Erichson, Alfred - Zwingli's Tod und dessen Beurtheilung durch Zeitgenossen - III. Die Katholiken.

Erichson, Alfred - Zwingli's Tod und dessen Beurtheilung durch Zeitgenossen - III. Die Katholiken.

Indessen war Frohlocken auf der Seite der Sieger. König Ferdinand meldete seinem Bruder nach Brüssel „den Tod des großen Ketzers Zwingli als den ersten für den katholischen Glauben günstigen Umstand“1) und Kaiser Karl V. beeilte sich, den V Orten eine Gratulation zu schicken, was auch Papst Clemens VII. that2). Mag dann auch Erasmus schreiben: „Es ist gut, daß die beiden Koryphäen umgekommen sind, Zwingli in der Schlacht, Oekolampad bald darauf am Fieber und an einem Geschwür. Hätte der Kriegsgott zu ihnen gehalten, so wäre es um uns geschehen gewesen“3) - wir wollen ihnen die Freude nicht verdenken. Wie weit aber die Gehässigkeit in der Gesinnung und im Ausdruck gehen kann, zeigt uns Hans Salat, Barbier und Geschichtsschreiber in Luzern, der das Schauspiel, welches das Kapeller Schlachtfeld am Abend des 11. Oktober darbot, in seiner Chronik folgendermaßen schildert: „Es kamend nun etlich dar, so Zwinglin in sim leben kennt hattend, beschowten inn, suochtend ouch by bsundern worzeichen an sim lyb und funden, daß dis der Zwingly was, den si warlich mit mengerley reden nach sinem tod begrueßtend, mit vilen titlen, die im all wol gemäß warend, mit nit wenig hochem dancksagen zuo Gott dem allmechtigen, daß der recht grund, ursprung, anfang, ursach und sächer alls dis übels, elends, jamers und angst jetz da lag karchlen in sim schelmigen bluot, dem doch Gott die gnad hat tan, daß er von biderben eerenlüten, under inen und in dero bywesen starb, just wär nit wunders gsyn, es wärend me tüfel gsyn by sim end, dann kriegslüt im Feld warend. Also kam für und für den gangen abend vil der alten cristen zuo im über im toten cadaver, zuo beschowen den, der me unfrid, unruon, angst, not und jamer zuogericht, dan all fürsten, herrn, stend und stett nie hättend mögen zwegen bringen, nun da lag und von iren henden, als instrumenten von Gott darzuo verordnet, siner bosheit lon empfangen hat. Da lag jetz der vogt aller eidgenossen und (von den gnaden Gotts) all sin anschlag by im in endschaft.“4) - Wahrlich roh genug, aber noch übertroffen durch den kurzen Satz in Küssenberg's Chronik: „und ware also diser verfluchte Erzketzer crepiert.“5) Wie ganz anders der katholische Stadtpfarrer von Zug, Hans Schönbrunner, der über Zwingli's Leiche ausrief: „Wie du auch des Glaubens halber gewesen, so weiß ich, daß du ein ehrlicher Eidgenosse warest!“6)

Von dem glühenden Haß gegen den Reformator, der sich in den Siegesjubel der Katholiken mischte, zeugen ferner die auf Zwingli's Tod verfaßten Gedichte. In einem „neuen Lied von der gedechtnuswürdigen schlacht zu Capel“ heißt es unter andrem

Den Zwingle sah man auch da stahn,
denselben faulen, meineiden, ehrlosen mann.
er wolt sie füren und lehren,
wie er vormalen auch mehr hat thon,
bracht sie umb seel, leib, leben und ehre.

Der Zwingle der ward angerennt,
er ward geviertheilt und verbrennt,
noch ist ihm nicht recht geschehen:
man solt ihn lebendig gräderet han!
die warheit thu ich versehen u. s. w.

