schwächt den Menschen. Die sittliche Kraft liegt so darnieder, dass sie in einigen Menschen kaum noch existiert. Das Gewissen leidet an verhängnisvoller Schwindsucht und geht allmählich durch Abnahme der Kräfte zu Grunde; der Verstand ist durch das Böse gelähmt und der Wille ist zum Guten schwach, obwohl stark zum Bösen. Die Lauterkeit, der Entschluss zur Tugend, worin die wahre Stärke eines Menschen liegt, ist durch Unrechttun untergraben und unterhöhlt. Die Sünde ist wie ein geheimer Blutfluss, der die Hauptorgane ihrer wesentlichen Nahrung beraubt. Wie nahezu erstorben ist in einigen Menschen sogar das Vermögen zwischen Gut und Böse zu unterscheiden! Der Apostel sagt uns, dass Christus, als wir noch schwach waren, für uns Gottlose gestorben ist, und dieses Schwachsein ist die direkte Folge der Sündenkrankheit, die unsern ganzen Menschen geschwächt hat.

Die Sünde ist eine Krankheit, die in einigen Fällen ungemein viel Schmerz und Pein verursacht aber in andern das Gefühl ertötet. Es geschieht oft, dass je fündiger ein Mensch ist, desto weniger er sich dessen bewusst ist. Es ward von einem berüchtigten Verbrecher bemerkt, dass viele ihn für unschuldig hielten, weil er nicht die geringste Bewegung verriet, als er des Mordes angeklagt ward. Diese elende Ruhe war für mich ein mutmaßlicher Beweis seiner großen Vertrautheit mit Verbrechen; wenn ein Unschuldiger eines großen Vergehens angeklagt wird, so entsetzt er sich vor der bloßen Beschuldigung. Nur dadurch, dass er alle Umstände erwägt und zwischen Sünde und Schande unterscheidet, fasst er sich wieder. Wer die Tat der Schande tun kann, errötet nicht, wenn er ihrer beschuldigt wird. Je tiefer ein Mensch in die Sünde hineingeht, desto weniger gibt er zu, dass sie Sünde ist. Wie ein Mann, der Opium nimmt, erlangt er die Fähigkeit, immer größere Dosen zu nehmen, bis das, was hundert andere töten würde, nur wenig Wirkung auf ihn hat. Ein Mensch, der fertig lügt, ist sich kaum der sittlichen Entwürdigung, die im Lügen liegt, bewusst, obwohl er es für eine Schande halten mag, ein Lügner genannt zu werden. Es ist einer der schlimmsten Punkte in dieser Sündenkrankheit, dass sie den Verstand verdummt und eine Lähmung des Gewissens verursacht.

Nach und nach wird die Sünde sicherlich Schmerz verursachen, wie andere Krankheiten, die dem Fleische geerbt sind, und wenn das Erwachen kommt, was für einen Schrecken wird es geben! Das Gewissen wird eines Tages aufwachen und die schuldige Seele mit Furcht und Elend füllen, wenn nicht in dieser Welt, doch sicherlich in der andern. Dann wird man sehen, welch' furchtbare Sache es ist, gegen das Gesetz des Herrn zu sündigen.

Die Sünde ist eine Krankheit, welche den Menschen verunreinigt. Gewisse Krankheiten machen einen Menschen grauenhaft unrein. Gott ist der beste Richter über Unreinheit, denn er ist dreimal heilig, und er kann die Sünde nicht ertragen. Der Herr tut mit Abscheu die Sünde von sich hinweg und bereitet einen Platz, wo die endgültig Unreinen für sich allein eingeschlossen werden sollen. Er will nicht mit ihnen dort wohnen, und ebenso wenig sollen sie bei ihm im Himmel wohnen. Wie die Menschen die Aussätzigen von sich aussondern müssen, so muss die Gerechtigkeit aus der himmlischen Welt alles ausschließen, was unrein macht. O mein Zuhörer, soll der Herr gezwungen sein, dich von seinem Angesichte auszuschließen, weil du im Bösen beharrst?

Und diese Krankheit, die so verunreinigend ist, ist zur selben Zeit uns sehr schädlich, weil sie den höheren Genuss und Gebrauch des Lebens verhindert. Die Menschen existieren in der Sünde, aber sie leben nicht wahrhaft: wie die Schrift spricht solche sind lebendig tot. Während wir in Sünden bleiben, können wir Gott nicht auf Erden dienen und nicht hoffen, uns seiner droben auf ewig zu erfreuen. Wir sind der Gemeinschaft mit vollkommenen Geistern und mit Gott selber unfähig, und der Verlust dieser Gemeinschaft ist das größte aller Übel. Die Sünde beraubt uns des geistlichen Gesichts, Gehörs, Gefühls und Geschmacks, und beraubt uns der Freuden, welche das Dasein in Leben umwandeln. Sie bringt den wahren Tod über uns, so dass wir nur als Ruinen existieren, alles dessen beraubt, was Leben genannt werden kann.

