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Psalm 31

Psalm 31

31:1 Ein Psalm Davids, vorzusingen. HERR, auf dich traue ich, laß mich nimmermehr zu Schanden werden; errette mich durch deine Gerechtigkeit!

31:2 Neige deine Ohren zu mir, eilend hilf mir! Sei mir ein starker Fels und eine Burg, daß du mir helfest!

31:3 Denn du bist mein Fels und meine Burg, und um deines Namens willen wolltest du mich leiten und führen.

31:4 Du wollest mich aus dem Netze ziehen, das sie mir gestellt haben; denn du bist meine Stärke.
Unsre geistlichen Feinde sind eine Schlangenbrut und suchen uns mit List zu umgarnen. Das vorstehende Gebet hält uns die Möglichkeit vor, daß der Gläubige wie ein Vogel im Netz könne gefangen werden. Der Vogelsteller beginnt sein Werk mit solcher Gewandtheit und Schlauheit, daß einfältige Seelen unversehens vom Netz umstellt sind. Unsre Schriftstelle aber enthält auch die Bitte, daß der Gefangene selbst aus Satans Schlingen möchte erlöst werden; das ist ein Gott wohlgefälliges Verlangen, ein Verlangen, dem Erhörung zugesagt ist. Aus dem Rachen des Löwen und aus dem Bauch der Hölle vermag die ewige Liebe den Heiligen zu erretten. Es bedarf wohl einer starken Kraft, um eine Seele aus dem Netz der Versuchung zu erlösen, und einer mächtigen Kraft, um einen Menschen aus den Schlingen boshafter List zu befreien; aber der Herr ist jeder List und Gewalt gewachsen, und die mit allergrößter Sorgfalt gestellten Netze des Jägers sind nie imstande, die Auserwählten des Herrn festzuhalten. Wehe denen, die andern Netze stellen; wer andre versucht, wird selbst greulich umkommen. „Denn Du bist meine Stärke.“ Welche unaussprechliche Lieblichkeit tritt uns in diesen wenigen Worten entgegen! Mit welcher freudigen Ergebenheit können wir alle Mühsale ertragen, und wie gern und willig unterziehen wir uns allen Leiden, wenn wir uns an die himmlische Macht und Kraft anklammern können. Die göttliche Stärke zerreißt und zerstört alle Arbeit unsrer Feinde, macht alle ihre Anschläge zuschanden und vernichtet alle ihre heillosen Absichten. O, welch ein seliger Mensch ist der, dem eine so unvergleichliche Macht helfend zur Seite steht. Unsre eigne Kraft würde uns wenig nützen, wenn wir von den Netzen boshafter List umgarnt sind, aber des Herrn Stärke ist immer siegreich; wir dürfen Ihn nur anrufen, so ist Er uns nahe und hilft uns. Wenn wir uns im Glauben ganz allein auf die allgewaltige Kraft des starken Gottes Israels verlassen, so dürfen wir unser Gottvertrauen getrost in unsre Gebete ausgießen. (Charles Haddon Spurgeon)

