Anselm von Canterbury – Buch der Betrachtungen - Elfte Betrachtung. Von der Menschen Erlösung.

Anselm von Canterbury – Buch der Betrachtungen - Elfte Betrachtung. Von der Menschen Erlösung.

Christenseele, Seele aus tiefem Tod erweckt, Seele aus elender Sklaverei durch das Blut Gottes erlöst und befreit, wecke deinen Geist auf, gedenke deiner Wiedererweckung, denke an deine Erlösung und Befreiung. Überdenke, wo und was die Kraft deiner Rettung sei, verweile bei ihrer Betrachtung, ergötze dich an seiner Betrachtung, wirf deinen Übermut weg, tu deinem Herzen Gewalt an, richte darauf deinen Geist; verkoste die Güte deines Erlösers; entbrenne in Liebe zu deinem Heiland. Iss den Honigseim der Worte, sauge ein den Geschmack, süßer als Honig, verschlinge die heilsame Süßigkeit. Iss durch Nachdenken, sauge ein, indem du begreifst, wünsche dir Glück zum Einsaugen, verschlinge durch Liebe und Freude. Vergnüge dich beim Verschlingen! Wo also und was ist die Stärke und Tapferkeit deines Heilandes? Gewiss, Christus hat dich wieder ins Leben gerufen. Jener gute Samaritan hat dich geheilt; jener gute Freund hat dich mit seiner Seele erlöst und befreit: ja, Christus. Also die Kraft deiner Erlösung ist die Kraft Christi: Wo ist diese Kraft Christi? Es sind ja Strahlen in seinen Händen, dort ist seine Stärke verhüllt (Hab. 3,4). Wohl sind Strahlen in seinen Händen, weil seine Hände an die Kreuzes-Arme geheftet sind. Wie aber Stärke bei so großer Schwäche? Wie Höhe bei so großer Niedrigkeit? Wie Ehrwürdigkeit bei so großer Verachtung? O verborgene Stärke! ein Mensch, am Kreuz hängend, hebt den ewigen Tod, der das Menschengeschlecht drückt, auf, ein ans Holz gehefteter Mensch bindet die Welt, die an den ewigen Tod geheftet ist, los. O heimliche Macht! ein Mensch, mit Räubern verdammt, erlöst die mit den Teufeln verdammten Menschen! Ein Mensch, am Kreuz ausgespannt, zieht alles zu sich! O verborgene Kraft! eine Seele in Qualen ausgehaucht zieht unzählige aus der Hölle, ein Mensch unterzieht sich dem Tode des Leibes und hebt den Tod der Seelen auf.

Warum, guter Herr, frommer Erlöser, mächtiger Heiland, warum wirktest du so kraftvoll bei so großer Niedrigkeit? Etwa um den Teufel zu täuschen, der den Menschen täuschte und dadurch den Menschen aus dem Paradies warf? Aber die Wahrheit täuscht ja Niemand. Wer unwissend ist, wer die Wahrheit nicht glaubt, täuscht sich selbst: wer die Wahrheit sieht und hasst oder verachtet, täuscht sich selbst. Die Wahrheit täuscht also Niemand. Oder geschah es deshalb, damit der Teufel sich täuschen möchte? Aber wie ja die Wahrheit Niemand täuscht, so legt sie es auch nicht darauf an, dass sich Jemand. täusche, obgleich man sagt, es tue Einer das, wenn er es zulässt. Denn du nahmst die Menschheit nicht an, um dich als bekannt zu verbergen, sondern um dich als unbekannt zu offenbaren. Wahren Gott, wahren Menschen nanntest du dich und zeigtest es durch Werke. Die Sache war an sich verborgen, nicht absichtlich verhüllt; nicht so angelegt, um verborgen zu werden, sondern in ihrer Ordnung zu Stande zu kommen; auch nicht, um Jemand zu täuschen, sondern um ausgeführt zu werden, wie es sein sollte. Und wenn sie verborgen heißt, so heißt das nichts anderes, als: sie war nicht Jedermann geoffenbart. Denn wenn sich auch die Wahrheit nicht Jedermann zu erkennen gibt, so versagt sie sich doch Niemand. Also, Herr, weder um zu täuschen, noch damit sich Jemand täusche, hast du so gehandelt, sondern um zu tun, was und wie es zu tun war, bist du durchweg auf der Wahrheit bestanden. Wer sich also in deiner Wahrheit getäuscht hat, mag nicht über dich, sondern über die eigene Täuschung klagen.

