Harms, Theodor - Der Heilsweg - Die Rechtfertigung.
Die Gnade unsers HErrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.
Lasst uns beten: Lieber HErr und Heiland Jesus Christus, der Du bist eingetreten als Bürge und Stellvertreter für uns blutarme Sünder, hast alle unsere Sündenschuld auf Dich genommen und sie abbezahlt mit Deinem teuren kostbaren Gottesblute, also dass wir Frieden finden in Deinen Wunden und getrost dem Tode entgegen gehen können als solche, die von Dir begnadigt sind. Wir bitten Dich, gib uns Deinen Heiligen Geist zur Betrachtung Deines heiligen, teuren, werten Wortes, dass wir dasselbe recht verstehen und seine Kraft erfahren an unserm Herzen. Gibst Du uns doch heute das größte Kleinod zu betrachten, dass wir uns sollen freuen darüber, dass wir vor Dir gerechtfertigt sind. Segne Du Dein teures Wort an unserm Herzen, lass es unsern Trost, Freude und Kraft werden und gib Gnade, dass wir Dir hinfort dienen in rechter Treue und nie wieder von Dir weichen, der Du uns je und je geliebt hast und hast uns zu Dir gezogen aus lauter Güte und ohne den wir nicht selig werden können. Erbarme Dich über uns und sei uns gnädig um Deines Namens willen. Amen.
Text: Röm. 3, 28.
So halten wir es nun, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke allein durch den Glauben.
Wir gelangen heute, meine Lieben, zu dem Herzen der lutherischen Lehre, denn das ist die Rechtfertigung durch den Glauben allein. Es ist dies das Herz der lutherischen Lehre und darum ist es nicht anders und kann nicht anders sein, als dass das ganze Herz fröhlich ist und in Sprüngen geht über diese Lehre, wenn wir sie recht erkennen und erfahren. Die Rechtfertigung durch den Glauben allein, das ist es, worauf wir stehen müssen und wovon wir um keinen Preis abweichen dürfen. Es ist dies ein Kleinod von solcher Zartheit, dass wir auch nicht im Geringsten davon weichen dürfen, wir dürfen nichts davon abnehmen und nichts hinzutun, wenn nicht unser ganzes Christentum soll Schaden leiden.
Wir fragen zuerst: Was ist die Rechtfertigung? Die Rechtfertigung ist eine richterliche Handlung, die im Himmel vor sich geht und zwar über den armen Sünder, der durch Gottes Gnade so weit gekommen ist, dass er in aufrichtiger Buße und Reue über seine Sünden vor Gott steht. Der Sünder mit unbußfertigem Herzen kommt hier auf Erden nicht vor Gottes Gericht, sondern in der Todesstunde, wenn es zu spät ist und er sich nicht mehr bekehren kann. Soll's uns nicht auch so ergehen, so müssen wir bei Lebzeiten in dieses Gericht kommen und das geschieht in der Buße und Reue über unsere Sünde. Es ist das ein ähnlicher Zustand, wie ihn der HErr Jesus im Garten Gethsemane erfuhr, da Er unter der Last unserer Sünden vor dem Gerichte Gottes stand und sich Seines Lebens erwägte, dass, wenn Gott nicht diesen Jammer gewandt hätte, so wäre Er in Gethsemane gestorben. So kommt der Sünder vor Gottes Gericht mit allen seinen Sünden und er kann es wagen vor Gott zu erscheinen, wenn er im Glauben Jesum ergreift. Ja wenn er auch ohne Glauben dasteht, so ist es doch gewiss, dass der HErr einem solchen bußfertigen Sünder den Glauben gibt, also dass er im Gericht nicht verworfen wird. Es kann Niemand wissen und erfahren, was die Rechtfertigung sei, der nicht in wahrer Reue und Buße in das Gericht Gottes gekommen ist. In der Rechtfertigung ist Niemand anders Richter als der heilige, gerechte Gott, der da keine Sünde leiden kann, auch nicht die kleinste, der keine Sünde ungestraft lassen kann, auch nicht die geringste und der die Sünde straft mit dem Gerichte Seines Zorns, wo Er sie findet, wenn sie nicht vergeben ist. Verdiente Strafe für jede Sünde ist die ewige Verdammnis, so muss Gott strafen, Er kann nicht anders. Es sitzt auf dem Richterstuhle der heilige, gerechte Gott, des Augen sind wie Feuerflammen und dessen Zorn bis in die unterste Hölle brennt, so dass der arme Sünder