Quandt, Emil - Beichtrede am Totenfest über Joh. 6, 37

Quandt, Emil - Beichtrede am Totenfest über Joh. 6, 37

von D. E. Quandt, Superintendent und erster Direktor des Predigerseminars zu Wittenberg.

Du lenkst, o gnädiger Gott, heute, am letzten Sonntage des Kirchenjahres, unsre Sinne und Gedanken auf die letzten Dinge, auf Tod, Gericht und Ewigkeit. Du lässt uns, o gnädiger Gott, heute, bei der Feier zum Gedächtnis unsrer Toten, so viele ihrer in dir gestorben sind, gedenken der ewigen Seligkeit, die du vor deinem Angesichte schenkst allen armen Sündern, die gekommen sind aus großer Trübsal und haben ihre Kleider helle gemacht im Blute des Lammes. Bei solchem Betrachten und Gedenken fallen uns, die wir noch im Staube wandeln, unsre Sünden und Missetaten schwer aufs Herz, die seit der letzten Absolution wieder zwischen dich und uns getreten sind, und wir bitten dich mit Seufzern tiefen Schmerzes, schenke uns selber heute die rechte Traurigkeit über unsre Sünden, die Traurigkeit, die zur Seligkeit wirkt eine Reue, die niemand gereuet, damit wir aufs neue losgesprochen von unsern Sünden, durch Tod und Gericht hindurchgerettet, in die ewigen Wonnen deines Reiches eingehen können, wenn du uns rufst. Amen.

Text: Joh. 6, 37.
Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.

Geliebte Brüder und Schwestern im Herrn! Es hat euch herzlich verlangt, ehe noch das alte Kirchenjahr verronnen, den Leib Jesu Christi, für euch dahingegeben in den Tod, zu essen und sein teures Blut, für eure Sünden vergossen am Stamme des Kreuzes, zu trinken, damit ihr in das neue Kirchenjahr, in die fröhliche, selige Adventszeit eintreten könntet mit reinem Herzen und gutem Gewissen, mit singender Seele und jauchzenden Lippen.

Aber ehe ihr an den Tisch des Herrn zum Genuss seines heiligen Mahles tretet, seid ihr noch vorher hier erschienen zur Vorbereitung, zur Beichte. Denn ihr gedenkt daran, dass selbst die Gäste, die zu einem feierlichen irdischen Mahle gehen, vorher sich rüsten in Kleidung und Schmuck, obwohl es doch nur sterbliche Menschen sind, die ihnen solches Mahl bereiten, obgleich es doch nur vergängliche Speise ist, die auf einem solchen irdischen Mahle zum Genusse dargeboten wird. Wie vielmehr, so sagt euch euer Herz, wie vielmehr wird Rüstung nottun vor diesem Mahle, vor dem heiligen Abendmahle, da der große Gott im Himmel selber der Wirt ist und da die Speise und der Trank Leib und Blut seines Sohnes sind, die da wirken so große, unnennbar herrliche Gaben, nämlich Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit! Und selbst wenn ein solcher Unglücklicher unter euch wäre, dem das eigene Herz so etwas nicht mehr sagt, weil ihm das Herz bei lebendigem Leibe erstorben ist, erstorben in ungöttlichem Wesen und weltlichen Lüsten siehe, so könnte sich doch auch ein solcher der Rüstung, der Vorbereitung auf das heilige Abendmahl nicht entziehen heute; denn das laute Wort Gottes ruft ihm, ruft allen gewaltig zu: „Der Mensch prüfe sich selbst und also esse er von diesem Brote und trinke von diesem Kelche. Denn welcher unwürdig isst und trinkt, der isst und trinkt ihm selber das Gericht, damit dass er nicht unterscheidet den Leib des Herrn.“

Wohlan denn nun, Geliebte, zur Prüfung! Nun denn zur Frage: Wie muss ich sein, um Abendmahl zu feiern zum Segen mir und meinem Hause, und nicht zum Gericht und nicht zum Verderben? Und wenn du oder du, mein Bruder, meine Schwester, finden solltest, du wärst nicht so gerüstet heute, wie der Herr es verlangt dann, ach dann bleib lieber heute zurück; es ist besser, zehntausendmal besser, vom Tisch des Herrn in tiefer Scham zurückzubleiben, als unwürdig von ihm zu essen und in die Glut des höllischen Feuers zu fahren.