Ein anderes „hüpsch lied“ schließt mit den Worten:

Der zürcherisch Endchrist Ulrich
vom geschlecht Zwingli der böswicht
den krieg hat er angefangen;
ach wer er die weil uber tausend meil'
am höchsten galgen gehangen!7)

Unter diesen Pasquillen sind diejenigen des schon genannten Hans Salat, „der Tanngrotz“, „das Liedlin von Zwinglin“ und „der Triumph des schweizerischen Herkules“ zu einer traurigen Berühmtheit gelangt, und, als ob der Luzerner Geschichtsschreiber hierin noch nicht genug geleistet, so setzte er, zur Freude des gemeinen Volks, seine witzelnden Beschimpfungen in Gebetsparodien fort. Ein von ihm verfaßtes „Vater unser“ beginnt mit den Worten: „Zwingli unser figend (Feind), der tüfel, verbrant, vertheilt werde din schantlicher nam, zerstört din tüfelisch rich.“ Das Ave wird in ähnlicher Weise karikiert: „Verflucht sigist du, aller Kätzer Aetti, Zwingli!“ und das Credo lautet: „Ich glaub nit in den gottlosen verbrennten Vater aller Ketzerprädikanten“ u. s. w.8)

Während die Regierung von Bern sich vergeblich mit einer Klage wegen der Schmähschrift „Tanngrotz“ an den Luzerner Rath wandte, so übernahm es Zwingli's Nachfolger, Heinrich Bullinger in einer ruhigen, sachlichen Erwiderung, „Salz zum Salat“ genannt, den groben Verläumder niederzuschlagen. Einige Stellen werden zeigen, wie er dem Gegner auf den Leib rückt: „Du vervolgest mit schantlichen Worten den frommen man und trüwen diener Gottes Huldrichen Zwingli, den du nempst einen böswichter und verfürer der frommen gmeind. Und ist aber sömlich din schriben nützid anders, dann ein üppigs, nidigs, verlogens kläpper; dann den menschen, der frommkeit lert, tugenden pflanzet, die laster und lasterhaften strafet und hasset, erbarlich und züchtigklich lebt, mag niemands billicherwis einen böswichten schelten … Jesus Christus ward ouch ein verfürer des volks gescholten, Helias ein ufrürer geheissen, Jeremias ein verräter und die apostel selbs gotteslesterer genempt; si warend's aber darumb nit. Diewil Zwinglin all sin ler uf nüw und alt testament begrundt hat, so ist er ouch nit ein verfürer gsin. Es sige dann sach, daß die heilig, göttlich geschrift, damit er sin ler befestret, verfüre … Oder ist der ein verfürer, der allein zu Gott durch Christum fürt? Sich also, schampst du dich keiner schand? Darbi ist ouch das, daß du uf den frommen man und uf die predige der warheit gern wolltist allen unglimpf des kriegs trächen … Nit die predig der warheit, nit der Zwingli hat den anlaß zum krieg geben, sondern die unerbaren, mutwilligen, freflen handlungen, von denen bevor gnugsam beschriben ist … Die gschrift sagt vom erschlagenen Abel, er sige im glouben verschieden und durch den glouben rede und lebe er noch hüt bi tag, Hebr. 11. Und Zwingli lebt und ist noch überig in sinem glouben und in sinen geschriften. Nit allein die gmeind Zürich, sonder alle völker in tütschen und weltschen Landen wüssend, was er glert und gibt im die heilig gschrift kundschaft, daß er die warheit glert habe. Hast du aber sine bücher gelesen, so weißt du wol, daß er keiner fromkeit widerstrebt; hast du si dann nit gelesen, so ist das je ein öde schalkheit in dir, daß du schelten gedarft, da du nit weißt, was es ist. - Für Zwingli ist das kein schand, daß er mit, ouch under sinen schäflinen und durch siner schäflinen willen gestorben ist; wie er von dem henker gerichtet sige, ist nit so grusam in uns, die wir wüssend, daß Jesus Christus und der h. Petrus von henkeren gekrütziget, Johannes der toüfer, Jacobus und Paulus von inen enthouptet, Polycarpus verbrennt und andere martyrer von inen zerstucket sind. … Andere schmachwort, die du nit one besonderbare bitterkeit über den frommen man mit großem gespött schüttist, empfehlen wir ouch Gott, der je und je die sinen mit ellend us diser zit berüft und der welt iren lust an den frommen ze büssen verhengt hat.“9)