31:5 In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, HERR, du treuer Gott.1)
Fast eben diese Worte hat der sterbende Erlöser am Kreuz ausgesprochen, und ein jeder Christ darf sie Ihm nachsprechen. David war noch ein junger Mann, als er seinen Geist in die Hände Gottes befahl, denn er that es damals, da ihm Gott eine wunderbare Güte in einer festen Stadt, nämlich in der Stadt Kegila, bewiesen, wie 1 Sam. 23. erzählt wird, da es ihm aber auch sehr wehe that, daß seine Nachbarn sich seiner schämten, seine Verwandten sich vor ihm scheueten, und Alle, die auf den Gassen ihn sahen, vor ihm flohen, damit sie nicht durch das Gespräch mit ihm, als einem in die Ungnade des Königs gefallenen Mann, unglücklich, und in eben diese Ungnade verwickelt würden. Er war auch damals in einer großen Lebensgefahr; denn es schalten ihn nicht nur Viele übel, sondern rathschlagten auch mit einander, und gedachten ihm das Leben zu nehmen: wobei er denn inne werden mußte, daß diejenigen, denen er Gutes gethan hatte, seiner vergaßen, und ihn wie ein zerbrochenes Gefäß gleichsam wegwarfen, V. 12.13.14. Hiebei machte dann die Bekümmerniß seinen Leib schwach und krank, da ihn ohnehin auch seine Missethat innerlich anfocht, und es däuchte ihn, es gehe mit ihm dem Sterben zu. Er sagte aber unter vielen Aeußerungen eines ringenden Glaubens V. 16. zu Gott: meine Zeit steht in Deinen Händen, Du kannst mich erhalten und kannst mich sterben lassen, und V. 6.: in Deine Hände befehle ich meinen Geist, Du hast mich erlöset, HErr, Du getreuer Gott. Wir lernen hieraus, daß, wenn wir unsern Geist in die Hände Gottes befehlen wollen, wir es nicht auf die letzten Augenblicke unsers Lebens aufschieben sollen, wiewohl es auch alsdann nach dem Beispiel Christi geschehen soll, sondern daß wir es auch vorher und zwar mehrmals thun sollen. Wir haben nicht nöthig, uns etwas Besonderes auf die Ewigkeit auszubitten: hat es doch auch der sterbende Erlöser nicht gethan. Wenn nur unser Geist in Gottes Hände kommt, und als eine Ihm übergebene Beilage bis an den Tag der Auferstehung von denselben umschlossen und bewahrt wird, so kann uns genügen. In den Händen Gottes wird unser ermüdeter Geist ruhen, da wird ihn keine Qual anrühren. Indem wir aber unsern Geist in die Hände Gottes befehlen, so kann die Erinnerung der mannigfaltigen Erlösung, die uns schon von dem treuen Gott widerfahren ist, unsern Glauben stärken. David erfuhr eine solche Erlösung in der Stadt Kegila, und lobte Gott wegen derselben in den letzten Versen dieses Psalms; war aber schon vorher mehrmals eine gleiche Erlösung inne worden, auf die er sich V. 6. berief. Er nannte hiebei Gott einen treuen oder wahrhaftigen Gott; denn er erfuhr, daß Gott dasjenige, was Er ihm durch den Propheten Samuel bei der Salbung und auch sonst in Seinem Wort und durch innerliche Ansprachen verheißen hatte, treulich erfülle. Auch Jakob sprach 1 Mos. 32,12. zu Gott: Du hast gesagt: Ich will dir wohl thun, u.s.w. und erfuhr hernach, daß Gott wahrhaftig sei. Er hat auch mich erlöst, und wird mich auch aus der Todesnoth erlösen. Ich befehle meinen Geist in Deine Hände, HErr, Du getreuer Gott.(Magnus Friedrich Roos)


Diese Worte sind von heiligen Menschen in der Stunde ihres Abscheidens oft gebraucht worden. Wir können sie heute abend mit Segen zum Gegenstand unsrer Betrachtung wählen. Der Gegenstand der angelegentlichsten Sorgfalt eines gläubigen Menschen im Leben und im Tode ist nicht sein Leib oder sein Vermögen, sondern sein Geist; das ist sein höchster und teuerster Schatz, wenn dieser geborgen ist, dann ist alles gut. Was ist doch alles vergängliche Gut im Vergleich mit der Seele? Der Gläubige befiehlt seine Seele in seines Gottes Hände; sie kommt von Ihm, sie ist sein Eigentum, Er hat sie bisher bewahret und kann sie ferner bewahren, und darum ist es das beste, daß Er sie wieder aufnimmt. Alle Dinge sind in Jehovahs Händen wohl aufgehoben; was wir dem Herrn vertrauen, ist wohl geborgen, sowohl jetzt als an dem Tag der Tage, dem wir entgegen gehen. Es ist ein seliges Leben und ein herrliches Sterben, wenn wir uns der Sorge des Himmels anheim stellen können. Jederzeit sollten wir unser alles der treuen Hand Jesu befehlen; und wenn auch das Leben an einem Faden zu hängen scheint, und die Schwierigkeiten sich mehren wie der Sand am Meer; so bleibt dennoch unsre Seele in süßem Frieden und fühlt sich glücklich in ihrem Ruheport. „Du hast mich erlöset, Herr, Du treuer Gott.“ Erlösung ist eine sichere Grundlage für die Befestigung des Gottvertrauens. David hatte Golgatha nicht gekannt, wie wir, aber er ward durch manche zeitliche Erlösung gestärkt; und uns sollte die ewige Erlösung nicht noch viel lieblicher trösten und erquicken? Vergangene Errettungen sind kräftige Unterpfänder, daß wir auch jetzt auf den göttlichen Beistand rechnen dürfen. Was der Herr an uns getan hat, will Er wieder tun, denn bei Ihm ist keine Veränderung. Er ist treu seinen Verheißungen und gnädig seinen Heiligen; von seinem Volke wendet Er sich nicht ab. (Charles Haddon Spurgeon)

