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Wunderling, Theobald - Andachten

Wunderling, Theobald - Andachten

1. Buch Mose

Und er schwur ihm und verkaufte Jakob seine Erstgeburt. Da gab ihm Jakob Brot und das Linsengericht, und er aß und trank und stand auf und ging davon. Also verkaufte Esau seine Erstgeburt.
(1. Mose 25,33-34.)

Dass Menschen, durchs Evangelium von dem barmherzigen Gott zu so reichem Glück der Kindschaft und des Erbes berufen, oft dazu gelockt und eingeladen, die Augen dafür so gar nicht öffnen können, die sie doch für die vergänglichen Dinge weit aufhaben, das ist eine Schande und ein tiefes Weh des JEsusherzens. Aber am unbegreiflichsten ist es doch, wenn für Menschen, die ihren Beruf zur heiligen und herrlichen Erstgeburt erkannt haben und das Glück dieses Berufes schon gekostet haben, ein elendes bisschen Speis und Trank, oder andere Sinnenlust des Augenblicks genug ist, um entweder ihre Augen vor dem herrlichen Licht ihres Berufs zur Seligkeit zu verschließen und die Gedanken daran zu verdrängen, oder gar ihr schon geschenktes Glück der Kindschaft gering zu achten, in Gefahr zu bringen und leichtsinnig preiszugeben. Und doch, wie geschieht es so oft! - O, lasst uns unsere Erstgeburt recht gründlich und immer gründlicher ansehen, dass uns ein helles Licht darüber aufgeht, welchen Wert sie hat im Vergleich zu den Träbern dieser Welt, und dann lasst uns mit heiligem Ernst tagtäglich über unsere Seele wachen, dass wir der treuen Stimme des Geistes Gottes folgen und uns üben, alles Vergängliche gering zu achten gegen die Gnade unseres Kindschaftsrechts und Erbes! Sie ist es wert, das ist gewisslich wahr. Amen. (Th. Wunderling.)

HErr, ich warte auf Dein Heil.
(1 Mose 49,18.)

Lieben Freunde! es sind uns vielleicht die Brautlieder von Jerusalems Schöne recht geläufig, aber versteht unsere Seele, wie Jakob es verstand, das Warten mit dem dreifachen Sinn? Das Warten zuerst der gewissen Glaubenszuversicht: Solch Heil ist mein, wahrhaftig mein, und muss mir werden; ich werde nicht sterben, sondern leben, denn der Heiland ist mein; ich weiß, an wen ich glaube, und dass Er meine Beilage des Heils bewahren wird, drum: ist der Heiland mein, so muss mir auch Sein Himmel werden! Kannst du so reden, auch wenn der Tod dir auf den Fersen sitzt, dann ist's auch kein totes, träges, gleichgültiges Gewissen; nein, dann verstehst du auch das andere Warten: das sehnliche, dürstende, das täglich tiefer aufseufzende nach Erlösung von dem Leib dieses Todes, von dem sündenbefleckten Leben, von der Angst, die den erlösten Geist so gar ermüdet, und in welche die Ruhe und Freude, der Friede von oben so wunderbar tröstend hineinwinkt; ja das Warten, das drum nicht zagt und klagt und zweifelt, wenn es gleich noch so tief und laut, einmal übers andere aufschreit: HErr, ich warte auf Dein Heil! HErr, wie lang, ach lange! Wann schlägt doch die benedeite Stunde? wann darf ich Dein Heil sehen? Solch gewisses und doch sehnliches, und doch so ahnungsvoll fröhliches Warten auf das Heil des HErrn, das macht allein ein seliges Sterben; und dies Warten der Gerechten wird Freude sein! (Th. Wunderling.)

Löse, erstgeborner Bruder,
Doch die Ruder
Meines Schiffleins; lass mich ein
Zu den Schafen,
Die den Strafen
Und der Furcht entrücket sein!

Amen.