es nicht wagt in Gottes Augen zu schauen, sondern sich im Staube krümmet und windet wie ein Wurm. Der Ankläger ist der Teufel, der alle Sünden des Menschen vor Gottes Gericht bringt und zu Ihm sagt: Du musst ihn strafen, denn er ist ein Sünder und Du hast es im Gesetz gesagt, dass Du alle Sünder strafen willst. Der Teufel, als Ankläger, weist Gott hin auf das Gesetz und das Gesetz sagt: Verflucht ist Jedermann, der nicht hält alle Worte dieses Gesetzes, dass er sie tue. So scheint es unmöglich zu sein, dass der Sünder vor Gott stehen könne, zumal da sein Gewissen ihm bezeugt, dass er alle Gebote Gottes übertreten hat. Die Schuld, der sich der arme Sünder bewusst ist, ist eine ungeheure er weiß nicht einmal, wie er die Schuld einer einzigen Sünde bezahlen soll und nun hat er die Schuld von vielen Millionen Sünden auf der Seele. Die gerechte Strafe für die Sünde ist die ewige Verdammnis und wer das bedenkt, dem schaudert die Haut. Das empfindet der Sünder vor Gottes Angesicht und er muss bekennen: Meine Verdammnis ist recht. Aber da tritt ein Bürge und Stellvertreter ein, das ist das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde trägt, der stellt sich zwischen Gott und den Sünder und tritt offen dem Teufel entgegen. Er sagt dem Satan ins Gesicht: Du hast nichts zu verklagen an diesem Sünder, willst du Jemand verklagen, so verklage Mich, denn ich habe sowohl seine als der ganzen Welt Sünde getragen, Er gebietet dem Satan Schweigen und der Satan darf den Mund nicht auftun, denn der Bürge ist der wahrhaftige Gott, der König aller Könige und der HErr aller Herren, dessen ohnmächtiges, wenn auch wütendes Werkzeug der Teufel ist. Er wendet sich auch zu dem Richter und sagt zu Ihm: Ich bin Dein eingeborner liebster Sohn, der den Ratschluss zur Erlösung der Menschen, welchen Du von Ewigkeit her gefasst hast, hinausgeführt hat; es hat Mich Mein Blut gekostet, Ich habe Mein Leben daran gewandt, Ich habe das Gesetz erfüllt, Ich habe in Meinem leidenden und tuenden Gehorsam Deiner Heiligkeit und Gerechtigkeit Genüge geleistet; nun stehe ich hier, Du kannst die Schuld, die Ich gezahlt habe, nicht zum zweiten Male von dem Sünder fordern, Du kannst die Strafe, die ich getragen habe, nicht zum zweiten Male dem Sünder auflegen, Ich verlange, dass er frei gesprochen wird. Er wendet sich zu dem Sünder und sagt: Glaubst du, dass Ich der Versöhner der ganzen Welt und auch dein Versöhner bin? und wenn der arme Sünder auch nur mit schwacher Stimme antworten kann: Ich glaube, lieber HErr, hilf meinem Unglauben, so tut sich der Mund Gottes auf und spricht den bußfertigen Sünder frei, los und ledig von aller Schuld und Strafe der Sünde und in sein Herz zieht Friede und Freude im Heiligen Geist ein. Was also im Himmel vorgeht, das kündigt der Heilige Geist dem Sünder auf Erden an, darum weiß der begnadigte Sünder wohl ein Wort des lebendigen Gottes, das ihm Ruhe für das sündenkranke Herz gebracht hat und das ist die Kunde von seiner Rechtfertigung im Himmel, also dass er sich kraft des Urteils, das gefällt ist und das der Heilige Geist ihm mitgeteilt hat, sich nun seiner Seligkeit gewiss ist. So konnte Dr. Luther in langer schwerer Anfechtung sich des nicht getrösten, dass er ein begnadigter Sünder sei. Da gab ihm aber der Heilige Geist das Wort ins Herz: Der Gerechte wird seines Glaubens leben, und dieses Wort Gottes ist ihm der Freibrief geworden für sein ganzes Leben. So müssen wir, wenn wir unserer Seligkeit gewiss sein wollen, es schwarz auf weiß haben und diese Schrift ist Gottes Wort. Darum ist die heilige Beichte so wichtig. Da mag der bußfertige Sünder mit seinen Sünden kommen und wenn er hört das Wort aus dem Munde des Predigers: Dir sind deine Sünden vergeben, so ist dieses die Nachricht, dass er gerechtfertigt sei. So haben wir im Worte Gottes die Freisprechung von allen Sünden und Missetaten. Das ist die Rechtfertigung.