Diese Krankheit ist tödlich. Steht nicht geschrieben: „Welche Seele sündigt, die soll sterben? Die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert sie den Tod.“ Es gibt keine Hoffnung des ewigen Lebens für einen Menschen, wenn nicht die Sünde hinweggetan wird. Diese Krankheit erschöpft sich nie, so dass sie sich selber zerstörte. Schlechte Menschen werden immer schlimmer. In der andern Welt sowohl als in dieser gegenwärtigen wird der Charakter sich ohne Zweifel mehr entwickeln und reifen, und so wird der Sünder als Folge seines geistlichen Todes immer verderbter werden. O meine Freunde, wenn ihr Christum verwerft, so wird die Sünde der Tod eures Friedens, eurer Freude, eurer Aussichten, eurer Hoffnungen und so der Tod alles dessen sein, was des Habens wert ist! Bei einer andern Krankheit mag es geschehen, dass die Natur sie überwindet und ihr wieder hergestellt werdet, aber bei dieser liegt, ohne göttliche Dazwischenkunft nichts vor euch, als der ewige Tod.

Gott behandelt daher die Sünde als Krankheit, weil sie eine solche ist; und ich wünschte, ihr fühltet, dass es sich so verhält, denn dann würdet ihr dem Herrn dafür danken, dass er so mit euch verfährt. Viele von uns haben gefühlt, dass die Sünde eine Krankheit ist und dass wir davon geheilt sind. O, dass andere sehen könnten, was für ein überaus böses Ding es ist, wider den Herrn zu sündigen! Es ist eine ansteckende, verunreinigende, unheilbare, tödliche Krankheit.

Vielleicht sagt jemand: „Warum bringst du diese Dinge vor? Sie erfüllen uns mit unangenehmen Gedanken.“ Ich tue es aus dem Grunde, den der Ingenieur angab, der die große Menai Tubular Brücke baute. Als sie gebaut wurde, sagten einige seiner Kollegen zu ihm: „Du bringst alle Arten von Schwierigkeiten vor.“ „Ja“, erwiderte er, „ich bringe sie vor, um sie zu lösen“. So sprechen wir jetzt in eingehender Weise über den traurigen natürlichen Zustand des Menschen, um desto besser das glorreiche Heilmittel darstellen zu können, von dem unser Text so lieblich redet.

II.

Gott behandelt die Sünde als Krankheit und kündet hier das Heilmittel an, das er bereitet hat: „Durch seine Wunden sind wir geheilt“.

Ich bitte euch sehr ernst, mich für einige Minuten in meinen Betrachtungen zu begleiten, während ich euch die Wunden des Herrn Jesu vor Augen stelle. Der Herr beschloss, uns wieder herzustellen und sandte deshalb seinen eingeborenen Sohn, „wahren Gott vom wahren Gott“, dass er in diese Welt hinabsteige, und um unserer Erlösung willen unsere Natur annehme. Er lebte als Mensch unter Menschen; und nach dreißig oder mehr Jahren des Dienstes kam die Zeit, wo er uns den größten Dienst von allen tun sollte, nämlich, an unserer Stelle stehen und die Strafe tragen, auf dass wir Frieden hätten. Er ging nach Gethsemane und dort, beim ersten Schmecken unseres bitteren Kelches, schwitzte er große Tropfen Blut. Er ging zur Halle des Pilatus und zum Richterstuhl des Herodes und trank dort den Kelch des Schmerzes und des Hohnes an unserer Stelle und Statt. Zuletzt führten sie ihn zum Kreuze und nagelten ihn fest, um da zu sterben zu sterben an unserer Statt, „der Gerechte für die Ungerechten, um uns zu Gott zu bringen.“ Das Wort „Wunden“1) ist gebraucht, um seine Leiden des Körpers sowohl wie der Seele darzustellen. Der ganze Christus ward zu einem Opfer für uns gemacht; seine ganze menschliche Natur litt. Sein Körper wie seine Seele empfand einen Schmerz, der nie beschrieben werden kann. Am Anfang seiner Passion, wo er in ganz besonderer Weise an unserer Statt litt, war er in einem Todeskampfe, und aus seinem Körper drang ein blutiger Schweiß so reichlich hervor, dass er in Tropfen auf die Erde fiel. Es ist sehr selten, dass ein Mensch Blut schwitzt. Ein paar Beispiele hat es davon gegeben, und fast unmittelbar darauf ist der Tod eingetreten; aber unser Heiland lebte, lebte nach einem Kampfe, der sich für jeden andern als tödlich erwiesen haben würde. Noch ehe er sein Antlitz von jenem entsetzlichen Rot reinigen konnte, eilten sie mit ihm zu des Hohenpriesters Halle. In der Stille der Nacht. banden sie ihn und führten ihn hinweg. Bald brachten sie ihn zu Pilatus und zu Herodes. Sie geißelten ihn, und die Kriegsknechte spien in sein Angesicht und schlugen ihn und setzten ihm eine Dornenkrone auf. Geißelung ist eine der schrecklichsten Martern, welche die Bosheit auferlegen kann. Es gereicht den Engländern zur ewigen Schande, dass sie es gestattet haben, „die Katze“ bei den Soldaten zu gebrauchen; aber dem Römer war die Grausamkeit etwas so Natürliches, dass er seine gewöhnlichen Strafen schlimmer als brutal machte. Die römische Geißel soll aus Ochsensehnen bestanden haben, die in Knoten verschlungen waren, und in diese Knoten waren Stücke von Knochen und Hüftbeine von Schafen eingeschoben, so dass jedes Mal, wenn die Geißel auf den bloßen Rücken fiel, „die Pflüger tiefe Furchen machten“. Unser Heiland musste die grimme Pein der römischen Geißel ertragen, und dies nicht als das Ende seiner Strafe, sondern als Vorbereitung auf die Kreuzigung. Hierzu fügten sie noch das Schlagen mit Fäusten und das Ausraufen der Haare; sie ersparten ihm keine Form des Schmerzes. In all seiner durch Bluten und Fasten erzeugten Schwäche ließen sie ihn sein Kreuz tragen, bis ein anderer durch die Vorsicht ihrer Grausamkeit gezwungen ward, es ihm nachzutragen, damit ihr Opfer nicht auf dem Wege stürbe. Sie zogen ihn aus, warfen ihn nieder und nagelten ihn an das Holz. Sie durchbohrten seine Hände und Füße. Sie richteten das Holz auf, an dem er befestigt war und stießen es in den Boden, so dass alle seine Glieder ausgerenkt wurden, wie es in der Klage im 22. Psalm heißt: „Ich bin ausgeschüttet wie Wasser, alle meine Gebeine haben sich zertrennt.“ Er hing in der brennenden Sonne, bis das Fieber seine Kraft verzehrte und er sprach: „Mein Herz ist in meinem Leibe wie zerschmolzenes Wachs. Meine Kräfte sind vertrocknet wie ein Scherben und meine Zunge klebt an meinem Gaumen, und du legst mich in des Todes Staub.“ Da hing er, ein Schauspiel für Gott und Menschen. Das Gewicht seines Körpers ward zuerst durch seine Füße unterstützt, bis die Nägel die zarten Nerven durchrissen und dann begann die schmerzliche Last an seinen Händen zu ziehen und diese empfindlichen Teile des Körpers zu zerreißen. Eine noch so kleine Wunde in der Hand hat manchmal Mundklemme herbeigeführt! Wie entsetzlich muss die Qual gewesen sein, welche das Zerreißen der zarten Teile in Händen und Füßen durch das zerrende Eisen hervorbrachte! Nun waren alle Arten körperlicher Schmerzen in seinem gemarterten Leibe vereinigt. Während dessen standen seine Feinde um ihn her, zeigten mit Verachtung auf ihn, steckten ihre Zungen im Spott gegen ihn aus, höhnten seine Gebete und stierten auf seine Leiden. Er rief: „Mich dürstet“, und sie gaben ihm Essig mit Galle vermischt. Nach einer Weile rief er: „Es ist vollbracht“. Er hatte das ihm bestimmte Leiden bis zum Äußersten erduldet und der göttlichen Gerechtigkeit völlig genug getan; dann, und nicht eher gab er den Geist auf. Heilige Männer der Vorzeit haben mit großer Liebe zu unserem Herrn eingehend über seine körperlichen Leiden gesprochen, und ich trage kein Bedenken, das Gleiche zu tun, in dem Vertrauen, dass zitternde Sünder ihr Heil in diesen schmerzvollen Wunden des Erlösers sehen werden.

