Theremin, Franz - Von der Hochzeit zu Cana.

Theremin, Franz - Von der Hochzeit zu Cana.

Evangelium Johannis, K. 2. V. 1-11.
Und am dritten Tage ward eine Hochzeit zu Cana in Galiläa; und die Mutter Jesu war da. Jesus aber und seine Jünger wurden auch auf die Hochzeit geladen. Und da es an Wein gebrach, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben nicht Wein. Jesus spricht zu ihr: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch saget, das thut. Es waren aber allda sechs steinerne Wasserkrüge gesetzt, nach der Weise der jüdischen Reinigung; und gingen je in einen zwei oder drei Maß. Jesus spricht zu ihnen: Füllet die Wasserkrüge mit Wasser. Und sie fülleten sie bis oben an. Und er spricht zu ihnen: Schöpfet nun, und bringet es dem Speisemeister. Und sie brachten es. Als aber der Speisemeister kostete den Wein, der Wasser gewesen war, und wußte nicht, von wannen er kam, (die Diener aber wußten es, die das Wasser geschöpft hatten) rufet der Speisemeister den Bräutigam, und spricht zu ihm: Jedermann gibt zum ersten guten Wein, und wenn sie trunken worden find, alsdann den geringeren; Du hast den guten Wein bisher behalten. Das ist das erste Zeichen, das Jesus that, geschehen zu Cana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.

Das Wunder, welches Jesus auf der Hochzeit zu Cana vollbringt, unterscheidet sich von ähnlichen Erweisungen seiner Allmacht und Liebe durch einen besonders herrlichen und freudenreichen Glanz; denn sonst ist gewöhnlich irgend ein Uebel vorhanden, das durch ihn aufgehoben wird, wie wenn er Kranke heilt, Todte erweckt, Sünden vergibt. Hier jedoch ist eigentlich Nichts, das mit Recht ein Uebel genannt werden könnte; es fehlet nur an einem gewünschten Gut; aber auch dieses wird durch die Gnade des Herrn hervorgebracht und den Wünschenden gewährt; er verwandelt Wasser in Wein.

Einen solchen Mangel spüren wir sehr leicht im Irdischen; da wollen wir nicht nur daß unser Leben frei sey von eigentlicher Noth, sondern auch ausgeschmückt mit manchen Dingen, die im wahren Sinne des Wortes, zu den entbehrlichen gehören. Weniger empfindlich sind wir jedoch in Rücksicht der geistigen Güter; da begreift man es kaum, wie wir oft mit einem so geringen Maaße zufrieden seyn und fertig werden können. Daß wir uns nun diese in einem größern Umfange wünschen und von dem Herrn erbitten, daß wir ihn auch getrost um diejenigen irdischen anrufen, die mit den geistigen in Verbindung stehen, und zu ihrer Vermehrung dienen, dazu ermuntere uns das heutige Evangelium, das eines der lieblichsten und freudenreichsten ist, und zu dessen Erwägung uns der Herr seinen Freudengeist schenken wolle!

Wir betrachten also heute Jesum, der unserm Mangel abhilft; und wir sehen erstlich auf die Bedingungen unter denen er es thut; und zweitens auf die Art und Weise wie er es thut. Wir wollen uns dabei so genau als möglich den Worten unsers Textes anschließen; denn ein jedes ist wie eine köstliche Perle, wie ein funkelnder Edelstein; man nimmt sie gern in die Hand, sich an ihrem Anblick zu weiden, und legt sie nur ungern wieder weg.

1.