31:6 Ich hasse, die da halten auf eitle Götzen; ich aber hoffe auf den HERRN.

31:7 Ich freue mich und bin fröhlich über deine Güte, daß du mein Elend ansiehst und erkennst meine Seele in der Not

31:8 und übergibst mich nicht in die Hände des Feindes; du stellst meine Füße auf weiten Raum.

31:9 HERR, sei mir gnädig, denn mir ist angst; meine Gestalt ist verfallen vor Trauern, dazu meine Seele und mein Leib.

31:10 Denn mein Leben hat abgenommen vor Betrübnis und meine Zeit vor Seufzen; meine Kraft ist verfallen vor meiner Missetat, und meine Gebeine sind verschmachtet.

31:11 Es geht mir so übel, daß ich bin eine große Schmach geworden meinen Nachbarn und eine Scheu meinen Verwandten; die mich sehen auf der Gasse, fliehen vor mir.

31:12 Mein ist vergessen im Herzen wie eines Toten; ich bin geworden wie ein zerbrochenes Gefäß.

31:13 Denn ich höre, wie mich viele schelten, Schrecken ist um und um; sie ratschlagen miteinander über mich und denken, mir das Leben zu nehmen.

31:14 Ich aber, HERR, hoffe auf dich und spreche: Du bist mein Gott!
David klagte Ps. 31. über große Nöthen, die ihn betroffen haben, und sagte unter Anderem V. 11.12.13.14.: mein Leben hat abgenommen vor Betrübniß, und meine Zeit vor Seufzen: meine Kraft ist verfallen vor meiner Missethat, und meine Gebeine sind verschmachtet. Es gehet mir, daß ich bin eine große Schmach worden meinen Nachbarn, und eine Scheu meinen Verwandten: die mich sehen auf den Gassen, fliehen vor mir. Mein ist vergessen im Herzen, wie eines Todten: ich bin worden wie ein zerbrochen Gefäß; denn Viele schelten mich übel, daß Jedermann sich vor mir scheuet: sie rathschlagen mit einander über mich, und denken, mir das Leben zu nehmen. Nach dieser Klage sagt er: ich aber, HErr, hoffe auch Dich, und spreche. Du bist mein Gott. Ich lerne aus diesen Worten Davids, daß ein Mensch sehr betrübt und doch glaubig sein könne. Die Betrübniß über zugestoßene Nöthen kann mit dem Bewußtsein begangener Sünden vermengt sein: und doch kann und darf der Mensch auf den HErrn hoffen. Weil Christus in Seinem letzten Leiden von allen Menschen, auch von Seinen Jüngern verlassen worden ist, so soll ein Christ sich nicht weigern, auch in einen solchen Stand der Verlassung einzutreten. Meine Nachbarn, meine Verwandten können sich mir entziehen: hingegen darf ich zu dem HErrn sprechen: Du bist mein Gott. Er will mich nicht verlassen noch versäumen. David wurde von den gottlosen Hofleuten Sauls gescholten, und bezüchtiget, er stelle dem König, der sein Schwäher war, nach dem Leben, und wolle durch Mord und Aufruhr sich auf den königlichen Thron schwingen. Diesen Verläumdern glaubten viele sonst redliche Leute, und David konnte ich nicht genug rechtfertigen. Man sahe, daß er in des Königs Ungnade stehe, und ein Jeder, der ihm freundlich begegnete, und ihm Gutes thun würde, des Königs Zorn wider sich erwecken könne, wie der Hohepriester Ahimelech. David mußte also ein zeit lang auf den ehrlichen Namen Verzicht thun, und leiden, daß Leute, die sonst seine Freunde gewesen waren, vor ihm flohen, oder eilends abwegs gingen, wenn er ihnen begegnete, und ihn scheueten, wenn er mit ihnen zu thun haben wollte. Man vergaß seiner wie eines Todten, dem man nichts Gutes mehr erzeigt, weil man durch Verläumdungen wider ihn eingenommen war, oder den Zorn Sauls fürchtete, und wollte nichts mehr von ihm wissen. Er war wie ein zerbrochenes Gefäß, das man wegwirft. Leute, die an dem Grimm Sauls Antheil nahmen, und sich ihm gefällig machen wollten, rathschlagten sogar über ihm, und gedachten ihm das Leben zu nehmen. Wie gut war’s, daß er unter diesen Umständen sagen konnte: ich aber, HErr, hoffe auf Dich, und spreche: Du bist mein Gott! Für alle Schmach und Gefahr war ihm also sein Gott der beste Ersatz, die einige Zuflucht; und fürwahr der HErr, auf den David hoffte, und der sein Gott war, rettete seine Ehre, schützte sein Leben, und half ihm aus allen Nöthen. Auch ich soll unter meinen gegenwärtigen und künftigen Leiden auf Gott hoffen, und sprechen: Du bist mein Gott. Ich werde dieses nie lauterer thun, als wenn mich Gott von Menschen verlassen, oder wenigstens inne werden lassen wird, daß Menschenhülfe kein nütze sei.(Magnus Friedrich Roos)


