Unbekannt - Über den Abfall und die Wiederaufnahme der Begnadigten

Unbekannt - Über den Abfall und die Wiederaufnahme der Begnadigten

Nach Heb. 6,4-8 und 10,26-31

(Von Br. J.J. in E.) (1)

Der Hebräerbrief ist an Hebräer, d.h. an Christen aus den Juden geschrieben, und zwar an Judenchristen, welche in Jerusalem und in der Nähe Jerusalems wohnten. Die Judenchristen in Jerusalem wurden nun von dem ungläubigen Teil der Judenschaft sehr gehaßt und zum Teil verfolgt. Stephanus wurde gesteinigt (Apg. 7,58); die Apostel legte man in das Gefängnis (Apg. 5,18); in Heb. 10,32-34 ist es deutlich ausgesprochen, daß die Judenchristen viel zu leiden hatten. - Nun muß man sich die apostolischen Gemeinden, auch die Gemeinde in Jerusalem, nicht so vorstellen, als ob jedes Gemeindeglied in Wahrheit und Wirklichkeit aus Gott geboren gewesen wäre. Es wurden freilich nur Gläubige aufgenommen, und wer den Glauben verleugnete, wurde ausgeschlossen. Aber unter ihnen konnte es doch noch verborgene Heuchler geben. Daher in den apostolischen Gemeinden Abfälle und Rückfälle vorkommen konnten und vorgekommen sind, so zum Beispiel hören wir von einem Hymenäus, einem Alexander, Demas, und in Apg. 20,30 sagt es der Apostel, daß solches alles vorkommen werde. Auch Johannes spricht (1. Joh. 2.19) von solchen, die von der Gemeinde ausgegangen sind, und ebenso Petrus in 2.Pet. 2,20-22 von solchen, die entflohen sind dem Unflat der Welt und wiederum in denselben verflochten werden. - Die Frage ist nun die, ob alle die Genannten, die rückfällig geworden waren, und alle die, von denen unsere Stellen handeln, als wirklich wiedergeborene Kinder Gottes zu betrachten seien. In allen Zeiten kommt es vor, daß Leute unserer Meinung nach zum Glauben kommen, bekehrt werden, Frieden gefunden zu haben scheinen, in der Gemeinde für Kinder Gottes gehalten werden, die aber dennoch später, besonders vielleicht in Zeiten der Verfolgungen und Versuchungen, von der Wahrheit abfallen und vielleicht größere Feinde der Wahrheit werden als sie vorher gewesen sind. Den Judas Ischarioth haben die Jünger, solange er nicht als ein Verräter offenbar war, noch nicht gekannt, sie haben ihn sicher für einen echten Jünger Christi gehalten; und doch erwies er sich nachher als unecht. Ist Judas je in Wahrheit ein Kind Gottes gewesen? Sind diejenigen, die Johannes in seinem ersten Brief meint, von denen er schreibt, daß sie in der Gemeinde, aber nicht von den Gläubigen gewesen seien, jemals wahre Christen gewesen? Nein! - Und so gab es auch in der jüdischen Christengemeinde zu Jerusalem solche, die in den Verfolgungen schwankend wurden, und selbst die echten Kinder Gottes hatten einen schweren Stand und bedurften des Trostes und der Mahnung, am Glauben fest zu halten, darum ihnen ja auch im 11. Kapitel die ganze Reihe der Glaubenszeugen aus dem alten Bunde vorgehalten wird. Darum auch die Mahnung in Kap. 12,1: „Lasset uns laufen durch Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist!“ Gewiß können auch wahre Kinder Gottes mutlos werden, können bis zu einem gewissen Grade der Trostlosigkeit und Verzweiflung anheimfallen und können damit versucht werden, wieder in die Welt zurückzufallen, wer aber in Wahrheit wiedergeboren und Gottes Kind ist, wird immer wieder zurecht kommen. Gott läßt es nicht zu, daß eines seiner Kinder verloren gehe. Viele von den gläubigen Juden in Jerusalem wurden durch die Verfolgungen in Jerusalem müde und matt und standen in der Versuchung, die Hoffnung fahren zu lassen. Man muß sich ihre Lage und ihren Stand vergegenwärtigen. Sie, die gläubigen Juden, waren keine Heiden gewesen, sondern der großen Mehrzahl nach fromme Juden; sie hatten Gottes Wort, das Alte Testament und die Verheißungen. Sie kamen durch die Predigt des Evangeliums zum Glauben an Jesum, sie schmeckten die Süßigkeit des Evangeliums, waren freudig im Glauben an Jesum, erduldeten in der ersten Zeit auch mit Freuden die Verfolgungen (10,32). Aber sie hatten nicht geahnt, als sie bekehrt wurden, daß Jesu Jünger hienieden auch seine Kreuzträger sind, sie hatten anfänglich auch noch manche falsche Hoffnungen und Erwartungen von der Wiederkunft Christi und glaubten, der Herr werde sie bald von ihrer Trübsal erlösen; dazu kam, daß auch bald Irrlehrer in der Gemeinde wühlten und sie von Christo abzubringen suchten, indem sie darauf hinwiesen, daß Jesus von Nazareth nicht der rechte Messias sein könne, sonst könne er sie nicht so lange in der Trübsal lassen usw.

Deshalb weist auch der Schreiber des Hebräerbriefes in den ersten 10 Kapiteln des Briefes nach, daß Jesus der rechte Messias sei und der wahre Hohepriester, daß die Opfer und Priester des Alten Testamentes nur Schatten und Vorbilder wären, die Erfüllung aber von allem Jesus. Jesus ist, so ist der Hauptgedanke des Hebräerbriefes, der wahre Messias, und in ihm hat Gott die höchste Offenbarung gegeben. Darum beginnt der Brief: „Gott hat am letzten in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn.“ In Kapitel 1 wird dann nachgewiesen, daß Jesus höher ist als die Engel, denn es gab in den Aposteltagen Leute, die Jesum für einen Engel oder engelgleich im Rang hielten.

Christus steht auch höher als Moses (3,1-6), so viel die Juden immer von Moses halten mochten. Wie sich an jenes die Mahnung anschloß, des Wortes von Christo um so mehr zu achten, als es eben mehr sei als das durch die Engel gegebene Wort, so an dieses die Mahnung: „Heute, so ihr seine Stimme höret, verstocket eure Herzen nicht!“ Und Vers 12: „Sehet zu, liebe Brüder, daß nicht jemand ein arges, ungläubiges Herz habe, das da abtrete von dem lebendigen Gott, sondern ermahnt euch selbst alle Tage, so lange es heute heißt“; und Vers 14: „Denn wir sind Christi teilhaftig geworden, so wir anders das angefangene Wesen bis an das Ende fest behalten.“ (Aus diesem Worte würde hervorgehoben, daß der Christi teilhaftig geworden ist, der das angefangene Wesen bis an das Ende festbehält; der es nicht festhält, ist Christi niemals teilhaftig geworden.) Darum auch weiter die Mahnung: „So lasset uns nun fürchten, daß wir die Verheißung, einzukommen zu seiner Ruhe, nicht versäumen, und unser keiner dahintenbliebe.“

Gottes Kinder können mutlos, träge und lau werden, besonders wenn sie durch Irrlehrer verleitet sind, sie können durch verderbliche Lehren mitunter dahin gebracht werden, daß sie mit solchen Gedanken geplagt werden: Ist wohl alles, was Gott gesagt hat, wahr? Ist Jesus wohl Gottes Sohn? In solchen Zeiten müssen Gottes Kinder belehrt und ermahnt werden, doch ja an Jesum festzuhalten und sich nicht irre machen zu lassen. Darum der Schreiber des Hebräerbriefes einerseits nachweist, daß Jesus der wahre Messias und seine Versöhnung die wahre Versöhnung ist, und daß wir außer ihm keine Versöhnung bei Gott haben, und andererseits stark ermahnt, doch ja im Glauben an Jesus festzuhalten, damit es den Lesern nicht gehe wie einst dem Volke Israel, das in der Wüste auch Gottes Wort hatte, wenn auch nicht so deutlich, und doch umkam. So ist alles zur Lehre und zur Mahnung geschrieben.