2. Buch Mose

Um eure Lenden sollt ihr gegürtet sein und eure Schuhe an euren Füßen haben und Stäbe in euren Händen und sollt es essen, als die hinweg eilen.
(2 Mose 12,11.)

Als die Hinwegeilenden, reisefertig sollte Israel das Passahlamm essen. Ja, ja, annoch ist auch das Passah des Neuen Bundes ein Passah ein Vorübergehen, eine Reise und Streiterspeise: Ruht und esst an diesem Feste - in dieser Sabbatsstunde! aber es ist noch keine bleibende Ruhe vorhanden! Die Pilger- und Streiterkraft soll gestärkt werden; mir sollen nach jedem Abendmahl dessen immer klarer uns bewusst werden, dass wir hier Gäste und Fremdlinge sind und keine bleibende Statt haben; dass es gilt, in Kraft dieser Speise von dem Fremden uns losmachen, ausziehen, hinwegeilen, eilen mit himmlischer Sehnsucht hinauf, wo das Gotteslamm thront, wo es Sein Abendmahl halten wird mit Seinen Auserwählten. Dann ist das Passahmahl des Alten Bundes nicht nur in neutestamentlicher Herrlichkeit, sondern in himmlischer Herrlichkeit erfüllt! Selig, selig, selig sind, die zu dem Abendmahl der Hochzeit des Lammes berufen sind! (Th. Wunderling.)

Ja, ich bin ein Fremdling hier auf Erden,
Muss hier tragen mancherlei Beschwerden,
Bin ein Pilger, arm und unbekannt
Und das Kreuz ist meiner Wallfahrt Zeichen,
Bis ich werde Kanaan erreichen:
Das ersehnte liebe Vaterland.

Amen.

Und die Kinder Israel gingen hinein, mitten ins Meer auf dem Trockenen; und das Wasser war ihnen für Mauern zur Rechten und zur Linken.
(2 Mose 14,22.)

Wir stehen am roten Meer: es ist das Meer des Todes! Die Todesschrecken erheben sich wie Meereswellen; es kommen die Stunden, da uns am allerbängsten wird um das Herze sein: o lasst dann nur das Schreien aus dem brechenden Herzen hinaufgehen und doch dabei still: Du allein, wer sonst?

Alles fällt, aber Du, Du allein stehst fest und bist bei mir - so harre, harre still! Und siehe, der durch das Meer des Todes hindurchgebrochen als der Lebensgott, wird auch vor dir herbrechen. Er steht vor dir und winkt: lass dir nicht grauen; - lass die Wogen sich türmen - nur nicht rechts oder links hinsehen, immer geradeaus; sieh nur auf Mich, höre auf Mich, greife nach Mir! Und ehe du dich's versiehst, so liegt das Meer der Todesschrecken hinter dir, und die ganze Pilgerwüste auch; und du bist in Kanaan und singst dem großen Gott, dem Siegesfürsten, dem Lamm und Löwen: Der HErr ist meine Stärke und mein Lobgesang und ist mein Heil! (Th. Wunderling.)

Drum nur hinein,
Es wird so tief nicht sein,
Das rote Meer muss dir doch Platz vergönnen!

Amen.

Und ihr sollt Mir ein priesterliches Königreich und ein heiliges Volk sein.
(2 Mose 19,6.)

Wir werden als Untertanen unseres Priesterkönigs selbst Priester und Könige: Priester, die im heiligen Liebessehnen alles, was in ihnen wider Gott und ihres JEsu Gebot sich erhebt, täglich darbringen auf den Altar und gebens Ihm hin und sprechen: „Nimm und töte und schlachte hin meinen Willen, meinen Sinn!“ Und solche Priester sind auch Könige!

Weil sie sich dem König der Könige geopfert haben ganz und gar und nur Seinen Willen anerkennen, sonst keinen, so sind sie eben selbst Könige, sonst aber frei und ungebunden nach allen Seiten. Freigeborner König, tief, tiefgebeugt vor dem König der Könige, werde deiner Königswürde inne und gebrauche sie! So herrliche Frucht der Kinder Gottes hier schon, und dort werden sie auch sichtbar Priester und Könige sein! (Th. Wunderling.)