Erstlich, unter welchen Bedingungen hilft Jesus unserm Mangel ab? Und am dritten Tage ward eine Hochzeit zu Cana in Galiläa. Da gab es also ein Paar, welches jene Verbindung schloß, in welcher zwei Menschen einander geloben, daß sie Hand in Hand durchs Leben gehen, Gutes und Böses theilen, immer nur zusammen sich freuen, und zusammen sich betrüben, daß sie besonders gemeinschaftlich an ihrer Heiligung arbeiten wollen, um dadurch ein größeres Glück hienieden zu finden, und sich zur Seligkeit des Himmels vorzubereiten. Diejenigen, die in ein solches Verhältniß treten, bedürfen nun mancherlei. Sie bedürfen der irdischen Güter so viel als nöthig ist um die brückende Sorge abzuwehren; ferner - denn vom Brote allein lebt doch kein Mensch, und manchen Ehegatten die großen Reichthum besitzen geht es deshalb nicht besser als manchen der ärmsten - bedürfen sie wahre, innige, auf den Einklang der Herzen gegründete, zur Nachsicht, Schonung, Aufopferung geneigte Liebe; sie bedürfen endlich das, ohne welches auch solche Liebe nicht möglich ist, Zucht, Sitte, Frömmigkeit, einen von der Welt zu Gott hingewandten Sinn. Wir könnten hier bei der Ehe und dem Hauswesen stehen bleiben; denn es ist ein so ungemein reicher und wichtiger Gegenstand; aber es bieten sich uns doch noch andre Lagen und Verhältnisse dar, welche jenem ähnlich sind, und ähnliche Güter erheischen. Ein Mensch hat ein Geschäft begonnen, ist in einen Wirkungskreis getreten, dem er von nun an alle seine Kräfte widmen soll: sind seine Kräfte zureichend; sind sie den Anforderungen und Pflichten gewachsen; werden sie nicht ermatten; werden sie durch eine reine Liebe, welche sich um Gottes Willen dem Berufe hingibt, erhalten, erneut und belebt werden? Wir müssen hier noch an etwas Höheres denken, an die Verbindung, die unter allen welche wir schließen können die wichtigste, welche in Zeit und Ewigkeit der Grund unseres Heiles ist. Eine Seele hat sich Christo gewidmet; wird sie ihm treu seyn? War es flüchtige Rührung, was sie zu ihm zog, oder tief gefühltes Bedürfniß, brennende Sehnsucht? Hat sie den Geist empfangen, dieß heilige Band zwischen der Seele und Christo, durch den sie ganz in seiner Liebe lebt, Alles dagegen für Schaden achtet, Alles dafür hingibt? Groß und mancherlei sind also die Güter, welche die Ehegatten, welche wir alle in unserm Berufe, in unserer Verbindung mit Christo bedürfen; werden wir sie empfangen?

Und die Mutter Jesu war da; heißt es weiter in unserm Texte; sie war zugegen als zu Cana die Einweihung jener Ehe gefeiert ward; und dieß schon allein mußte in Beziehung auf das junge Paar freudige Hoffnungen erwecken. Die hochbegnadigte Jungfrau, die sich zu dem Herrn in einem so eigenthümlichen Verhältnisse befand, die durch ihn geschaffen, die aber auch seine Mutter war - sie lebte und wirkte so fort, still, bescheiden und demüthig, weinte mit den Weinenden und freute sich mit den Fröhlichen, half gern durch Rath und That, durch Beistand und Gebet, und mochte auch hier das Band gewesen seyn zwischen den Neuvermählten und dem Herrn. Was hier von der Mutter Jesu gesagt wird, das gilt von allen Gläubigen, das gilt von der Gemeine derselben. Auch in dieser Gemeine, die durch den Herrn geschaffen ist, und nur durch ihn besieht, wird der Herr unaufhörlich, nämlich in den Herzen, geboren; auch sie, diese Gemeine, begleitet Alles, was für das Reich des Herrn wichtig, was für das Heil einer Seele bedeutend ist, mit thätiger Hülfe, mit stillen Segnungen und Gebeten. Deshalb sind auch alle Diejenigen so glücklich zu preisen, die in der Mitte wahrhaft gläubiger Christen leben, die sie zu ihren Freunden, zu ihren näheren Angehörigen zählen. Durch diesen frommen Kreis werden sie schon frühe Christo zugeführt; und wie sollten sie sich nicht im Stillen nach ihm sehnen, da man ihnen täglich seine Gnade und Freundlichkeit rühmt, da sie täglich wahrnehmen, wie sein Einfluß die Gemüther heiligt, da sie täglich von feinen Jüngern so viel Beweise der Liebe und des Wohlwollens empfangen! Heil ihnen besonders, daß sie an allen wichtigen Tagen ihres Lebens, wenn sie ihre öffentlichen Gelübde ablegen, wenn sie den Bund der Ehe schließen, wenn sie einen Beruf antreten - daß sie alsdann nicht allein stehn, daß sie alsdann nicht von weltlich gesinnten Menschen umgeben sind, die weiter nichts als sogenannte Glückwünsche darbringen können; daß sie alsdann sich in der Mitte wahrer Christen befinden, die zu beten verstehen, und die für sie beten! Dann wird auch der Herr selber nicht fern seyn.

