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Psalm 98

Psalm 98

Dieser Psalm ist nahe mit dem 96. verwandt. Nicht bloß der Inhalt ist ähnlich, auch die Worte klingen oft zusammen. Der Hauptgedanke ist der: Wenn die Erkenntnis Gottes über den ganzen Erdkreis sich ausbreitet, wird auch seine Herrlichkeit sichtbarer werden als zuvor. Dann erst, wenn der Erlöser geoffenbart ist, wird ganz feststehen, dass die dem Samen Abrahams gegebenen Verheißungen ihre Erfüllung fanden. Dann wird ja auch plötzlich der ganzen Welt das Heil aufgehn. Darum ruft uns der Prophet zu erhabenen Lobpreis des Namens Gottes auf. (Jean Calvin)

98:1 Ein Psalm. Singet dem HERRN ein neues Lied; denn er tut Wunder. Er siegt mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm.

98:2 Der HERR läßt sein Heil verkündigen; vor den Völkern läßt er seine Gerechtigkeit offenbaren.
Wir haben schon früher gesagt, dass diese Worte auf eine besondere und nicht alltägliche Danksagung hinweisen. Dies ergibt sich auch aus dem alsbald beigefügten Grunde, dass nämlich der Herr in wunderbarer und unglaublicher Weise sein Heil hervorgebracht hat. Indem der Prophet auf die Wunder hinweist, fasst er dieselben in der einen grundlegenden Tatsache zusammen, dass Gott sein Heil selbst geschafft hat mit seinem heiligen Arm. Dieser Ausdruck will besagen, dass die Gemeinde Gottes nicht durch menschliche Mittel, oder nach gewöhnlicher Ordnung, sondern auf unerhörte Weise bisher erhalten geblieben sei. Dies Wunder wird bei Jesaja (59, 16) ausführlicher beschrieben: „Gott siehet, dass niemand da ist, und verwundert sich, dass niemand ins Mittel tritt, darum hilft er ihm selbst mit seinem Arm, und seine Gerechtigkeit steht ihm bei.“ Hier wie dort steht Gottes Arm im Gegensatz gegen die gewöhnlichen Mittel. Dieselben schmälern zwar nicht Gottes Macht, aber sie wirken wie eine Verhüllung. Die Meinung des Propheten ist also, dass Gott nicht der gewöhnlichen Mittel sich bedienen wird, die Welt zu retten, sondern selbst ins Mittel treten will, damit diese Heilsbeschaffung als sein Wunderwerk erscheine. So ergibt sich mit Recht der Schluss, dass man diese wunderbare, für menschlichen Verstand unbegreifliche Güte Gottes, mit dem höchsten Lob verkündigen muss. Der zweite Vers setzt noch deutlicher auseinander, dass Gott sein Heil und seine Gerechtigkeit den Völkern offenbaren lässt. Denn was ließ sich weniger erwarten, als dass in jener dichten Finsternis der Unwissenheit und Blindheit plötzlich das Licht aufgehen und dass in dem tiefen Abgrund von Ungerechtigkeit die Gerechtigkeit eine Stätte finden werde? Dass nun das Heil, welches im Gefolge der Gerechtigkeit sich einstellt, an erster Stelle genannt wird, scheint wie eine umgekehrte Ordnung. Aber es lässt sich doch begreifen, dass in der Beschreibung der göttlichen Wohltaten diejenige, die der Ordnung nach vorangeht, erläuternd und begründend angefügt wird. Übrigens besteht die Gerechtigkeit Gottes, aus der das Heil der Menschen fließt, nicht darin, dass er ihnen nach ihrem Verdienst vergilt; sie ist vielmehr, wie wir anderwärts ausführten, der Erweis seiner Güte, Gnade und Treue. (Jean Calvin)