Die äußerlichen Leiden unseres Herrn zu beschreiben, ist nicht leicht: ich erkenne an, dass es mir nicht gelungen ist. Aber seine Seelenleiden, welche die Seele seiner Leiden waren, wer vermag auch nur zu begreifen, geschweige denn auszudrücken, was diese waren? Gleich am Anfang schwitzte er, wie ich euch sagte, große Blutstropfen. Die entsetzliche Niedergedrücktheit des Geistes, unter der er litt, machte, dass das Herz seine Lebensfluten an die Oberfläche drängte. Er sprach: Meine Seele ist betrübt bis in den Tod.“ Der Verrat des Judas und die Flucht der Zwölf schmerzten unsern Herrn; aber das Gewicht unserer Sünde war der wirkliche Druck, der auf seinem Herzen lag. Unsere Schuld war die Olivenpresse, die den Lebenssaft aus ihm herauszwängte. Keine Sprache kann je den Todeskampf, den er im Angesichte seines Leidens kämpfte, beschreiben; wie wenig können wir denn das Leiden selber verstehen? Als er ans Kreuz genagelt war, erduldete er, was kein Märtyrer je litt; denn Märtyrer sind im Sterben so von Gott gestärkt worden, dass sie sich in ihren Schmerzen gefreut haben; aber unser Erlöser war von seinem Vater verlassen, bis er ausrief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Das war der bitterste Schrei von allen, die tiefste Tiefe seines unergründlichen Schmerzes. Doch war es notwendig, dass er verlassen ward, weil Gott der Sünde den Rücken wenden muss und folglich ihm, der für uns zur Sünde gemacht war. Die Seele des großen Stellvertreters erduldete ein Grauen des Elends statt jenes Grauens der Hölle, in welche die Sünder geworfen worden wären, wenn er ihre Sünde nicht auf sich genommen hätte und für sie zum Fluch gemacht wäre. Es steht geschrieben: „Verflucht ist Jedermann, der am Holz hängt“; aber wer weiß es, was dieser Fluch bedeutet?

Das Heilmittel für eure und meine Sünden findet sich in den stellvertretenden Leiden des Herrn Jesu, und in diesen allein. Diese „Wunden“ des Herrn Jesu Christi waren um unseretwillen. Fragt ihr: Haben wir irgendetwas zu tun, um die Schuld der Sünde hinweg zu nehmen?“ so antworte ich: Wir haben durchaus nichts zu tun. Durch die Streiche Jesu werden wir geheilt. Alle diese Streiche hat er erduldet und keine übrig gelassen, die wir zu tragen hätten.