Hallelujah! Deine Wonne
Bricht nun bald mit Macht herfür;
Denn die schöne Gnadensonne,
Jesus Christus naht Sich dir;
Gibt dir einen Freudengruß
und den rechten Liebeskuss.
Zion, wo ist nun dein Klagen?
Jetzt kannst du von Freuden sagen.

Amen.

Er aber sprach: So lass mich Deine Herrlichkeit sehen!
(2 Mose 33,18.)

Moses hatte Gottes Predigt verstanden; er hatte vom Sinai herab durch dies Gnadenwort hineingeschaut in das Geheimnis, das auf Golgatha aufgetan ist vor unseren Augen. Er sah im Glauben den Tag der Versöhnung und die Herrlichkeit des Sohnes Gottes, eine Herrlichkeit voller Gnade und Wahrheit, und siehe: er schweigt nun von seinem Begehren, es ist gestillt. „Lass mich Deine Herrlichkeit sehen!“ Kennst du dies Sehnen? Wer unter uns den Heiland wahrhaftig erkannt hat im Glauben, der kennt auch dies Sehnen. Durch die Jahrtausende hindurch ziehen sich in der Schar aller Gottesfreunde die Stimmen dieser heiligen Sehnsucht. So spricht der Sänger: „Ich aber will schauen Dein Antlitz in Gerechtigkeit, ich will satt werden, wenn ich erwache nach Deinem Bild.“ (Ps. 17,15). Dies Sehnen ist auch ganz natürlich im Sinn der neuen Kreatur. Es müsste nichts in ihr sein von der Gottesnatur, der ein Kind Gottes durch Christum teilhaftig wird, wenn dies Sehnen ihr unbekannt wäre. Und, wenn wir sein werden, wie Er, dann werden wir auch wie Er schauen können in das wunderbare Licht der unausdenklichen Herrlichkeit des Vaters. Dann hört das Begehren: „Lass mich Deine Herrlichkeit sehen,“ auf denn, es ist erfüllt in der Vollkommenheit. (Th. Wunderling.)

Jesaja

Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, welches Herrschaft ist auf Seiner Schulter.
(Jes. 9,6.)

Einen solchen Heiland gibt es! Er ist vor achtzehnhundert Jahren geboren als ein Kindlein, in dem schon damals alle diese Heilandsherrlichkeit der Gnade, Liebe und Macht verborgen lag; aber, wenn uns heute die ewig tröstliche Botschaft wiederholt wird: „Euch ist heute der Heiland geboren,“ so ist für uns in dem Kindlein der ganze vollkommene Heiland offenbart, und nicht nur offenbart, sondern dargeboten: Euch ist der Heiland geboren! Dieser ganze vollkommene Heiland, den du und ich so gut brauchen könnten ist für euch da, für dich! Dir, dir, wird Er gegeben, du kannst Ihn heute haben! - Heute kann Er, der reiche Heiland voller Gnade, durch den heiligen Geist in deine arme, finstre Seele gesenkt und darin geboren werden, als dein Heiland; also, dass du von heute an einen eigenen, deinen wahrhaftigen, lebendigen Heiland hast! - Ja, heute, heute kann Christnacht sein in deiner Seele! Nur Eins ist not: Strecke im Geist die Arme aus nach Ihm und nimm Ihn hin!

Vom Himmel hoch, da komm' ich her;
Ich bring' euch gute, neue Mär.
Der guten Mär bring' ich so viel,
Davon ich sing'n und sagen will:
Es ist der HErr Christ, unser Gott,
Der will euch führ'n aus aller Not;
Will euer Heiland selber sein,
Von allen Sünden machen rein.

Euch ist ein Kindlein heut' gebor'n,
von einer Jungfrau auserkor'n;
Dies Kindelein, so zart und fein,
Das soll eu'r Freud' und Wonne sein.
Lob, Ehr sei Gott im höchsten Thron,
Der uns schenkt Seinen ew'gen Sohn!
Des freuen sich der Engel Schar
Und singen uns solch neues Jahr!