Und nachdem der Verfasser in Kapitel 5 von dem Hohepriestertum Christi geredet, daß Jesus, der Hohepriester, mehr sei als Aaron, geht er in Kapitel 6 über zu einer sehr ernsten Vermahnung. Diese lautet, die Leser möchten bedenken, daß es unmöglich ist, die, so einmal erleuchtet sind und geschmeckt haben die himmlische Gabe und teilhaftig geworden sind des Heiligen Geistes und geschmeckt haben das gütige Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt, wo sie abfallen, wiederum zur Buße zu erneuern, als die ihnen selbst den Sohn Gottes kreuzigen und für Spott halten. - Es ist dabei wohl zu beachten, daß der Apostel einen angenommenen Fall hinstellt; er sagt: „Wenn sie abfallen würden …“ Und Vers 9 sagt er dann: „Wir versehen uns aber eines besseren zu euch, obwohl wir also reden.“ Es soll aber seine Mahnung zur ernsten Warnung dienen, doch ja am Glauben an Jesum festzuhalten. Wenn aber der Schreiber auch nur einen angenommenen Fall hinstellt, der bei den Hebräern damals noch nicht eingetreten war, so muß doch gesagt werden, daß solch ein Fall möglich war, daß es eintreten konnte, denn sonst hätte die Warnung keinerlei Kraft gehabt, und sicher ist, daß der Heilige Geist es nicht so macht, daß er mit Drohungen schreckt, die gar nicht möglich auszuführen sind, wie das wohl unweise Eltern mit ihren Kindern tun. Wir kommen somit zu der Hauptfrage, die uns besonders bewegt.

Die Stelle Kap. 6 lautet genauer übersetzt: „Denn es ist unmöglich, die, welche einmal erleuchtet waren, geschmeckt haben die himmlische Gabe und teilhaftig worden sind des Heiligen Geistes und geschmeckt haben das herrliche Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt und abgefallen sind, wiederum zur Buße zu erneuern, da sie (als die) den Sohn sich wiederum selbst kreuzigen und zum Spott ausstellen; denn die Erde, die den oftmals auf sie fallenden Regen trinkt und nützliches Kraut hervorbringt, … empfängt Segen von Gott, diejenige aber, welche Dornen und Disteln trägt, ist untauglich und dem Fluche nahe; ihr Ende ist das Verbrennen.“

Zunächst eine Erklärung dieser Textworte. - Der Hauptgedanke ist: Es ist unmöglich, die Abgefallenen wiederum zur Buße zu erneuern. Das Wörtlein „denn“ will etwas begründen. Es begründet, was der Apostel im Vorhergehenden gesagt hat, nämlich daß er nicht abermal Grund legen will mit der Buße von den toten Werken usw., sondern daß er zu dem Vollkommenen sich wenden will. Die hebräischen Christen waren in der Buße von den toten Werken, in dem Glauben an Gott, in der Lehre von der Taufe, der Handauflegung, der Auferstehung der Toten und dem ewigen Gericht genugsam unterwiesen. Die ersten Anfangsgründe der Offenbarungen Gottes hatten sie kennen gelernt. Der Zeit nach hätten sie schon Meister, Lehrer sein können. Aber sie waren in der Erkenntnis und damit in dem geistlichen Wachstum sehr zurückgeblieben. Sie, die schon längst hätten Lehrer sein sollen, bedurften noch Milch statt der starken Speise, siehe Kap. 5,11-14. Aber obschon die hebräischen Christen zurückgeblieben waren, will er doch zu den vollkommenen Lehrstücken, d.h. zu den Lehrstücken für die Vollkommenen (oder um zu der Vollkommenheit zu gelangen) fortfahren. Denn gesetzt dem Fall, daß unter den hebräischen Christen schon welche abgefallen oder rückfällig geworden waren, so wäre es doch unmöglich, sie wiederum zur Buße zu erneuern. Will der Schreiber des Hebräerbriefes nicht fortfahren, die Anfangsgründe zu lehren, sondern zur Vollkommenheit übergehen, ohne damit die Anfänger ganz liegen zu lassen, so spricht er damit die Überzeugung aus, daß es auch in solchen Gemeinden, die nur ein geringes geistliches Leben und nur eine schwache Erkenntnis haben, nicht förderlich sein kann, nur Lehrstücke für die Unvollkommenen vorzutragen; die bereits Abgefallenen werden damit nicht zur Buße erneuert und die Schwachen in der Erkenntnis kommen damit auch nicht weiter.

Das Wörtlein „denn“ begründet also, daß der Verfasser zu den Lehrstücken zur Vollkommenheit fortfahren will. Die Lehrstücke zur Vollkommenheit sind die Lehrstücke von dem ewigen Hohepriestertum und dem vollgültigen Opfer Christi. Wie es im Alten Testament einen Vorhof und ein Heiliges und ein Allerheiligstes gab, und das Heiligtum nur für die Priester war, so sind die Anfangsgründe der Buße von den toten Werken usw. gleichsam der Vorhof zum Heiligtum; aber im Heiligtum, da ist Gott, da ist das Blut, da ist das Räucherwerk, da ist man vollkommen versöhnt, geheiligt und für immerdar in Christo vollkommen gemacht (K. 10, 14). Das alttestamentliche Priestertum, Blut und Opfer konnte nicht vollkommen machen; aber in Christo ist die Vollkommenheit und das Vollkommenmachen, und zwar so sehr, daß unsererseits nichts mehr zu tun übrig bleibt. Und wer in der Erkenntnis Jesu und persönlich in der Gemeinschaft mit Jesu und durch Jesum mit Gott soweit vorgeschritten ist, daß er aus dem Vorhof in das Heiligtum Gottes und Christi eingegangen ist, der gehört auch zu den Vollkommenen. Nicht das levitische Priestertum (K. 7,11) konnte vollkommen machen, denn es konnte nicht in Wirklichkeit Sünde vergeben und kein neues Herz geben, wie sehr es das Gesetz auch lehrte; aber Jesus, der wahre Hohepriester, kann vollkommen selig machen, die durch ihn zu Gott kommen, da er immerdar lebet und für sie bittet (Heb. 7,25).

„Denn es ist unmöglich, die Abgefallenen wiederum zur Buße zu erneuern“. Einige erklären, es sei unmöglich für Menschen, durch Lehre, Vermahnung die Abgefallenen wiederum zu erneuern; aber es sei nicht unmöglich für Gott. Menschen, Prediger, selbst Apostel vermöchten es nicht; aber Gott, dem kein Ding unmöglich sei, könne sie wohl erneuern. Dieser Erklärung kann ich nicht beistimmen. Das Wort „unmöglich“ ist schlechthin bedingungslos zu nehmen. Das bleibt ja wahr, daß Menschen überhaupt niemanden bekehren können, und Prediger und Apostel sind nur Werkzeuge in Gottes Hand. - Auch der Zusammenhang verbietet jene Erklärung. Denn Vers 7 und 8 sind Gleichnisworte, um uns deutlich zu machen, daß solche Abgefallene, die den Sohn Gottes wiederum kreuzigen und zum Spott hinstellen, „unmöglich“ können wiederum erneuert werden. (Wir sprechen hier nicht über Gottes Allmacht, sondern nur darüber, was hier als Gottes Wille geschrieben steht.). Die Worte in Vers 7 und 8 machen es uns deutlich: Denn die Erde, welche oftmals den auf sie fallenden Regen trinkt und nützliches Kraut hervorbringt für die, um deretwillen sie auch bebaut wird, empfängt Segen von Gott; diejenige aber, welche Dornen und Disteln hervorbringt, ist untauglich und dem Fluche nahe; ihre Ernte ist die Verbrennung. Die Leute, will der Verfasser sagen, die erleuchtet worden sind, geschmeckt haben die himmlische Gabe usw. und dann abfallen (so abfallen, daß sie den Sohn Gottes kreuzigen und verspotten, nachdem sie ihn einmal gut erkannt hatten als Sohn Gottes), gleichen einem Acker, der wohl alle Segnungen des Himmels genossen, immerdar genug Regen gehabt hat, an dem auch alles sonstige getan ist und der doch nicht Frucht bringt. Mit einem solchen Acker handelt man schließlich wie mit dem Feigenbaum, um den genug gegraben und gedüngt war, aber der doch nicht Frucht brachte; mit einem solchen Acker handelt man wie mit dem Salze, das dumm geworden und zu nichts nütze ist; ein solcher Acker wird ganz und gar dem Fluche, der Verwüstung und dem Feuer preisgegeben. Mag man nun übersetzen V. 8: Diejenige Erde aber, welche Dornen und Disteln hervorbringt, ist untauglich und dem Fluche nahe, ihr (der Erde) Ende ist die Verbrennung; oder die letzten Worte so übersetzen: des Fluches Ende ist die Verbrennung, so bleibt in beiden Fällen der Gedanke: das Ende eines solchen unfruchtbaren Ackers ist der Fluch und die Verbrennung. Es gibt solche Äcker, die weiter zu nichts mehr nütze sind, als zu Schutt und zum Verbrennen, wie die Städte Sodom und Gomorra. Um Vers 8 abzuschwächen, hat man ihn auch wohl so erklärt: Er, dieser Acker, ist dem Fluche nahe, sein Ende ist die Verbrennung, aber nicht um ihn preiszugeben, sondern um einen solchen Acker durch Verbrennung wieder fruchtbar zu machen. Man fühlt, ein solcher Gedanke ist mehr oder weniger absichtlich in diesen Vers hineingelegt und nicht herausgeholt; man erklärt so, um damit zu beweisen, daß Gott solche Abgefallene noch wohl zur Buße erneuern könne. Ich muß diese Erklärung abweisen, einfach darum, weil sie keine Erklärung und keine Auslegung ist. Der Gedanke des Briefes an dieser Stelle ist einfach der: daß es unmöglich ist, die, welche einmal erleuchtet worden sind usw. und abgefallen sind, wiederum zur Buße zu erneuern, solche Leute sind nach dem Willen Gottes dem Fluch und dem Tode preisgegeben, wie die Erde, die trotz allem Regen des Himmels fortdauernd unfruchtbar bleibt und dem Verbrennen anheimgegeben wird.