„Aber müssen wir nicht an ihn glauben?“ Ja, gewiss. Wenn ich von einer Salbe sage, dass sie heilt, so leugne ich nicht, dass ihr etwas braucht, um sie auf die Wunde zu legen. Der Glaube ist die Leinwand, welche das Pflaster der Versöhnung Christi auf die Beule unserer Sünde legt. Die Leinwand heilt nicht; das ist das Werk der Salbe. So heilt der Glaube nicht, das ist das Werk der Sühne Christi.

Erwidert ein Suchender: „Aber gewiss, ich muss doch irgendetwas tun oder etwas leiden?“ Ich antworte: Du musst nichts mit Jesu Christo zusammenstellen, sonst verunehrst du ihn sehr. Für deine Errettung musst du dich auf die Wunden Jesu verlassen und auf nichts anderes; denn der Text sagt nicht: „Seine Wunden helfen, uns zu heilen“, sondern: „Durch seine Wunden sind wir geheilt.“ „Aber wir müssen Buße tun“, ruft ein anderer. Gewiss, wir müssen das und werden es, denn die Buße ist das erste Zeichen der Heilung, aber die Wunden Jesu heilen uns, und nicht unsere Buße. Diese Wunden wirken, wenn sie auf das Herz gelegt werden, Buße in uns; wir hassen die Sünde, weil sie Jesum leiden machte.

Wenn ihr mit Verständnis auf Jesum vertraut als den, der für euch gelitten hat, so nehmt ihr wahr, dass Gott euch niemals für dieselbe Missetat strafen wird, für die Jesus starb. Seine Gerechtigkeit erlaubt ihm nicht, die Schuld zuerst durch den Bürgen und dann wieder durch den Schuldner bezahlen zu lassen. Die Gerechtigkeit kann nicht zweimal eine Vergeltung verlangen; wenn mein blutender Bürge meine Schuld getragen hat, so kann ich sie nicht tragen. Indem ich Christum Jesum als für mich leidend annehme, habe ich völlige Freisprechung von einer rechtlichen Verbindlichkeit angenommen. Ich bin in Christo verdammt worden, und es gibt deshalb für mich keine Verdammung mehr. Dies ist die Grundlage der Sicherheit des Sünders, der an Jesum glaubt: er lebt, weil Jesus an seiner Stelle und Statt starb; und Gott nimmt ihn an, weil Jesus angenommen ist. Der, für den Jesus der angenommene Stellvertreter ist, muss frei ausgehen; niemand kann ihn antasten; er ist rein von Schuld O mein Hörer, willst du Jesum Christum als deinen Stellvertreter haben? Wenn das, so bist du frei. „Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet.“ So sind wir durch seine Wunden geheilt.

III.

Ich habe versucht, euch die Krankheit und das Heilmittel zu zeigen; ich möchte jetzt darauf hinweisen, dass dieses Heilmittel sofort wirksam ist, wo immer es angewandt wird. Die Wunden Jesu heilen die Menschen; sie haben viele von uns geheilt. Es sieht nicht aus, als wenn sie eine so große Kur bewirken könnten, aber die Tatsache ist unleugbar. Ich höre oft Leute sagen: „Wenn ihr predigt, dass dieser Glaube an Jesum Christum die Menschen errettet, so werden sie sich keine Mühe geben, heilig zu leben.“ Ich bin ein so guter Zeuge in dieser Sache, wie nur einer, denn ich lebe täglich unter Menschen, welche auf die Wunden Jesu ihr Vertrauen setzen und ich habe nicht gesehen, dass dieses Vertrauen eine schlechte Wirkung hat; aber ich habe das gerade Gegenteil wahrgenommen. Ich bezeuge, dass ich die schlechtesten Menschen die besten habe werden sehen durch den Glauben an Jesum Christum. Diese Wunden heilen in überraschender Art die sittlichen Krankheiten derer, die unheilbar schienen.

Der Charakter wird geheilt. Ich habe den Trunkenbold nüchtern werden sehen, die Hure keusch, den Leidenschaftlichen sanft, den Geizigen freigebig und den Lügner wahrhaft, einfach durch das Vertrauen auf die Leiden Jesu. Wenn es keine guten Menschen aus ihnen machte, so würde es in Wirklichkeit nichts für sie tun, denn man muss im Grunde doch die Menschen nach ihren Früchten beurteilen; und wenn die Früchte nicht verändert sind, so ist der Baum nicht verändert. Der Charakter ist alles; wenn der Charakter nicht gut gemacht wird, so ist der Mensch nicht errettet. Aber wir sagen es ohne Furcht vor Widerspruch, dass das Versöhnungsopfer, wenn es ins Herz aufgenommen wird, die Krankheit der Sünde heilt. Wenn ihr es bezweifelt, so versucht es. Wer an Jesum glaubt, ist sowohl geheiligt als gerechtfertigt; durch den Glauben wird er hinfort ein ganz und gar veränderter Mensch.