98:3 Er gedenkt an seine Gnade und Wahrheit dem Hause Israel; aller Welt Enden sehen das Heil unsers Gottes.1)
An den Hinweis auf die allgemeine Heilsoffenbarung schließt sich ein besonderes Lob der besonderen Gnade Gottes gegen das Haus Israel. Denn wenn er auch den Heiden und Juden sich gleicher weise zum Vater gab, so machte er doch mit den Juden den Anfang: sie waren gleichsam die Erstgeborenen. Denn der Ruhm der Heiden besteht darin, dass sie in Abrahams heilige Familie aufgenommen und eingepflanzt wurden. Aus der Verheißung, die an Abraham erging, floss die allgemeine Erlösung der ganzen Welt, wie auch Christus gesagt hat (Joh. 4, 22): „Das Heil kommt von den Juden.“ Darum sagt der Prophet mit Recht, dass Gott, als er die Welt erlöste, der Wahrheit oder Treue gedacht habe, die er dem Volke Israel geschenkt hatte. Aus diesen Worten entnehmen wir auch, dass Gott nur dadurch sich bestimmen ließ, dass er sein Versprechen treulich halten wollte. Um ganz deutlich zu machen, dass diese Verheißung nicht auf die Verdienste oder die Gerechtigkeit der Menschen gegründet war, nennt der Prophet an erster Stelle Gottes Gnade; dann erst fügt er die Wahrheit oder Treue hinzu, die an dieselbe sich hängt. Alles in allem: Gott ließ sich durch nichts außer ihm bestimmen, sondern fand den Grund in seiner freien Gnade und dem unverdienten Wohlgefallen, welches er einst dem Abraham und seinen Nachkommen bezeugt hatte. Dass er daran „gedacht“ hat, wird in Rücksicht auf die menschliche Empfindung gesagt: denn der lange Aufschub konnte wie ein Vergessen erscheinen. Vergingen doch vom Tage der Verheißung an zweitausend Jahre, bis Christus geoffenbart wurde; und in dieser Zeit wurden die Gläubigen durch soviel Leiden und Schläge immer wieder getroffen, dass wir uns nicht wundern, wenn sie ängstlich seufzten, als wäre ihnen die Hoffnung geraubt, die Erlösung sehen und schmecken zu dürfen. Dass aller Welt Enden das Heil unsers Gottes sehen sollen, deutet nicht bloß auf eine Darstellung in dem Sinne, als sollte eine denkwürdige Rettungstat geschehen, deren Kunde bis an die äußersten Grenzen der Erde dringt. Vielmehr ist die Meinung, dass die Heiden, die sich bis dahin durch ihre Irrungen betören ließen, daran teil gewinnen sollten. (Jean Calvin)

98:4 Jauchzet dem HERRN, alle Welt; singet, rühmet und lobet!
Indem der Prophet die schon im Eingang ausgesprochene Mahnung jetzt an die Heiden richtet, zeigt er, dass eine einzige Gottesgemeinde in der ganzen Welt sein wird, in welcher Gott nach Niederlegung der Scheidewand allerlei Menschen in Einigkeit des Glaubens sammeln will. Der Hinweis auf die Musikinstrumente erklärt sich aus der damaligen Sitte. Indessen wollte Gott nicht die Heiden an solche Zeremonien des Gesetzes gebunden wissen. Die mehrfach wiederholten Aufrufe wirken besonders eindrücklich, etwa in dem Sinne: wie großen Eifer auch die Menschen aufwenden mögen, die Erlösung der Welt zu rühmen, so wird doch kein Lobpreis an die Größe dieser Gnade heranreichen. Das geht auch daraus hervor, dass im folgenden (V. 7 ff.) leblosen Wesen eine Empfindung beigelegt wird. Weiterer Auslegung bedarf es nicht, da wir ganz ähnliche Worte bereits früher lasen (96, 11 ff.). (Jean Calvin)

98:5 Lobet den HERRN mit Harfen, mit Harfen und Psalmen!

98:6 Mit Drommeten und Posaunen jauchzet vor dem HERRN, dem König!

98:7 Das Meer brause und was darinnen ist, der Erdboden und die darauf wohnen.