Aber wer sind die Abgefallenen, die der Verfasser sich denkt? Sind es wahre Kinder Gottes? Sind es solche, die die Wiedergeburt erfahren hatten? Solche, die bei Gott als Kinder erkannt und angenommen waren? Deren Name in dem Buche des Lebens stand? Die den Geist der Kindschaft hatten? Auf alle diese Fragen müssen wir mit „Nein“ antworten! Es ist wohl zu beachten, daß der Verfasser wohl viele Benennungen gebraucht, um diese Leute zu kennzeichnen. Benennungen, die auch auf wahre Kinder Gottes passen, daß aber unter diesen Benennungen keine ist, womit das wahre Wesen der Gotteskindschaft bezeichnet wird. Hätte der Verfasser an wahre Kinder Gottes gedacht, dann müßte man sich wundern, warum er erst viele Benennungen der Abgefallenen angibt, und warum unter den vielen nicht ein einziges genannt wird, das allein den wahren Kindern Gottes, den Wiedergeborenen zukommt; ja, hätte der Schreiber wahre Kinder Gottes im Auge gehabt, dann hätte er sich kürzer fassen, er hätte solche Wörter gebrauchen können, die der Hebräerbrief auch sonst gebraucht für Kinder Gottes. In Kap. 2,10.13.14 und 12,5.7 gebraucht der Brief das Wort „Kinder“, Kap. 2,12.17 „Brüder“, Kap. 3,1 „Heilige Brüder, die ihr mit berufen seid durch den himmlischen Beruf“, Kap. 4,9 „Volk Gottes“, Kap. 6,17 „Erben der Verheißung“; kurz, es ist kein Ausdruck gebraucht, womit gesagt wäre, daß sie gerechtfertigte, heilige, wiedergeborene Kinder Gottes seien, oder daß sie den Geist der Kindschaft empfangen hätten; bei allen diesen letztgenannten Benennungen wäre es deutlich, daß der Verfasser sich wenigstens wahre Kinder Gottes vorgestellt hatte. Aber gerade daß er keinen von diesen Namen gebraucht, sondern nur allgemeine Benennungen, zeigt, daß hier nicht an wahre Kinder Gottes, nicht an solche gedacht ist, deren Namen in dem Himmel angeschrieben stehen. (2)

Was für Leute sind es denn, die sich der Verfasser als abgefallen denkt?

  • Es sind zunächst solche, die erleuchtet worden sind. Sie haben ihre Sünde, sie haben auch das Unvollkommene und Verkehrte des Judentums erkannt; die Decke Mosis, das Gesetz, welches Jesum verbarg, war ihnen genommen; sie hatten Jesum als Sohn Gottes und als Messias erkannt; also es waren von der Wahrheit des Evangeliums überzeugte Seelen.
  • Sie hatten ferner geschmeckt die himmlische Gabe. Ist bei dem Ausdruck „himmlische Gabe“ an besondere Gaben des Heiligen Geistes, Zungenreden, Sprachenauslegen, Wundertun und dergleichen gedacht? Oder an die himmlische Gabe, die Jesus selber ist? Obwohl ich eher annehmen möchte, daß ersteres darunter verstanden ist, will ich doch zugeben, daß unter der himmlischen Gabe auch Jesus selber verstanden werden kann, weil er sich selbst Joh. 4,10 die Gabe Gottes nennt. Aber dann bleibt es doch stehen, daß es im Text nicht heißt, daß sie die himmlische Gabe in sich aufgenommen und in sich wohnen haben, sondern daß sie die himmlische Gabe nur geschmeckt haben. Sie nippten nur an der Süßigkeit Christi. Gleich den Kriegern Gideons fingen sie einige Tropfen aus dem Strome Gottes mit ihren Händen auf und eilten weiter. Es ist nur ein Schmecken (3), aber keine Vereinigung mit Jesu; Schmecken und kosten ist noch kein Essen, kein fortdauerndes Essen, kein Essen mit Lust und Liebe, zum Lebensunterhalt, so, daß man ohne Jesum nicht mehr leben kann.
  • Sie waren teilhaftig geworden des Heiligen Geistes. Hier kann der Heilige Geist nur gemeint sein in dem Sinne, wie er öfter bei der Taufe und auch sonst auf Personen herabkam und ihnen Gaben verlieh (4). Es ist nicht der Geist der Kindschaft gemeint, der in ihren Herzen das Abba schrie, nicht der Geist der Versiegelung, womit nach Eph. 1,13.14 Kinder Gottes versiegelt werden zu ihrer Erlösung. Es ist hier mehr eine solche Mitteilung des Heiligen Geistes gedacht, wie wir sie Apg. 8 sehen. Als die Apostel den Samaritern die Hände auflegten, empfingen sie den Heiligen Geist; dieser Empfang des Heiligen Geistes war noch nicht für jeden ein Geist der Versiegelung und der Kindschaft, er war vielmehr nur der Geist der verschiedenen Geistesgaben. Aber die verschiedenen Geistesgaben sind noch nicht seligmachend. Geistlich gesinnet sein, vom Heiligen Geist getrieben werden, den Geist der Kindschaft in sich zu haben, das sind deutliche Zeichen der Gotteskindschaft, die Gaben aber des Heiligen Geistes empfangen zu haben, das macht allein noch kein Kind Gottes. Daß die Abgefallenen des Heiligen Geistes seien teilhaftig geworden, das soll nur sagen, daß sie unter die gnädigen Einflüsse des heiligen Geistes gekommen waren (5). Er, der Heilige Geist, hatte sie von der Sünde und der Wahrheit des Evangeliums überführt, hatte mit ihnen gestritten, hatte sie gewarnt, sie innerlich gestraft, sie innerlich zu überreden gesucht, sich Jesu ganz hinzugeben, aber daß sie wirklich zur gänzlichen Übergabe an Jesum gekommen, mit Jesu gestorben und begraben wären, davon ist nicht die Rede.
  • Sie, die Abgefallenen, hatten ferner geschmeckt das herrliche Wort Gottes, nämlich die Aussprüche und Verheißungen Gottes. Aber sie hatten sie auch nur geschmeckt. Sie hatten geschmeckt die Kräfte der zukünftigen Welt in den verschiedenen Krankenheilungen und Totenerweckungen, in den Bekehrungen so mancher Sünder, in den geistlichen Kräften, die auch in ihren Herzen sich regeten, daß sie deutlich inne wurden, es seien Kräfte aus jener Welt, Kräfte, die auch die stärksten und widerstrebendsten Herzen in den Staub beugten. Aber obwohl sie das alles erfahren hatten, waren die, an die der Verfasser denkt, nicht wirklich Wiedergeborene, nicht solche, deren Namen in den Himmel angeschrieben sind und die mit dem Heiligen Geist versiegelt sind.