Das Gewissen wird geheilt. Die Sünde drückte die Seele des Menschen darnieder; er war mutlos und freudlos, aber im selben Augenblick, da er an Jesum glaubt, kommt er ins Licht. Oft kann man sogar in dem Gesicht des Menschen eine Veränderung sehen. Die Wolke flieht von dem Antlitz, wenn die Schuld von dem Gewissen abgewälzt ist. Häufig, wenn ich mit denen redete, die durch die Bürde der Sünde niedergedrückt waren, sahen sie aus, als wenn sie durch den Kummer ihrer Seele fast fürs Irrenhaus reif wären; aber sie erfassten den Gedanken: „Jesus stand an meiner Stelle; und wenn ich ihm vertraue, so habe ich das Zeichen, dass er dies getan, und ich bin frei, und ihr Gesicht ward erhellt wie von einem Schimmer des Himmels.

Die Dankbarkeit für solche große Gnade lässt den Menschen anders von Gott denken und heilt so das Urteil, und dadurch werden die Neigungen auf den rechten Weg gelenkt, und das Herz wird geheilt. Die Sünde wird nicht länger geliebt, sondern Gott wird geliebt und Heiligkeit wird gewünscht. Der ganze Mensch ist geheilt, und das ganze Leben ist verändert. Viele von euch wissen, wie der Glaube an Jesum das Herz leicht macht, wie die Sorgen des Lebens ihr Gewicht verlieren und die Furcht des Todes aufhört, Knechtschaft zu verursachen. Ihr freut euch in dem Herrn, denn das gesegnete Heilmittel der Wunden Jesu ist durch den Glauben an ihn bei eurer Seele angewandt worden.

Die Tatsache, dass wir durch seine Wunden geheilt sind, ist eine bewiesene. Ich werde mir die Freiheit nehmen, mein eigenes Zeugnis abzulegen. Wäre es nötig, könnte ich Tausende von Personen, meine täglichen Bekannten, aufrufen, die sagen können, dass sie durch die Wunden Jesu geheilt sind; aber ich darf deshalb nicht mein persönliches Zeugnis zurückhalten. Wenn ich an einer schrecklichen Krankheit gelitten und ein Arzt mir ein Mittel gegeben, das mich geheilt hätte, würde ich mich nicht schämen, euch alles darüber zu sagen, sondern meinen eignen Fall anführen als einen Grund, weshalb ihr es mit meinem Arzt versuchen solltet. Vor Jahren, als ich noch ein Jüngling war, lag die Last meiner Sünden sehr schwer auf mir. Ich war in keine groben Laster gefallen und wäre von niemanden als ein besonderer Sünder betrachtet worden; aber ich betrachtete mich selbst als einen solchen und hatte guten Grund dazu. Mein Gewissen war empfindlich, weil es erleuchtet war; und ich hielt dafür, dass ich, da ich einen gottesfürchtigen Vater und eine betende Mutter hatte, und in den Wegen der Frömmigkeit erzogen war, gegen viel Licht gesündigt hätte und dass deshalb ein größerer Grad der Schuld in meiner Sünde wäre, als in der meiner jugendlichen Kameraden, die nicht meine Vorteile gehabt hatten. Ich konnte mich an den Spielen der Jugend nicht erfreuen, weil ich fühlte, dass ich meinem Gewissen Gewalt angetan. Ich pflegte meine Kammer zu suchen, und saß dort allein, las meine Bibel und betete um Vergebung; aber mir kam kein Friede. Bücher wie Barters: „Ruf an die Unbekehrten“, las ich wieder und wieder. Früh am Morgen erwachte ich und las die ernstesten religiösen Bücher, die ich nur finden konnte mit dem Wunsche, meiner Sündenlast ledig zu werden. Ich war nicht beständig so trübe, aber zu Zeiten war das Elend meiner Seele sehr groß. Die Worte des weinenden Propheten und des Hiob waren die, welche für meinen traurigen Zustand passten. Ich hätte den Tod lieber als das Leben gewählt. Ich versuchte, so gut zu sein, wie ich nur konnte und das Rechte zu tun; aber nach meinem eigenen Urteil wurde ich schlechter und schlechter. Ich fühlte mich immer verzagter. Ich besuchte jedes Gotteshaus, das ich erreichen konnte, aber ich hörte nichts, was mir dauernden Trost brachte, bis ich eines Tages einen einfachen Prediger des Evangeliums über den Text reden hörte: „Blicket auf mich, so werdet ihr errettet, alle Enden der Erde.“ Als er mir sagte, dass alles, was ich zu tun hätte, wäre auf Jesum auf Jesum, den Gekreuzigten zu blicken, konnte ich es kaum glauben. Er fuhr weiter fort und sagte: „Blicket, blicket, blicket!“ Er fügte hinzu: „Dort ist ein junger Mann unter der Galerie linker Hand, der sehr elend ist; er wird keinen Frieden haben, bis er auf Jesum blickt; und dann rief er aus: Blicke, blicke! junger Mann, blicke!“ Ich blickte, und in demselben Augenblick kam mir Erleichterung, und ich fühlte eine so überströmende Freude, dass ich hätte aufstehen und ausrufen können: Halleluja! Ehre sei Gott, ich bin befreit von meiner Sündenlast!“ Viele Tage sind seitdem vergangen; aber mein Glaube hat mich aufrecht erhalten und mich gezwungen, die freie Gnade und die sterbende Liebe zu verkündigen. Ich kann mit Wahrheit sagen:

„Seit ich im Glauben sah den Born,
Der dort aus deinen Wunden fließt,
Hab ich gezeugt von deiner Lieb',
Und will es, bis mein Mund sich schließt.“

Ich hoffe, in meinen letzten Stunden in meinem Bette aufrecht zu sitzen und von den Wunden zu erzählen, die mich heilten. Ich hoffe, einige junge Männer, ja, und auch alte Männer, die vor mir sitzen, werden sofort dies Heilmittel versuchen; es ist gut für jeden Charakter und für jedes Alter. Tausende und aber Tausende von uns haben dieses Mittel versucht und erprobt. Wir reden von dem, was wir wissen und bezeugen, was wir gesehen haben. Gott gebe, dass die Menschen durch die Kraft des Heiligen Geistes unser Zeugnis annehmen!

