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Psalm 118

Psalm 118

118:1 Danket dem HERRN; denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.

118:2 Es sage nun Israel: Seine Güte währet ewiglich.
Kein Ausspruch kommt so oft in dem Psalter vor als dieser: Seine Güte währet ewiglich. Auch im Ps. 118. kommt er fünfmal vor, und da dieser Psalm ein Theil des Lobgesangs gewesen ist, welchen der Heiland mit seinen Jüngern nach Seiner letzten Ostermahlzeit gesprochen hat, so dürfen wir dafür halten, daß nie Jemand mit einem so reinen Glauben, mit einem so völligen Vertrauen, und mit einer so tiefen Ehrerbietung, wie Jesus damals, von dem himmlischen Vater gesagt hat: Seine Güte währet ewiglich. Das Volk Israel durfte und sollte aber immer so sagen, das Haus Aaron, oder der ganze Haufe der Priester, und alle Unbeschnittenen, die den HErrn fürchteten, und noch nicht zu der Gemeinde Israels gehörten, durften in dieses Lob Gottes einstimmen, weil die Güte Gottes auch über sie ausgebreitet war. Was hindert’s also, daß nicht auch wir an diesem Morgen mit einem frohen und glaubigen Herzen zu dem HErrn sagen: Seine Güte währet ewiglich. Es kommt zwar in unserem Lebenslauf manchmal eine Angst vor, es sind Feinde um uns herum, und wir müssen Züchtigungen des HErrn erdulden; wie denn aller dieser Dinge auch Ps. 118. Meldung geschieht: allein das Lob, welches man Gott wegen Seiner ewig währenden Güte gibt, wird dadurch nicht zernichtet, ja nicht einmal eingeschränkt. Die Güte Gottes ist eine wunderliche Güte, wie sie denn Ps. 17,7. 31,22. so genannt wird. Sie thut weh, wenn sie wohl thun will, sie nimmt, wenn sie geben will; sie tödtet, wenn sie lebendig machen will, sie erniedrigt, wenn sie erhöhen will. Mit Christo ging sie selbst so um, und es war ein Wunder vor der Menschen Augen, Ps. 118,22.23. Die Güte Gottes ist wie die Sonne, welche sich zuweilen hinter die Regenwolken verbirgt, damit das Erdreich Schatten und Feuchtigkeit bekomme. Ob man aber gleich alsdann die Witterung eine böse Witterung zu nennen pflegt, so ist sie doch eine gute und nützliche Witterung: auch wird die Sonne durch die Regenwolken nicht ausgelöscht, und kommt hinter denselben bald wieder mit einem angenehmen Glanz hervor. Ebenso verhält es sich auch mit der Güte Gottes. Lasset uns also die Güte Gottes unter den Abwechslungen der Freude und des Leids, die es in unserer Wallfahrt gibt, als eine fortwährende Güte erkennen und preisen. Sie währet ewig. Sie währet bis an’s Ende unsers Lebens, ja sie hat gar kein Ende. Menschen sind wankelmüthig, Fürsten sind veränderlich und sterblich, darum wird V. 8.9. gesagt: es ist gut auf den HErrn vertrauen, und sich nicht verlassen auf Menschen; es ist gut auf den HErrn vertrauen, und sich nicht verlassen auf Fürsten. Indem wir aber von Gott sagen: Seine Güte währet ewig, sollen wir uns mit Vertrauen zu dieser Güte wenden, sie preisen, für dieselbe danken, und uns dem HErrn so ergeben, daß Er Seine Güte nicht nur durch leibliche Gaben, sondern auch durch Vergebung der Sünden, durch Sendung Seines Geistes in unsere Herzen, und durch die Schenkung eines unvergänglichen, unbefleckten und unverwelklichen Erbes nach dem ganzen Inhalt Seines Gnadenbundes oder Testaments offenbaren könne. Die ewig währende Güte Gottes soll für uns die Quelle eines ewigen Lebens und einer unaufhörlichen Seligkeit sein. Nun Du bist mein Gott, ich danke Dir: mein Gott, ich will Dich preisen. Danket dem HErrn, ihr, meine Mitchristen, denn Er ist freundlich, und Seine Güte währet ewiglich.(Magnus Friedrich Roos)

118:3 Es sage nun das Haus Aaron: Seine Güte währet ewiglich.

118:4 Es sagen nun, die den HERRN fürchten: Seine Güte währet ewiglich.

118:5 In der Angst rief ich den HERRN an, und der HERR erhörte mich und tröstete mich.

118:6 Der HERR ist mit mir, darum fürchte ich mich nicht; was können mir Menschen tun?

118:7 Der HERR ist mit mir, mir zu helfen; und ich will meine Lust sehen an meinen Feinden.
Die Seele des Gerechten ist die Braut des Wortes Gottes. Wenn sie wünscht, begehrt und betet, wenn sie inständig betet, wenn sie betet ohn allen Zweifel, wenn sie sich ganz dem Wort entgegenstreckt, dann glaubt sie alsbald, dessen Stimme zu hören, den sie nicht sieht, und mit ihrem innersten Sinn spürt sie die Gegenwart seiner Gottheit. Das erfahren meist die, die recht glauben. Der Atem ihrer Seele wird plötzlich von geistlicher Gnade erfüllt, und die Seele fühlt, wie sie den Hauch der Gegenwart dessen einatmet, den sie sucht, und sie spricht: Siehe, er ist selbst da, den ich suche, er selbst, den ich ersehne.

118:8 Es ist gut, auf den HERRN zu vertrauen, und nicht sich verlassen auf Menschen.
Ohne Zweifel bist du schon manchmal in die Versuchung geraten, dich auf das Sichtbare zu verlassen, statt dein Vertrauen und deine Zuversicht ganz allein auf den unsichtbaren Gott zu setzen. Christen suchen oft bei Menschen Hilfe und Rat, und verunzieren die edle Einfalt ihres Vertrauens auf ihren Gott. Wenn unsre heutige Schriftstelle einem Kinde Gottes unter die Augen kommen sollte, das sich über das Zeitliche ängstigt, dann möchten wir gern ein kurzes Wort mit ihm darüber reden. Du glaubst an den Herrn Jesum und setzt wegen deiner Seligkeit dein ganzes Vertrauen auf Ihn allein; nun, was ängstigst du dich denn noch? „Wegen meiner schweren Sorgen.“ Steht denn nicht geschrieben: „Wirf dein Anliegen auf den Herrn?“ „Sorget nichts, sondern in allen Dingen lasset eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden.“ Kannst du Gott nicht dein Zeitliches anvertrauen? „Ach, ich wünschte, es wäre mir möglich.“ Wenn du aber um deine zeitlichen Anliegen keine Zuversicht zu Gott gewinnen kannst, wie magst du Ihm dein geistliches Heil anvertrauen? Kannst du auf Ihn bauen, wenn sich's um deine Seelenrettung handelt, wie kannst du Ihm nicht auch das Geringere zutrauen? Genügt dir der allmächtige Gott nicht für deine Bedürfnisse, oder ist sein Allvermögen zu gering für all deine Wünsche? Verlangst du noch ein andres Auge außer dem, das alle Geheimnisse sieht und durchforscht? Ist sein Herz hart? Ist sein Arm müde? Wenn das ist, ja, dann suche dir einen andern Gott; wenn Er aber unendlich, allmächtig, wahrhaft, treu, allweise und allgütig ist, was spähst du denn so lange umher und suchst eine andre Zuflucht? Warum durchwühlst und durchsuchst du die Erde nach einem andern Grund, wenn dieser Grund fest genug ist, um die ganze Wucht zu tragen, die du darauf türmen kannst? Lieber Christ, vermische deinen Wein nicht mit Wasser, löte das Gold deines Glaubens nicht mit den Schlacken des Menschenvertrauens zusammen. Harre auf Gott, und laß Ihn deine Hoffnung sein. Beneide Jonas nicht um seinen Kürbis, sondern traue auf seinen Gott. Laß die Toren ihr Haus auf den Sand irdischen Vertrauens gründen, du aber baue eine sichere Wohnung auf den Fels der Zeiten. (Charles Haddon Spurgeon)

118:9 Es ist gut auf den HERRN vertrauen und nicht sich verlassen auf Fürsten.

118:10 Alle Heiden umgeben mich; aber im Namen des HERRN will ich sie zerhauen.

118:11 Sie umgeben mich allenthalben; aber im Namen des HERRN will ich sie zerhauen.

118:12 Sie umgeben mich wie Bienen; aber sie erlöschen wie Feuer in Dornen; im Namen des HERRN will ich sie zerhauen.
Unser Herr Jesus hat durch seinen Tod nicht bloß auf einen Teil unsers Wesens, sondern auf unsern ganzen Menschen ein Recht erworben. Er hatte bei seinem heiligen Leiden die Heiligung unsers ganzen Wesens nach Geist, Seele und Leib im Auge, damit er in diesem dreifachen Reiche allein und unumschränkt Herr und Gebieter sei. Es ist die Bestimmung der neuen Natur, welche Gott seinen Wiedergebornen geschenkt hat, die Hoheits-Rechte des Herrn Jesu Christi zu befestigen. Meine Seele, wenn du ein wahres Kind Gottes bist, so mußt du alles andre in dir, was noch nicht geheiligt ist, überwinden; du mußt alle deine Lüste und Leidenschaften dem silbernen Stabe der Gnadenherrschaft Jesu untertan machen und darfst dich nicht zufrieden geben, bis daß Er, der kraft seines für dich gegebenen Lösegeldes dein König ist, auch dein König wird durch die Krone deiner Tugenden und in dir herrscht als dein Fürst. Wenn wir dann sehen, daß die Sünde in keinerlei Weise ein Recht an uns hat, so begeben wir uns in einen guten und gerechten Kampf, wenn wir sie im Namen Gottes auszutreiben suchen. O, du mein Leib, du bist ein Glied Christi; soll ich's dulden, daß du dem Fürsten der Finsternis untertan bleibst? O, meine Seele, Christus hat für deine Sünden gelitten, und dich versöhnt mit seinem allerteuersten Blut, soll ich es ertragen, daß dein Gedächtnis eine Rüstkammer des Bösen bleibe, oder deine Leidenschaften Feuerbrände der Verdammnis? Soll ich meine Vernunft dahingeben in Verkehrtheit des Irrtums, oder meinen Willen in die Ketten der Ungerechtigkeit? Nein, meine Seele, du bist Christi, und die Sünde hat keinen Anspruch noch Recht an dich. Darum bleibt mutig, teure Christen! Lasset euch nicht schrecken, als ob eure geistlichen Feinde nimmermehr könnten ausgerottet werden. Ihr seid imstande, sie zu überwinden, - nicht in eigner Kraft, - denn der schwächste unter ihnen wäre euch noch viel zu mächtig, aber ihr könnt und sollt sie überwinden durch des Lammes Blut. Fragt nicht: „Wie soll ich sie austreiben, denn sie sind größer und gewaltiger, als ich?“ sondern geht zu dem Starken und bittet Ihn um Kraft, harret demütig auf Gott, so wird der mächtige Gott Jakobs euch sicher zu Hilfe kommen, und ihr werdet Siegeslieder erschallen lassen durch seine Gnade. (Charles Haddon Spurgeon)

118:13 Man stößt mich, daß ich fallen soll; aber der HERR hilft mir.

118:14 Der HERR ist meine Macht und mein Psalm und ist mein Heil.

118:15 Man singt mit Freuden vom Sieg in den Hütten der Gerechten: „Die Rechte des HERRN behält den Sieg;

118:16 die Rechte des HERRN ist erhöht; die Rechte des HERRN behält den Sieg!“

118:17 Ich werde nicht sterben, sondern leben und des HERRN Werke verkündigen.
Eine erwünschte Zusicherung dies! Sie war ohne Zweifel auf eine Verheißung gegründet, die innerlich dem Herzen des Psalmisten zugeflüstert ward, die er ergriff und sich ihrer erfreute. Bin ich in gleichem Fall wie David? Bin ich niedergedrückt, weil der Feind mich übermütig behandelt? Sind große Mengen gegen mich und wenige auf meiner Seite? Heißt der Unglaube mich niederliegen und in Verzweiflung sterben - ein besiegter, entehrter Mann? Beginnen meine Feinde mein Grab zu graben?
Was denn? Soll ich den Einflüsterungen der Furcht folgen, den Kampf und damit alle Hoffnung aufgeben? Weit entfernt. Es ist noch Leben in mir! „Ich werde nicht sterben.“ Die Kraft wird wiederkehren und meine Schwäche wird schwinden. „Ich werde leben.“ Der Herr lebt und ich werde auch leben. Mein Mund soll wiederum aufgetan werden. „Ich werde des Werk Jehovahs verkünden.“ Ja, und ich werde von den gegenwärtigen Leiden sprechen als von einem andren Beispiel der wunderwirkenden Treue und Liebe des Herrn, meines Gottes. Die, welche mir gern Maß zu meinem Sarg nehmen möchten, täten besser, ein wenig zu warten; denn „der Herr züchtigt mich wohl, aber Er gibt mich dem Tode nicht“. Ehre sei seinem Namen auf ewig! Ich bin unsterblich, bis mein Werk getan ist. Bis der Herr es will, kann kein Grabgewölbe sich über mir schließen. (Charles Haddon Spurgeon)

118:18 Der HERR züchtigt mich wohl; aber er gibt mich dem Tode nicht.

118:19 Tut mir auf die Tore der Gerechtigkeit, daß ich dahin eingehe und dem HERRN danke.

118:20 Das ist das Tor des HERRN; die Gerechten werden dahin eingehen.

118:21 Ich danke dir, daß du mich demütigst und hilfst mir.
Gott kann nicht leicht jemandem helfen, Er hätte ihn denn zuvor gedemütigt; und kaum kann einem Menschen ein Glück, welches es auch sei, zukommen, ohne daß er gedemütigt wird. Deswegen nimmt David die zwei Sachen als selbstverständlich zusammen, wenn er sagt: „Ich danke Dir, daß Du mich demütigst und hilfst mir!“ Können wir doch von Gott keine Hilfe erwarten und kein gnädiges, freundliches Aufsehen, wenn unsres Herzens Sinn hoch steht und wenn wir uns nicht als klein und arm, ja als arme Sünder unter Seine Fittiche gestellt haben. Meist haben wir's nur auch gar nicht verdient, das Gott uns helfe; und meist klagt uns vieles an, mit dem wir uns ferne von Ihm gestellt haben. Auch besondere Dinge können es sein, mit denen wir uns eine Züchtigung zugezogen haben. Solches alles kann nur dadurch bereinigt werden, daß uns Gott durch allerlei Mißstände, durch Not und Sorge, in die Enge treibt und von unsrer Höhe herunterbringt - bis wir demütig und kindlich lernen, uns Ihm in die Arme zu werfen, und bußfertig vor Ihm stehen.
Jede Trübsal, in die wir kommen, ist eine Demütigung, weil wir da fühlen, daß wir nicht unser selbst, sondern eines andern sind; daß wir nicht die sind, die nach niemandem zu fragen haben, wie das der Mensch so gerne sein möchte! Kommt Not, so müssen wir uns beugen, müssen bitten und flehen, ja weinen um Hilfe. Wenn wir so weit kommen, so kann die Züchtigung vorübergehen und kann Gott helfen. Deswegen hätten wir Ursache, für jede uns begegnende Demütigung, für alles, was uns herunterstimmt, Gott zu danken. Das tut auch David, wenn er sagt: „Ich danke Dir, daß Du mim demütigst.“ Denn solange Gott es darauf anlegt, uns zu demütigen, hat Er auch im Sinn, uns Gutes zu tun; und oft sind gerade Demütigungen die Anfänge von neuen Segnungen, die uns Gott zukommen lassen möchte. Wollen wir darum nie murren, und demütigen wir uns nur gleich! Wenn Er uns nimmer demütigen will, hat Er uns aufgegeben - und dann erst steht es schlimm!
Wie übel sind doch die dran, die gleich empfindlich werden, wenn es mißlich geht! Und die, ohne ein wenig in sich zu gehen, tun, als ob Gott sich an ihnen vergreifen würde, wenn Er nicht alles so gerade fortgehen läßt! Die bekommen oft eins ums andre auf den Nacken; denn wenn sie schon bei einem so tun und murren, so kommt sicher schnell ein zweites und ein drittes! Darum ist das Sprichwort »Ein Unglück kommt nie allein„ der Erfahrung entnommen. Da wäre es wohl besser, wenn wir gleich beim ersten uns demütigen und Gott danken würden für die liebende - wenngleich mit schmerzlichen Empfindungen verbundene - Aufmerksamkeit, die Gott für uns hat! (Christoph Blumhardt)


Die Wege des HErrn sind immer so beschaffen, daß ein glaubiger Christ von der Finsterniß in’s Licht, von der Traurigkeit zum Trost, von der Noth zur Hülfe, von der Erniedrigung zur Erhöhung, von der Schmach zur Herrlichkeit durchdringt. Auf diese Weise verherrlicht Sich Gott an ihm viel mehr, als wenn der Weg sich immer gleich bliebe: auch ist diese Führung dem Bedürfniß des Menschen und seiner Bestimmung angemessen. Sein Stolz, seine Vermessenheit, sein Ankleben an den Geschöpfen, sein Vertrauen auf das Eitle erfordert Demüthigungen, und seine Schwachheit, sein elend, sein zum Verzagen geneigtes Herz bedarf, daß ihm zur rechten Zeit Trost und Hülfe widerfahre. Auch ist der Zweck Gottes bei allen Seinen Kindern dieser, daß sie dem Ebenbild Seines Sohnes gleich werden sollen. Nun hat sich der Sohn Gottes selber erniedrigt, hernach aber hat Ihn der Vater erhöhet. Er hat Sich selber in innerliche und äußerliche Nöthen hineingesenkt: der Vater aber hat Ihn zur angenehmen Zeit erhöret, und Ihm am Tage des Heils geholfen. Er ist, wie Ps. 118,22 gesagt wird, von den Bauleuten, das ist von den Vorstehern der Juden verworfen worden, und zum Eckstein der Kirche worden. Diesen Weg müssen alle Kinder Gottes, so viel ihre Fähigkeit leidet, gehen, diesem Vorgänger müssen Alle folgen, und dem Bilde desselben müssen Alle ähnlich werden. Es gibt Züge an diesem Bild, die man nicht anders als im Leiden an sich bekommen kann. Sein Bild war nämlich auch ein Marterbild. Seiner stillen Geduld kann man nicht ohne Trübsal theilhaftig werden, und in die Gemeinschaft mit Seinem Gehorsam kann man nicht gelangen, wenn nicht schwere Fälle entstehen, worin man durch die Kraft des Heiligen Geistes seinen Willen dem großen Gott aufopfern kann.
Wem vor diesem Weg grauet, der bedenke, daß alle Heiligen darauf gegangen sind, und Gott noch für denselben gedankt haben. Der Heilige Geist lehrte einen Jeden unter ihnen sagen: ich danke Dir, daß Du mich demüthigest, und hilfest mir. Oder nach Ps. 119,67.71.: ehe ich gedemüthiget ward, irrete ich, nun aber halte ich Dein Wort. Es ist mir lieb, daß Du mich gedemüthiget hast, daß ich Deine Rechte lerne. Zwar dünket uns die demüthigende Trübsal nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein: allein, obschon das Fleisch seine Schwachheit dabei fühlet, so sit der Geist doch willig, darin auszuharren, und zu Gott zu sagen: dennoch bleib‘ ich stets an Dir. Er siehet auf den Willen des Vaters im Himmel, auf den Vorgänger Christum, auf das Beispiel vieler Heiligen, und auf den Nutzen der Trübsal, der in der Läuterung und Bewährung der Seele, und in der Empfindung eines göttlichen Trostes besteht, dessen man außer der Trübsal nicht theilhaftig worden wäre, und erwartet auf diese Weise die göttliche Hülfe, welche auch gewißlich zur rechten Zeit erscheint. Folgt schon, so lange das irdische Leben währt, auf eine jede göttliche Hülfe wieder eine neue empfindliche Demüthigung, so wird doch die letzte Hülfe aller Noth auf ewig ein Ende machen. Der HErr wird nämlich die Seinigen aus allem Uebel erlösen, und ihnen aushelfen zu Seinem himmlischen Reich. Alsdann wird man zu Gottes Ehre mit der hellsten Einsicht sagen können: ich danke Dir, daß Du mich gedemüthiget hast, und hast mir geholfen.(Magnus Friedrich Roos)