Diese Stelle lehrt also nicht, daß wahre Kinder Gottes hier als abgefallen zu denken sind, sondern es sind nur solche hier als abgefallen gedacht, die abgefallen sind vom Bekenntnis, von der Erkenntnis und der Überzeugung der Wahrheit. Solche Leute können eine Zeitlang mit den Kindern Gottes mitgehen, in die Versammlungen kommen, vielleicht sogar in die Gemeinde der Gläubigen aufgenommen werden; wenn aber die Zeit der Anfechtung kommt, fallen sie ab vom Bekenntnis, der Gemeinschaft und der Gemeinde, sie werden offenbar, daß sie nie Kinder Gottes gewesen sind, daher sie auch nicht als von Jesu Abgefallene zu betrachten sind, denn sie sind nie wahre Kinder Gottes gewesen.

In dem Sinne, daß es Leute gibt, die eine Zeitlang mitgehen können und dann offenbar werden als solche, die nie richtig zu Jesu gestanden haben, gibt es Abgefallene, nie aber in dem Sinne, daß es einen Abfall der Erwählten gäbe, der wahren Kinder Gottes.

Es gibt ein Abfallen vom äußeren Bekenntnis, ein Abfallen von den ersten Regungen und Rührungen der Gnade (6) und des Heiligen Geistes, ein Abfallen, so daß man nicht wieder zurückkehrt zur Wahrheit, sondern wie ein Hund, der Hund war und Hund geblieben ist bei aller Dressur zurückkehrt zu seinen Gespielen und wie ein Schwein zu seinem Schmutz (7).

Es sind hier solche Abgefallenen gemeint, solche verstockte und verhärtete Menschen, die, nachdem sie die Wahrheit durch den Heiligen Geist erkannt hatten, nun mutwillig (10,26) sündigen, mutwillig wider besser Wissen und Gewissen gegen die Wahrheit angehen, so daß sie den Sohn wiederum kreuzigen und für Spott halten. - Es ist hier nicht ein Straucheln und Fallen eines Kindes Gottes gemeint. Vom Straucheln und Fallen steht man wieder auf. Petrus war gefallen, als er seinen Herrn verleugnete, aber nicht abgefallen. Der Abgefallene verleugnet, kreuzigt seinen Herrn nicht aus Schwachheit, sondern aus Haß, aus Verstockung seines Herzens. Ein solcher, der noch Reue hat über seine Sünden, ist nicht abgefallen und nicht verstockt.

Daß solch ein Fall zwar noch nicht eingetreten war bei den Hebräern gibt der Schreiber Vers 9 zu erkennen, wenn er sagt: „Wir versehen uns zwar, meine Lieben, etwas bessrers zu euch, und daß die Seligkeit näher sei, ob wir wohl also reden.“

Aber der Verfasser hat sich solch einen Abfall für die Gegenwart und für die Zukunft als möglich gedacht.

Wie wir gesehen haben, sind diejenigen, die der Verfasser des Briefes sich als Abgefallene denkt, nicht wahre Kinder Gottes oder wiedergeborene Seelen gewesen, sondern nur solche, die die Wahrheit erkannt und geschmeckt haben, die mit dem Heiligen Geist und den Kräften der zukünftigen Welt in enge Berührung gekommen sind; sie sind nicht abgefallen von Christo, als ob sie schon durch wahren Glauben mit ihm vereinigt gewesen wären, sondern sie sind abgefallen von der Wahrheit und den Wirkungen und den inneren Bezeugungen des Heiligen Geistes; sie sind wider besser Wissen und Gewissen wieder in die Welt zurückgegangen, ja ärgere Feinde des Kreuzes Christi geworden als sie zuvor waren, indem sie wiederum den Sohn Gottes kreuzigen und für Spott halten. Sie sind Spötter geworden; und weil sie so abgefallen sind, solche verstockte und verhärtete Sünder geworden sind, so ist es unmöglich, daß sie wiederum zur Buße erneuert werden.

Dieses wider besser Wissen und Gewissen, oder gegen alle äußere und innere Bezeugungen des Heiligen Geistes wiederum Kreuzigen des Sohnes Gottes, ist im Grunde nichts anders, als die Sünde wider den Heiligen Geist, die nicht mehr vergeben werden soll. Diese können nur solche begehen, die eng mit den Wirkungen des Heiligen Geistes in Berührung gekommen sind. So standen die Juden in Gefahr (Mat. 12,31.32 und Luk. 12,10), die Sünde wider den Heiligen Geist zu begehen. Wer beharrlich allen Regungen und Mahnungen des Heiligen Geistes widerstrebt, ja wider besser Wissen und Gewissen fortwährend den Heiligen Geist schmäht, lästert, da ist Verstockung eingetreten, die nicht mehr vergeben werden soll. Die Verstockung, Verhärtung des Herzens ist einerseits Sünde, weil der Mensch (wie z.B. Pharao) sein Herz gegen Gott und seinen Geist verhärtet, und andererseits ist sie bereits ein Gericht und eine Strafe Gottes über den widerstrebenden Sünder, daher es auch bei Pharao heißt: „Gott verstockte das Herz Pharaos“. Wohl betrüben auch Kinder Gottes den Heiligen Geist, indem sie nicht genug ihm Gehör schenken und etwas tun gegen sein Mahnungen; aber beharrlich und aus Haß gegen seinen Willen angehen, das können Kinder Gottes nicht. Kinder Gottes sündigen aus Schwachheit, bisweilen auch gegen die Mahnungen des Heiligen Geistes, aber beharrlich und ohne Reue können sie nicht sündigen. Wo man aber beharrlich gegen alle Mahnungen und Wirkungen des Heiligen Geistes angehen kann, und ohne Reue, ja aus Haß gegen ihn streitet und den Sohn Gottes und alles Göttliche verspottet, da ist die Sünde wider den Heiligen Geist und da ist Verstockung eingetreten. Das ist die Sünde zum Tode (1.Joh. 5,16), dafür man nicht beten soll.

Zwischen dem Abfall und der Sünde wider den Heiligen Geist oder der Verstockung des Herzens ist nur der Unterschied, daß die Sünde des Abfalls allezeit ein äußerliches Ausgegangensein aus der Welt und ein äußerliches Übergegangensein zum Christentum oder zur sichtbaren Gemeinde voraussetzt; während die Sünde wider den Heiligen Geist auch solche begehen können, die noch nicht äußerlich zum Volke Gottes übergetreten sind. So sündigten viele Juden wider den Heiligen Geist auch ohne, daß sie erst zum Christentum übertraten. Aber dem Wesen nach fällt die Sünde des Abfalls an dieser Stelle mit der Sünde wider den Heiligen Geist zusammen. Darum wird auch 10,26 diese Sünde des Abfalls ein „mutwilliges“ Sündigen genannt. „Denn so wir mutwillig sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, haben wir fürder kein ander Opfer mehr für die Sünden, sondern ein schrecklich Warten des Gerichts und des Feuereifers, der die Widersacher verzehren wird.“

Aber können wahre Kinder Gottes nicht mehr abfallen? Ist Judas, ist Hymenäus usw. nicht abgefallen? Antwort: Wahre Kinder Gottes können fallen, straucheln, aber nicht abfallen und verloren gehen. Judas, Hymenäus und welche der Apostel sonst noch nennt, sind nie wahre Kinder Gottes gewesen. Es verhält sich damit, wie es in 1.Joh. 2,19 heißt: „Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns; denn wo sie von uns gewesen wären, so wären sie ja bei uns geblieben; aber es sollte offenbar werden, daß sie nicht alle von uns sind.“ Mat. 7,22.23: „Es werden viele an jenem Tage zu mir sagen: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in deinem Namen Teufel ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Taten getan? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie erkannt.“ Jesus sagt nicht: „Ich habe eine Zeitlang euch wohl gekannt, aber seitdem ihr aufhörtet in meinem Namen Taten zu tun, von da an nicht mehr“; sondern: „Ich habe euch nie erkannt.“ Solche sind also nie Kinder Gottes gewesen. Und wenn es in 2.Pet. 2,20-22 heißt: „Denn so sie entflohen sind dem Unflat der Welt durch die Erkenntnis des Herrn und Heilandes Jesu Christi, werden aber wiederum in denselben verflochten und überwunden, ist mit ihnen das Letzte ärger worden denn das Erste. Denn es wäre ihnen besser, daß sie den Weg der Gerechtigkeit nicht erkannt hätten, denn daß sie ihn erkennen und sich kehren von dem heiligen Gebot, das ihnen gegeben ist. Es ist ihnen widerfahren das wahre Sprichwort: Der Hund frisset wieder, was er gespien hat; und: Die Sau wälzet sich nach der Schwemme wieder im Kot.“; so will der Apostel damit deutlich genug sagen, daß solche Abgefallene niemals wahre Kinder Gottes gewesen sind; denn wie ein Hund allezeit ein Hund, und eine Sau allezeit eine Sau bleibt, ihre Natur sich nie ändert, so ist es mit den Leuten, die mit einem unwiedergebornen Herzen zum Christentum oder zur äußern Gemeinde sich halten, und hernach dann offenbar werden als solche, die trotz aller äußeren Besserung ein unbekehrtes Herz behalten haben.