Amen.

Fürchte dich nicht, denn Ich habe dich erlöst; Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist Mein.
(Jes. 43,1.)

„Fürchte dich nicht!“ ach, das ist eine selige Freudenbotschaft. Klingt sie auch dir als Freudenbotschaft ins Herz? oder verhallt sie vor deinen Ohren wie ein leerer Klang? Siehe, wenn du zu denen gehörst, die sich fürchten, nicht bloß vor zeitlicher Bedrängnis, sondern vor Tod und Gericht und Ewigkeit; oder, wenn du vollends zu denen gehörst, die sich fürchten um der Sünden willen, die auf ihrer Seele lasten; und zumeist, wenn du zu denen gehörst, die, ob sie wohl versöhnt sind von ihren Sünden, hinfort sich doch fürchten, dass sie nicht abermal von der Sünde Macht überwältigt und doch noch zu Grunde gerichtet werden siehe, so wird das „Fürchte dich nicht!“ aus des Heilands Munde also in dein Herz ertönen, dass es drinnen nicht als ein leerer Klang verhallt, sondern als eine wahrhaftige Freudenbotschaft die Furcht in Freude verwandelt; denn dies „Fürchte dich nicht!“ hat Kraft. Für jene ebengenannten drei Stufen und Gestalten der Furcht sind auch drei Gründe vorhanden, die Furcht zu überwinden. Und diese drei Gründe nennt unser Text in den drei Worten: „Denn Ich habe dich erlöst, Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist Mein!“ Amen. (Th. Wunderling.)

Ich will Wasser gießen auf die Durstigen und Ströme auf die Dürren; Ich will meinen Geist auf deinen Samen gießen und Meinen Segen auf deine Nachkommen, dass sie wachsen sollen wie Gras, wie die Weiden an den Wasserbächen.
(Jes. 44,3-4.)

O, dass der HErr uns des Herzens Dürre immer recht aufdeckte und aus den dürren Herzen durstige machte! O, dass der Durst nicht nachließe, denn er hat die Verheißung: auf die Durstigen will Er Wasser gießen! - O, da lebt das Land der Toten, wenn der Geist des HErrn wieder den Herzen Jesum verklärt und unser Heil uns recht gewiss macht; da ists, als ob über das Herz ein Frühlingsregen gekommen wäre: da grünen und blühen die Triebe des neuen Lebens wie das Gras, ja wie die Weiden an den Wasserbächen! Er will die Ströme auf uns gießen. Kommt, dürstende Seelen! Wann will Ers? Jetzt! die Ströme fließen! Nur untergehalten das arme Herz mit dem Seufzen: HErr, komm mit Deinem Leben, mit Deiner Freude und Kraft, ich leide Mangel; erquicke Dein Erbe, das durstig ist, mit einem gnädigen Regen! Ach, gieße auch heute, Du Gott alles Trostes, den Geist der Gnade und des Gebets auf uns alle, dass die Dürren durstig werden und die Durstigen satt! (Th. Wunderling.)

Du Quell, draus alle Weisheit fleußt,
Die sich in fromme Seelen geußt,
Lass Deinen Trost uns hören;
Dass wir in Glaubenseinigkeit
Auch können aller Christenheit
Dein wahres Zeugnis lehren!
Höre, lehre,
Dass wir können
Herz und Sinnen
Dir ergeben,
Dir zum Lob und uns zum Leben!

Amen.

Matthäusevangelium

Des Menschen Sohn ist gekommen, nicht dass Er Ihm dienen lasse, sondern dass Er diene und gebe Sein Leben zu einer Erlösung (wörtlich: zu einem Lösegeld) für viele.
(Matth. 20, 28.)