118:22 Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.

118:23 Das ist vom HERRN geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen.

118:24 Dies ist der Tag, den der HERR macht; lasset uns freuen und fröhlich darinnen sein.

118:25 O HERR, hilf! o HERR, laß wohl gelingen!

118:26 Gelobt sei, der da kommt im Namen des HERRN! Wir segnen euch, die ihr vom Hause des HERRN seid.
Mit diesen Worten - welche einst bei besonderen großen Festversammlungen in Israel vor dem Tempel gesungen wurden - wird aufs lebendigste die Zuversicht zum HErrn ausgedrückt, der nach vielem Warten mit Seiner Allmacht und Hilfe herzutritt. Die Worte sagen mehr, als wenn man nur bittend spricht: „Komm, HErr, und hilf!“ Denn sie stellen die kommende Hilfe schon in die Gegenwart und wollen andeuten, daß man die ersten Spuren davon, gleichsam die ersten Strahlen einer aufgehenden Sonne, erblicke.
Die Worte des Psalms sind aber auch prophetisch gewesen auf den kommenden Heiland der Welt, den man, wenn man im Glauben recht erregt war, sich eben als kommend vorstellte. Deswegen hat auch beim Einzug Jesu in Jerusalem das Volk diese Worte gesungen, um damit zu bekennen, daß sie in Jesus den Verheißenen erblickten. Der war ja denn gekommen, und zwar „im Namen des HErrn“, d.h. mit der Kraft des Höchsten angetan, die bezeugte, daß Er ein Heilsstifter und Friedensbringer war. In Erinnerung an Ihn singen wir jetzt: „Gelobt sei, der gekommen ist im Namen des HErrn, ein Trost aller Welt, der allem Jammer ein Ende machen wird!“
Indessen ist Er wieder aufgefahren zu Seinem Vater; und wie viel Jammer ist bei uns zurückgeblieben, soviel Trost uns auch durch Ihn geboten ist! Da stehen wir in einer abermaligen Sehnsucht nach Seinem Kommen und möchten gerne den Tag anbrechen sehen, da wir ausrufen dürfen: „Gelobt sei, der da kommt im Namen des HErrn, in der Kraft und Herrlichkeit Seines Vaters!“
Doch erfahren wir, daß Er auch wieder in beständigem Kommen begriffen ist, namentlich, wenn wir Ihn anrufen. Er hat ja selbst zu Seinen Jüngern gesagt: „Ich will euch nicht Waisen lassen, Im komme zu euch.“ So können wir uns bei allem, was in Seinem Reime geschieht, Sein Kommen, Sein Mitdazukommen denken und müssen uns einstweilen mit dem begnügen. Wie oft können wir das erfahren, wenn wir das Wehen Seines Geistes verspüren, wenn unser Herz in uns brennt wie in den Jüngern, die nach Emmaus gingen! Auch wenn oft unerwartete Hilfe in Nöten aller Art uns zuteil wird, können wir uns gedrungen fühlen zu sagen: „Gelobt sei, der da kommt, der hilft vom Himmel her!“
Aber doch warten wir auf Sein wirkliches Kommen, mit welchem sich alles vollendet, wonach sich unser Herz sehnt. „Komm, Herr Jesu!“ sind wir angewiesen zu rufen.
Und endlich wird es heißen: „Er kommt! Er kommt!“ Zu einer Zeit, da alles in großem Gedränge ist, alles verloren scheint: Wie werden die Seinen doch da ihre Häupter erheben, wenn sie Ihn vom Himmel kommen sehen! Und mit welchem Jubel und welchem Frohlocken werden sie sagen: „Gelobt sei, der da kommt im Namen, in der Kraft des HErrn!“
Denn alles und alles ist uns unser hochgelobter Heiland Jesus Christus mit Seinem Kommen! (Christoph Blumhardt)

118:27 der HERR ist Gott, der uns erleuchtet. Schmücket das Fest mit Maien bis an die Hörner des Altars!

118:28 Du bist mein Gott, und ich danke dir; mein Gott, ich will dich preisen.
Es ist etwas Erquickliches, wenn man glaubig zu Gott sagen kann: Du bist mein Gott. Was ist Gott? Was bedeutet das Wörtlein mein? Kein menschlicher Verstand kann die Antworten auf diese beiden Fragen vollkommen ausdenken. Gott ist ein unermeßliches gutes Wesen. Er ist ein Licht, und in Ihm ist keine Finsterniß, Er ist Liebe, Er ist Vater, Erlöser, König, Fürsprecher, Haupt, Hirte, Bräutigam, Tröster. Wenn man nun zu allen diesen Namen das Wörtlein mein setzen kann, welch’ eine Wonne, welch’ ein Trost ist das! Das Wörtlein mein deutet an, daß Gott Sich gegen mich so beweiset, wie Sein Name anzeiget, oder daß ich Ihn so erkennen und genießen darf, wie Er Sich in Seinem Wort geoffenbaret hat. Dreimal sagte die Sulamith im Hohenlied: mein Freund ist mein, zweimal setzte sie hinzu: und ich bin sein; das drittemal aber: und er hält sich auch zu mir, oder: er hat eine Neigung zu mir. Christus sagte mehrmals zu den Menschen: euer Vater, und hieß sie beten: unser Vater, und sprach nach Seiner Auferstehung: Ich fahre auf zu Meinem Vater, und zu eurem Vater, zu Meinem Gott und zu eurem Gott. Die Apostel reden oft in ihren Briefen von unserm HErrn Jesu Christo; und obschon der Heilige Geist niemals unser Geist genannt wird, so wird doch von Ihm gesagt, daß Er uns gegeben, und in unsere Herzen gesandt werde. Alle diese Ausdrücke zeigen an, daß die Erkenntniß und die Verehrung des Dreieinigen Gottes bei uns nicht trocken und kaltsinnig bleiben dürfe, sondern daß sie mit einer glaubigen Zueignung und Annahme und zugleich mit einem Genuß verbunden sein solle. Darauf folgt Ruhe der Seele, Geistesstärke, Ergebenheit an Gott, Vereinigung mit Gott, Verlangen nach einem noch völligeren Genuß, und bei der Anbetung Gottes viel Dank gegen Gott, und viel Lob Gottes; wie denn auch in dem obenstehenden Spruch gesagt wird: ich danke Dir mein Gott, ich will Dich preisen, und hernach: danket dem HErrn, denn Er ist freundlich, und Seine Güte währet ewiglich. Ich will mich auch am Anfang dieses Monats freuen, daß der HErr mein Gott ist, und Ihm danken. Ein Reicher mag ich freuen, wenn er sein Geld und seinen Hausrath und seine liegenden Güter ansehen, und davon sagen darf: dieses Alles ist mein, ein Andrer mag ich seiner Gönner und seiner Lieblinge freuen: ich freue mich dessen, daß der HErr Sich nicht schämet, mein Gott zu heißen, und daß ich durch Christum, den verworfenen Stein, der zum Eckstein geworden ist, das Gnadenrecht erlangt habe, Ihn meinen Gott zu nennen. Jetzt erkenne und genieße ich Ihn ungefähr so, wie man die Sonne bei dem dicksten Nebel erkennt und genießt. Man sieht sie nicht, man genießt auch ihren Glanz nicht völlig, doch weiß man, daß sie über dem Horizont sei, fühlt etwas von ihrer Wärme, und genießt etwas von ihrem Licht. In der seligen Ewigkeit aber wird der Nebel vergangen sein. Alsdann wird die Herrlichkeit Gottes den Gerechten wie eine unvergleichlich reine und unermeßliche Sonne leuchten, und sie werden sie unmittelbar und ohne Verletzung ihrer Augen sehen, und viel näher als jetzt zu ihr hingerückt sein. Alsdann wird völlig klar sein, welch’ eine unendliche Seligkeit es sei, wenn man zu Gott sagen kann: Du bist mein Gott. Hallelujah.(Magnus Friedrich Roos)

118:29 Danket dem HERRN; denn er ist freundlich, und sein Güte währet ewiglich.1)
Ein schwungreicher Festpsalm, am Pascha- und Laubhüttenfeste in Israel gesungen, das voll ist von Dank für seine Errettung und auf’s neue Muth gefaßt hat, alle Gefahren und Kämpfe, die ihm verordnet sind, im Namen des Herrn zu bestehen. Da, seitdem Christus seine Kirche gegründet, das leibliche Israel in das geistige übergegangen und der Verheißungen und Vorrechte des alten Gottesvolks theilhaftig geworden ist, so hat Christi Kirche das Recht, auch diese hier ausgesprochene Zuversicht sich anzueignen und in die erhabenen Worte dieses Psalms einzustimmen. Luther hat sich denselben zum besondern Trost zugeeignet, den 17ten Vers daraus in seiner Studirstube aufgehangen, und schreibt: „Das ist mein Psalm, den ich lieb habe. Wiewohl der ganze Psalter und die heilige Schrift gar mir auch lieb ist, als die mein einiger Trost im Leben ist, so bin ich doch sonderlich an diesen Psalm gerathen, daß er muß mein heißen und sein, denn er sich auch redlich um mich gar oft verdienet und mir aus manchen großen Nöthen geholfen hat, da mir sonst weder Kaiser, Könige, Weise, Kluge, Heilige hätten helfen mögen.“ Und auch ich trete, o treuer himmlischer Vater, hiemit in die Gemeinschaft aller Gott lobenden Seelen und danke Dir nicht weniger als alle Deine Auserwählten für Deine ewigwährende Güte. Du bist und bleibst allezeit meine einzige Stärke, mein Psalm und mein Heil; absonderlich mein ewiges Heil; denn dieses zu erwerben, hast Du auch mir zu gut Deinen Sohn in die Welt gesandt, der nach vollbrachtem blutigen Angst- und Todeskampf den Sieg über meine geistlichen Feinde, Sünde, Tod, Teufel und Hölle erstritten und seine Gotteskraft zu meinem und aller Menschen Heil so herrlich erwiesen hat; dieses mir zuzueignen, hast Du Deinen heiligen Geist ausgegossen, die Kirche gegründet, Wort und Sacramente eingesetzt, und treibest Dein Werk fort bis an das Ende der Tage. Davon singet man mit Freuden in den Hütten der Gerechten, und ich sollte Deines Lobes vergessen? Nein, Dich will und muß ich preisen in Ewigkeit, für Dich Alles gern leiden und zu Deiner Herrlichkeit eingehen. Erhalte mich durch Deinen Freudengeist nur immerzu in solchem Glauben und Vertrauen, und gieb, daß ich allezeit bereit bin, wenn Dein Sohn kommen wird zum Gericht, Ihm mein Hosianna anzustimmen: Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herrn! Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)

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