Sengelmann, Heinrich Matthias - Verstehst Du auch, was Du liest - Eph. 5,16.

Sengelmann, Heinrich Matthias - Verstehst Du auch, was Du liest - Eph. 5,16.

Schickt Euch in die Zeit.

Der Missbrauch dieses Wortes schließt sich gewöhnlich an das als Entschuldigung benutzte Wort: „Wir sind allzumal Sünder; Niemand ist gut, denn der einige Gott.“ Man will hiermit die eigenen Mängel bemänteln und fügt dann gewöhnlich zu: „So genau ist's nicht zu nehmen, wie's die Schrift haben will; in ihr kommen doch Gebote vor, die unser Einer nicht halten kann. Ja, wenn wir unter anderen Verhältnissen lebten! Mir müssen aber die Sitte, die einmal herrscht, mitmachen; tun wir's nicht, so geben wir nur Anstoß. Ziehen wir uns von diesen oder jenen Vergnügungen zurück, beobachten wir nicht den herrschenden Gesellschaftston, können wir in die Reden, die geführt werden, nicht einstimmen: so hält man uns nur für Kopfhänger. Wir müssen's also nehmen, wie es ist; darum können wir doch gute Christen sein; die Schrift sagt ja selbst: „Schickt Euch in die Zeit!““ So weiß man sich zu beruhigen und das Christentum in gewisse Gebiete einzupferchen. Namentlich tritt dies, wie bereits angedeutet, bei Vergnügungen gewisser Art hervor, die für sittlich gleichgültig gehalten werden, und man meint nicht bloß nicht verpflichtet zu sein, dass man gegen sie auftrete, sondern auch, ohne sein Christentum zu gefährden, an ihnen Teil nehmen zu können. So gesteht man aber in der Tat dem Zeitgeiste eine Macht dem Christentume gegenüber zu, die ihm keineswegs zukommt, gerät in eine grenzenlose sittliche Willkür und befindet sich im geraden Widerspruche zu dem Gebote der Schrift: „Stellt Euch nicht dieser Welt gleich (Röm. 12,2); wenn ich den Menschen noch gefällig wäre, so wäre ich Christi Knecht nicht (Gal. 1,10).“ - Das Wort wird aber auch noch in ganz entgegengesetzter Hinsicht missbraucht. Da der alte Unglaube nicht mehr, wie früher, in Ansehen steht, so glauben Manche, die ihm innerlich noch zugetan sind, dies doch äußerlich nicht so frei kund geben zu dürfen; man müsste sich drin finden, meinen sie, und sich in die Zeit schicken. Mit solcher Unbequemung ist aber Gott keineswegs gedient; und da ihre Wurzel Menschenfurcht ist, so ist die dahinter verborgene Aufklärung und Erleuchtung doch ein gar jämmerliches Ding. So ist also jener Ausspruch das Losungswort wie der Lauen im Glauben, so auch der Lauen im Unglauben. Wie ist er aber nach dem Sinne des Apostels aufzufassen? Unser Luther hat diese Stelle nicht ganz genau übersetzt; sie muss heißen: „Kauft die Zeit aus!“ Das kann nun aber nicht im Sinne der Weltmenschen gedeutet werden, welche auch wohl sagen: „Fesselt die Zeit! nämlich mit Bezug auf ihre Freuden und Genüsse; sondern der Zusatz: „denn es ist böse Zeit“ nötigt uns, den Apostel so zu verstehen: „Benutzt mit christlicher Klugheit und Sorgfalt die Zeitumstände, nämlich zu Eurem und Eurer Nebenmenschen Heil.“ Trefflich sagt über diesen Spruch der fromme Spener: „was den rechten Verstand des Spruchs anlangt, so ist er wohl dieser, wie die griechischen Worte sonderlich mit sich bringen: Erkauft die Zeit oder kauft die Zeit aus. Das ist, wie ein Kaufmann in seinem Kaufen und Verkaufen insgemein auf die Bequemlichkeit der Zeit Acht gibt und also nicht nur keine Gelegenheit, wo er Etwas erwerben und mit Handlung an sich bringen kann, mit Willen versäumt, sondern auch wohl erwägt, zu welcher Zeit er mit bestem Vorteil handeln könne. Dahingegen Diejenigen, so leicht die Gelegenheit, Etwas zu erwerben versäumen, und denken, ein anderes Mal sei auch gut Etwas zu gewinnen, oder die im Kaufen und Verkaufen nicht die rechte Zeit in acht nehmen, sondern Alles zur Unzeit tun, anstatt des Gewinnes lauter Verlust leiden und nicht lange aushalten können. Also komme Christen auch zu, dass sie die Zeit auskaufen oder sich darein schicken, sparsam damit umgehen und nichts von derselben liederlicher Weise zu verderben und zu versäumen. Wir wissen, die Zeit ist nichts Anderes, als unser Leben und also eine teure Gabe Gottes, und, so sie vorbei ist, so ist sie nicht wieder zurückzuziehen, sondern ist für alle Mal verloren. Hingegen sollen wir dermaleinst Gott wie für alles andere, also auch von unserer Zeit, und wie wir dieselbe zugebracht haben, Rechenschaft geben. Daher wir solche Vermahnung Pauli wohl in Acht zu nehmen haben gegen allen mutwilligen Zeitverlust, und trifft es vornämlich Diejenigen, welche so vieles ihrer Zeit auf allerlei Art mit Müßiggang, unnützem Geschwätz, Spielen (welches wo nicht anders als der bloße Zeitverlust wäre, schon deswegen für keine geringe Sünde geachtet werden sollte) und dergleichen übel anwenden und soviel es an ihnen ist, verbringen“.

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autoren/s/sengelmann/verstehst/sengelmann-verstehst_du_auch_was_du_liest-eph._5_16.txt · Zuletzt geändert: von aj
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