Huhn, August Ferdinand - Predigten über die heiligen zehn Gebote nach Luthers kleinem Katechismus - Zweite Predigt über das vierte Gebot.
Herr unser Gott und Heiland. Du willst nicht allein von den Großen angebetet sein; auch aus dem Munde der Kinder und Säuglinge hast Du Dir eine Macht zugerichtet um Deiner Feinde willen. Du selbst sagst: Lasst die Kindlein zu mir kommen und wehrt ihnen nicht, denn solcher ist das Reich Gottes. Ja wahrhaftig, Du hast unsere Kinder geehrt mit einer größeren Ehre, als wir bitten und verstehen können. Du wurdest selbst ein Kind, ein armes Menschenkind. O gib, dass wir diese Ehre, die Du unseren Kindern erwiesen, recht bedenken und verstehen. Gib Gnade, dass wir von Dir lernen die Kleinen ehren, die Du uns gegeben hast. Herr! gib uns dazu für diese Stunde Deinen Geist und leite uns in alle Wahrheit. Dein Wort ist Wahrheit! Amen.
Versammelte Christen. Wir stehen noch bei der Betrachtung des vierten Gebotes. Hört es, wie wir es aufgezeichnet finden.
2 Mos. 20, 12.
Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass dir's wohl gehe und du lange lebst auf Erden.
Luthers Erklärung:
Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unsere Eltern und Herren nicht verachten, noch erzürnen, sondern sie in Ehren halten, ihnen dienen, gehorchen, sie lieb und wert haben.
Die Ehre der Eltern, das war nach dem eben verlesenen vierten Gebote der Gegenstand unserer letzten Betrachtung. Soll diese göttliche Ordnung, die Ehre der Eltern, in der Tat und in der Wahrheit aufrecht unter uns erhalten werden, so ist es wichtig, dass wir auch die andere göttliche Ordnung nicht übersehen, nämlich: die Ehre der Kinder, die in dem vierten Gebote ebenfalls mit inbegriffen ist. Wollen wir Eltern von unseren Kindern geehrt sein, so müssen wir auch unsere Kinder ehren. Das ist der ausdrückliche Wille Gottes. Und darum will ich heute unter dem Beistande Gottes zu Euch reden:
Von der Ehre der Kinder.
Lasst uns nun sehen:
I. von wem die Kinder ihre Ehre haben;
II. worin diese Ehre bestehe; und
III. wie wir diese Ehre unseren Kindern nach dem Willen Gottes erweisen sollen.
I.
Die Ehre, von welcher hier die Rede ist, die haben die Kinder nicht von ihren Eltern. Es hilft den Kindern nichts, dass sie von reichen und vornehmen Eltern herkommen, dass sie Geld und Gut, Namen und weltliche Ehre von ihnen erben, sie sind in Gottes Augen das, was das ärmste und niedrigste Menschenkind ist - Fleisch vom Fleische. Auch aus sich selbst haben die Kinder diese Ehre nicht. Schwache und weltlich gesinnte Eltern pflegen wohl viel Aufhebens zu machen, wenn ihr Kind ein hübsches Gesicht hat, oder besondere Talente, Fähigkeiten und Gaben zeigt. Jedes Wort aus dem Munde des Kindes wird von ihnen bewundert; man erstaunt vor seinem Verstande und Witz; man freut sich im Geheimen und ist stolz darauf, was doch Alles aus dem Kinde werden wird; ja selbst bei den abscheulichsten Ungezogenheiten und Versündigungen kann man sich eines gewissen Wohlgefallens wenigstens an der Klugheit seines Kindes nicht erwehren. Man macht einen rechten Götzen aus dem eigenen Kinde. Man lässt wohl gar sich und das ganze Haus von ihm beherrschen. Ihr Kind, meinen solche Eltern, das sei etwas ganz Besonderes, das sei mit anderen gar nicht zu vergleichen, das müsse darum auch eine ganz besondere Behandlung und Erziehung haben. Und man ärgert sich und fühlt sich verletzt, wenn Andere das nicht zugeben wollen. Man ist unglücklich und kann sich grämen, wenn die eigenen Kinder nur irgendwie zurückgesetzt werden. Oder man entbrennt von Neid und Scheelsucht, wenn andere Kinder mehr hervorgezogen und ausgezeichnet werden. Solch ein Sinnen und Trachten, das gehört mit zur Hoffart dieses Lebens. Darum mag es wohl viele Eltern geben, viele Eltern, die sich einbilden, Muster von Liebe und Zärtlichkeit und Sorgfalt gegen ihre Kinder zu sein, und am Ende treiben sie mit ihnen nur hoffärtiges Wesen. Wir wissen aber aus dem göttlichen Worte, was die Hoffart vor dem Herrn für ein Gräuel ist und wie Er den Hoffärtigen wiedersteht. Hüten wir uns darum, meine Freunde, unseren Kindern eine Ehre zu geben, die ihnen gar nicht zukommt, die sie und uns selbst nur ins Verderben bringt. Hüten wir uns doch davor, zu glauben, als ob unsere Kinder durchaus etwas Besonderes und Außerordentliches sein müssten. Nicht allein, dass wir durch ein solches selbstisches Wesen anderen Kindern unsere Liebe entziehen und kalt und tot für Alles werden, was uns selbst nicht gehört, sondern wir werden dadurch auch blind gegen die Sünden und Fehler unserer eigenen Kinder, werden also unfähig zu einer wahren Liebe gegen sie.