Wer die Sklavenketten recht herzlich satt hat, für den ist ja die Sache recht kurz und einfach. Er braucht nur zu hören, wie es steht mit dem köstlichen Lösegeld, das längst gezahlt ist, und dann einmal sein Seufzen: „Mach mich frei“ im Glauben zu übersetzen in die selige, auf Gottes Evangelium felsenfest gegründete Zuversicht: „Jetzt bin ich frei,“ - so ists geschehen! Der Tatbeweis wird folgen: das Gewissen wird frei von der Schuld und von der Furcht; diese schrecklichen Stricke sind zerrissen; und wenn er fortfährt, vor jedem neuen Strick unvergebener Schuld sich durch eilende Buße im Glauben zu bewahren, so wird er auch von Tag zu Tag mehr das inne werden, dass die Sündenlust ihre Herrschaft über ihn verloren hat und er machen kann, wie der Gottesmann, welcher spricht:

Wenn nun kommt eine böse Lust
So dankt' ich Gott, dass ich nicht musst;
Ich sprach zur Lust, zum Stolz, zum Geiz:
Dafür hing ja mein HErr am Kreuz!

Amen.

Das ist Mein Leib - das ist Mein Blut.
(Matth. 26, 26-28.)

Von welchem Leib Christi ist hier die Rede? Es ist derselbige einige Leib des Menschensohnes, in dem, als Er auf Erden wandelte, die Fülle der Gottheit wohnte leibhaftig; es ist der Leib des Menschensohnes, den Er für die Sünde der Welt in den Tod dahingegeben hat, das Blut, das Er vergossen hat zur Vergebung der Sünden; es ist der Leib des Menschensohnes, den sie in das Grab gelegt haben, der aber nicht die Verwesung gesehen hat, sondern am dritten Tage aufgeweckt worden ist durch die Herrlichkeit des Vaters; es ist der Leib des Menschensohnes, der auf dem Thron sitzt zur Rechten des Vaters; der Leib, welcher nichts anderes ist als eine Gottesfülle, das heißt ein Gefäß des Gotteslebens, eine Quelle aller Lebenskräfte. Und solche Lebenskräfte des Leibes und Blutes JEsu Christi, unseres gekreuzigten und auferstandenen HErrn, empfangen wir in Gemeinschaft des Brotes und Weines. Warum aber gibt Er sie uns nicht frei und unmittelbar aus Seiner Hand, sondern in der Gemeinschaft des armen irdischen Brotes und Weines? Ei, verstehst du nicht Sein Erbarmen, das sich gern herablässt zu unserem schwachen Glauben und ihm im Brot und Wein ein Pfand gibt, daran wir uns halten sollen und wissen: In diesem Augenblick, da ich dies Brot esse und diesen Wein trinke, dringen die ewigen Lebenskräfte des Leibes und Blutes unseres HErrn in mich ein! Drum, selig, selig, selig, wer zu dem Abendmahl des Lammes berufen ist! Amen.

Montag nach Lätare.

Abba, mein Vater, ist es möglich, - und es ist Dir ja alles möglich, - so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht, wie Ich will, sondern wie Du willst!
(Matth. 26, 39. Mark. 14, 36.)

Sieh, es war dem Vater doch unmöglich, trotz des beweglichen Flehens des lieben Sohnes, Ihm den Tod zu ersparen. So bleibts denn ewig wahr: Christus musste sterben, sonst gäb's keine Erlösung. Weil Er aber gestorben ist, so muss auch unsere Erlösung damit eine vollkommene sein. Es war dem, dem alles möglich ist, nicht möglich, anders als durch den Tod des Sohnes die Sünder zu retten; so ists nun auch ein Unmögliches vor diesem Gott, einen Sünder zu verderben, der auf des Gotteslammes Sterben seine ganze Zuversicht setzt!

Lamm Sottes, unschuldig
Am Stamm des Kreuzes geschlachtet!
Allzeit erfunden geduldig,
Wiewohl Du wardst verachtet.

All' Sünd' hast Du getragen;
Sonst müssten wir verzagen.
Erbarm' dich unser, o JEsu, o JEsu!