Was dieser kurze Ausspruch des Glaubens in sich fasset, wollte ich gern zu deinem Trost etwas erklären. Wenn ich ein Ding bei seinem Namen nenne, so begreife ich in demselben alles, sein Wesen und alle seine Kräfte. So wenn ich die Sonne nenne, so verstehe ich dadurch lauter Licht, Klarheit, Lieblichkeit; wenn ich eine Rose nenne, so nenne und fasse ich in solchem Worte alle Anmuthigkeit, Schönheit, Geruch, Kräfte dieser schönen Blumen; und je edler und kräftiger das ding ist, welches ich nenne, je mehr begreifet der Name in sich. Also, wenn ich Gott nenne, so verstehe ich dadurch das ewige Wesen über alle Wesen, von welchem alle anderen Dinge ihr Wesen, Leben, Kraft und alles haben, die Weisheit über alle Weisheit, die Gütigkeit über alle Gütigkeit, die Kraft aller Kräfte. Der Name Gottes begreift in sich mehr Liebe, Süßigkeit, Güte, Kraft, Leben, Licht, Heil, als in der ganzen Welt und allen Kreaturen in der Welt ist, ja mehr als aller Menschen Herz und Seele begreifen und fassen kann, und wenn ihnen gleich allen ein so weises und reiches Herz, wie dem Salomo, gegeben wäre (1. Kön. 4,29). Alle Kreaturen sind nichts Anders, denn eine unzählbare Menge großer und kleiner Gefäße, von der Güte und Kraft Gottes angefüllet. Sie sind lauter Kunstbilder, daran seine Weisheit und Allmacht zu ersehen ist, er selbst aber ist das Meer, die Tiefe, die Fülle, der Abgrund aller Güte, Weisheit und Kraft, die sich in so viel tausendmal tausend Geschöpfen bisher ergossen hat, noch täglich ergießet und ferner ergießen, doch nimmer erschöpfet wird, ja nicht den geringsten Abgang leidet. Diese Fülle ist immer voll, diese Kraft ist immer stark, dieses Licht immer helle rc. Wenn ich nun im Glauben sage: Gott ist mein Gott! so ist dies die Meinung: Das ewige, gütige, unbegreifliche Wesen, das Himmel und Erde und alles, was drinnen ist, erschaffen hat, das hat von Ewigkeit an mich gedacht, es hat mich je und je geliebet, es hat mich ihm zum Gefäß und Werkzeuge seiner Ehren erkoren, es hat für mich gesorget, ehe denn ich geworden bin, es hat mich ersehen, da mich niemand sah und kein Mensch von mir wußte, es hat mir das Leben gegeben, mich gebildet, bearbeitet und bereitet zu der Zeit, die ihm beliebet, es hat mich aus Mutterleibe gezogen, es ist meine Zuflucht, mein Schutz, meine Kraft, mein Leben gewesen von meiner Mutter Brüsten an; ich lebe auch noch, webe und bin in ihm (Apostelgesch. 17,28.), es hat mich mit seiner Güte, Allmacht, Weisheit umgeben, es begleitet mich allenthalben; was ich esse und trinke, das nehme ich aus seiner Hand und es ist von ihm gesegnet und bereitet, ich schlafe oder wache, so ist es um mich, es wachet über mir, es liebet mich, es sorget für mich, es denket an mich, es stärket, schützet, bewahret, versorget und erhält alle seine Kreaturen, aber mich insonderheit; seine Allmacht, Weisheit, Güte, Vorsorge, Regierung erzeiget sich allenthalben und auch an mir, so klärlich und deutlich, als an irgend einem unter seinen Geschöpfen, es fället nicht ein Haar von meinem Haupte, es widerfährt mir nichts ohne seinen Willen, mein ganzer Lebenslauf gehet nach seinem heiligen Rath, von Anfang bis zu Ende u.s.w.