Jesus aber und seine Jünger wurden auch auf die Hochzeit geladen. Und dadurch war denn die vornehmste Bedingung erfüllt, unter welcher sich seine Hülfe erwarten läßt. Ueberall soll er gegenwärtig seyn; Alles soll in seinem Namen geschehen. Wird eine Ehe geschlossen, so soll sie in seinem Namen geschlossen werden. Die Verlobten sollen, bei der Einsegnung ihres Bündnisses, ihn hören, der an der Thür sieht und anklopft, bereit, zu ihnen einzugehn, und der Gefährte ihres häuslichen Lebens zu werden; sie sollen ihm die Thür des Hauses und des Herzens öffnen, sollen beide Ihn über Alles, und ein Jeder den Andern in Ihm lieben. In seinem Namen soll jedes Geschäft angefangen, jeder Beruf übernommen, jedes Amt verwaltet werden; in seinem Namen! Das heißt, mit Vertrauen auf seinen Schutz, unter Anrufung seines Beistandes, zu seiner Ehre; zur Verbreitung seines Reiches! Wer nach Heiligung strebt, der soll im Namen Christi danach streben, er soll nicht meinen, daß ihm dieß Streben anders gelingen werde, als durch ihn, der für seine Gläubigen starb, und der sie mit der Hand seiner Gnade von einer Stufe zur andern erhebt. Wo Christus gegenwärtig ist, da wird es an keinem wahren Gute fehlen.

Hier fehlt es jedoch daran. Und da es an Wein gebrach, sprach die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben nicht Wein. Ob dieß nun unter den damaligen Verhältnissen ein Mangel gewesen sey oder nicht, darüber wollen wir nicht streiten, sondern wollen uns lieber auf die theure Mutter des Herrn verlassen, die es für einen hielt, und aus den Herrn selber, der dem Mangel abhalf, und der gewiß nichts Ueberflüssiges gethan hat. Das Ueberflüssige im äußern Leben soll freilich niemals Gegenstand unsers Strebens, nicht einmal unserer Wünsche seyn; nur so weit sollen unsere Wünsche und Bestrebungen gehn, als sie durch wirkliche Bedürfnisse geleitet werden. In dem Geistigen hingegen kann man nicht eine so genaue Grenzlinie ziehen, denn da gibt es überhaupt nichts Ueberflüssiges. Und an das Geistige zu denken, werden wir hier nicht umhin können, wenn wir erwägen, daß Christus selber der himmlische Weinstock ist, daß uns unter dem Weine des Abendmahles sein Blut gereicht wird, daß er verheißen hat mit uns von dem Gewächse des Weinstocks aufs Neue zu trinken im Reiche seines Vaters. Wem also die nothwendigen irdischen Güter fehlen, der bitte darum den Herrn; warum sollte er von diesem Bedürfnisse nicht wie mit den übrigen Hausgenossen, so auch mit Ihm reden, der ja zu den Hausgenossen gehört, gehören soll? Wem die nothwendigen geistigen Güter fehlen - ach! und diese fehlen täglich, diese Quelle will bei Reichen und bei Armen nie reichlich genug fließen, - der bitte darum noch viel dringender; das an den gegenwärtigen Herrn gerichtete Gebet ist die Bedingung seiner Hülfe: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgethan.