Nun fragen wir zum zweiten: Welches sind die drei Hauptstücke der Rechtfertigung? Hört: 1. die Gnade, 2. der Glaube, 3. das Verdienst Christi. Also
1. Die Gnade.
Wenn ein Mörder vor Gericht steht, so hat er nach göttlichem und menschlichem Rechte den Tod verdient; doch hat der König in seiner Macht Gnade für Recht walten zu lassen: Er lässt sie walten und spricht den Mörder von seiner Strafe los, dann ist er frei durch die Gnade des Königs. Nach dem Recht hat er den Tod verdient, nach der Gnade wird ihm das Leben geschenkt. So geht es auch in der Rechtfertigung dem armen Sünder. Er hat nichts verdient als den Tod um seiner Sünde willen, der HErr aber lässt die Gnade walten und spricht ihn frei von allen seinen Sünden, ja trotz derselben, sodass keine Verdammnis auf Seiten des Menschen zu finden ist.
2. Der Glaube.
Ohne den lebendigen Glauben ist es ganz unmöglich, dass Gott rechtfertigen kann. Wohl hat Christus alle Sünden und Missetaten der Welt getragen, hat für alle armen Sünder genug getan, aber es ist ganz unerlässlich, dass jeder Einzelne sich zueignet und annimmt, was Jesus für Alle erworben hat. Darum ist der Glaube auch die einzige Bedingung, die Gott der HErr fordert von uns, worauf die Rechtfertigung erfolgen kann, dass wir im Glauben den HErrn Jesum als unsern Bürgen annehmen. Denn wenn der Sohn Gottes auch als Bürge für den Sünder eintreten wollte, wenn er sich stellen wollte zwischen Gott und den Sünder und dem Satan gegenüber und der Sünder erklärte: Ich will Dein Verdienst nicht, so nützte Christi Bürgschaft nichts und die Rechtfertigung könnte nicht zu Stande kommen. Der Sohn Gottes hat alle Sündenschuld bezahlt, wenn aber der Einzelne diese Bezahlung nicht annehmen will, so dringt sie ihm der HErr nicht auf, der Sünder bleibt in Seiner Schuld. Der Glaube ist das Einzige, was der HErr erfordert, ist aber auch unerlässlich. Ob der Glaube groß ist oder klein, darauf kommt es in diesem Stücke nicht an, aber er muss da sein. In der Regel ist es ein kleiner Glaube, der eben erst geboren ist und der genügt zur Rechtfertigung. Wer nicht den Glauben hat, der wird nicht vor Gottes Gericht bestehen können. Darum kann bei der Rechtfertigung auf unserer Seite nicht von Werken die Rede sein, der HErr kann auch keine andere Bedingung stellen, als dass wir das Heil in Christo annehmen, dass wir den Bürgen und Fürsprecher Christum haben wollen.
3. Das Verdienst Christi.
Das ist die Gerechtigkeit, die Christus uns erworben hat durch Seinen tuenden und leidenden Gehorsam. In Seinem tuenden Gehorsam hat Er das Gesetz für uns erfüllt. Er stand als der Gottmensch nicht unter dem Gesetze noch unter dem Fluche desselben, Er stand über dem Gesetz und im Gesetz, Er brauchte das Gesetz nicht für sich zu erfüllen. Hat Er es doch erfüllt, so hat Er es für uns getan, denn Er hat unsere Sünden auf sich genommen als die Seinigen. Wenn wir nun im Glauben stehen, so stehen wir nicht mehr unter dem Gesetz, das Gesetz kann uns trotz unserer täglichen Sünden nicht mehr verdammen, denn Christus hat es erfüllt, es kann keine Forderungen mehr an uns machen, wir verweisen es zu Christo, der alle Forderungen erfüllt hat. So geht es dem Christen, wie seinem HErrn, er steht nicht unter dem Gesetz, sondern in dem Gesetz. Der HErr hat durch Seinen leidenden Gehorsam den ganzen Fluch und Zorn Gottes getragen und indem Er das Sündopfer der Welt geworden ist, hat Er uns versöhnt mit Gott und in Seinem Blute das Lösegeld für unsere Sünden dargebracht. Wenn wir nun im Glauben stehen und den HErrn Christum und Sein Verdienst ergreifen, so kommt uns nicht bloß Seine vollkommene Gesetzeserfüllung zu Gute, sondern auch alles, was Er durch Sein Leiden und Sterben erworben hat für uns arme Sünder. Stellen wir uns im Glauben zu Christo, so muss der HErr in der Rechtfertigung uns nicht bloß alle Sünden erlassen, sondern Er muss uns auch das ganze Heil, das Christus erworben hat, zusprechen. So ist der einzige Grund der Rechtfertigung das Verdienst Christi und die einige Bedingung, die der HErr fordert, der Glaube und der HErr erteilt die Rechtfertigung immer aus Gnaden. Es kann also dabei von einem Verdienst des Menschen gar nicht die Rede sein. Es ist das eine ebenso große Torheit, wenn der Mensch bei der Rechtfertigung von seinem Verdienst reden will, als wenn ein Dieb oder Mörder bei seiner Lossprechung pochen will auf seine Tugend. Der Mörder steht wegen seiner Sünde vor Gericht und hat nichts zu erwarten als den gerechten Lauf des Gesetzes; wird er dennoch freigesprochen, so geschieht das aus Gnaden. So stehen wir armen Sünder vor Gottes Gericht um unserer Sünde willen und haben nichts von Tugend und Verdienst zu reden. Die Rechtfertigung erfolgt aus dem Glauben und wir bekennen: So halten wir es nun, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.
Zum dritten fragen wir, was haben wir an dieser Rechtfertigung, warum ist sie uns so überaus wichtig, dass sie das Herz der lutherischen Lehre ist? Ohne die
Rechtfertigung ist es ganz unmöglich, dass wir selig werden und dass wir unserer Seelen Seligkeit gewiss werden können. Denn wovor wir sicher sein müssen, das ist der Zorn Gottes, und wessen wir gewiss sein müssen, das ist die Gnade Gottes. Diese Sicherheit und Gewissheit können wir nur haben durch das Verdienst Christi. Denn wenn der Mörder vor Gericht steht und er hat kein freisprechendes Urteil gehört, wie kann er wissen, dass er freigesprochen ist. Wenn auch der Richter den Mörder frei ließe, so müsste derselbe doch fürchten, jeden Augenblick wieder gegriffen und festgesetzt zu werden. Hat er aber die Lossprechung gehört und ist sie ihm schriftlich gegeben, so ist ihm das Gewissheit und Sicherheit und er braucht nicht mehr zu fürchten, dass er noch gefangen oder gestraft werden könne um seiner Sünde willen. So ist