Ich wollte gern erklären das Wort: Gott ist mein Gott! Ich bekenne aber, daß ich mir selbst kein Genügen schaffe, denn es ist mir zu hoch, zu groß und unbegreiflich; doch ist mein Absehen dahin vornehmlich gerichtet, daß ich alle christlichen Seelen gerne bewegen wollte, daß sie von Gott nicht so schläfrig, kaltsinnig, kleinmüthig und schlecht denken, halten und reden möchten, wie man, leider! gewohnet ist. Denn wir betrachten selten und erwägen nicht mit gebührender Andacht, daß Gott nicht ferne von einem Jeglichen unter uns ist, daß er allenthalben in der Welt gegenwärtig, alles regieret, schaffet, versorget und erhält und daß er einen jedweden Menschen, insonderheit seine Gläubigen, mit seiner Allmacht, Weisheit, Güte umschlossen und in seine Gnade, Liebe und Treue gefasset hat. Dies sagen wir endlich wohl und bekennen es mit dem Munde, aber wir glauben es nicht von Herzen und machen es uns in der Uebung, in unserm Wandel, in unsern Geschäften und Sorgen nicht zu Nutzen; sondern wenn wir beginnen, unser Leben, unsern Stand, unsere Geschäfte, unser Anliegen, unser Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges u.a.m. zu überdenken, so thun wir es so, als wären wir allein und müßten uns selbst versorgen, schützen und erhalten, als wären wir außer Gott und seiner gnädigen Versehung, Vorsorge und Regierung. Ich berufe mich deßfalls auf das Gewissen euer aller, die ihr dieses höret (und leset), welches euch sagen wird, daß es so mit uns bewandt und nicht anders. Jener hochbetrübte Mann bekannte es frei öffentlich und sagte, als er des Morgens aufstund und die Nacht vieler Sorgen halber nicht hatte schlafen können: Heute hab' ich mich selbst wollen zu einem Gott machen, denn ich habe immer gesorget, wie ich mich und die Meinigen ernähren und erhalten möchte, da doch Gott als ein sonderbares Regale ihm vorbehalten, daß Er für uns sorgen wolle.
Lerne denn, du gottliebendes Herz, mit Andacht und im Glauben sagen: Gott ist mein Gott! mein Vater, mein Herr, er denket an mich, er sorget für mich, er liebet mich! und lerne dich von ganzer Seele auf seine Liebe, Güte,, Treue, Allmacht, Weisheit und Vorsorge verlassen. Von den Heiden spricht der Apostel, daß sie ohne Gott seien in der Welt, Ephes. 2,12. Sind wir denn auch Heiden? haben wir auch keinen Gott? Das sei ferne! Wir haben einen Gott! wir haben einen Gott! und zwar einen allmächtigen, liebreichen, gnädigen, weisen, allgegenwärtigen, unsterblichen, getreuen Gott, der für uns sorget, der uns in seine ewige Liebe eingeschlossen hat. Wir haben einen Gott, der Himmel und Erde erschaffen und alles, was drinnen ist, nun so lange her versorget und erhalten hat. Meinen wir denn, daß er uns allein nicht versorgen kann oder will, oder daß er unser etwa unter so viel tausenden vergessen hat? (Christian Scriver)