Doch, es mag auch noch immer Einige geben, welche meinen, es käme den Kindern eine gewisse Ehre zu wegen ihrer Unschuld, wegen ihres noch reinen und unverderbten Sinnes; sie wüssten ja noch nichts von der Schlechtigkeit der Welt, ihr Zustand sei der glücklichste; wenn sie stürben, müssten sie notwendig selig werden. Ja man sieht mit einer gewissen Wehmut auf die eigenen Kinderjahre, man wünscht sich selbst in die Zeit der Kindheit zurück. Wie viel ist daran nun wahr? Unwahr ist es, wenn man die Kinder für unschuldig, für rein und unverderbt in sich selbst hält: denn kein Mensch ist nach dem Sündenfalle von Natur gut und rein, im Gegenteil ist das Dichten und Trachten des Menschen böse von Jugend auf. Im Abfalle von Gott, mit der Sünde behaftet, Fleisch vom Fleische, wird der Mensch zur Welt geboren; das lehrt uns das Wort Gottes sehr entschieden. Und wer das nicht glauben will, der sehe doch nur ein wenig genauer die Unarten seiner eigenen Kinder an und denke einmal darüber nach, woher der Eigensinn, der Eigenwille und dergleichen mehr doch wohl kommen möge, und ob nicht die Keime zu allem Bösen in dem Kindesherzen schon liegen? Und was die Unbekanntschaft mit der Schlechtigkeit der Welt betrifft, so ist das eben kein glücklicher und beneidenswerter Zustand, da es ein Zustand der Unwissenheit ist. Wir haben also in diesen Punkten keine Ursache, uns in die Kinderjahre wieder zurück zu wünschen. Solches hatte der Erlöser auch wahrhaftig nicht im Sinne, da er sagte: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so könnt ihr nicht in das Reich Gottes kommen. Nein, Christen, die wahre Ehre, welche unsere Kinder haben und genießen sollen, die haben sie nicht von den Eltern, auch nicht aus sich selbst; sie haben sie einzig und allein von Ihm, dem großen Kinderfreunde, der da spricht: Lasst die Kindlein zu mir kommen und wehrt ihnen nicht, denn solcher ist das Reich Gottes; von Ihm, dem Sohne Gottes, der die Kinder herzte und seine Hände auf sie legte und sie segnete. Die Ehre also, die der Heiland unseren Kindern gibt, das ist die einzige, das ist aber auch die wahre und höchste Ehre, die sie haben und genießen sollen. Dieser Ehre sollen alle getauften Christenkinder teilhaftig sein, ob von reichen oder armen, vornehmen oder geringen Eltern, wohlgestaltet oder hässlich, gesund oder gebrechlich, begabt oder nicht begabt. Allen Kindern sind wir schuldig, ihnen die Ehre zu geben und zu erweisen, die sie vom Heilande haben. Jesus befiehlt ausdrücklich, dass wir die Kinder ehren sollen.
II.