Amen.

Lukasevangelium

Seine Eltern gingen alle Jahre gen Jerusalem auf das Osterfest.
(Luk. 2, 41.)

Einmal kommt der Tag, da werden wir beides, das arme irdische Nazareth der Arbeit im Schweiße des Angesichtes und das schöne, aber doch irdische Jerusalem vorübergehender Gnadenstunden, verlassen auf Nimmerwiedersehen und ziehen nach dem hochgebauten Jerusalem, wo ewige Ruhe ist und doch alle Seine Heiligen dienen werden in Seinem Tempel Tag und Nacht!

Jerusalem, du hochgebaute Stadt,
Wollt' Gott, ich wär' in dir!
Mein sehnend Herz so groß Verlangen hat,
Und ist nicht mehr bei mir.
Weit über Tal und Hügel,
Weit über blaches1) Feld
Schwingt es hinauf die Flügel
und eilt aus dieser Welt.

O schöner Tag, und noch viel schön're Stund',
Wann wirst du kommen schier,
Da ich mit Lust, mit freiem Freudenmund
Die Seele geb' von mir
In Gottes treue Hände,
Zum auserwählten Pfand,
Dass sie mit Heil anlände
In jenem Vaterland?

Amen.

Und er sprach zu ihnen: Was ist es, dass ihr Mich gesucht habt? Wisst ihr nicht, dass Ich sein muss in dem, das Meines Vaters ist?
(Luk. 2,49.)

Graues Haar bedeckt vielleicht euer Haupt; weit liegt die Konfirmationszeit hinter euch, ihr seid unterdes Jünglinge, Männer, Greise geworden und noch ist die Frage nach dem ewigen Beruf nie ernstlich getan, nie klar beantwortet. Ich sage euch aber in Gottes Namen, ehe diese Gnadenzeit zu Ende ist, einmal muss diese Frage getan und beantwortet werden, sonst gibt's kein Seligwerden. Je älter ihr seid, desto schwieriger wird's, und doch desto notwendiger. Es muss dazu kommen, dass ihr endlich einmal aufwacht aus dem Taumel des irdischen Lebens, dass es endlich einmal bei euch heißt: „Muss ich nicht sein in dem, was meines Vaters ist?“ Muss ich nicht selig werden? Solch heiliges „Muss“ muss noch einmal Herr werden in euch über jedes andere „Muss“ im Leben, im Verkehr, im Geschäft, in Urteil und Anschauung. Selig ist's schon, den Heiland suchen, um jeden Preis, es koste, was es wolle, und alles andere dagegen zurücksetzen. Viel seliger ist's aber noch, den HErrn finden und nun wissen: „ich muss nicht nur ein Kind Gottes werden, sondern ich bins aus Gnaden und muss darum einst ins Himmelreich kommen, weil mir's der Heiland erworben hat.“ Das gibt selige Jerusalemsstunden. Amen. (Th. Wunderling.)

Jesus, Du Sohn Davids, erbarme Dich meiner!„ - „Was willst du dass Ich dir tun soll? HErr, dass ich sehend werde“
(Luk. 18, 38, 41.)

Soll das Herz heil, gesund und fröhlich werden, so müssen wir erst gesunde Glaubensaugen haben. Nun denn, ihr Augenkranken! JEsus von Nazareth geht vorüber. Er wird in dieser Passionszeit euch auf Stunden nahe kommen und dann wieder weiter gehen. Solltet ihr Ihn vorüber gehen lassen? Solltet ihr nicht auf dem Platz sein, achthaben und, sobald Er nahe kommt, euer Herz reden lassen und Ihm entgegenrufen: „Jesu, Du Sohn Davids, erbarme Dich mein!“ Ist Er dann bei euch, so haltet Ihn und lasst ihn nicht, bis Er auch euch Hilfe erzeigen will. Und wenn Er euch fragen wird: „Was ist es, dass Ich dir tun soll?“, so könnt ihr ja um die Antwort nicht verlegen sein: HErr, dass ich sehen möge, sehen die helle Sonne des Kreuzesevangeliums: Wir sind mit Gott versöhnt, durch den Tod Seines Sohnes, - sehen meinen Namen in Seinen Händen geschrieben, sehen mich selbst, als in Christo, als gerecht und heilig!