Im Gleichnis vom Sämann lehrt Jesus viererlei Acker. Die dem Wege gleichen sind solche, die eine Zeitlang Gottes Wort mit Freuden annehmen und eine Zeitlang Christen scheinen, die aber niemals wiedergeborne erneuerte Herzen gewesen sind. Allein der gute Boden sind bußfertige, gläubige, erneuerte Herzen, die darum auch Frucht bringen. Die dem dornigen und felsigen Boden gleichen, sind solche, die zur Zeit der Anfechtung abfallen; die aber dem guten Boden gleichen sind die, die in Wahrheit und Wirklichkeit neue Kreaturen werden und wiedergeboren sind, und ihre Früchte bringen und beharren.

Man führet für den Abfall wahrer Kinder Gottes an, daß doch geschrieben steht: „Wer beharret bis ans Ende, der wird selig“. „So ihr bleiben werdet in meiner Rede, so seid ihr meine rechten Jünger.“ Gewiß: Wer beharret bis ans Ende, der ist's, der selig wird. An dem Beharren und dem Bleiben bei Jesu erkennt man den rechten Jünger Jesu. Solche Bibelstellen sollen uns, auch den Kindern Gottes, zur Mahnung und zur Selbstprüfung dienen; aber in solchen Aussprüchen liegt noch nicht, daß es einen Abfall der Heiligen gibt. Aber lehrt nicht das Gleichnis vom Schalksknecht (Mat. 18,23-35) einen Abfall auch der Kinder Gottes? Das Gleichnis vom Schalksknecht ist nicht anders zu verstehen als wie der Schluß des Gleichnisses sagt: „Also wir euch mein himmlischer Vater auch tun, so ihr nicht vergebet von eurem Herzen, ein jeglicher seinem Bruder seine Fehler“; und wie es Kap. 6,15: „Wo ihr aber den Menschen ihre Fehler nicht vergebet, so wird euch euer Vater eure Fehler auch nicht vergeben.“ Wenn der Mensch das Evangelium hört und die Vergebung der Sünden sich zueignen wollte, aber ohne ein gebrochenes Herz über seine Sünden zu haben und ohne durch die große Liebe und Gnade Gottes gerührt und selbst gedemütigt zu werden, und ohne dadurch zur Wiederliebe Gottes, und ohne dadurch zur wahren Nächstenliebe, und ohne auch selbst zur Übung von Barmherzigkeit getrieben zu sein; wer bei der Lehre Gottes ihm gegenüber ein hartes unbußfertiges Herz und Haß und Feindschaft in seinem Herzen gegen seinen Nächsten hält, der beweist damit, daß er kein Kind Gottes ist, niemals in Wahrheit zur Buße und zur Wiedergeburt gekommen ist. Warum heißt der Schalksknecht eben Schalksknecht? Weil er kein Kind Gottes ist, sondern nur ein Schalksknecht, sich anders Menschen gegenüber verhält, wie er es vor Gott tut. Ein solcher ist kein Kind Gottes, nie gewesen.

Die Lehre, daß auch wahre Kinder Gottes von Christo, dem sie einverleibt sind, wieder abfallen könnten, ist auch gegen die Lehre von der Bewahrung.

In 1.Pet. 1,5 ist gelehrt, daß Kinder Gottes aus Gottes Macht durch den Glauben bewahret werden zur Seligkeit.

Das griechische Wort, welches an dieser Petristelle mit „bewahret“ übersetzt ist, bedeutet die sichere Verwahrung derer, die sich in einer verschlossenen und gesicherten Festung befinden; das Wort ist aus diesem Gebiete hergenommen. Es wird an den Stellen 2.Kor. 11,32; Gal. 3,23; Phi. 4,7 gebraucht. In jedem dieser Verse haben wir die Vorstellungen einer bewaffneten Macht zu Grunde liegen. Es ist eine bewahrende und bewachende Macht da, die als Wache und Bedeckung dient; eine Macht, die das, was ihrer Obhut anbefohlen ist, wie eine Umfassungs- und Verteidigungsmauer umgibt.

Die Wache, durch welche Kinder Gottes bewahret werden, ist die Kraft und Macht Gottes selbst. Die gnädige Allmacht Gottes umgibt sie. Sie, die Kinder Gottes, werden von allen Eigenschaften Gottes umgeben, getragen und erhalten: sowohl von seiner Liebe, als von seiner Gerechtigkeit, sowohl von seiner Allwissenheit, als auch von seiner Allgegenwart, sowohl von seiner Weisheit als von seiner Wahrheit und seinem Lichte. Hier ist vor allem die Kraft (oder Macht) Gottes genannt, um den sichern Schutz gegen Feinde und Gefahren anzudeuten; Gott ist nicht allein ein sehr großer Lohn, sondern auch unser Schild. „Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn.“ Als die Kinder Israels aus Ägypten zogen, war der Herr ihnen des Nachts zur Feuersäule und des Tages zur Wolkensäule, damit er ihnen in der Finsternis ein Licht und Schutz und ihnen am Tage ein Wegbereiter und Schirm gegen die Sonnenhitze sei; und je nachdem die Gefahr bald von vorne, bald von hinten drohte, war der Herr auch in der Wolke bald hinten, bald vorne. Und noch heute gilt Jes. 52,12: „Ihr sollt nicht mit Eile ausziehen, noch mit Flucht wandeln. Denn der Herr wird vor euch herziehen, und der Gott Israels wird euch sammeln“. (…) (8) „Um Jerusalem her sind Berge, und der Herr ist um sein Volk her von nun an bis in Ewigkeit.“ Jes. 26,1: „Mauer und Wehr sind das Heil unseres Gottes.“, Sach. 2,5: „Ich will eine feurige Mauer umher sein und will mich herrlich drinnen erzeigen.“. Ps. 34,8: „Der Engel des Herrn lagert sich um die her, so ihn fürchten.“ Ps. 27,5: „Er decket mich in seiner Hütte zur bösen Zeit, er verbirgt mich heimlich in seinem Gezelt.“ Ps. 31,21: „Du verbirgst, die dich fürchten, heimlich bei dir vor jedermanns Trotz; du verdeckest sie in der Hütte vor den zänkischen Zungen.“ Jes. 27,3: „Ich, der Herr, behüte ihn Tag und Nacht, daß ihm niemand Übels tue.“ Ps. 91,7: „Ob tausend fallen zu deiner Seite und zehntausend zu deiner Rechten, so wird es doch dich nicht treffen.“

Die Heilige Schrift ist voll dieser köstlichen Verheißungen, daß Gott sein Volk bewahret und es sicher leitet. Die Macht Gottes ist unsere Stärke und in dieser Macht sind wir bewahret. Deshalb sind nicht wir es, die uns selbst bewahren; nein, unsere ganze Seligkeit und Errettung ruht in Gottes Händen. Zu unserem Heil gehört nicht nur Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit, ewiges Leben, das uns aus Gnaden geschenkt ist, sondern es gehört dazu auch die Bewahrung. Daß er uns bewahrt, gehört mit zu unserm Heil. Gäbe es keine bewahrende Gnade Gottes, so stünde die Sache des Volkes Gottes noch trostlos, weil wir zu schwach sind, uns selbst zu bewahren.