Ich möchte ein paar Minuten mit denen reden, die noch nicht dieses wunderbare Universal-Heilmittel versucht haben. Lasst uns Auge in Auge sehen. Freund, du hast von Natur die Seelenheilung ebenso nötig als irgendeiner von uns, und eine Ursache, weshalb du dich nicht um das Heilmittel kümmerst, ist, weil du nicht glaubst, dass du krank bist.

Ich sah eines Tages beim Ausgehen einen Hausierer, der Spazierstöcke verkaufte. Er folgte mir und bot mir einen seiner Stöcke an. Ich zeigte ihm meinen einen viel besseren, als er zu verkaufen hatte und er zog sich sogleich zurück. Er konnte sehen, es sei nicht wahrscheinlich, dass ich sein Kunde würde. Ich habe oft daran gedacht, wenn ich predigte: ich zeige den Menschen die Gerechtigkeit des Herrn Jesu, aber sie zeigen mir ihre eigene, und alle Hoffnung mit ihnen zu verhandeln, ist dahin. Wenn ich nicht beweisen kann, dass ihre Gerechtigkeit wertlos ist, werden sie nicht die Gerechtigkeit suchen, die von Gott durch den Glauben ist. O, dass der Herr euch eure Krankheit zeigte, dann würdet ihr nach dem Heilmittel verlangen!

Es mag sein, dass euch nichts daran liegt, von dem Herrn Jesu Christo zu hören. Ach, meine lieben Freunde, ihr werdet von ihm zu hören haben eines Tages, entweder zu eurer Seligkeit oder zu eurer Verdammnis. Der Herr hat den Schlüssel eures Herzens und ich hoffe, er wird euch einen besseren Sinn geben, und wenn immer dies geschieht, werdet ihr meiner einfachen Rede gedenken und sagen: „Ich erinnere mich daran. Ja, ich hörte den Prediger erklären, dass Heilung in den Wunden Christi sei.“

Ich bitte euch, schiebt es nicht auf, den Herrn zu suchen; das würde von eurer Seite große Vermessenheit sein und seinen Zorn erregen. Aber, wenn ihr es aufgeschoben haben solltet, so bitte ich euch, lasst den Teufel euch nicht sagen, dass es zu spät sei. Es ist nie zu spät, so lange noch Leben da ist. Ich habe in Büchern gelesen, dass sehr wenige bekehrt würden, nachdem sie vierzig Jahr alt seien. Meine ernste Überzeugung ist, dass in solcher Behauptung nur wenig Wahrheit ist. Ich habe ebenso viele Leute in dem einen Alter als in dem andern bekehrt werden sehen im Verhältnis zu der Zahl von Leuten, die dieses Alter erreichen. Jeden ersten Sonntag im Monat könnt ihr sehen, dass die rechte Hand der Gemeinschaft dreißig bis achtzig Leuten gegeben wird, die während des Monats hereingebracht sind, und wenn ihr einen Überschlag macht, werdet ihr finden, dass sie von jedem Alter sind, von der Kindheit bis zum Greisenalter. Das teure Blut Jesu hat die Macht, lang eingewurzelte Sünde zu heilen. Es macht alte Herzen neu. Es macht alte Herzen neu. Wenn du tausend Jahre alt wärst, so würde ich dich ermahnen, an Jesum zu glauben, und ich wäre gewiss, dass seine Wunden dich heilen würden. Dein Haar ist fast verschwunden, alter Freund, und Furchen erscheinen auf deiner Stirn; aber komm nur mit! Du verfaulst vor Sünde, aber diese Arznei ist für verzweifelte Fälle! Armer, alter, zitternder Greis, setze dein Vertrauen auf Jesum, denn durch seine Wunden werden die Alten und die Sterbenden geheilt!

Nun, meine lieben Hörer, ihr seid in diesem Augenblicke entweder geheilt oder ihr seid es nicht. Ihr seid entweder durch die Gnade geheilt oder seid noch in eurer natürlichen Krankheit. Wollt ihr so freundlich gegen euch selber sein, zu fragen, welches der Fall ist? Viele sagen: „Wir wissen, was wir sind“; aber gewiss, Nachdenkendere erwidern: „Wir wissen es nicht ganz gewiss.“ Freund, du solltest es wissen und du müsstest es wissen. Gesetzt, ich frage einen Mann: „Bist du bankrott oder nicht?“ und er sagte: „Ich habe wirklich keine Zeit, meine Bücher durchzusehen und deshalb bin ich nicht gewiss.“ Ich würde den Verdacht hegen, dass er nicht hundert Pfennig für die Mark bezahlen könnte, würdet ihr das nicht auch? Wenn einem Mann bange ist, seine Bücher durchzusehen, so nehme ich an, dass er etwas hat, wovor ihm bange sein muss. Und ebenso, wenn jemand sagt: „ich kenne meinen Zustand nicht und ich mag nicht viel daran denken“, so könnt ihr mit ziemlicher Sicherheit schließen, dass es nicht richtig mit ihm steht. Ihr solltet wissen, ob ihr errettet seid oder nicht.

