Thomas von Kempen - Buch 4 - Kapitel 11

Thomas von Kempen - Buch 4 - Kapitel 11

Daß das heilige Abendmahl und die heilige Schrift der gläubigen Seele höchst nothwendig sind.

Stimme des Jüngers.

1. O süßester Herr Jesu, wie groß ist die Wonne einer andächtigen Seele, die mit dir an dem Mahle isset, wo ihr keine andere Speise zum Genusse vorgesetzt wird, als du, ihr einzig Geliebter, über alle Wünsche des Herzens ihr wünschenswerth!

Auch mir wäre es ein gar süßes Gefühl, in deiner Gegenwart vor innigster Rührung Thränen zu vergießen und mit der frommen Magdalena deine Füße mit Thränen zu benetzen.

Aber wo ist diese Andacht? wo der reichliche Erguß heiliger Thränen?

Wahrlich vor deinem und deiner heiligen Engel Angesicht sollte mein ganzes Herz brennen und vor Freude weinen!

Denn ich habe dich im Sakramente wahrhaftig gegenwärtig, obwohl verborgen unter fremder Gestalt.

2. Denn in eigener und göttlicher Klarheit dich zu sehen, das können meine Augen nicht ertragen; aber auch die ganze Welt würde vor dem Glanze deiner Majestät und Herrlichkeit nicht bestehen.

Dadurch also sorgst du für meine Schwachheit, daß du dich unter dem Sakramente verbirgst.

So habe ich doch wahrhaft und bete an den, welchen die Engel im Himmel anbeten; ich jetzt zwar noch im Glauben, sie aber im Schauen und ohne Hülle.

Ich muß mir genügen lassen an dem Lichte des wahren Glaubens und in demselben wandeln, bis der Tag der ewigen Klarheit anbricht und die Schattenbilder vergehen.

Wenn aber kommen wird, was vollkommen ist, dann wird aufhören der Gebrauch der Sakramente; denn die Seligen bedürfen in der Herrlichkeit des Himmels keines sakramentalischen Heilsmittels mehr.

Sie freuen sich ohne Ende in der Gegenwart Gottes, indem sie seine Herrlichkeit schauen von Angesicht zu Angesicht und von Klarheit zu Klarheit; in das Bild der unergründlichen Gottheit verwandelt, genießen sie das Wort Gottes, das Fleisch geworden ist, wie es war von Anfang und bleibet in Ewigkeit.

3. Eingedenk dieser Wunder, wird mir selbst jeglicher Gefühle Trost zum Ueberdruß; denn so lange ich meinen Herrn nicht unverhüllt in seiner Herrlichkeit schaue, halte ich für nichts Alles, was ich in der Welt erblicke und höre.

Zeuge bist du mir, o Gott, daß kein Ding mich trösten, keine Kreatur mich beunruhigen kann, außer du, mein Gott, den ich ewig zu schauen verlange.

Aber das ist nicht möglich, so lange ich in dieser Sterblichkeit walle.

Darum ist’s vonnöthen, daß ich große Geduld habe und mich selbst in jedem Verlangen dir unterwerfe. – Denn auch deine Heiligen, o Herr, die sich jetzt mit dir im himmlischen Reiche freuen, erwarteten in Glauben und großer Geduld, so lange sie lebten, die Zukunft deiner Herrlichkeit. Was sie geglaubt, glaube auch ich; was sie gehofft, hoffe auch ich: wohin sie gelangt, dahin vertraue auch ich durch deine Gnade zu kommen.

Inzwischen will ich, gestärkt durch die Beispiele der Heiligen, im Glauben wandeln.

Auch werde ich die heiligen Bücher zum Trost und zum Spiegel des Lebens, und über dieses Alles deinen heiligsten Leib zur besonderen Arznei und Zuflucht haben.

4. Denn, wie ich fühle, sind mit hauptsächlich zwei Dinge in diesem Leben nöthig, ohne welche mir dieß elende Dasein unerträglich sein würde.

In dem Kerker dieses Leibes bedarf ich zweierlei, nämlich Nahrung und Licht.

Darum hast du mir Schwachen deinen heiligen Leib zur Erquickung der Seele und des Leibes gegeben und dein Wort zur Leuchte für meine Füße hingestellt.

Ohne dieselben könnte ich nicht wohl leben; denn das Wort Gottes ist das Licht meiner Seele und das Sakrament das Brot des Lebens.

Diese können auch zwei Tische genannt werden, die in der Schatzkammer der heiligen Kirche rechts und links aufgerichtet sind.

Der eine ist der Tisch des heiligen Altars, der das heilige Brot, das ist den kostbaren Leib Christi enthält.

Der andere ist der des göttlichen Gesetzes, mit der heiligen Lehre, die im wahren Glauben unterweist und sicher bis zum Innersten des Vorhangs, bis ins Allerheiligste geleitet.

Dank dir, Herr Jesu, du Licht des ewigen Lichtes, für den Tisch der heiligen lehre, welchen du uns durch deine Knechte, die Propheten und Apostel und andere Lehrer bereitet hast.

5. Danke dir, Schöpfer und Erlöser der Menschen, der du, um der ganzen Welt deine Liebe zu beweisen, ein großes Mahl bereitet hast, in welchem du nicht das vorbildliche Lamm, sondern deinen heiligsten Leib und dein Blut zum Genusse vorgesetzt hast, erfreuend alle Gläubigen durch das heilige Mahl und sie tränkend mit dem Kelche des Heils, worin alle Wonnen des Paradieses enthalten sind und woran mit uns theilnehmen die heiligen Engel, jedoch in seligerer Wonne.

6. O wie groß und ehrwürdig ist das Amt der Priester, denen es gegeben ist, den Herrn der Majestät durch die heiligen Worte zu wandeln, mit den Lippen zu preisen, in den Händen zu halten, mit dem eigenen Munde zu nehmen und den Uebrigen auszuspenden!

O wie rein sollen jene Hände sein, wie lauter der Mund, wie heilig der Leib, wie unbefleckt das Herz des Priesters, zu welchem der Urheber der Reinheit so oft eingeht!

Aus dem Munde des Priesters, der so oft Christi Sakrament empfängt, soll nur ein heiliges, nur ein ehrbares und heilsames Wort hervorgehen.

7. Seine Augen, die Christi Leib zu schauen gewohnt sind, sollen einfältig und züchtig sein; seine Hände, die den Schöpfer Himmels und der Erde zu berühren pflegen, rein und zum Himmel erhoben sein. Den Priestern ganz besonders wird im Gesetze gesagt: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr euer Gott.“ (3 Moses 19,2.)

8. Es stehe uns bei deine Gnade, allmächtiger Gott, daß wir, denen das priesterliche Amt anvertraut ist, dir würdig und andächtig in aller Reinheit und mit gutem Willen zu dienen vermögen.

Und wenn wir nicht in so großer Unschuld des Lebens wandeln können, wie wir sollen, so verleihe uns doch, das Böse, das wir gethan, nach Gebühr zu beweinen und dir im Geiste der Demuth und mit dem Vorsatz eines guten Willens forthin eifriger zu dienen.

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