Hier nun bitten Diejenigen nicht auf welche das Beschämende des eingetretenen Mangels eigentlich zurückgefallen wäre, denn sie haben noch nichts davon gemerkt; - ein Fall der in Betreff irdischer Güter sehr selten, in Betreff der geistigen sehr häufig vorkommt; - aber die Mutter des Herrn hat es schon bemerkt, und sogleich wendet sie sich an ihren Sohn und spricht: Sie haben nicht Wein! O Gott schenke uns doch Allen solche liebreiche, christliche Freunde, die unsere geistigen Mängel, ehe wir selber sie wahrgenommen haben, schon entdecken; die davon reden, nicht unter einander - denn was kann das helfen? Das nährt nur bei ihnen Dünkel und Selbstzufriedenheit! - sondern mit dem Herrn, und die unserm Gebet durch das ihrige zuvorkommen. Sie haben nicht Wein. Da ist ein liebes junges Ehepaar; denen fehlt es nicht an menschlicher Zuneigung, an irdischen Glücksgütern; sie meinen das sey genug; aber es wird nicht ausreichen. Gib Du ihnen, o Herr, was ihnen fehlt, gib ihnen jene höhere Liebe, wo man sich in Dir liebt! Sie haben nicht Wein. In jenem Jüngling sind schöne Fähigkeiten und ein reges Streben; aber er sucht noch das Seinige. O gib ihm jene reine, sanfte, freudige Begeisterung, die man nur haben kann, wenn man deine Ehre sucht. Sie haben nicht Wein. Wo ist der Eifer, der sonst jene Seele erfüllte? Wie hat sie nachgelassen in gottseligem Fleiß! Erwecke, treibe sie wieder durch deinen Geist - und mich auch, denn ich bedarf es wohl noch mehr als sie. Sie haben nicht Wein. Nicht nur der geistigen Mängel, sondern auch der irdischen Noth werden die frommen Freunde vor dem Herrn gedenken. Wie viel mehr sollten also diejenigen, die selbst daran leiden, um ihre Abhülfe bitten!

Was antwortet aber der Herr seiner Mutter, die eine so liebreiche Fürbitte an ihn richtet? Weib, spricht er, was habe ich mit dir zu schaffen? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Wie seltsam! Wer hätte das wohl von Ihm erwartet? Die Worte sind zwar nicht, hat man bemerkt, so hart gemeint als sie klingen; und das mag wahr seyn; aber es ist doch auch gewiß, daß er dadurch nicht sowohl aufmuntert als zurückweiset, daß er dadurch Hülfe nicht sowohl verheißet als abschlägt, daß er sie wenigstens hinausschiebt bis zu einer ungewissen und ihm allein bekannten Zeit. Und so spricht Er, der uns doch gelehrt hat, nicht nur für uns, sondern auch für unsere Brüder zu bitten: Unser täglich Brot gib uns heute? Er, der die Bitte, die er abzuschlagen scheint, doch in der That bald darauf erhört? Wie ist dieß Verhalten des Herrn zu erklären? Eben so wie das Verhalten eines Vaters, der seinem Kinde eine Gabe zugedacht hat, der sie schon versteckt in der Hand hält, aber sie scheinbar verweigert, damit das Kind ihn noch länger bitten möge, weil er seine Freude hat, es bitten zu hören; eben so wie sein eigenes Verhalten zu Emmahus, wo er sich stellte, als wollte er weiter gehen, ob es gleich bei ihm beschlossen war, mit den beiden Jüngern in das Haus einzutreten, und beim Brotbrechen sich ihnen zu offenbaren; eben so wie sein Verhalten gegen jene cananäische Frau, zu welcher er mit einer noch viel größern scheinbaren Härte sprach: Es ist nicht fein, daß man den Kindern ihr Brot nehme, und werfe es vor die Hunde; und die er lange ihm nachlaufen, bitten und schreien ließ, ehe er ihr Verlangen erfüllte. Als eine Prüfung, in einem Worte, ist es zu erklären, die er fast über einen jeden Beter verhängt; denn fast von einem jeden Beter fordert er, daß die allgemeine, ihm zu Theil gewordene, und durch so viel Beweise der göttlichen Gnade besiegelte Verheißung der Gebetserhörung ihm mehr gelte als die einzelnen Fälle, wo er wohl meinen könnte, eine Fehlbitte gethan zu haben; mehr als der zurückstoßende Eindruck, den er oft während des Betens in sich zu spüren glaubt; mehr als die Qual eines oft Jahre langen Hoffens und Harrens. Ach! wir bestehen nicht immer in dieser Prüfung, meine Brüder; wir, die wir durch Christi blutigen Tod erlöset sind, wir erkennen nicht immer, - was uns doch so leicht seyn müßte - die unendliche Liebe, die unter dieser ernsten, abschreckenden Hülle verborgen ist; wir hören auf zu beten, und die himmlische Gabe, die sich schon zu uns herabsenkte - wird zurückgezogen.