Gott bewahrt nicht allein gegen Feinde von außen oder innen, gegen Satan, Welt und Sünde; er erhält, ernährt, stärkt und tröstet auch innerlich sein Volk. Seine Bewahrung ist nicht nur Schutz und Schirm, nicht nur Wache und Wehr, sondern auch Erhaltung, Stärkung, Zubereitung und Vollendung. Kinder Gottes werden nicht allein bewahret, sondern auch „tüchtig“ gemacht zum Erbteil der Heiligen im Licht (Kol. 1,12). Der Apostel Paulus ist Phi. 1,6 „in guter Zuversicht, daß, der das gute Werk angefangen hat, es auch vollführen wird bis an den Tag Jesu Christi.“ Jesus sagt zu Petrus (Luk. 22,32): Ich habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre.„ Jesus sagt ferner Joh. 10,28: „Ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie mir aus meiner Hand reißen.“ Jesus, der treue Hohepriester seines Volkes bewahrt sein Volk also in Gefahren, so daß sie nimmermehr umkommen werden; er hat seine Schafe in seinen starken Allmachtshänden, so daß niemand sie ihm entreißen kann. Und der Vater (V. 29), der sie ihm gegeben hat, ist stärker denn alles; und niemand kann sie aus seines Vaters Hand reißen. Diejenige Erklärung, welche hier sagt, daß wohl kein Fremder, kein Feind mich aus Jesu Hand reißen kann, wohl ich selber, ist keine Erklärung. Ein wahres Kind kann nicht mit Ernst sich aus Gottes Hand reißen wollen, auch Petrus nicht, als er fiel. Doch wahre Kinder Gottes fallen und straucheln auf mancherlei Weise, unbewußt mehr als bewußt; sie sündigen und straucheln aus Schwachheit manchmal. Daß Kinder Gottes in Jesu Hand bleiben, liegt nicht im Wollen, in der Macht und Teuer der Kinder Gottes, sondern einzig und allein in Gottes Liebe, Treue und Macht. Seine Hand ist die starke Hand, die uns bewahrt, trägt und stärkt. Wie die sieben Sterne, die Aufseher der sieben Gemeinden, in Off. 1,20 in Jesu starker Hand gesehen wurden, so sind alle Kinder Gottes und jedes einzelne Kind Gottes besonders in Jesu und des Vaters Hand. Jes. 49,16: „Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet.“ Kinder Gottes sind in die Hand Jesu eingegraben. Jes. 43, 1-2: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöset, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Denn so du durchs Wasser gehest, will ich bei dir sein, daß dich die Ströme nicht sollen ersäufen, und so du ins Feuer gehest, sollst du nicht brennen, und die Flamme dich nicht versengen.“ Jes. 41,10: „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir, weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.“

Kurz, es ist der Herr um uns her, aber auch die Kraft Gottes in uns. Christus und sein Geist wohnen in uns, den Kindern Gottes. Jesus gibt seinen Schafen Leben und volles Genüge; er ist das Brot und Wasser des Lebens; er ist der, der in uns wohnet und regieret, in uns denkt und in uns will. „Ich lebe, aber doch nicht ist, sondern Christus lebet in mir.“

Das Beharren und Bleiben in Jesu ist eine Gabe und Gnade Gottes, eine Gabe, die Christus uns durch sein Leiden und Sterben erworben hat. Christus, der Hohepriester, kann (Heb. 7,25) vollkommen selig machen alle, die durch ihn zu Gott kommen; da er immerdar lebet und für sie bittet. Jesus macht vollkommen selig, indem er sowohl rechtfertigt als heiligt, sowohl Sünden vergibt als auch ein neues Herz schenkt; indem er sowohl uns von außen bewahrt, als auch innerlich stärkt, erhält und tröstet; indem er auch der Zeit nach, also immerdar, bis an unser Ende uns selig macht; und der Grund ist, daß er der wahre und vollkommene Hohepriester ist, der vollkommen selig machen kann und weil er auch immerdar, ewig lebet und für sein Volk bittet. Also, die bewahrende Gnade liegt in Jesu und Gottes Hand.

Doch soll die Lehre von der Bewahrung der Kinder Gottes nicht zur Sicherheit des Fleisches dienen. „Wie wollen wir in der Sünde wollen leben, der wir abgestorben sind.“ Heb. 6,4-8 soll uns zur Selbstprüfung mahnen. 2.Kor. 13,5: „Versuchet euch selbst, ob ihr im Glauben seid; prüfet euch selbst.“ Die Lehre der Bewahrung dient nur zum Troste der Kinder Gottes, wenn sie so recht ihre Ohnmacht fühlen, damit sie allein auf Gott vertrauen und sich seiner Bewahrung überlassen. Aber dieser Glaube an die Bewahrung Gottes, und dieses kindliche Vertrauen und diese Hingabe an Gott hat nichts gemein mit einer fleischlichen Sicherheit, einem Leben in der Sünde, einem Leben auf Kosten der Gnade Gottes. Und darum, weil Kinder Gottes so leicht versucht werden, weltförmig zu werden, sucht derselbe Heilige Geist, der uns bewahrt und tröstet, auch zu mahnen und zu strafen, wenn wir gleichgültig werden.

Die vielen Ermahnungen der Heiligen Schrift sollen zur rechten Zeit und am rechten Ort ihre volle Kraft und ihre scharfen Spitzen behalten, aber sie sind nicht dazu da, um trostlose Kinder Gottes vollends trostlos zu machen und sie niederzuschmettern, sie sind gegen unsern alten Menschen gerichtet, und indirekt auch, um uns gesund im Glauben zu halten. Wie denn auch Leiden und Trübsal in Gottes Gnade Läuterungsfeuer sind, damit alles Unreine wegbrenne und der wahre Glaube geläutert aus dem Feuer hervorgehe, so haben die vielen Ermahnungen an Kinder Gottes den Zweck, den alten Menschen zu strafen und zu töten, die Sünde als Sünde hinzustellen , damit der inwendige Mensch je länger je mehr geläutert werde und sich bewähre als echtes Gold. Wahre Kinder Gottes lassen sich strafen und mahnen; das neue Leben beugt sich unter Gottes Wort und will Gottes Willen klar erkennen und tun; nur das Fleisch will sich nicht beugen vor der Heiligkeit Gottes, und will nicht gestraft und gemahnt sein. Darum lassen wir allen Ermahnungen Gottes ihre volle Spitze behalten.

Aber ebenso sollen wir die Lehre von der vollen Gnade und Bewahrung Gottes nicht antasten. Dadurch, daß man solche Lehre will mit der menschlichen Vernunft in Einklang bringen, bricht man dieser Lehre die Spitze ab. Gottes souveräner Wille und des Menschen Verantwortung bleibt immer für unsern Verstand ein Geheimnis. Dadurch, daß man diese Lehre auf menschliche Weise vereinen will, tut man bald an Gottes souveränem Willen, und bald an des Menschen Verantwortung zu kurz. Der selig wird, wird allein, ja allein aus Gottes Gnaden, sowohl der rechtfertigenden, heiligenden als der bewahrenden Gnade selig; wer verloren geht, ist zwar auch in Gottes Willen, aber die Schuld seines Verlorengehens hat er sich selbst zuzuschreiben, daher auch in der Hölle ein ewiges Sichselbstanklagen ist. Röm. 3,19: „Auf daß aller Mund verstopfet werde und alle Welt Gott schuldig sei.“

Wenn in einer Versammlung der Kinder Gottes der eine Redner mehr die tröstliche Seite der absoluten Gnade Gottes betont, hat ein anderer sich vielleicht mehr an Unbekehrte, oder an Gleichgültige gewendet, oder auch Kinder Gottes mehr in brüderlicher und liebevoller Weise ermahnt hat, dann soll am Schluß ein dritter Bruder nicht noch kommen, und nun beides zu vereinigen suchen. Gewöhnlich ist es, daß beiden die Spitzen abgebrochen werden und man dadurch mehr schadet, mehr abbricht, als aufbaut. Es muß nur beides schriftgemäß vorgetragen werden.

Heb. 13,20.21: „Der Gott aber des Friedens, der von den Toten ausgeführet hat den großen Hirten der Schafe durch das Blut des ewigen Testaments, unsern Herrn Jesum, der mache euch fertig, in allem guten Werk, zu tun seinen Willen, und schaffe in euch, was vor ihm wohlgefällig ist, durch Jesum Christum, welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“

Anmerkungen der Redaktion des Gärtners

1. Anmerkung: Nachstehende Arbeit wurde von einem befreundeten Bruder in Form eines Briefes als Antwort auf eine von Seiten ihm nahestehender Brüder an ihn gerichtete Frage gegeben und uns zur Veröffentlichung angeboten. Wir veröffentlichen sie als Beitrag zur Lösung einer schwierigen Frage gern, behalten uns aber ev. vor, irgend eine Differenz brüderlich auszusprechen.

2. Anm. Manche Brüder werden sich weigern, aus der Tatsache, die der liebe Bruder J. hier zu seiner Beweisführung benutzt, nämlich daß der Briefschreiber die Leute, um deren Abfall es sich handelt, nicht direkt, sondern nur indirekt benennt, allzuweitgehende Schlüsse zu ziehen. Gewiß sind hier lauter Umschreibungen benutzt, um die Abfallenden zu kennzeichnen; es wird sich aber darum handeln, ob die betreffenden Ausdrücke auf Gläubige oder auf Nichtbekehrte zu beziehen sind. Darüber würde denn das Folgende entscheiden.

3. Anm. Diese Auslegung des Wortes „Schmecken“ wird von vielen Brüdern nicht geteilt; auch uns fällt es schwer, sie anzuerkennen. Was soll man dann mit Stellen machen wie 1. Petri 2,3 (Ps. 84,9); Mat. 16,24; Joh. 8,52; Heb. 2,9, wo „Schmecken“ eben doch nichts anderes sein kann als ein gänzliches, wirkliches Erfahren der betreffenden Sachen?

4. Anm. Auch die Auffassung des Ausdrucks „teilhaftig werden des Heiligen Geistes“, wie sie der liebe Bruder J. in dem folgenden als die seinige bekennt, können wir nicht ganz teilen. Wir verstehen die Unterscheidung zwischen einem verschiedenen Empfangen des Heiligen Geistes nicht ganz.

5. Eben das scheint uns bewiesen werden zu müssen, daß der Ausdruck „der Heiligen Geistes teilhaftig werden“ nur so viel bedeutet wie „unter den gnädigen Einfluß des Geistes kommen“.

6. Anm. Die Abfallenden, an die der Hebräerbrief denkt, haben sicher mehr gehabt als erste Regungen und Rührungen der Gnade; das letztere ist eine Abschwächung der Ausdrücke, die der Schreiber oben von ihnen gebrauchte. Sie sind auch nicht nur vom Bekenntnis und der Gemeinde abgefallen.

7. Anm. Wenn man annimmt, daß die Abfallenden, die der Hebräerbrief meint, nur „erste Regungen und Rührungen der Gnade und des Geistes“ gekannt hätten, und daß sie abgefallen sind nur vom Bekenntnis der Erkenntnis und der Gemeinde, so verstehen wir unsrerseits nicht, wie ein derartiger Fall so tief sein könne, daß es kein Aufstehen mehr gibt. Wir befürchten auch, daß viele Seelen, die sich eines derartigen Abfalls von ersten Regungen und vom Bekenntnis usw. Schuld geben müssen, durch eine solche Auffassung in große Not getrieben werden möchten; sie müßten am Ende fürchten, diejenigen zu sein, für die es kein Aufstehen mehr gibt. Und das wäre doch oft sehr schade.

Antwort auf die Anmerkungen durch J.J.

Es war mir die Frage gestellt worden: Ob wahre Kinder Gottes wieder abfallen und verloren gehen könnten? Ob diese Stelle Heb. 6,4-8 diese Frage bejahe?

Die Frage ist nun die: Sind die, die in Vers 4 und 5 der Verfasser beschreibt, und als Abgefallene annimmt, wahre, wirklich wiedergeborene Kinder Gottes? Oder sind es solche, die wohl unter den Gläubigen, also in der Gemeinde waren, und für Kinder Gottes gehalten wurden, die aber doch nicht die Herzenserneuerung und Wiedergeburt erfahren hatten? Und dann meine ich, daß die Beschreibung in Vers 4 und 5 an letztere denken läßt, also an solche, die zwar viel erfahren, viel erkannt hatten, mit Jesu in enge Beziehung gekommen waren; die aber doch nicht Wirklichkeit wiedergeboren waren. Hätte der Apostel sich wahre Kinder Gottes gedacht, würde er auch noch andere, bestimmtere Ausdrücke gebraucht haben. Die Worte, welche der Verfasser gebraucht, sind stark; aber man braucht nicht notwendig an wahre Kinder Gottes dabei zu denken.

Ich habe bei der Erklärung des Wortes „schmecken“ das Wort „nippen“ gebraucht; dieses Wort mag für „kosten“ zu schwach sein, daß aber das Schmecken immer ein gänzliches Erfahren bedeutet, dem kann ich nicht zustimmen. Je nach dem Zusammenhange der Rede und je nach der Sache des Schmeckens ist das Schmecken bald mehr ein gänzliches, und bald mehr ein teilweises und graduell verschiedenes Erfahren.. So kann man den Tod nicht schmecken, ohne auch den Tod ganz zu kosten. Man kann aber wohl eine Speise ganz und teilweise und graduell verschieden kosten. Man kann auch etwas kosten und sich dann davon abwenden. Mat. 27,34: „Da Jesus den Essig schmeckte, wollte er es nicht trinken.“ Doch messe ich dem Schmecken in Heb. 6,4.5 eine große Bedeutung bei; es sagt viel. Und noch weniger will ich das Schmecken in 1.Pet. 2,3 und Ps. 34,9 abgeschwächt haben. Aber auch bei Ps. 34,9 macht Spurgeon in seiner Psalmen-Auslegung eine feine Unterscheidung. Es sagt: “ „Schmecket und sehet!“. Es gibt Dinge, namentlich in den Tiefen des religiösen Lebens, die man nur durch Erfahrung verstehen lernt und die sich auch dann niemals würdig in Worte fassen lassen. Das Schmecken geht dem Sehen voraus, aber zuweilen fällt beides zusammen, so daß unsere Augen, während und in dem Maße, als wir davon kosten, geöffnet werden.„ Hier spricht Spurgeon auch von einem verschiedenen Grade oder von einem verschiedenen Maße des Kostens. Auch macht er das Sehen abhängig vom Schmecken. Das ist auch der Gedanke des Textes. Und kann's nicht auch geschehen, daß das Schmecken noch nicht immer eine selige und bleibende Frucht hervorbringt? Auch bei wahren Kindern Gottes sollte das Schmecken noch mehr zum Sehen treiben, mehr als es oft der Fall ist. Da sind im geistlichen Leben oft Hindernisse, so daß das Schmecken nicht immer die Frucht hat, die es haben sollte. So kann's auch geschehen, daß jemand geschmecket hat die himmlische Gabe und das herrliche Wort Gottes und daß doch die Frucht weit hinter dem Schmecken zurückbleibt. Wohl kann es dann noch zu einer äußeren Bekehrung, zu einem anfänglich freudigen Annehmen der Wahrheit und des Herrn Jesu kommen; aber im tiefsten Grunde des Herzens, was dann vielfach kein Mensch ahnt, bleibt ein harter Felsenboden bestehen. Das zeigt sich erst, wenn Versuchung und Trübsale kommen. Ist es dann bloß ein Weichwerden, so ist das der Abfall, der hier gemeint ist, noch nicht. Da ist allemal noch Hoffnung auf Erneuerung zur Buße. Aber wo das Herz nach dem Geschmeckthaben in offene Feindschaft umschlägt, wo eine Verstockung, ein Abfall eintritt, der gleich ist mit dem Kreuzigen und Spotthalten des Sohnes Gottes, da hört alles Schmecken auf, ja das Geschmeckthaben dient dann zu größerer Verdammnis und zum Gericht.

Gewiß ist das Geschmeckthaben viel, sehr viel. Aber wie bei selbst wahren Kindern Gottes nicht alles Schmecken zur seligen Frucht treibt, so kann's auch geschehen und geschieht es, daß jemand viel, sehr viel geschmeckt hat, so viel, daß er, wenn's nicht zur nötigen Frucht kommt, sich nicht mehr damit entschuldigen kann, daß noch etwas hätte an ihm geschehen müssen, und daß ein solcher doch trotz alles Schmeckens die innerliche Erneuerung und Heiligung durch den Heiligen Geist und die Einwohnung des Heiligen Geistes nicht als Frucht davonträgt oder herausbringt.

Der Verfasser hat hier Leute im Auge, die so viel gekostet haben, daß, wo sie abfielen, so abfielen, daß sie den Sohn Gottes wiederum kreuzigten und zum Spott hielten, ein nochmaliges Schmecken auch keine selige Frucht mehr bringen würde. Es ist aber das Letzte und Äußerste an solchen geschehen. Es erfüllt sich dann bei ihnen, was wir 2.Pet. 2,12-22 lesen.