JEsu! gib gesunde Augen,
Die was taugen;
Rühre meine Augen an!

Denn das ist die größte Plage,
Wenn am Tage
Man das Licht nicht sehen kann!

Amen.

Und es kam, dass er mit dem Tode rang und betete heftiger; es ward aber Sein Schweiß wie Blutstropfen, die fielen auf die Erde.
(Luk. 22, 44.)

Der Heiland weiß, was Angst ist, wie kein anderer, Er kann Mitleiden haben mit uns Schwachen, die von so mancher Angst gepeinigt werden. Darum aber hat Er Angst gelitten, dass Er uns aus der Angst reißen könnte! Ja, aus aller Angst; zuerst aber aus der Angst vor Gottes Zorn und Fluch über die Sünde, vor Gottes Gericht zum ewigen Tod. Kommt diese Angst recht über uns, so ist das zwar wohl der größte Segen, denn es sind die Wehen der Neugeburt; aber es ist eine Angst, in der's kein Mensch aushalten könnte, wenn uns nicht durchs Evangelium der Trost entgegengetragen würde: Er hat deine Sünde und Fluch und Strafe getragen und die Angst davor auch: das kannst du in Gethsemane sehen; so lass du nun deine Angst fahren und sei getrost, deine Sünde ist versöhnt!

Du großer Schmerzensmann,
Bis auf den Tod geschlagen,
HErr JEsu, Dir sei Dank
Für alle Deine Plagen;
Für Deine Seelenangst,
Für Deine Band' und Not,
Für Deine Geißelung,
Für Deinen bitteren Tod!

Amen.

Johannesevangelium

Sucht ihr denn Mich, so lasst diese gehen!
(Joh. 18,8)

Wirft uns der Satan unsere Sünde vor, als wäre sie zu groß, als dass die Gnade sie tilgen könnte, wen beleidigt er damit, wen greift er an? Doch niemand mehr, als Jesum, als reiche Seine Gnade nicht einmal für eines Menschen Sünde hin. Das greift Ihm an Seine höchste Ehre, das lässt Er sich nicht gefallen. Ruf Ihn drum nur, wenn der Feind dich höhnt, gleich wird Er zur Stelle sein mit seinem: „Suchst du Mich, wohlan, versuchs mit Mir, aber diesen lass gehen!“ Und wo sonst der Satan, oder unser lüsternes Fleisch, oder die Weltmenschen uns wollen binden, quälen, fällen: sie meinen alle Ihn, unseren Heiland; und wenn wir Den herbeirufen, so weicht Er nicht aus, stellt sich und herrscht sie kräftig an: Diese lass gehen!

Mag der Satan wittern
Und sich sehr erbittern,
Mir steht JEsus bei.
Seine Macht hält mich in Acht,
Ob gleich Sünd' und Hölle schrecken,
JEsus will mich decken!

Seht, welch ein Mensch!
(Joh. 19,5.)

Siehe, welch ein Mensch! Da sitzt Er auf dem Thron Seiner Herrlichkeit und bedarf noch heute Deines Mitleids. Ach, ihn schmerzen tief die Geißelschläge, die du Ihm mit deinen Fleischeslüsten gibst, ihm drücken so wund aufs Haupt die Dornenspitzen deiner hohen Gedanken und Ehrgeizgelüste! Seht, welch ein Mensch! um unserer Sünde willen ward er so verwundet; Er büßte unsere schändliche Lust, unseren hohen Sinn. Seht, Er kann diese unsere Sündenschuld vergeben, seht, Er kann uns Kraft geben, dass wir durch Seines Leidens Kraft rein und keusch und demütig werden, wie Er war in dieser Welt. Seht, welch ein Mensch! Du edles Angesichte,
Davor sonst schrickt und scheut
Das große Weltgewichte,
Wie bist Du so bespeit!
Wie bist Du so erbleichet?
Wer hat Dein Augenlicht,
Dem sonst kein Licht nicht gleichet,
So schändlich zugericht't?