Lasst uns nun zweitens sehen: worin diese Ehre, welche unsere Kinder vom Heilande haben, bestehe. Ihnen soll das Reich Gottes gehören, aus ihrem Munde hat sich Gott eine Macht zugerichtet, ihre Engel sehen allezeit das Angesicht des Vaters unseres Herrn Jesu Christi, wer ein solches Kind aufnimmt in Jesu Namen, der nimmt Ihn selbst auf, und nicht nur Ihn, sondern auch den der Ihn gesandt hat, so heißt es in dem göttlichen Worte, solche Ehre wird den Kindern gegeben. Und das einzig und allein aus diesem Grunde: weil Er, der wahrhaftige Gott und das ewige Leben, es nicht verschmäht hat, selbst ein armes hilfloses, hilfsbedürftiges Menschenkind zu werden. Er hat nicht die Natur der Engel an sich genommen, sondern, indem die Kinder Fleisch und Blut haben, ist Er desselben gleichermaßen teilhaftig geworden, und ist auch in diesem Stücke gleich geworden seinen Brüdern. Als Fleisch vom Fleische, als Sünder von Sündern geboren, könnte Gott kein Wohlgefallen an unsern Kindern haben; ihr Leben vom ersten Hauche an, wäre kein Gott geheiligtes, gesegnetes, sondern ein von Gott getrenntes, Fluch beladenes Leben, wenn nicht der ewige Sohn Gottes das Fleisch und Blut unserer Kinder an sich genommen, wenn er nicht selbst ein Kindlein geworden wäre. Er war das reine, unschuldige Kind, das Menschenkind ohne Sünde. An ihm hatte der Vater ein Wohlgefallen, vom ersten Hauche seines Lebens an. Durch seine unschuldige, sündenlose und reine Kindheit hat Er das Leben unserer Kinder vom ersten Hauche an gereinigt, geheiligt und unschuldig und unsträflich vor Gott dargestellt. Unsere Kinder bedürfen nicht nur eines Versöhners, Mittlers und Stellvertreters, eines Christus für sie, sondern sie haben ihn auch. Christi heilige Kindheit kommt unseren Kindern zu Gute. Christi heilige Kindheit hat unsere Kinder vom Fluche der Sünde erlöst und ihnen den Segen Gottes erworben.
Und auch am Kreuze gestorben und sein Blut vergossen und eine ewige Erlösung erfunden hat der Sohn Gottes nicht allein für uns, sondern auch für unsere Kinder. Seht, das ist es, warum wir als Christen unsere Kinder so früh als möglich taufen lassen. Mit diesem gnadenreichen Wasser des Lebens, mit diesem Bade der Wiedergeburt, von Gott dem Herrn selbst verordnet, sollen unsere Kinder gereinigt werden von der Sünde, die sie vor Gott verwerflich macht. Dadurch sollen sie, aus natürlichen Kindern des Fleisches, wiedergeboren werden zu geistigen Kindern, zu Kindern Gottes, zu Erben des ewigen Lebens. Alle Ehre und Rechte, die Jesus Christus durch sein Leben, Leiden, Sterben und Auferstehen den Menschen erworben, die sollen unseren Kindern schon durch die Taufe zugeeignet werden, unsere Kinder schon sollen sie besitzen. Ein armes, sündiges, unheiliges Menschenkind bringen die Eltern dem Herrn in der Taufe zu, und ein reiches, gerechtes, heiliges Gotteskind gibt der Herr ihnen wieder. Ein mit dem Blute des Sohnes Gottes errettetes und teuer erkauftes Leben, ein vom himmlischen Vater geliebtes und gesegnetes Kind, ein Kind, auf dem das ganze väterliche Wohlgefallen Gottes ruht, wofür sein Herz sorgt, worüber sein Auge wacht, worüber Er seinen Engeln Befehl tut, ein solches Kind wird Vater und Mutter durch die Taufe wieder gegeben. Wenn sie nun ihr Kind ansehen, wenn sie es nun an ihr Herz drücken: dann soll ihnen das Alles zum Bewusstsein kommen, dann sollen sie dankend sprechen: ja wahrhaftig, auch unser Kind ist ein Kind Gottes; auch um seinetwillen ist der Sohn Gottes ein Kindlein gewesen; auch unseres Kindes Leben hat Er geheiligt vom ersten Hauche an; auch für unser Kind hat er sein teures Leben gelassen; auch für das unsrige Gottes Vatersegen erworben. Nun können wir froh und fröhlich sein. Unschuldig sind unsere Kinder vor Gott und Christum. Gott hat ein Wohlgefallen an ihrem Kindessinne, an ihrem Jugendleben durch Christum. Gott kann und wird uns nicht verlassen; Er wir für uns sorgen; Er wird uns segnen um unserer Kinder willen, die Ihm so teuer sind. Ja unser Reformator Luther hat Recht, wenn er sagt: die Kinder essen nicht mit den Eltern, sondern die Eltern mit den Kindern. Sie, die Kinder, sind recht eigentlich die Versorger und Ernährer des Hauses; um ihretwillen gibt uns Gott reichlich und täglich. Und ist es des Herrn Wille, sie uns zu nehmen, sterben sie uns heute: sie werden selig, Gott nimmt sie in seinen Himmel durch Jesum Christum, ihren Heiland. So denkt und redet das christliche Elternherz.
Nicht wahr, meine Freunde, es ist ein köstlicher Trost, es ist ein hohes Glück und eine über Alles gehende Freude, wenn Eltern ihre Kinder so ansehen, wenn sie so von den Kinderjahren der Ihrigen denken und reden dürfen? Und das dürfen sie, das sollen sie. Ja es wäre das ein Zeichen eines unchristlichen, gottlosen und ungläubigen Sinnes, wenn Eltern ihre Kinder nicht so ansähen.
Aber je größer der Schatz, je teurer die Gabe ist, die der Herr den Eltern in den Kindern anvertraut, desto ernster und heiliger muss ja nun auch die Verpflichtung werden, solchen Schatz und solche Gabe recht zu ehren und treu zu verwalten. Oder kann dem Menschen hienieden etwas Größeres oder Werteres anvertraut werden? Christen, ist das etwas Geringes, wenn Gott der Herr eins von seinen Kindern, eine unsterbliche, nach seinem Bilde geschaffene, durch das Blut des Sohnes Gottes teuer erkaufte und errettete Seele uns in die Arme und an das Herz legt? O bedenkt es doch, was eine Menschen-Seele, was die Seele jedes Kindes in Gottes Augen ist; bedenkt es, wie lieb Gott der Herr jede Menschen-Seele hat! Freilich danach zu schließen, mit welcher Gleichgültigkeit im gewöhnlichen Laufe der Welt von einer Menschen-Seele gedacht und geredet wird; danach zu schließen, wie viele Eltern froh sind, wenn sie ihre Kinder nur los und der Sorge für sie überhoben sind; danach zu schließen, wie viel verwahrloste, dem leiblichen und geistigen Elend preisgegebene Kinder einem überall aufstoßen: danach möchte es wohl scheinen, als ob der Herr das allergleichgültigste Herz gegen eine Menschen- und namentlich gegen eine Kinder-Seele hätte. Und doch, wie hat Er sie so lieb. Ist Er nicht selbst in Ihr Elend gekommen? hat Er nicht selbst ihr Fleisch und Blut an sich genommen? hat Er nicht für jede Menschen-Seele, für jede Kinder-Seele das Unaussprechliche getan und gelitten? Ja wahrhaftig, nicht uns allein, sondern auch die Seelen unserer Kinder umschloss seine Liebe und bewegte sein Herz, da Er am Kreuze sein Leben ließ. Für jede, jede Seele musste ja das ganze Lösegeld gezahlt werden, jede Seele kostete ihm sein ganzes Leben und seine ganze Liebe. Nun das, was unser Gott und Heiland so geliebt, das sollten wir, da Er es aus Gnaden unserer Liebe anvertraut, gleichgültig und lieblos behandeln? Das, was der Herr der Herrlichkeit so hoch geehrt, dass Er es in seine Arme nahm und herzte, und es über Alle stellte, die da meinten, sie seien etwas, das sollten wir nach bloß eigenem Gutdünken, nach Laune und Willkür behandeln wollen? Das, was dem ewigen Sohne Gottes so wert und teuer gewesen, dass Er es nicht verschmähte, dasselbe, nämlich selbst ein Kind zu werden, das sollte uns wertlos erscheinen? Wahrlich! meine Freunde, wir sind keine Christen, wenn wir unsere Kinder nicht ehren; wir sind keine Christen, wenn wir nicht täglich und mit ganzem Ernste danach fragen, wie wir unsere Kinder recht, wie wir sie nach dem Willen Gottes, ihres Heilandes, selbst ehren sollen. Oder zweifelt noch jemand, dass dies der Wille Gottes wirklich sei? Ich sage, nein, nicht ich, sondern das Wort Gottes befiehlt es, dass die Kinder nicht allein von Vater und Mutter, nein, dass sie von jedem Christen ohne Ausnahme Ehre haben sollen. Und wer ihnen diese Ehre nicht erweiset, wer eins der Kleinen ärgert, es nicht nach dem Willen Gottes behandelt, dem wäre besser, dass ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er im Meere ersäufet würde, da es am tiefsten ist. Das sage nicht ich, sondern das sagt der lebendige Sohn Gottes zu uns Allen.
O Väter, Mütter, Christen, wie müsste dies Wort uns Allen aufs Herz fallen! wie müssten wir mit Furcht und Zittern uns hüten, dass wir ja nicht eins von den Kleinen verachten, deren Engel allezeit das Angesicht Gottes sehen! wie müssten wir mit allem Ernste suchen, unsere Kinder zu ehren nach dem Willen Gottes! Eben das ist es, was ich euch noch im letzten Punkte unserer heutigen Betrachtung zu bedenken geben möchte, nämlich:
wie sollen wir unsere Kinder nach des Herrn Willen ehren?
III.
In wenig Worten sagt uns das der Heiland, wenn Er spricht: Lasst die Kindlein zu mir kommen und wehrt ihnen nicht! und Paulus: Zieht auf Eure Kinder in der Zucht und Ermahnung zum Herrn. Das ist also die rechte Ehre, die wir unseren Kindern erweisen sollen, dass wir sie zum Heilande kommen lassen und selbst zu Ihm führen, dass wir sie in der Zucht und Vermahnung zu Ihm erziehen. Eine größere und bessere Ehre können wir unseren Kindern nicht erweisen. Aber darum gibt es auch keine größere Verachtung und keine ärgere Misshandlung der Kinder, als diejenige ist, wenn man ihnen wehrt, zum Heilande zu kommen, wenn man sie nicht in der Zucht und Vermahnung zum Herrn erzieht.
Bedenken das diejenigen Eltern, welche ihre Kinder nicht früh genug in das Wesen dieser Welt, in die Augenlust und Fleischeslust und Hoffart des Lebens einführen können? Darauf geht ihr Sinnen und Trachten, wie ihre Kinder doch nur recht schön geputzt Anderen in die Augen fallen mögen, wie sie durch ihre Talente und Kunstfertigkeiten und angelerntes Wesen doch nur ja recht vielen Beifall einernten, wie sie einmal recht viel von weltlichen Ehren und Gütern erringen mögen. Wie ihre Herzen aber zu Gott dem Herrn stehen, wie es in ihrem Innersten aussieht, wie es mit ihrem Gehorsame gegen Christum und sein Wort beschaffen ist, darum kümmert man sich nicht, davon ist nicht die Rede, dergleichen Dinge überlässt man dem Konfirmationsunterrichte. Da, meint man, sei noch Zeit genug, sich Religion und was sonst zur Seligkeit gehört, anzueignen. Ihr, die Ihr so mit Euren Kindern umgeht, Ihr glaubt Eure Kinder auf diese Weise zu ehren, Ihr glaubt recht väterlich und mütterlich für sie zu sorgen: ach, Ihr verachtet die Eurigen, Ihr misshandelt, Ihr mordet die Seelen für die Jesus sein Leben gelassen! Ist das der Dank, ist das die Treue, die Ihr dem Herrn bei der Taufe der Eurigen gelobtet?!! Wahrlich, wahrlich, darum hat der Herr schon so manchen Eltern das Ihre nehmen müssen, denn sie hätten es nicht zu Ihm geführt, sie hätten es nicht in den Himmel, sie hätten es in die Hölle gebracht. Der treue Hirte musste sich erbarmen und das verlorene Schäflein von den Wölfen nehmen!! Wer Ohren hat, zu hören, der höre!
Bedenken aber auch diejenigen Eltern, ob sie recht an ihren Kindern handeln; die, welche nichts Angelegentlicheres tun können, als die Ihrigen vom Heilande abzuhalten; die, welche ihren Kindern alle Gelegenheit abschneiden, sein Wort zu hören! Unter dem sonderbaren Vorwande, sie möchten zu fromm werden, sähen sie die Ihrigen lieber in Sünden und Laster versinken, als dass sie nur dem Herrn lebten. Man fürchtet die Frömmigkeit und Gottseligkeit wie eine Pest, man sucht allerhand Mittel dagegen, und wo einmal bei einem Herzen etwas davon sichtbar wird, da glaubt man diesem keinen größeren Liebesdienst erweisen zu können, als wenn man ihm alle ernste Gedanken verjagt und zerstreut. Nun, dies kann in Vorurteilen, in Blindheit, in geistiger Dummheit seinen Grund haben. Aber wie, wenn die Zunge der Eltern vor den Kindern absichtlich das Heiligste antastet: wenn sie die heilsame Lehre des Wortes Gottes samt den Lehrer vor ihnen verdächtig machen; wenn man keinen Anstand nimmt, zu witzeln und zu spötteln über das, was die junge, noch unbefangene Seele von dem Worte des ewigen Lebens so gern aufgenommen, was ihr so teuer ist; wenn in den Häusern absichtlich niedergerissen wird, was Schule und Kirche mit unsäglicher Mühe aufbauen; wenn absichtlich kein geistliches Lied im Hause gesungen, kein Abend- und Morgensegen gehalten, kein Bibelwort gehört wird; heißt das nicht: den Kindern wehren, sie abhalten von Jesu und ihrer Seelen Seligkeit? Heißet das nicht: selbst nicht in das Himmelreich hinein wollen und Andere auch nicht hinein lassen? Das ist das größte Ärgernis, das den Kleinen gegeben werden kann. Und denen, die ein solches Ärgernis geben, denen wäre es besser, dass ihnen ein Mühlstein an den Hals gehängt und sie ersäuft würden im Meere, da es am tiefsten ist. Das sagt Jesus, der Richter der Lebendigen und der Toten, Jesus, der Kinderfreund sagt es.
So Viele nun unter uns Jesum und sich selbst und ihre Kinder lieb haben, so Viele wollen wir uns hüten vor solchem Ärgernisse. Aber nicht das allein, sondern unser ganzes Sinnen und Trachten sei darauf gerichtet, wie wir unsere Kinder so früh als möglich zu Ihm, dem Heilande, führen und sie in der Furcht und Vermahnung zu Ihm erziehen. Sagt, lieben wir denn die Unsrigen etwa mehr, als Er, der sein Blut für uns vergossen? Können wir ihnen etwas Besseres geben, als Er, der sein Leben für sie gelassen? Ach! macht aus Euren Kindern, was Ihr wollt, macht sie verständig, geistreich, gewandt, gelehrt, klug, reich, Ihr ehrt sie damit nicht, denn sie sind verloren, wenn sie Jesum nicht haben!!
Und was ist es denn mit unserem Sorgen, mit unserem Bewachen, mit unserem Erziehen? Wir, aus uns selbst, können an unseren Kindern nur verderben, nur verpfuschen. Wenn wir selbst nicht alle Tage suchend und bittend zu dem einzigen, wahren Erzieher, wenn wir nicht mit unseren Kindern zu Jesu kommen; wenn wir sie nicht alle Tage seinem Herzen anempfehlen; wenn wir unsere Kinder selbst nicht in seine Gemeinschaft bringen, dass sie von Ihm bitten, von Ihm nehmen, mit Ihm reden, Ihm gehorchen lernen: wahrlich, dann ist es mit aller unserer Kinderzucht und Kinderbehandlung nichts. Denn wir übertreten dann das Hauptgebot des Heilandes, wir ehren unsere Kinder nicht nach seinem Willen.
Fangen wir aber damit vor allen Dingen an, unsere Kinder zu ehren nach Gottes Willen, dann wird es mit ihrer Zucht und Behandlung auch nicht so schwer sein. Ihr braucht dann nicht nach den neuesten Erziehungsbüchern Euch umzusehen und bald diese, bald jene Methode zu versuchen. Jesus selbst, der einzig rechte Erzieher, wird Euch in alle Wahrheit leiten. Bei Ihm geht nur recht fleißig in die Schule, Alle, die Ihr zu erziehen habt. Und lasst Euch vor allen Dingen selbst von Ihm erziehen. An einem Erziehungsbuche lässt Er es uns auch nicht fehlen. Täglich ins Wort Gottes!! Das ist das wahre, das ist das beste Erziehungs- und Methodenbuch. Daraus können wir lernen, uns und unsere Kinder zum Himmel zu erziehen. Nun, gebe der Herr, dass wir das recht fleißig lernen mögen. Ja, gebe Er in Gnaden, dass wir unsere Kinder
immer mehr ehren lernen nach seinem gnädigen und guten Willen, dass wir auch in diesen Stücken ein Volk werden mögen, das da wandele in allen Geboten und Rechten des Herrn. Gebe er in Gnaden, dass auch aus dem Munde unserer Kinder sein Lob ertöne und eine Macht zugerichtet werde gegen alle Feinde seines Reiches! Amen.