Daß die gedachten Abgefallenen in dieser Stelle können des Heiligen Geistes teilhaftig sein und doch vielleicht nicht wiedergeboren sein, verstehe ich so, daß es ein Unterschied ist, ob man den Heiligen Geist innerlich bleibend wohnen hat, so daß er von dem Herzen Besitz ergriffen und darüber die Herrschaft hat, und man den Geist der Kindschaft, den Geist als Pfand des ewigen Lebens und der Versiegelung hat; oder ob man nur insofern des Heiligen Geistes ist teilhaftig geworden, daß man wohl einer Erleuchtung, verschiedener Gaben, Charismatas durch den Heiligen Geist teilhaftig worden ist, und daß der Heilige Geist von außen her durchs Wort und mancherlei Erweisungen, und von innen durchs Gewissen und andere Bezeugungen zu einem spricht, einen mahnt, straft, züchtigt, auch lehrt und hinweist auf Christum; wobei es aber doch zu einer bleibenden, persönlichen Einwohnung des Heiligen Geistes und zu einer inneren Versiegelung nicht kommt. Auch bei den Kindern Israels wohnte der Heilige Geist, redete zu ihnen auf mancherlei Weise, er ließ sich nicht unbezeugt unter und in ihnen. Jes. 63,10-14: „Aber sie erbitterten und entrüsteten seinen Heiligen Geist“ usw. Nun haben die Hebräer, an welche der Brief gerichtet ist, mehr gehabt als Israel hatte; der Heilige Geist hat deutlicher Worte und herrlicher geredet in ihnen und von außen an sie herankommend. Aber ich kann nicht annehmen, daß mit dem Teilhaftigwerden des Heiligen Geistes gemeint ist, was wir Eph. 1,13.14 und Röm. 8,14-16 lesen.

Ich gestehe, daß, wenn ich in meiner Ausführung Seite 334 am Schluß sagte: Es gibt ein Abfallen vom äußeren Bekenntnis, ein Abfallen von den ersten Regungen und Rührungen der Gnade, diese Worte zu schwach sind. Was ich sagen wollte, und will, ist dieses, daß die Abgefallenen hier in dieser Stelle wohl viel empfangen hatten, mehr als augenblickliche Rührungen, und daß das Abfallen nicht nur ist ein Lauwerden oder Kaltwerden, wovon es noch eine Rettung gibt, sondern daß hier Leute gemeint sind, die zwar viel empfangen und erfahren hatten, aber doch trotzdem die Gnade der Wiedergeburt, der gänzlichen Erneuerung und Einwohnung des Heiligen Geistes nicht empfangen hatten, also in Wirklichkeit keine Kinder Gottes waren, wohl unter den Gläubigen waren, auch den Glauben bekannten, und manches, ja viel geschmeckt hatten, und doch nicht wiedergeboren waren. Ich möchte die Worte des Textes am liebsten nicht erklären, sie so stehen lassen und brauchen, wie sie da stehen; nur dieses will ich zur Erklärung sagen, daß ich persönlich in dieser Beschreibung noch nicht in Wahrheit Wiedergeborene, Geheiligte Gottes erkennen kann. Somit ist der Abfall auch mehr als ein Abfall vom Bekenntnis und der erkannten Wahrheit; es ist auch ein Abfall von Christo und seinem Geist; aber so, daß die Abfallenden keine in Christum Einverleibte, keine mit dem Heiligen Geist Besiegelte sind, keine Seelen sind, deren Namen im Himmel angeschrieben sind. Nach ihrem Bekenntnis, nach ihrem Wandel, nach dem, was sie bekannten, erfahren zu haben, mußte man sie für Kinder Gottes oder Gläubige halten, aber bei Gott sind sie nie angeschrieben gewesen, Gott hat sie allezeit durchschaut und gekannt als solche, die nicht aus dem Glauben waren, die nicht ein von Grund aus erneuerte Herz hatten. Wenn man keinen Unterschied in der Gemeinde des Herrn oder der Gläubigen macht zwischen solchen, die in Wahrheit und Wirklichkeit auch bei Gott gekannt sind als echte Kinder Gottes, und solchen, die zwar viel erfahren haben können, aber doch von Grund des Herzens nicht erneuert, nicht wiedergeboren sind, ich sage, wenn man diesen Unterschied nicht macht, sondern alle, welche in der Gemeinde hier auf Erden sind, als wahre, wiedergeborene Seelen ansieht, dann natürlich gibt es einen Abfall der Kinder Gottes nach dieser Stelle. Aber den Unterschied darf man doch machen, daß es auch in der Gemeinde des Herrn auf Erden, also unter denen, die als Gläubige und Kinder Gottes auf Erden gelten und die Gemeinde des Herrn auf Erden ausmachen, immer noch solche geben kann und gibt, die bei Gott nicht als die Seinen gekannt sind.. Es kennt der Herr die Seinen. Ich habe hier keine landeskirchliche Gemeinde im Auge, sondern solche, die nach dem Muster der apostolischen Gemeinden sich bilden.

Würde es geschehen, daß jemand, der bisher als Kind Gottes gelegt und gegolten hat, abfiele, so abfiele, daß er den Sohn Gottes leugnete und für Spott hielte, er, der doch besser überzeugt war, so haben wir unsere Meinung über ihn hintennach zu ändern. Bei dem Herrn ist er allezeit als ein Nichtkind Gottes bekannt gewesen. Irgendwo muß die Sache bei ihm nicht in Ordnung gewesen sein, im tiefsten Grunde seines Herzens ist es nicht zur gänzlichen Wiedergeburt und zur bleibenden Einwohnung des Heiligen Geistes gekommen.

Daß solche, die nach Vers 4 und 5 einmal erleuchtet sind und geschmecket haben die himmlische Gabe und teilhaftig geworden sind des Heiligen Geistes usw., wo sie abfallen, so abfallen, daß sie den Sohn Gottes kreuzigen und für Spott halten, daß solche also nicht wieder erneuert werden können zur Buße: diesen Schluß habe nicht ich gezogen, sondern hat der Verfasser selbst in Vers 6-8 ausgesprochen. Und warum ich die abgeschwächte Erklärung nicht gelten lassen kann, habe ich bereits ausgesprochen: weil es nämlich nicht da steht.

Zum Schluß: In diesem Texte ist nicht von einem Straucheln und Fallen die Rede, wie auch wahre Kinder Gottes wohl straucheln und fallen und von welchem Fallen Kinder Gottes wieder aufstehen und zurecht gebracht werden, sondern hier ist ein Abfall angenommen, von dem es kein Wiederaufstehen mehr gibt, also eine Sünde, für die auch keine Vergebung mehr ist. 1.Joh. 5,16. Dieser Abschnitt ist durch zweierlei gekennzeichnet:

  1. dadurch, daß es ein Abfall ist von einer Stufe der Gnade, wo nichts mehr fehlte, daß die Seele hätte völlig zum neuen Leben und zum bleibenden Einwohnen des Heiligen Geistes durchdringen können;
  2. dadurch, daß es kein Straucheln ist, sondern ein solcher Abfall bis zum Kreuzigen des Sohnes Gottes und ihn für Spott halten. Bei solchem Abfall ist keine Reue, und auch nachher kommt die Reue und Buße nicht zurück.

Diejenigen Seelen, welche aus Schwachheit straucheln und fallen, welche die erste Liebe verloren haben, welche rückfällig geworden sind, aber dabei noch Reue haben, sei es gleich nach der Strauchelung oder später, überhaupt alle, welche betrübt sind über ihre Sünden, die sind es nicht, die so tief gefallen wären, daß sie nicht könnten wiederum erneuert werden zur Buße. Wo dieser Abfall ist, da ist Verstockung, Verhärtung des Herzens und Feindschaft gegen Jesum und seinen Geist eingetreten. Also brauchen die sich nicht durch meine Ausführung zu beunruhigen, die noch Reue über ihre Sünden haben; oder die es beklagen, daß sie noch vielfach straucheln, oder die ersten Regungen und Rührungen verloren haben.

Diese Wahrheit bleibt unangetastet, unbeweglich stehen, und will ich hiermit laut verkündigen: daß, so wir unsere Sünden erkennen und bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Untugend.

(8) Anmerkung des Abschreibers: Hier stand eine Bibelstelle, die an der angegebenen Position nicht zu finden war - sie ist zitiert, aber ohne Stellenangabe.

Quelle: Gärtner - Eine Wochenschrift für Gemeinde und Haus 1909

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