„Ich hoffe, ich bin errettet“, sagt einer, „aber ich weiß nicht das Datum meiner Bekehrung.“ Das macht gar nichts aus. Es ist uns angenehm unsern Geburtstag zu wissen, aber wenn Leute über das genaue Datum ihres Geburtstages nicht sicher sind, so schließen sie daraus nicht, dass sie nicht lebendig sind. Wenn jemand nicht weiß, wann er bekehrt worden ist, so ist das kein Beweis, dass er nicht bekehrt ist. Der Punkt, worauf es ankommt, ist: vertraust du auf Jesum Christum? Hat dieses Vertrauen einen neuen Menschen aus dir gemacht? Hat deine Zuversicht auf Christum dich fühlen lassen, dass dir vergeben ist? Hat sie bewirkt, dass du Gott liebst, weil er dir vergeben hat, und ist diese Liebe die Haupttriebfeder deines Wesens geworden, so dass du aus Liebe zu Gott ihm gerne gehorchst? Dann bist du ein Geheilter. Wenn du nicht an Jesum glaubst, so sei gewiss, dass du noch ungeheilt bist, und ich bitte dich, betrachte meinen Text, bis die Gnade dich dahin führt, zu sagen: „Ich bin geheilt, denn ich vertraue auf die Wunden Jesu.“

Gesetzt auf einen Augenblick, du bist nicht geheilt, so lass mich die Frage tun: „Warum bist du es nicht?“ Du kennst das Evangelium. Warum bist du nicht durch Christum geheilt? „Ich weiß nicht“, sagt einer. Aber, mein lieber Freund, ich bitte dich, ruhe nicht, bis du es weißt.

„Ich kann nicht dahin gelangen“, sagt jemand. Kürzlich nähte ein junges Mädchen einen Knopf an ihres Vaters Rock. Sie saß mit dem Rücken gegen das Fenster und sagte: „Vater, ich kann nicht sehen, ich bin mir selbst im Lichte.“ Er antwortete: „Ach, meine Tochter, das bist du dein ganzes Leben lang gewesen!“ Dies ist im Geistlichen die Stellung einiger von euch. Ihr seid euch selbst im Lichte; ihr haltet zu viel von euch selbst. Es ist eine Fülle des Lichtes in der Sonne der Gerechtigkeit, aber ihr geratet ins Dunkel, weil ihr euch dieser Sonne in den Weg stellt. O, dass euer Ich hinweggetan würde! Ich las neulich eine rührende Erzählung, wie jemand Frieden gefunden hatte. Ein junger Mann hatte eine Zeit, lang das Gefühl seiner Sündigkeit gehabt und sich gesehnt, Gnade zu finden; aber er konnte nicht dahin gelangen. Er war ein Telegraphist und hatte eines Morgens im Büro ein Telegramm anzunehmen und weiter zu befördern. Zu seiner großen Überraschung buchstabierte er die Worte heraus: „Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt.“ Ein Herr, der auf einer Ferienreise begriffen war, telegraphierte diese Botschaft als Antwort auf den Brief eines Freundes, der sich in Seelennot befand.

Sie war für einen andern bestimmt, aber der, der sie weiter beförderte, empfing das ewige Leben, als die Worte in seine Seele blitzten.

Liebe Freunde, steht euch nicht selbst im Lichte, und seht sogleich „das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde trägt!“ Ich kann euch die Worte nicht telegraphieren, aber ich möchte sie euch so klar und deutlich vorstellen, dass jeder, der in Seelennot ist, wüsste, dass sie für ihn bestimmt sind. Da liegt eure Hoffnung nicht in euch selber, sondern in dem Lamm Gottes. Blickt es an, und wenn ihr es anblickt, soll eure Sünde hinweggetan werden und durch seine Wunden sollt ihr geheilt werden.

Wenn du, lieber Freund, geheilt bist, so ist dies mein letztes Wort an dich geh hinweg von kranker Gesellschaft. Geh hinweg von den Gefährten, die dich mit der Sünde angesteckt haben. „Geht aus von ihnen und sondert euch ab und rühret nichts Unreines an.“ Wenn du geheilt bist, so lobe den Heilenden und erkenne an, was er für dich getan hat. Es wurden zehn Aussätzige geheilt, aber nur einer kehrte zurück, um die heilende Hand zu preisen. Wenn du Christum gefunden hast, so bekenne seinen Namen. Sei nicht unter den undankbaren Neun. Bekenne ihn in der von ihm selbst bestimmten Weise. „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden.“ Wenn du ihn so bekannt hast, so sprich kühn für ihn. Erzähle, was Jesus für deine Seele getan hat und widme dich dem heiligen Zwecke, die Botschaft zu verbreiten, durch die du geheilt bist.