Oder hatte der Teufel mit Recht etwas wider Gott oder wider den Menschen, weshalb Gott eher wider ihn für den Menschen auf diese Art zu Werke gehen musste, als mit offener Stärke, so dass, indem jener den gerechten Menschen ungerecht tötete, er mit Recht die Gewalt, die er über die Ungerechten hatte, verlor? Aber gewiss war weder Gott dem Teufel etwas anderes schuldig, als Strafe; noch der Mensch (etwas Anderes) als Vergeltung, so dass, wie er sich von jenem leicht durch Begehung der Sünde täuschen ließ, er jenen überwand bis in die Todesnot, durch Erhaltung vollständiger Gerechtigkeit. Aber auch das war der Mensch nur Gott schuldig. Denn er hatte sich nicht am Teufel, sondern an Gott versündigt; auch gehört der Mensch nicht dem Teufel, sondern sowohl der Mensch, als der Teufel Gott. Dass aber auch der Teufel den Menschen plagte, tat er das nicht aus Eifer für Gerechtigkeit, sondern für Bosheit; und nicht auf Befehl, sondern durch Zulassung Gottes; indem nicht des Teufels, sondern Gottes Gerechtigkeit es erforderte. Es war also nichts am Teufel, warum Gott ihm zuwider zur Erlösung des Menschen seine Stärke hätte verbergen oder hinausschieben sollen.

Oder zwang irgend eine Nötigung den Höchsten sich so zu demütigen, und den Allmächtigen, dass er so viele Mühe hatte, etwas zu tun? Aber jede Nötigung und Unmöglichkeit ist seinem Willen unterworfen. Was er nämlich will, ist eine Notwendigkeit; und was er nicht will, eine Unmöglichkeit. Allein also durch seinen Willen, und weil sein Wille stets gut ist, allein aus Güte handelte er so.

Denn es war nicht Gottes Veranstaltung, dass er den Menschen auf diese Art rettete, sondern die menschliche Natur bedurfte es, auf diese Art Gott genug zu tun. Auch hatte Gott nicht nötig, so Mühevolles zu erdulden; sondern der Mensch bedurfte es, um mit Gott versöhnt zu werden; noch hatte Gott nötig, sich so zu erniedrigen, sondern der Mensch bedurfte es, so aus der Tiefe der Hölle gezogen zu werden. Die göttliche Natur hatte weder nötig, sich zu demütigen oder abzumühen, noch konnte sie es. Das alles musste die menschliche Natur tun, um zu dem, wozu sie erschaffen worden war, wiederhergestellt zu werden; aber weder sie, noch alles, was Gott nicht ist, konnte hierzu hinreichen. Denn der Mensch wird seiner ursprünglichen Bestimmung nicht zurückgegeben, wenn er sich nicht zur Ähnlichkeit mit den Engeln, an denen keine Sünde ist, erheben lässt, was durchaus nicht anders möglich ist, als durch die vorgeschriebene Vergebung aller Sünden, die nur durch vorausgehende vollständige Genugtuung zu Stande kommt; diese Genugtuung muss von der Art sein, dass der Sünder, oder Jemand für ihn Gott etwas von dem Seinigen gibt, was er nicht schuldig sein, was alles übertreffen mag, was Gott nicht ist. Denn wenn Sündigen Gott entehren heißt, und der Mensch das nicht tun darf, wenn es auch nötig wäre, dass Alles außer Gott zu Grunde ginge; so fordert immerhin die unveränderliche Wahrheit und die offen daliegende Vernunft, dass, wer sündigt, Gott einen größeren Entgelt für entzogene Ehre erstatte, als das sein mag, um deswillen er ihn nicht hätte entehren sollen. Weil das die menschliche Natur allein nicht hatte, so konnte sie auch ohne die schuldige Genugtuung nicht versöhnt werden. Damit die Gerechtigkeit Gottes keine Sünde in ihrem Reiche ungeordnet ließe, kam die Güte Gottes zu Hilfe, und sie nahm der Sohn Gottes persönlich an sich, um in dieser Persönlichkeit der Gottmensch zu sein, wodurch er das besäße, was nicht nur jedes Wesen außer Gott überträfe, sondern auch jede Schuldigkeit, welche Sünder zu erfüllen haben, und um das für Andere, die nicht im Stande waren, ihre Schuldigkeit zu erstatten, zu erfüllen, da er für sich nichts schuldig war. Denn das Leben jenes Menschen ist kostbarer als Alles außer Gott, und übertrifft jede Schuldigkeit, die Sünder zur Genugtuung zu leisten haben. Denn wenn seine Tötung über alle noch so große Sünden geht, die man sich außerhalb der Person Gottes denken kann, so ist es offenbar, dass sein Leben besser ist als alle Sünden böse sind, mit Ausnahme derer gegen die Person Gottes. Dieses Leben, als sein Eigentum, gab jener Mensch freiwillig hin zur Ehre des Vaters, während er den Tod nicht verdient hätte, da er kein Sünder war; während er es sich um der Gerechtigkeit willen entreißen ließ, um allen Anderen zur Nachachtung zu geben, sie dürfen von Gottes Gerechtigkeit nicht weichen um des Todes willen, den sie einmal als notwendige Schuld zu entrichten haben: da der, der ihn nicht schuldig war, und unbeschadet der Gerechtigkeit ihm hätte entgehen können, ihn freiwillig sich antun und gefallen ließ um der Gerechtigkeit willen. Die menschliche Natur gab also Gott in jenem Menschen freiwillig und ohne es schuldig zu sein, was ihm gebührte, um sich in Anderen loszukaufen, indem sie nicht im Stande war zu erstatten, was man als Schuld von ihr forderte. In all diesem ist die göttliche Natur nicht erniedrigt, sondern die menschliche erhöht; noch ist jene minder, sondern diese barmherzig unterstützt worden.

Auch hat die menschliche Natur in jenem Menschen nicht mit irgend einer Notwendigkeit, sondern allein mit freiem Willen gelitten. Sie unterlag auch keiner Gewalttätigkeit, sondern nahm, was ihr böser Wille zufügte, freiwillig aus Güte zur Ehre Gottes und dem Nutzen der anderen Menschen löblich und barmherzig auf sich; auch ohne zwingenden Gehorsam, sondern auf Anordnung der mächtigen Weisheit. Denn der Vater gebot jenem Menschen nicht, unter Zwang zu sterben, sondern er tat das freiwillig, da er einsah, es werde Gott wohlgefällig und den Menschen nützlich sein.

Denn der Vater konnte ihn zu dem nicht nötigen, was er von ihm nicht beanspruchen durfte: noch konnte der Vater sein Wohlgefallen einer so großen Ehre versagen, die ihm der Sohn mit so gutem Willen freiwillig darbrachte. So erzeigte er also dem Vater freien Gehorsam, als er das freiwillig tun wollte, von dem er wusste, es werde dem Vater gefallen. Weil endlich dieser gute, wiewohl freie Wille ein Geschenk des Vaters war, so sagt man nicht mit Unrecht, er habe ihn wie ein Gebot des Vaters hingenommen. Auf diese Art also war er dem Vater gehorsam bis zum Tode. Und was ihm der Vater auftrug, das tat er. Und den Kelch, den ihm der Vater gab, trank er. Denn darin besteht der vollkommene und freieste Gehorsam der menschlichen Natur, dass sie ihren freien Willen freiwillig dem Willen Gottes unterwirft und den erhaltenen guten Willen ohne alle Anforderung mit freiem Wahlvermögen tatsächlich vollführt. So erlöst jener Mensch alle andere, indem er das, was er freiwillig Gott gab, als Schuld ansieht, die sie bei ihm hatten. Und durch diesen Preis wird der Mensch nicht einmal nur der Schuld entladen, sondern auch so oft angenommen, als er mit würdiger Reue umkehrt: jedoch ist diese Reue dem Sünder nicht verheißen. Weil das am Kreuz geschehen ist, so hat uns Christus durch das Kreuz erlöst. Wer nun sich dieser Gnade mit würdiger Gesinnung nahen will, wird gerettet; wer sie aber verachtet, wird mit Recht verdammt, weil er nicht erstattet, was er schuldig ist. Siehe, christliche Seele, das ist die Kraft deiner Erlösung, das der Grund deiner Freiheit, das der Preis deiner Erlösung. Du warst eine Gefangene, aber auf diese Art bist du eine Erlöste. Du warst eine Magd, aber so bist du eine Befreite. So bist du eine Verbannte, die heimgeführt; eine Verlorene, die hergestellt, und eine Tote, die auferweckt worden. Das esse, o Mensch, das kaue, das sauge, das schlucke dein Herz, wenn dein Mund eben seines Erlösers Fleisch und Blut bekommt. Das lass dir in diesem Leben zum täglichen Brot und Unterhalte, wie zu deiner Wegzehrung sein; weil durch dieses und nur durch dieses du sowohl in Christus, als auch Christus in dir bleiben wird; und im zukünftigen Leben wird deine Freude vollkommen sein. Aber du, o Herr, der du den Tod dir gefallen ließt, damit ich leben möchte, wie will ich mich freuen. über meine Freiheit, die ich nur deinen Banden verdanke? Wie will ich mir Glück wünschen über meine Rettung, da sie von deinen Schmerzen herkommt? Wie will ich mich meines Lebens freuen, das ich nur deinem Tode verdanke? Oder werde ich mich über das freuen, was du erduldet hast und über die Grausamkeit jener, dass sie sie an dir verübt haben? Weil du nicht gelitten hättest, wenn jene nichts an dir verübt hätten und all diese Güter nicht vorhanden wären, wenn du nicht gelitten hättest. Oder wenn ich über jenes trauern werde, wie werde ich mich über das, um deswillen jenes vorhanden war und das nicht wäre, wenn jenes nicht gewesen wäre, freuen? Gewiss aber konnte die Bosheit jener nichts tun ohne deine freiwillige Erlaubnis, noch hast du anders gelitten, als weil du liebevoll es wolltest. Bei jenen muss ich also die Grausamkeit verwünschen, bei dir Tod und Mühen mitmachen durch Mitgefühl, deinen liebevollen Willen dankbar lieben und so beruhigt mich über die mir verliehenen Güter freuen. Also, Menschlein, überlass die Grausamkeit jener dem Gerichte Gottes, und beschäftige dich mit dem, was du deinem Erlöser verdankst. Betrachte, wie es mit dir stand, und wie jetzt mit dir steht und überlege, welche Liebe der verdiene, der das an dir getan hat. Schau auf deine Not und seine Güte, und siehe, welchen Dank du abstatten, und wie viel du feiner Liebe verdanken magst. In Finsternis, auf schlüpfrigem Boden, auf der abschüssigen Bahn zum Höllenchaos, auf dem man nicht mehr zurück kann, befandst du dich; eine unermessliche Last wie von Blei an deinem Halse hängend zog dich abwärts, eine unerträgliche Last drückte dich von oben, unsichtbare Feinde drängten dich mit aller Gewalt. So warst du ohne Hilfe; und wusstest nicht, dass du so empfangen und geboren warst. wie stand es damals mit dir! und wohin riss es dich; erschrick bei der Erinnerung, zittere bei dem Gedanken daran. O Guter, o Herr Jesus Christus, in dieser Lage. war ich, ohne zu bitten, oder es zu vermuten, und du leuchtetest mir wie die Sonne, und zeigtest mir, wie es mit mir stand. Du warfst das Blei ab, das mich hinabzog; entferntest die Last, die von oben mich drückte, meine Dränger vertriebst du, und widersetztest dich ihnen für mich. Du gabst mir einen neuen Namen, den du mir von deinem Namen schöpftest, und richtetest mich Gebeugten zu deinem Anblick auf mit den Worten: Habe Vertrauen, ich habe dich erlöst, mein Leben für dich gegeben. Wenn du mir anhängst, so wirst du auch dem Bösen, worin du dich befandst, entgehen, und nicht in die Tiefe fallen, zu der du eiltest, sondern ich werde dich in mein Reich führen, und dich zum Erben Gottes und meinem Miterben machen. Sofort nahmst du mich in deinen Schutz, dass nichts meiner Seele wider ihren Willen schadete. Und siehe als ich dir noch nicht anhing nach deinem Rat, ließt du mich doch noch nicht in die Hölle fallen, sondern wartest noch darauf, dass ich an dir hinge und du dein Versprechen erfülltest. Gewiss, Herr, so stand es mit mir, und so handeltest du an mir. Ich war in Finsternis, weil ich von nichts auch nichts von mir selbst wusste; auf schlüpfrigem Boden (war ich), weil schwach und gebrechlich zum Sündenfall; auf dem abschüssigen Wege zu dem Chaos der Hölle, weil ich in den ersten Eltern von der Gerechtigkeit zur Ungerechtigkeit herabgestiegen war, durch welche der Weg zur Hölle hinabgeht, und von der Seligkeit zum zeitlichen Elende, von dem man in das ewige fällt. Das Gewicht der Erbsünde zog mich abwärts, und die unerträgliche Last des Gerichts Gottes drückte mich, und meine