die Rechtfertigung notwendig, damit wir erkennen und erfahren, wir haben uns vor dem Zorn Gottes nicht zu fürchten und können uns der Gnade Gottes getrösten. Weil das Verdienst Christi der Grund der Rechtfertigung ist, so sind wir dadurch der Gnade Gottes so gewiss, dass keine Macht Himmels und der Erde sie uns rauben kann. Wenn wir im Glauben nehmen, was Jesus uns gibt, so kann uns nichts wankend machen in unserm Gnadenstande. Wir haben mit unsern Sünden nichts mehr zu schaffen, die hat Christus getragen und trägt sie noch, wir haben den Freibrief in unserm Herzen und darum muss unsere Seele wohl fröhlich werden in der Rechtfertigung. Wir sind des gewiss, dass wir nun Kinder und Erben sind. Denn wenn wir gerechtfertigt sind durch den Glauben, werden wir wiedergeboren und sind damit Gottes Kinder und Erben des Himmels. Was gibt es aber Köstlicheres als ein Kind Gottes und Erbe des Himmels zu sein? Da muss wohl alle Not und Jammer des Herzens aufhören. Wir wissen und glauben es gewiss, dass nichts mehr ist zwischen uns und unserm Gott, dass uns nichts mehr von unserm Gott scheiden kann, von dem Zorn Gottes haben wir nichts mehr zu fürchten, für uns ist Gott, dessen Herz voll Liebe ist, der Heiland, der stets für uns bittet, der Heilige Geist, der uns Christi Verdienst immer wieder zueignet; wir haben in dem Evangelium den ganzen Erguss des treuen Herzens unsers Gottes und Heilandes und können getrost dem Tode entgegen gehen als solche, die aus dem Gericht ins Leben gekommen sind und nicht als solche, die aus dem Leben ins Gericht kommen. Darum werden die Gerechten am jüngsten Tage nicht in das Gericht kommen, sie haben schon in der Gnadenzeit das Gericht an ihrem Herzen erfahren. So müssen unsere Herzen gar fröhlich und getrost werden, aber es kann auch nicht anders sein, als dass der gerechtfertigte Sünder, der die ganze Angst des Gerichtes Gottes ausgestanden hat, sich mit Ernst vor der Sünde hütet und den Freibrief der Rechtfertigung zu bewahren sucht. So lange wir als gerechtfertigte Sünder in der Gnade stehen, schaden uns unsere Sünden nicht, mit der Rechtfertigung ist der Gnadenstrom Gottes über uns gekommen, der beständig den gerechtfertigten Sünder überströmt und alle seine Sünden weg wäscht, so wie er sie getan hat. Nur dann, wenn der begnadigte Sünder aus der Gnade fällt und den Glauben verbricht, dann muss die Rechtfertigung von neuem erfolgen, wenn der Sünder selig werden soll. Aber das ist gewiss, wer aus dem Gnadenstande gefallen ist, der wird zum zweiten Mal sich viel schwerer wieder zurecht finden bei seinem HErrn und Heiland und wer zum dritten Mal aus dem Gnadenstande fällt, - nun wer weiß es, ob es dem überhaupt möglich ist, dass er wieder Gnade findet bei Gott. Weil es so schwer wird für den, der aus der Gnade gefallen ist, wieder in die Gnade zu kommen, darum wandelt ein Christ sehr vorsichtig und bewahrt das Kleinod der Rechtfertigung mit großer Treue. Seht, meine Lieben, dabei müssen wir bleiben und wenn wir das tun, dann sind wir geborgen, dann haben wir Seine Gnade in noch größerem Maße erfahren, wie Seinen Zorn. Es nützt das einem Menschen sehr wenig, wenn er weiß mit dem Kopfe, was die Rechtfertigung ist. Nur einem solchen, der in der Buße mit seinen Sünden zu Gott gekommen ist, ist es möglich im Glauben die Gnade Gottes zu ergreifen, nur der weiß, was er an der Rechtfertigung hat, dem ist sie das Herz der Lehre und sein