Nun, lieber Herr Jesu, so sag' uns denn: Wer ist dir recht bei deinem Mahle? Wen wirst du nicht hinausstoßen? Wer darf dir nahen?

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Wie? Täuschen uns unsre Sinne? Haben wir recht vernommen das Wort unsers Textes: „Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinausstoßen!?“ Weiter stellst du keine Forderung als nur diese, dass wir kommen, zu dir kommen, so sollen wir schon angenehm sein? Als du noch als kleines Christkindlein in deiner Krippe lagst, kamen nicht da schon deine Gäste mit vielen herrlichen Gaben; fielen sie nicht nieder vor dir und beteten dich an und taten ihre Schätze auf und brachten dir Gold, Weihrauch und Myrrhen? Als du noch wandeltest in tiefster Erniedrigung, hat man dir nicht damals schon die Füße gesalbt mit ungefälschter, köstlicher Narde? Und da du gen Himmel gefahren bist und sitzt zur Rechten Gottes in der Höhe, deine Augen wie Feuerflammen, deine Füße wie Güldenerz, deine Stimme wie großes Wasserrauschen, dein Angesicht leuchtend wie die helle Sonne, du verklärter, du herrlicher, erhöhter Jesus, nun verlangst du wirklich nichts weiter von denen, die deinen Leib und Blut genießen wollen, als, dass sie zu dir kommen? Ja, wahrlich, dein Wort ist klar, sonnenklar: Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinausstoßen. Es steht nicht da: Wer große Geschenke bringt, den will ich nicht hinausstoßen. Es steht auch nicht da: Wer viele Frömmigkeit und Tugend mitbringt, den will ich nicht hinausstoßen. Nein, es steht ganz einfältig da: Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinausstoßen. Geliebte, da gibt es kein Missverständnis mehr: Keine andre Würdigkeit verlangt der Herr, als das pure, bloße Kommen zu ihm. Jeder, wen er auch sein mag, wie arm er auch sein mag, wie schlecht er auch sein mag, wieviel Sünde und Schuld ihn auch drücken mag - jeder wird zugelassen, wenn er nur zu Jesu kommt.

Doch, wir halten inne, Geliebte. Wo es sich um ewigen Segen und ewige Verdammnis handelt, muss man die Worte wägen. Das große, das freundliche Wort: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen - vielleicht hat es den Sinn nur, dass, wer zu ihm kommt zum Beten oder zum Danken oder zum Hören seines Wortes, dass er dann ihn nicht hinausstößt? Doch nein, Geliebte, das Kapitel, aus dem unser Vers genommen ist, es ist gerade ein Nachtmahlskapitel, es ist das Kapitel, darin der Herr von nichts anderem, als vom Brote des Lebens redet, darinnen er sagt: „Ich bin das lebendige Brot, vom Himmel gekommen. Wer von diesem Brote essen wird, der wird leben in Ewigkeit. Wer mein Fleisch isst und trinkt mein Blut, der hat das ewige Leben und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage.“ Gerade vom heiligen Abendmahl ist dies Wort gemeint; gerade den Abendmahlsgästen, die sich selber prüfen, ob sie würdig seien oder unwürdig, gerade ihnen ruft der Herr zu: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.

O, du lieber Herr, wie hast du's uns so leicht gemacht! Ich will nicht müde werden, dir für dieses Wort zu danken, für das freundliche, leutselige Wort: Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinausstoßen! Also jeder darf dir nahen zum Genusse deines Mahles, und wenn er noch so spät kommt, und wenn er noch so beladen ist mit Schuld, mit vielen unbezahlten Gelübden, wenn er noch so leer ist von himmlischen Gütern und noch so voll von irdischen Lasten, auch der Elendeste, und käme er auch noch so schlecht gekrochen, auch der Matteste und Flügellahmste, der nichts, nichts mitbringt als Sünde, als dies verderbte, schnöde, abtrünnige Herz. O, meine Brüder, meine Schwestern, schmeckt und seht doch, wie freundlich der Herr ist! Die Güte des Herrn ist, dass wir nicht gar aus sind; seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu und seine Treue ist groß. Der Herr ist mein Teil, spricht meine Seele, darum will ich auf ihn hoffen!