Ich hörte diese Woche etwas, was mir gefiel wie ein Mann, wenn er geheilt ist, einem andern zum Segen werden kann. Vor vielen Jahren hielt ich in Exeter Hall eine Predigt, die unter dem Titel „Errettung bis zum Äußersten“ gedruckt ward. Ein Freund, der nicht weit von hier wohnt, war einmal in der Stadt Para in Brasilien. Hier hörte er von einem Engländer, der in der Trunkenheit einen andern getötet hatte und deshalb zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt war. Unser Freund ging hin, um ihn zu besuchen und fand ihn voll tiefer Reue, aber ruhig und gelassen und fröhlich in dem Herrn. Er hatte die furchtbare Wunde der Blutschuld in seiner Seele gefühlt, aber er war geheilt und empfand die Seligkeit der Vergebung. Hier ist die Geschichte von der Bekehrung des armen Menschen, wie ich sie erhalten habe. - Ein junger Mann, der eben seinen Kontrakt mit den Gasanstalten erfüllt hatte, ging nach England zurück, aber ehe er dies tat, kam er zu mir und brachte ein Paket Bücher mit. Als ich es öffnete, fand ich, dass es Romane seien, aber da ich lesen konnte, so war ich dankbar für alles. Nachdem ich mehrere der Bücher gelesen hatte, fand ich eine Predigt von C. H. Spurgeon über die Worte, „Daher er auch selig machen kann bis zum Äußersten“ rc. rc. (Hebr. 7, 25 n. d. engl. Üb.). In seiner Rede nannte Mr. Spurgeon Palmer, der im Kerker die Vollziehung des über ihn ausgesprochenen Todesurteils erwartete, und. um seinen Hörern den Text recht nahe zu bringen, sagte er, wenn Palmer auch viele andere Mordtaten begangen hätte, so würde doch selbst ihm, wenn er Buße täte und Gottes verzeihende Liebe in Christo suchte, vergeben werden. Ich fühlte da, dass wenn Palmer Vergebung erlangen könnte, so könnte auch ich es. Ich suchte sie, und Gott sei gelobt, ich fand sie. Mir ist vergeben, ich bin frei; ich bin ein Sünder, errettet durch Gnade. Obwohl ein Mörder, hab' ich noch nicht über das Äußerste hinaus gesündigt, gelobt sei sein Heiliger Name!“ Es machte mich sehr glücklich, zu denken, dass ein armer, verurteilter Mörder so hatte bekehrt werden können. Gewiss, es ist Hoffnung da, für jeden Hörer und Leser dieser Predigt, wie schuldig er auch sein mag!

Wenn du Christum kennst, so erzähle andern von ihm. Du weißt nicht, wie viel Gutes darin ist, Jesum bekannt zu machen, selbst wenn du nichts tun kannst, als einen Traktat weggeben oder einen Vers anführen. Dr. Valpy, der Verfasser einer Menge von Schulbüchern, schrieb folgende einfache Zeilen als sein Glaubensbekenntnis:

„Im Frieden lass mich heim einst gehen
Und lass, o Herr, dein Heil mich sehen;
Den ew'gen Tod verdiene ich,
Doch Jesus Christus starb für mich.“

Valpy ist tot und dahin, aber er gab diese Zeilen dem alten Dr. Marsh, dem Rektor von Beckenham, der sie in seinem Studierzimmer über das Kaminsims hing. Der Earl von Roden kam herein und las sie. „Wollen Sie mir eine Abschrift dieser Zeilen geben?“ fragte der fromme Earl. „Sehr gern“, erwiderte Dr. Marsh und schrieb sie ab. Lord Roden nahm sie heim und hing sie über sein Kaminsims. General Taylor, einer der Waterloohelden, kam in das Zimmer und bemerkte sie. Er las sie wieder und wieder, während er bei Earl Roden war, bis Seine Lordschaft bemerkte: „Ich dächte, Freund Taylor, Sie wüssten diese Zeilen jetzt auswendig.“ Er antwortete: „Ich weiß sie auswendig und wirklich, ich habe inwendig auch ihren Sinn erfasst.“ Er wurde zu Christo gebracht durch diesen einfachen Reim. General Taylor gab diese Zeilen einem Offizier, der in den Krimkrieg ging. Er kam heim um zu sterben, und als Dr. Marsh ihn besuchte, sagte er in großer Schwäche zu ihm: „Guter Herr, kennen Sie diesen Vers, den General Taylor mir gab? Er brachte mich zu meinem Heiland und ich sterbe im Frieden.“ Zu Dr. Marshs Erstaunen sagte er die Zeilen her.

Denkt an das Gute, was vier einfache Zeilen tun können. Seid ermutigt, ihr alle, die ihr die heilende Kraft der Wunden Jesu kennt. Breitet diese Wahrheit auf alle Weise aus. Es tut nichts, wie einfach auch die Sprache. Sprecht sie aus, sprecht sie überall aus und in jeder Weise, selbst wenn ihr es nicht in anderer Weise, als durch das Abschreiben eines Gesangverses könnt. Sprecht es aus, dass wir durch die Wunden Jesu geheilt sind. Möge Gott euch segnen, liebe Freunde! Betet für mich, dass diese Predigt, welche die Nummer zwei Tausend hat, eine sehr fruchtbare sein möge.

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Im Englischen stripes, Streiche.
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autoren/s/spurgeon/g/spurgeon-geheilt_durch_jesu_wunden.txt · Zuletzt geändert: von aj
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