Herz jubelt, so oft er daran gedenkt, was für Gnade ihm widerfahren ist. So lehrt unsere Kirche und das ist die reine, lautere Lehre und Wahrheit, denn so lehrt die Heilige Schrift. Wenn nun die Römischen lehren, dass der Mensch nicht allein aus Christi Verdienst gerechtfertigt wird, sondern auch aus seinen Werken, so haben sie einen doppelten Grund der Rechtfertigung: Christi Verdienst und des Menschen gute Werke. Das kommt daher, weil die katholische Kirche lehrt, dass der Mensch von Natur noch mancherlei Gutes an sich habe und aus eigner Kraft Gutes tun könne, dass also zu den guten Werken Christi Verdienst hinzu käme und auf Grund der eigenen guten Werke und des Verdienstes Christi die Lossprechung erfolgt. Dann ist es aber keine Rechtfertigung mehr, sondern eine Heiligmachung; die Rechtfertigung des Sünders aus Gnaden durch den Glauben haben die Katholiken nicht. Darum sind sie auch fortwährend ungewiss ihres Gnadenstandes und meinen, sie müssen sich ihrer Seligkeit gewiss machen durch gute Werke. So stehen sie wohl mit dem einen Fuß auf der Gerechtigkeit Christi, aber mit dem andern schweben sie in der Luft. Darum müssen sie notwendig lehren, dass der Mensch auf Erden seiner Seligkeit nicht gewiss werden könne. Wir aber behaupten fest und bestimmt vor Gott und vor Menschen, dass ein Sünder seiner Seligkeit so gewiss sein kann, als er gewiss weiß, dass sein HErr und Heiland im Himmel ist.
Lasst uns niederknien und beten: Wir danken Dir, lieber HErr und Heiland Jesu Christe, für alle Deine unaussprechliche Liebe und Erbarmung, dass Du unser Bürge und Mittler worden bist und hast in Deinem ewig vollgültigen Verdienst den einigen Grund zu unserer Seligkeit erfunden. Wir können in Zeit und Ewigkeit Dir nicht genug danken für Alles, was Du für uns arme Sünder getan hast. Wir wollen Dir dafür unser ganzes Herz schenken und Niemand anders folgen als Dir allein. Wir danken Dir, lieber HErr, dass Du, als wir in unserer Sündennot vor Gott zitterten und zagten, bist als unser Bürge und Stellvertreter eingetreten, hast dem Teufel den Mund gestopft und hast Deinem himmlischen Vater Dein Verdienst vorgehalten, dass wir frei gesprochen werden konnten. Nun erfassen wir im Glauben Dein Verdienst und wollen es festhalten bis in alle Ewigkeit. Wir danken Dir, dass Du uns aus Gnaden gerecht und selig machst. Brauchen wir uns doch nun nicht zu fürchten, dass wir die Seligkeit nur teilweise haben sollen, sondern Du kannst sie uns ganz schenken, denn Du brauchst Deiner Gnade nur freien Lauf zu lassen. Wir wollen wegwerfen das unflätige Kleid der eigenen Gerechtigkeit und das Kleid Deiner Gerechtigkeit anziehen, wir wollen nicht hören auf die Anklage des Teufels, noch sehen auf unsere täglichen Sünden, sondern wollen uns immer wieder rein waschen mit Deinem Blut und uns des trösten, dass wir Deine Kinder sind. Wir wollen Dir für all' Deine Liebe danken dadurch, dass wir im neuen Gehorsam der Kinder Gottes wandeln, wir wollen unser ganzes Leben verzehren in tiefster Selbsterniedrigung und Demut und Dir nachfolgen, der Du Dich so tief gedemütigt hast, als es kein Mensch vermag. Sei gelobet und gepriesen, dass Du uns die Lehre von der Rechtfertigung rein und lauter gegeben hast, dass ein Kind sie verstehen kann; aber gib auch Gnade, dass wir die Rechtfertigung, soviel unser hier versammelt sind, an unserm Herzen erfahren. Das wollest Du tun um Deines Namens willen. Amen.