98:8 Die Wasserströme frohlocken, und alle Berge seien fröhlich

98:9 vor dem HERRN; denn er kommt das Erdreich zu richten. Er wird den Erdboden richten mit Gerechtigkeit und die Völker mit Recht.
Mit diesem Psalm beginnt in der Kirche der Gottesdienst am heutigen Tage, weshalb er auch Cantate, d.h. singet heißt. Er ist der einzige Psalm, welcher bloß: ein Psalm ohne Beisatz überschrieben ist, was, da er der lyrische Begleiter des mehr prophetisch gehaltenen vorhergehenden 97. Psalms ist, andeuten soll, daß er der Psalm im Psalm ist. Er zerfällt in drei Strophen; in der ersten V. 1-3 wird nach einer kurzen Aufforderung, den Herrn zu preisen, der Gegenstand des Preises angegeben; der Herr hat sein Volk auf wunderbare Weise gelöst; die zweite Strophe V. 4-6 zeigt, wie der Preis beschaffen sein soll: alle Mittel, die überhaupt zu Gebote stehen, sollen dazu benutzt werden; die dritte Strophe V. 7-9 sagt, von wem der Preis ausgehen soll: von der ganzen Erde. Mithin ein rechtes Cantate! – Singet dem Herrn ein neues Lied, nicht mehr das alte Lied des Gesetzes, das nur schreckt, flucht und verdammt, sondern das neue Lied des Evangeliums von der fröhlichen Botschaft der Gnade Gottes in Christo Jesu. Warum? Denn Er thut Wunder. Die Versöhnung mit Gott, die Ueberwindung des Todes, des Teufels und der Hölle, die Erlösung des menschlichen Geschlechts, die Wiederherstellung der vor Gott gültigen Gerechtigkeit und ewigen Seligkeit sind ja recht eigentliche Wunder über alle Wunder. Er sieget mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm Der heilige Arm Gottes, durch den Er die Erlösung der Welt, die Wiederaufrichtung seines Reichs vollbringt, ist die in Christo vom Himmel herniederreichende Kraft des Höchsten, oder so zu sagen Christus selbst, wie Jes. 52,10 lehrt. Tröstlicher Ausspruch! Wir dürfen also nie verzagen, wenn uns auch überall nichts als Schwäche und Ohnmacht entgegentritt oder der Zweifel, ob uns auch Gott zu solcher reichen Gnade in Christo bei unserer Unwürdigkeit wolle kommen lassen, oder ob wir jemals über unsere Sünde werden den Sieg erhalten. Der Herr läßt sein Heil verkündigen, vor den Völkern läßt Er seine Gerechtigkeit, die Jedem das Seine giebt, denn Er hat ihm Heil verheißen, also seine Treue offenbaren; Er gedenkt an seine Gnade und Wahrheit dem Hause Israel, aller Welt Ende sehen das Heil unseres Gottes. O wie hat Gott das so reichlich gethan in den 4 großen und 12 kleinen Propheten, in Jesaias mit seinem Heilsbrunnen, in Jeremias mit seinem neuen Bunde, in Ezechiel mit seinem theuern Gotteseid, in Daniel mit seiner messianischen Offenbarung, in Hoseas mit seinem Seelenbräutigam, in Joel mit seiner Geistesausgießung, in Amos mit seinem süßen evangelischen Freudenwein, in Obadia mit seinem Heiligthum auf Zion, in Jona mit seinem Wallfischbauch, in Micha mit seiner Trostpredigt, in Nahm mit seinem Frieden, in Habakuk mit seinem Glauben, in Zephania mit seinen freundlichen Lippen, in Haggai mit seinem Heidentrost, in Zacharias mit seinem Zionskönig, in Maleachi mit seiner Sonne der Gerechtigkeit! Vollends im neuen Testament von Johannes dem Täufer an bis zur Offenbarung St. Johannis, in den Aposteln, von denen jeder sagen kann: ich habe euch nichts verhalten vom Rathe Gottes zu eurer Seligkeit. Darum gilt die Aufforderung: Jauchzet dem Herrn alle Welt, singet, rühmet und lobet! Lobet den Herrn mit Harfen und mit Psalmen, indem ihr eure Menschenstimmen mit dem Saitenklang vereiniget; mit Trompeten und Posaunen jauchzet vor dem Herrn, dem Könige! Und giebt’s nicht immer einen starken Trompeten- und Posaunenschall, so sehet doch wenigstens zu, daß es an einem schwachen Harfen- und Cymbelspiel nicht fehle. Und wenn auch dies nicht allezeit wollte von Statten gehen, so rufet Gott desto eifriger um den Geist der Gnade und des Gebets an: bläset dieser Gnadenwind ins Herz, so wird’s bald stärker tönen. O der Herr ist’s werth, daß Alles Ihm lobsinge. Es dröhne denn das Meer und seine Fülle, der Erdkreis und die auf ihm wohnen; die Ströme mögen klatschen in die Hände und alle Berge jubeln als Stimmen frohlockender Huldigung vor dem Herrn, denn Er kommt, den Erdkreis zu richten und ihn aus einer Stätte des Jammers durch sein gerechtes Regiment in eine Stätte des Heils und der Freude zu verwandeln; Er wird den Erdboden richten mit Gerechtigkeit und die Völker mit Recht und die ganze Welt wird sich dann ihrer endlichen Erneuerung durch das Kommen des Herrn freuen. So lobe denn auch mein Mund und meine Zunge, und mein Thun und Lassen allewege den Herrn! Hallelujah. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)

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