31:15 Meine Zeit steht in deinen Händen. Errette mich von der Hand meiner Feinde und von denen, die mich verfolgen.
Auch meine Zeit stehet in Deinen Händen, Herr mein Gott, wie die Zeit Deines Knechts David. Du hast die Zeit meiner Geburt bestimmt, daß sie in denjenigen Theil der Weltzeit hat fallen müssen, in den sie gefallen ist, und daß ich an den Begebenheiten, die indessen in der Welt vorgekommen sind, einigen Antheil habe nehmen können. Dank sei Dir gesagt, daß Du meine Geburt in die Zeit des Neuen Testaments, in die angenehme Zeit, in den Tag des Heils hast fallen lassen, und daß auch zu dieser meiner Zeit das Evangelium in der Weltgegend, wo ich wohne, helle scheinet. Meine Zeit steht auch sofern in Deinen Händen, daß Du bisher durch Deine Vorsehung bestimmt hast, wie lange ich an einem jeden Ort bleiben soll, und mein Bleiben noch jetzt bestimmest. Wenn Dein Angesicht nicht mit mir gehet, so führe mich nicht von hier weg. Meine Zeit stehet in Deinen Händen: doch lässest Du mir die Freiheit, in dieser meiner Zeit Gutes oder Böses zu thun, fleißig oder träg zu sein, und überhaupt die Zeit so oder anders anzuwenden. Doch bietest Du mir Licht und Kraft an, Gutes zu thun. Du lehrest, tröstest, züchtigest und leitest mich, wenn ich darauf merken will. Du willst meine Zeit zu einer Saatzeit machen, auf welche eine gesegnete Ernte folgen können. Soll ich auch zuweilen mit Thränen säen, so willst Du durch Deine Gnade verschaffen, daß ich dagegen mit Freuden ernte. Meine Zeit stehet nach ihrer ganzen abgemessenen Währung in Deinen Händen. Arbeiten, Krankheiten und andere Zufälle hätten mich schon lange aufgerieben, wenn meine Zeit nicht in Deinen Händen stünde. Du aber, o Gott, erhieltest mich bisher, weil meine Zeit noch nicht abgelaufen war, und wirst mich auch so lange erhalten, bis die rechte Stunde meiner Entlassung von meinem Dienst kommen wird, die Du allein weißest. Verleihe Gnade, daß alsdann mein Wille dem Deinigen nicht widerstrebe, und ich also gern und im Frieden dahin fahre. Meine Zeit steht in Deinen Händen; daß aber ein Segen auf dieser meiner Zeit liegt, daß mir darin an der Seele und am Leib viel Gutes widerfährt, und daß sie eine ewige Seligkeit nach sich ziehen kann, habe ich den zweiunddreißig Jahren und etlichen Monaten zu danken, die Dein lieber Sohn auf der Erde zugebracht hat. Von dieser an sich kurzen aber höchst wichtigen Lebenszeit meines Heilandes ergieße sich der Segen noch ferner auf meine Lebenszeit, der Segen, welcher den Fluch wegnehme, den meine Sünden verdienten, und mir die Gaben, welche das Leben erleichtern und heiligen können, verschaffe. Meine Zeit stehet in Deinen Händen: aber Du, Jehovah, bist außer und über alle Zeit. Bei Dir ist keine Veränderung, welche sonst die Zeit macht. Dir ist immer Alles gegenwärtig. Unermeßlich weit unter Dir, der Du Dir immer gleich bleibst, fließen die Weltzeiten und die Lebenszeiten einzelner Menschen dahin: das Heute wird zu einem Gestern bei den Geschöpfen; bei Dir ist ein beständiges Heute. Was willst Du aber mir armem Erdenwurm, dessen irdisches Leben einer Hand breit ist, geben? Ewiges Leben willst Du mir geben durch Christum, Deinen Sohn! Hallelujah!(Magnus Friedrich Roos)

31:16 Laß leuchten dein Antlitz über deinen Knecht; hilf mir durch deine Güte!

31:17 HERR, laß mich nicht zu Schanden werden; denn ich rufe dich an. Die Gottlosen müssen zu Schanden werden und schweigen in der Hölle.

31:18 Verstummen müssen falsche Mäuler, die da reden gegen den Gerechten frech, stolz und höhnisch.

31:19 Wie groß ist deine Güte, die du verborgen hast für die, so dich fürchten, und erzeigest vor den Leuten denen, die auf dich trauen!

31:20 Du verbirgst sie heimlich bei dir vor jedermanns Trotz; du verdeckst sie in der Hütte vor den zänkischen Zungen.
Als David von seinem Schwäher, dem König Saul, verfolgt wurde, so erfuhr er die Erfüllung dieser Worte reichlich, wie er denn auch Ps. 27,5. in der Anwendung auf sich selbst sagt: Er decket mich in Seiner Hütte zur bösen Zeit, Er verbirget mich heimlich in Seinem Gezelt. Gott gab ihm immer einen Zufluchtsort in einer Höhle oder in einer Wüste, oder in einer Burg oder Bergfestung, und verschaffte durch Seine Vorsehung, daß Saul oft lange nicht inne wurde, wo er sich aufhalte. Als auch die Siphiter zweimal dem Saul den Aufenthalt Davids anzeigten, so verbarg Gott diesen wiederum bald wieder vor dem Trotz Saul’s, und verschaffte, daß dieser ihn nicht finden, oder ihm wenigstens nicht schaden konnte. Weil aber David ganz besondere Schicksale erfuhr, und die Wenigsten von denen, die den HErrn fürchten, öffentlich, wie er, verfolgt werden, so ist es einer Ueberlegung werth, wie dasjenige, was David von dem gnädigen Verbergen geredet hat, auch an ihnen erfüllet werde. Gott verbirgt aber dieselben unter dem Schutz Seines Angesichts, oder gleichsam in Seiner Hütte und in Seinem Gezelt, a) wenn Er sie in der Niedrigkeit und gleichsam im Schatten oder Staub sitzen läßt, und vor hohen Ehrenstellen bewahrt, bei welchen sie den Trotz der Gottlosen und die böse Zeit empfindlicher erfahren müßten. Hiezu muß die Ungnade und Verachtung, welche man auf gottesfürchtige Leute wirft, selber behülflich sein. b) Er verbirgt sie auch, wenn Er durch Seine Vorsehung macht, daß die Gottlosen, wenn sie ihre Wuth auslassen wollen, nicht an sie gedenken, ihre Fehltritte nicht inne werden, oder wohl gar durch gute Zeugnisse geneigt werden, ihrer zu verschonen. c) Er verbirgt sie ferner, wenn Er ihnen in den größten Gefahren Raum verschafft, zu fliehen, oder wenn Er sie durch Seine Vorsehung in Oerter führt, welche von den Fluthen Seiner Strafgerichte, z.B. des Krieges, der Seuchen, der Hungersnoth, verschont bleiben. d) Er verbirgt sie ferner, wenn Er sie durch Seinen Geist so bildet und ausrüstet, daß ihr Leben mit Christo in Gott verborgen wird, daß sie am Zugang zu Ihm und an dem Umgang mit Ihm ihr Vergnügen finden, mehr mit Ihm als mit Menschen reden, die Versammlung der Boshaftigen aber hassen, sich hüten, zu wandeln im Rath der Gottlosen, zu treten auf den Weg der Sünder, und zu sitzen, da die Spötter sitzen, da sie dann in die Anschläge der Gottlosen nie eingeflochten, aber auch von ihnen weniger angetastet werden können. Sie sind in Ansehung derselben gern die Verborgenen des HErrn (Ps. 83,4.). e) Endlich verbirgt Er sie auf’s Beste, wenn Er sie zur rechten Stunde der Welt ganz entrückt, und in die selige Ewigkeit, in die ewigen Hütten, in die Häuser des Friedens, in die sicheren Wohnungen, die im Himmel sind, versetzt, wo kein Spötter sie sehen, kein Feind sie antasten, und kein Verfolger sie ängsten kann. Da bleiben sie verborgen bis an den Tag Jesu Christi. Wenn aber Christus ihr Leben wird offenbar werden, so werden sie auch mit Ihm offenbar werden in der Herrlichkeit. Es ist also gut, sich auf den HErrn verlassen, und sich nicht verlassen auf Menschen. Wohl dem, dessen Hülfe der Gott Jakobs ist, dessen Hoffnung auf dem HErrn seinem Gott steht, der den Himmel, die Erde, das Meer, und Alles, was darinnen ist, gemacht hat, der Glauben hält ewiglich!(Magnus Friedrich Roos)

31:21 Gelobt sei der HERR, daß er hat eine wunderbare Güte mir bewiesen in einer festen Stadt.

31:22 Denn ich sprach zu meinem Zagen: Ich bin von deinen Augen verstoßen. Dennoch hörtest du meines Flehens Stimme, da ich zu dir schrie.

31:23 Liebet den HERRN, alle seine Heiligen! Die Gläubigen behütet der HERR und vergilt reichlich dem, der Hochmut übt.

31:24 Seid getrost und unverzagt, alle, die ihr des HERRN harret!2)
Dein letztes Wort, Herr Jesu, war das des 31sten Psalms: “Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Nun höre ich wieder den lieblichen Vaternamen von Dir, wie süß klingt er doch! Diese Benennung Deines Gottes ist ein deutliches Kennzeichen, daß Du allen seinen Willen vollbracht und recht vollkommen Gehorsam bewiesen hast, damit Du mit lauter Stimme und aller Freimütigkeit Vater sagen konntest. Ich könnte und dürfte Gott nie mit Freudigkeit Vater nennen, wenn ich mich nicht in Dein Verdienst einwickelte und in Deinen vollkommnen Gehorsam; denn ich bin in mir selbst ein gar böses, ausgeartetes, ungehorsames Kind. Wohl mir, daß ich Dich zu meinem Mittler habe, der mir bei meiner Schuld ganz unentbehrlich ist! – Dir lag im Sterben nichts an als Deine Seele: o daß auch mir im Leben und im Tode nichts so sehr anliegen möchte, als meine Seele, damit ich sie als eine Ausbeute davon bringe; daß ich doch mit Wahrheit wie David sagen könnte: ich trage meine Seele immer in meinen Händen! Schenke mir diese Klugheit der Gerechten, denn Seele verloren, Alles verloren. Herr Jesu, Du giebst Deine Seele als unser Haupt in die Hände des Vaters, und also mit derselben auch die Seelen Deiner Glieder. Wenn ich meinen unsterblichen Geist ansehe hier unter so vielen Gefahren, so wird es mir angst vor dem Durchkommen; betrachte ich ihn aber als mit Deinem Geiste vereinigt in den Händen des Vaters, so bin ich ganz getrost und meiner Seligkeit gewiß. – Du sprichst Dein letztes Wort mit einem lauten Geschrei aus: das mag wohl ein rechtes Siegesgeschrei heißen, denn das große Werk der Erlösung war glorreich vollbracht; aber auch ein Angstschrei, weil eben jetzt der Tod seinen unzerbrochenen Stachel mit ganzer Macht in Dein treues Herz schoß, den Du da erst zerbrechen mußtest. Ach, Herr Jesu, dieses Dein lautes, letztes Sieges- und Angstgeschrei komme mir kräftig zu Statten im Leben und im Sterben. Laß mich’s im Leben Dir fleißig nachsprechen, so wird mir’s nicht schaden, wenn ich auch in meinem Tode es nicht mehr sprechen könnte, denn Du hast es für mich gesprochen, es gilt mir wahrhaftig. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)

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