Aber, meine Brüder, hat es der Herr den Abendmahlsgästen leicht gemacht mit ihrer Vorbereitung zum heiligen Abendmahl, so dürfen es sich doch die Gäste um Gottes willen nicht noch leichter machen, als sein Wort erlaubt. „Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinausstoßen!“ sagt der Herr. Also der ist recht würdig und wohlgeschickt, der da kommt. Es wird ja keines von euch wähnen, dass der Herr nur ein äußerliches Kommen, ein Kommen mit den Füßen meine; oder wer das noch meinen sollte, der bedenke, was St. Joh. 5. geschrieben steht. Da waren eine ganze Menge Juden äußerlich zu ihm gekommen und standen dicht um ihn herum; er aber sprach zu ihnen: Ihr wolltet nicht zu mir kommen, dass ihr das Leben haben möchtet. Daraus sehen wir ja, der Herr meint das Kommen im Geist und in der Wahrheit, das Kommen mit dem Herzen. Kommst du so, mein Christ? Bist du heute hier nicht bloß mit den Füßen, sondern nach deinem ganzen Menschen, mit Leib, Seele und Geist? Oder bist du nur äußerlich gekommen, und während du äußerlich hier sitzt, bist du innerlich mit deinen Gedanken noch daheim oder auf dem Felde oder auf der Reise? Dann kehre um, mein Freund; dann lass deine Füße nur dahin gehen, wo deine Gedanken sind. Es ist dir besser, dass du auch mit deinen Füßen von dannen weichst, als dass du mit den Füßen zu deines Herrn Tische kommst, aber nicht mit dem Herzen! Wahrlich, wer zu ihm kommt nicht von Herzen, den wird er hinausstoßen; denn er hat gesagt: Gib mir, mein Sohn, dein Herz!

Und dann, beachtet auch das noch, Geliebte. Es heißt: Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinausstoßen! O, dass keiner diese beiden Wörtlein überhöre: Zu mir. Es heißt nicht: „Wer zur Kirche kommt, den will ich nicht hinausstoßen;“ es heißt nicht: „Wer zum Prediger kommt, den will ich nicht hinausstoßen“ -, nein, der Sohn Gottes sagt: Wer zu mir kommt. Wohlan denn, ich frage dich: als du aus deinem Hause heute gingst, wusstest du, bedachtest du, dass du zu Jesu gingst, zum Sohne Gottes, zum Manne zu Gottes Rechten, zum großen Immanuel und Friedefürsten? Sagtest du zu deinen Hausgenossen: Lasst mich gehn, lasst mich gehn, dass ich Jesum möge sehn!? Oder wenigstens jetzt, da du hier bist, bist du mit deinem Herzen bei Jesu? Hörst du sein Herz klopfen, siehst du seine Nägelmale, liegt deine Seele ihm zu Füßen? O, mein Freund warum bist du gekommen und wen suchest du? Ich sage dir ist er und er allein nicht heute dein Verlangen, ist nicht dein Alles dir gänzlich in Jesum versenkt dann wird er dich doch hinausstoßen und sprechen: Das ist einer von dem Volke, das mich ehrt mit den Lippen, aber sein Herz ist ferne von mir.

O fürwahr, wenig fordert der Herr von den Gästen an seinem Tische, aber meine Lieben, dieses Wenige fordert er auch. Er spricht: Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinausstoßen - aber wir müssen wirklich kommen, mit dem Herzen kommen, und auch wirklich zu ihm kommen, zu keinem andern, als zu ihm. Gott der Heilige Geist erleuchte euch, Gott der Vater ziehe euch, dass ihr also heute kommt, zu Jesu kommt, so wird der Herr Jesus euch nicht hinausstoßen, sondern euch in Gnaden aufnehmen als würdig und wohlgeschickt und eure Herzen erfüllen mit Speise und Freude. Amen.

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autoren/q/quandt/quandt_beichtrede_am_totenfest.txt · Zuletzt geändert: von aj
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