Im Anhang zu dieser vom 3. Januar 1532 datierten Schrift veröffentlichte Bullinger das lied: „O heil‘ger Gott, erbarm dich doch!“ welches in das Zürcher Gesangbuch überging und in dem die Strophe steht:

Du hast uns gstraft, ouch hingenon
Huldrichen Zwingli, den frommen man:
doch hast in gnom zu diner huot
mit im vil eeren biderb lüt,
die all den tod entsassend nüt
Und d'warheit b'zügt mit irem bluot.

Um nicht später darauf zurückkommen zu müssen, erwähne ich gleich hier die anderen, evangelischerseits entstandenen Zwinglilieder, welche als eine Antwort auf die Spottgedichte der Katholiken und nicht weniger als ein Mittel, das eigene trauernde Gemüth aufzurichten, anzusehen sind. Grundton derselben ist ein gedemüthigter Sinn, verbunden mit mannhaftem Gottvertrauen.10)

Bald ward Bullinger veranlaßt, ein anderes Pamphlet zu beantworten. Der Wiener Bischof Faber hatte ein „Trostbüchlein“ herausgegeben, welches durch Entstellung der Wahrheit und boshafte Deutungen die Salatschen und alle ähnlichen Schriften noch überbot. Bullinger richtete nun eine „tröstliche Verantwortung an alle die evangelische Wahrheit liebhabenden Menschen“. Es wird in derselben, an dem Beispiel der oft geschlagenen Israeliten und der von den römischen Kaisern verfolgten Christen, sowie an den Siegen der heidnischen Hunnen, Gothen, Vandalen und der Mohammedaner, treffend dargelegt, wie eine augenfällige Niederlage oder ein Sieg weder für die Falschheit, noch für die Wahrheit eines Glaubens ein Beweis sein kann. „Obwohl die Wahrheit ohne Zweifel siegen wird, so ist nicht alles wahr, was etwa siegt. Darum lasset euch, geliebte Brüder in Deutschland, unsere Sieglosigkeit nicht zum Aergerniß werden, noch von der erkannten Wahrheit abtreiben, sondern beharret in Gottes Wort, das noch immer gesiegt hat, obgleich die heiligen Propheten, Apostel und Märtyrer seinetwegen geschmähet und getödtet worden sind. Wir aber wollen unseren Unfall als eine väterliche Heimsuchung Gottes erkennen und weiter in Hoffnung seiner Gnade leben.“11)

1)
15. Okt., bei Lanz, Korrespondenz des Kaisers Karl V, Bd. I, 553.
2)
Luzerner Archiv, in Strickler's Aktens. IV, 145, 174. - Archiv für schweizerische Reformationsgeschichte, II, 18, 19.
3)
Erasmus Goclenio, 4. Dez. 1531 Epp. Ed. Lugd. Bat. 1706, S. 1422.
4)
Archiv für schweiz. Reformationsgeschichte. Herausgegeben vom Piusverein. I, 310.
5)
Ibid. III, 452.
6)
Bullinger, Reformationsgeschichte. (Ed. Hottinger), III, 167.
7)
v. Liliencron, die hist. Volkslieder der Deutschen, IV, Nr. 427, 428.
8)
Abgedruckt bei Bächtold: Hans Salat. (Basel 1876), S. 13 ff.
9)
Bächtold, Hans Salat, S. 242 ff.
10)
v. Liliencron, Nr. 431, 432, 433.
11)
In Füßli's Beiträgen, IV, 278.
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/e/erichson/zwingli/erichson_zwinglis_tod_-_die_katholiken.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain