Zeller, Samuel - Haus-Andachten - VII.

Zeller, Samuel - Haus-Andachten - VII.

Rom. 8,31.33 Ist Gott für uns wer mag wider uns sein? Welcher auch seines eigenen Sohnes nicht hat verschont, sondern hat Ihn für uns alle dahingegeben; wie sollte er uns mit Ihm nicht alles schenken?

Wir wollen heute kurz betrachten: Wie einem in Christo gerecht und selig gewordenen alles geschenkt ist. Es ist möglich, Gaben zu besitzen und nicht den Geber; aber unmöglich, den Geber zu besitzen, ohne nicht auch seine Gaben mit Ihm zu haben. Man kann gewisse Erlebnisse des Christentums erfahren, und doch kein rechter Christ sein. Man kann Arm- und Stirnbänder haben, wie Rebekka sie bekam; Elieser war aber darum nicht gekommen; das Ziel war damit noch nicht erreicht. Rebekka sollte noch mehr bekommen: sie sollte mit Elieser ziehen und Isaak haben. In unserer Zeit, wo viele Regungen des Geistes sind, bemerkt man bei vielen ein Sehnen und Ringen nach den Gütern des Himmels; aber es fehlt an solchen, die in Wahrheit sagen können: „HErr, wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist Du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil“ (Ps. 73,25.26). In Zeiten da der HErr lebendig wirkt und viele Herzen Ihn zum Schatz bekommen, ist die Gefahr groß, dass die Simonsherzen, statt selbst für sich um den heiligen Geist zu bitten, mehr wünschen, die Gabe zu haben, ihn andern mitzuteilen. Über dem Sehnen nach Gütern wird der Geber vernachlässigt. Wie einst Isaschar sah, dass die Ruhe gut und das Band lustig war (1 Mos. 49.15), so sieht jetzt noch manches Herz, dass das Wort wahr ist: „Predigt von den Gerechten, dass sie es gut haben; denn sie werden die Früchte ihrer Werke essen“ (Jes. 3,10). Wenn da eins den Frieden Gottes auf dem Antlitz eines Kindes Gottes sieht, bekommt es ein Sehnen danach, und wem der Lug und Trug der Welt zum Ekel wird, der weidet sich an der Wahrheitsliebe echter Christen. Wie wohl tut da das ja oder Nein eines wahren Kindes Gottes, das vor Gott steht! Wenn eins in eigenen Wegen und Kämpfen sich ermüdet hat und sieht die Ruhe eines wahren Christen, dann ist die Gefahr so nahe, dass man mehr nach der Kraft des Glaubens verlangt, als nach dem Geber. Im Christentum ist einem Kinde Gottes alles geschenkt. Als der HErr sich durch seinen Geist der Gemeinde gab, so hören wir, wie diese Mitteilung wirkte; es heißt: „Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte“ (Apstg. 4,34); denn einem Kinde Gottes ist in Jesu alles geschenkt. Wenn wir auf das Begehren und Treiben der Welt schauen, so finden wir einige Hauptbegierden der Menschen, die im Besitz Jesu vollständig befriedigt werden:

  1. Der Mensch wünscht und sucht Gesundheit, er spürt, er sollte gesund sein; Krankheit und Schmerz widerstreben seiner Natur, und selten findet man jene vollständige Ergebung in Leiden und Schmerzen. Wenn man auch sagt: „Ich ergebe mich in Gottes Willen,“ so braucht man doch heimlich allerlei Mittel, um nur gesund zu werden. Die Krankheit ist ein Joch, das viele gerne abschüttelten, und die wurmstichige Ergebung, die manche haben, hilft wenig. Es liegt ein Bedürfnis in unserer Natur nach Gesundheit, und sollte es umsonst sein, dass Jesus so viele Zeit seines Lebens zubrachte unter Kranken, um sie zu heilen, wie wir im Markus lesen? Es heißt von ihm: „Fürwahr, Er trug unsere Krankheit, und lud auf sich unsere Schmerzen“ (Jes. 53,4). Es tönt ein Schmerzensschrei durch die ganze kranke Schöpfung nach Gesundheit und Heilung. Was wird nicht alles angewandt, um nur gesund zu werden! Kein Geldopfer wird gescheut, kein Mittel, selbst Gift unversucht gelassen, um nur die Krankheit los zu werden. Es ist ein Haschen und Greifen nach natürlichen und übernatürlichen Heilmitteln, auch die Zauberei wird benutzt. Alles benutzt der Mensch, nur um gesund zu werden, und ach, ach wie viele Christen! Es ist schauerlich, wie weit ein Christ sich versündigen kann, nur dass sein Leib gesund werde. Woher kommt dies Sehnen nach Gesundheit? Ursprünglich war der Mensch gesund, und wir lesen in der Schrift, dass wo der Strom des Lebens hinkommt, alles gesund wird, und an seinem Ufer stehen Bäume, deren Blätter dienen zur Gesundheit der Heiden (Off. 22,2). Im Anfang war alles voll Kraft und Leben, und am Schlusse der heiligen Schrift heißt es: „Der Tod wird nicht mehr sein; denn das Erste ist vergangen“ (Off. 21,4). Wir haben das Bedürfnis nach Gesundheit in uns, und durch etwas muss es befriedigt werden. In Christo ist auch dem Leib das gegeben worden, was er bedarf; was ein Christenherz wünscht, hat es in Christo. Paulus betete dreimal, dass der „Pfahl im Fleisch“ ihm abgenommen würde, und erhielt zur Antwort: „Lass dir an meiner Gnade genügen“ (2 Kor. 12,9). Ich will nicht sagen, dass alle die in Christo sind, Heilung von Krankheit und Schmerzen erfahren; es wird ihnen aber leichter, sie zu tragen. Im Schmerz schaut ein Christ Jesum an, und der Hinblick strömt Kräfte des Lebens aus, und so viel ein Christ bedarf, bekommt er auch; Ruhe und Friede ruht auf ihm, er ist selig in Gottes Hand und an seinem sterblichen Leibe ist Christus offenbar geworden. O welche Zeugen Gottes gab es schon, die durch geduldiges Leiden lauter gepredigt haben, als mit Worten; sie haben die Welt staunen gemacht und an ihrem Leibe hat sich der HErr herrlich bewiesen.
  2. Als eine zweite Sehnsucht des Herzens finden wir das: Frei zu werden. Ursprünglich war der Mensch frei, und das Bewusstsein davon lebt noch in uns allen. Die furchtbarsten Revolutionen sind aus diesem Triebe hervorgegangen, aber nur mit dem Rufe: „Freiheit, die ich meine.“ Wie viele sind im Dienste des HErrn, nur um reich und so frei zu werden! Es ist unserer Natur furchtbar, unterjocht zu sein. Dieses Jagen nach Freiheit ist ein Zerrbild der in uns gelegten göttlichen Freiheit. Das macht so viele Ehen zu unglücklichen: das Weib will frei sein vom Gehorsam und lieber herrschen. Ein Schrei nicht nur nach Heilung, sondern auch nach Freiheit durchdringt die Schöpfung. Einem Christen aber wird die wahre, selige Freiheit in Christo wieder geschenkt; denn, „wen der Sohn frei macht, der ist recht frei“ (Joh. 8,36). Jesus bietet sich den Juden an als sanftmütiger König; aber sie wollten eine Freiheit vom äußerlichen Joch. Der Christ wird in Christo erst recht frei und unabhängig, ein Fürst in Israel. Die Sünde aber macht zum Sklaven und bringt in eine furchtbare Abhängigkeit von einander, und wie manchem schließt sie den Mund! Wie entwürdigt sie den Menschen, wie uns der HErr bezeugt Jes. 1,3.4! Die Sünde hat aus dem freien Menschen einen gebundenen gemacht, und nur Christus kann uns frei machen. Ist das nicht ein herrlicher Anblick, Paulus mit Ketten gebunden, doch so frei vor Felix stehen zu sehen? Denkt dagegen an die vielen durch die Sünde gebundenen Hände und Füße! Sie können nicht frei auftreten und reden. Nur die Gnade des HErrn macht frei, dass selbst der Sünder ruhig auf seine Sünden zurückschauen kann, weil er durch Christum frei ist von der Abhängigkeit von jeder Kreatur. Wie viele Herzen werden beherrscht von Angst und Furcht! Woher bei vielen diese Verschwiegenheit, diese Scheu vor dem ganzen Brechen mit der Sünde? Es kommt daher, weil sie die Freiheit in Christo nicht haben, und ist eine Sünde noch nicht vergeben, so kann sie den Mund stopfen. Ist aber Christus unser alles, so werden wir los von aller Kreatur, von allem, was uns früher beherrschte. Jenen Prediger hat Gott nicht bloß frei, sondern auch siegreich gemacht (Beispiel aus Jänikes Leben in Berlin). Ein freier Mann ist, der sagen kann: „Mir sind alle Sünden vergeben.“ Aber wie viele scheinbare Freie gibt es, die doch innerlich gebunden sind mit Banden und Ketten an die Welt und die Sünde. Durch Christum wird allein die rechte Unabhängigkeit erlangt, vor ihm sehen wir gleich den König und den Diener, ja in Christo ist uns alles geschenkt.
  3. Noch ein Trieb liegt in uns, er kommt schon von Adam her: der war nicht nur gesund und frei, er war auch reich; ein Reichtum war vor ihm ausgebreitet, wie man ihn jetzt nur noch von ferne ahnt. Nach Reichtum trachtet die meisten Menschen, und das bringt so viele ins Verderben; und doch wird der wahre Reichtum so wenig erkannt. O wie frevelhaft wird oft gegen den HErrn gehandelt, nur um reich zu werden! Verbrechen werden begangen, nur um alles zusammen zu häufen. Doch nicht nur in dieser dunkeln Farbe möchte ich euch das Trachten nach Reichtum zeigen. Der HErr ruft uns zu: „Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden. Sorgt nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet“ rc. (Matth. 6,19-25). Schaut in den Spiegel dieses Wortes und prüft euch, ob nicht selbst Christen nach Anhäufung von Reichtum trachten. Wie arbeitet mancher Tag und Nacht, ihn jagt eine fixe Idee, wie die Narren sie haben; er denkt, ich möchte mir, bis ich 60 oder 70 Jahre alt bin, für ein stilles, gemütliches Plätzchen sorgen; er denkt nicht daran, wie wenige das Ziel erreichen, und vergisst darüber den wahren Reichtum. O wie jämmerlich arm sind viele bei Kisten voll Gold und Silber! In Christo wird ein Reichtum erlangt, den die Welt nicht kennt. Der ist ein Narr, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich in Gott. Genug haben, ohne Sorgen leben können, ist das Ziel des Reichtum-Sammlers, der wahre Christ sagt: „Ich habe genug, dass Christus lebt, und dass ich Ihn habe.“ Ein Christ hat Genuss, wie die Welt ihn nie hat. Jesus frug seine Jünger: „Habt ihr je Mangel gehabt?“ und sie müssen sagen: „HErr nie keinen.“ Fragt ein Kind Gottes, ob es je gedarbt? und wie leuchtet aus seinen Augen das Glück und der Friede, den wahre Christen in Jesu haben! Sie beugen die Knie, und der HErr hilft immer wieder, und wer ist reicher: Der welcher sorgen muss, oder Der welcher Gott sorgen lässt, der ihm oft wunderbar hilft? Gott fehlt nie, versäumt nie etwas. Die Raben müssen dem Elias Brot und Fleisch bringen. Ein Kind Gottes hats gewiss gut; Denn ein Christ hat in Christo alles, wenn er reich in Ihm ist. Ein Christ weiß oft: ich habe nichts; aber er denkt: Du, HErr, hast alles: meine Kasse ist leer, aber deine ist voll, die ist ja gemeinschaftlich; der HErr lässt mich nie im Stich. „Welcher seines eingebornen Sohnes nicht hat verschont, wie sollte Er uns mit Ihm nicht alles schenken!?“
  4. Noch ein Bedürfnis haben die Menschen: sie trachten nicht nur nach Gesundheit, Freiheit und Reichtum - das größte Bedürfnis des Menschen ist die Liebe, geliebt zu werden. Geliebt will der Mensch sein, ein Sehnen nach Liebe liegt in ihm. Das Menschenherz ist ein Wesen, das Liebe nötig hat. Welche Störung des Geistes oder gar Verwirrung in Familien kommen oft daher, dass dieses Bedürfnis nicht befriedigt wird! Wie viele Not gibt es, die nur von dem Bedürfnis nach Kreaturenliebe herkommt! Wahnsinn kann durch ein „nein“ plötzlich hervorgerufen werden. O glaubt es, ihr Lieben, nichts steckt so tief, als dies Bedürfnis nach Liebe, und nichts zerstört mehr den Geist, als wenn diese Liebe nicht auf das richtige geführt wird. Der HErr ruft uns zu: „Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte“ (Jer. 31,3). „Wie Er hatte geliebt die Seinen, die in der Welt waren, so liebte Er sie bis ans Ende.“ (Joh. 13,1). „Also hat Gott die Welt geliebt, dass Er seinen eingebornen Sohn gab“ (Joh. 3,16), und Jes. 43,4. sagt Er: „Weil du so wert bist vor meinen Augen geachtet, musst du auch herrlich sein, und ich habe dich lieb.“ Warum muss Gott uns so aufwarten? Warum muss Jesaias seine Rede in Gottes Namen anfangen: „Hört, ihr Himmel, und Erde nimm es zu Ohren, denn der HErr redet: Ich habe Kinder auferzogen und erhöht?“. Warum muss Er seine Liebe uns so vormalen? Wir sind Wesen, die es ohne Liebe nicht aushalten; das Herz muss lieben und will geliebt sein. O da ist ja herrlich gesorgt: dieses Bedürfnis wird bei Jesu am meisten und vollsten gestillt. Liebe, nur Liebe verlangt das Herz; wir müssen ein Wesen haben, das uns liebt und dem wir unsere ganze Liebe schenken könnten, und dieses Wesen ist Jesus. Bei keinen Menschen findet ihr das, was ihr bei Ihm findet. Wie viele Menschen kommen durch Worte, Streit und Schelten auseinander! Vor Gottes Ohren kommt viel Schreien und Fluchen, und doch liebt Er seine Menschenkinder. Ein Menschenherz muss schon sehr weit sein, wenn es nicht mehr hört auf Afterreden1), Lästern und Lügen. Wie manche Herzen sind schon durch Lügenworte getrennt worden! Nicht so bei Jesus. Er ist derselbe, gestern und heute und in alle Ewigkeit. Nennt mir ein Wesen, in dem wir so innig geliebt sein können und es lieben können, als Jesum. Nichts wird so gestillt durch Jesum, als die Liebe. Seine Liebe bleibt ewig, auch bei all' unserem Elend und unserer Not, wie wir es bei Hiob sehen. Ach, wie kleinlich und elend stehen die da, die trauern um verlorene Kreaturenliebe! Wie irdisch ist das Herz, das an Jesu Liebe nicht genug hat! In Ihm ist uns alles geschenkt. „Wie Er hatte geliebt die Seinen, die in der Welt waren, so liebte Er sie bis ans Ende“ (Joh. 13,1). Daran wollen wir uns halten und uns darüber freuen. Der HErr erlöse die Herzen von allem falschen Jagen nach Gesundheit, Freiheit, Reichtum, und Liebe; Er lasse unsere Herzen gesund und frei werden durch den Sohn, der allein recht frei und selig macht: Er lasse uns den rechten Reichtum in Ihm finden, dass wir reich werden in Gott. Aber vor allem mache Er uns verliebt in Jesum, dass es uns gehe, wie der Braut im Hohenlied, die sagt: „Ich bin krank vor Liebe“ (Kap. 2,5). Der HErr gebe, dass wir einst sterben an seligem Liebesheimweh!
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schlechtes Nachreden, verleugnen
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autoren/z/zeller_samuel/zeller_hausandachten/zeller_hausandachten_vii.txt · Zuletzt geändert: von aj
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