Feinde, die Teufel setzten mir heftig aus aller Macht zu, um mich durch weitere Sünden noch verdammlicher zu machen. Als ich so ganz hilflos war, ging mir dein Licht auf, und du zeigtest mir, wie es mit mir stand. Denn als ich das auch noch nicht einmal einzusehen im Stande war, belehrtest du über das Alles Andere, dass sie zu meinem Besten da sein sollten, und hernach mich selbst, bevor ich es verlangte. Das ziehende Blei und die beschwerende Last und die drängenden Feinde entferntest du, weil du die Sünde, in der ich geboren und empfangen war, und ihre Verdammung aufhobst, und die boshaften Geister abhieltest, dass sie meiner Seele keine Gewalt antaten. Du legtest mir den Christennamen nach deinem Namen bei, durch den ich dich nicht nur bekenne, sondern auch du mich unter deinen Gläubigen anerkennst, und du richtetest mich auf und erhobst mich, dass ich dich erkannte und liebte; du schufst mir Beruhigung über mein Seelenheil, wofür du dein Leben gegeben hast, und verhießest mir deine Herrlichkeit, wenn ich dir nachfolgen würde. Und siehe, obgleich ich dir noch nicht nachfolge nach deinem Rat, sondern noch viele Sünden weiter beging, die du verhüten wolltest, wartest du noch darauf, dass ich dir nachfolge, und du schenkst, was du verheißen. Erwäge, meine Seele, habe acht, mein ganzes Inneres, wie viel mein ganzes Wesen ihm schuldig sei. Gewiss, Herr, weil du mich erschaffen, verdanke ich mich selbst ganz deiner Liebe; weil du mich erlöst, bin ich mich selbst ganz schuldig; weil du soviel verheißt, schulde ich mich selbst ganz, ja ich schulde deiner Liebe mehr. als mich selbst, sofern du größer bist als ich, für den du dich selbst gegeben hast und dem du dich selbst verheißt. Lass mich, Herr, ich bitte, durch Liebe kosten, was ich durch Erkenntnis koste; lass mich durch Zuneigung empfinden, was ich durch Einsicht empfinde; ich bin mehr schuldig als mich ganz; aber weder habe ich mehr, noch kann ich auch das ganz durch mich zum Ersatz geben. Ziehe mich, Herr, zu deiner Liebe, wenigstens eben dieses Ganze. Alles was ich bin, ist dein durch Bedingung; mach es ganz zu dem Deinigen durch Liebe. Siehe, Herr, vor dir ist mein ganzes Herz; es bemüht sich, aber aus sich vermag es nichts; mach du, was es selbst nicht vermag. Lass mich hinein in das Schlafgemach deiner Liebe, ich bitte, suche, klopfe an. Du machst, dass ich bitte, mach auch, dass ich erhalte. Du gibst das Suchen, gib das Finden.

Du lehrst anklopfen, öffne auf das Anklopfen. Wem gibst du, wenn du das Bitten versagst? Wer findet, wenn er beim Suchen zum Besten gehalten wird? Wem öffnest du, wenn du beim Anklopfen zuschließt? Was gibst du dem, der nicht betet, wenn du deine Liebe dem Betenden versagst? Von dir habe ich meine Wünsche, von dir möchte ich deren Erfüllung haben. Hänge dich an ihn, hänge dich ungestüm an, meine Seele. Guter, guter Herr, verwirf sie nicht; sie ist matt vor Hunger nach deiner Liebe, erquicke sie, deine Liebe sättige sie, deine Zuneigung mache sie fett, deine Liebe erfülle sie, nehme mich ganz in Besitz und halte mich ganz zu eigen, weil du mit dem Vater und dem heiligen Geiste allein Gott bist, gepriesen in alle Ewigkeit. Amen.

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