Amen.

Philipperbrief

Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn.
(Phil. 1,21.)

Er hat auch dabei Seinen Plan, euch einen Gewinn zu bereiten, den großen und köstlichen Gewinn, dass ihr für euch sagen lernt: „Sterben ist auch mein Gewinn,“ und zuvor: „Christus ist mein Leben!“ Ja, vielleicht will Er euch auch den köstlichen Gewinn bereiten, worauf es bei Paulus hier im Zusammenhang eigentlich hinausläuft, dass ihr beim Gedanken ans Sterben oder längere Leben nicht mehr bloß an euch selber denkt, sondern an den HErrn und Seine Sache, und nur begehrt, dass das geschehe, was für Ihn Gewinn ist, auf dass, ihr sterbt oder lebt, Christus nur alle Zeit an eurem Leib gepriesen werde. Denn, „lebt ihr, so lebt ihr dem HErrn, sterbt ihr, so sterbt ihr dem HErrn, darum ihr lebt oder sterbt, so seid ihr des HErrn.“ Und zum Schluss wollen wir uns noch eine Frage vorlegen, die sehr einfache, naheliegende Frage: wenn nun heute der Tod käme, und wir heute sterben müssten, wird's dann für uns ein Gewinn, oder ein furchtbarer, letzter Verlust sein? Und wenn wir auf diese Frage heute keine befriedigende Antwort uns geben können, so wollen wir uns nicht Zeit lassen, sondern wollen um Gottes willen, weil die Zeit eilt und das Ende vielleicht nahe ist, auch eilen und nicht ruhig werden, bis dass wir eine solche Antwort haben auf die Frage, dass wir sagen können: „So komm mein End' heut oder morgen, Ich weiß, dass mir's mit JEsu glückt!“ (Th. Wunderling.)

Christus, Der ist mein Leben
Und Sterben mein Gewinn;
Ihm hab' ich mich ergeben,
Mit Fried' fahr' ich dahin.
Mit Freud' fahr' ich von hinnen
Zu Christ, dem Bruder mein,
Dass ich Ihn mög' gewinnen
Und ewig bei Ihm sein!

Amen.

1. Petrusbrief

So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, dass Er euch erhöhe zu Seiner Zeit!
(1 Petri 5,6.)

Getrost, die kleine Zeit, die wir leiden sollen, ist abgemessen. Und was wir leiden sollen, samt jedes Leidens Zweck und Ziel, ist auch abgemessen. Die Schmerzen sollen nicht umsonst sein; Er will uns dadurch vorbereiten zu der Herrlichkeit, die uns zugedacht ist, indem Er uns stärkt im Kampf und mit immer neuem Mut kräftigt. Das alles aber geschieht damit, dass Er uns immer tiefer eingründet in die Gnade, die allenthalben und auf allerlei Weise gegeben wird dem Demütigen!

Dass Du mich erniedrigt hast,
Will ich Dir, Du Höchster, danken.
Unser Herz verliert sich fast
Und vergisst die engen Schranken;\ Aber Du machst alles klein,
Was verlanget groß zu sein.

Du hast Recht, wir haben Schuld;
Du bist heilig, wir sind Sünder;
Du beweisest Vaterhuld,
Züchtigst aber auch die Kinder,
Machst die stolzen Herzen bloß,
Und die demutsvollen groß.

Drücktest Du nicht unsern Sinn
Mit dem Kreuz fein in die Tiefe,
O, wo flögen wir noch hin?
Und wer ist, der zu Dir riefe?
Aber im Erniedrigtsein
Lernt man aus der Tiefe schrei'n.

Amen.

1)
flach
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