2.

Laßt uns lieber von der Maria lernen, welches bei einem solchen Verhalten des Herrn unser Verhalten seyn soll! Er hat ihr doch wahrlich durch seine Aeußerung nicht viel Hoffnung gemacht; aber dennoch hat sie keinesweges die Hoffnung verloren; helfen wird er, das weiß sie, sobald die von ihm bestimmte Stunde gekommen ist; diese erwartet sie ruhig, und ist indeß nur bedacht, Alles zu entfernen, was der Hülfe störend entgegentreten könnte. Sie spricht zu den Dienern: Was er euch saget, das thut! O hört diese Worte, Ihr, die Ihr ihn gebeten habt, einer äußeren Verlegenheit, einem Mangel, der euer Hauswesen drückt, abzuhelfen, und deren Flehen noch immer unerfüllt geblieben ist. Murret nicht, werdet nicht unruhig, lasset nicht ab im Gebete - auch das würde gegen seinen Willen seyn; wendet Euch nicht weg von ihm, der nach eurer irrigen Meinung sich von Euch gewendet haben soll. Ergreift, ohne für den morgenden Tag zu sorgen, jede Gelegenheit ihm zu dienen, die der heutige Tag darbietet; so vergeht einer nach den, andern, und ehe man sich dessen versieht, kommt der Tag der Hülfe. Hört diese Worte, Ihr, aus deren häuslichem Kreise die frühere Liebe, Innigkeit, Freundlichkeit durch störende Einwirkungen verscheucht worden ist! Das Uebel ist groß; bittet den Herrn um Abhülfe; und haltet nur indeß jede Regung des Unwillens und der Erbitterung zurück; erfüllet um so sorgfältiger eure Pflichten gegen einander; bald wird der Freudengeist einer höheren Gatten-, Kinder- und Bruderliebe wieder eure Herzen durchwehen. Hört diese Worte, Ihr, die Ihr klagt, daß Ihr, auf dem Wege des Heils, so trocken, so dürre, so unerquickt in euerm Innern, so gequält durch mancherlei geistige Anfechtungen einhergehen müßt! Das sind freilich schwere, dunkele Zeiten, aber sie enden, nicht wenn man selber will, sondern wenn der Herr es für gut findet. Sucht man Trost mit zu großer Aengstlichkeit, so verscheucht man ihn für lange; sucht man ihn in der Welt, so verscherzt man ihn vielleicht für immer. Nur Ein Mittel gibt es - treu, recht treu zu seyn in allen den Pflichten, und deren gibt es doch manche, die man auch mit einem trocknen, dürren, unerquickten Herzen erfüllen kann; dann - ehe man sich deß versieht - ist die Gnadensonne wieder aufgegangen.

Dieß sind die Bedingungen, unter welchen Jesus unserm Mangel abhilft; laßt uns nun zweitens sehen, aufweiche Art und Weise er es thut. Es waren aber allda sechs steinerne Wasserkrüge gesetzt, zu den Abwaschungen, welche die Juden häufig bei der Mahlzeit vorzunehmen pflegten; und gingen je in einen zwei oder drei Maß. Jesus spricht zu ihnen: Füllet die Wasserkrüge mit Wasser. Und sie fülleten sie bis oben an. Und er spricht zu ihnen: Schöpfet nun, und bringt es dem Speisemeister. Und sie brachten es. Brachten ihm den Wein, der Wasser gewesen war. Woher kam er? Von Außen? Nein, innerhalb des Hauses hatte der Herr das geringere Element in das höhere verwandelt. Und dieß ist in vielen Fällen seine Art und Weise zu helfen. Er führt nicht etwas Fremdes herbei, sondern benutzt das Vorhandene; er hebt nicht die Verhältnisse auf, sondern veredelt sie; er versetzt nicht den Menschen in andere Umgebungen, sondern heiligt sein Inneres.

Wie wenig kennen wir also die Absichten des Herrn, wenn wir oft unzufrieden und schwermüthig ausrufen: Ach! warum bin ich dazu bestimmt, in dieser Lage, in dieser ermüdenden und nur so spärlich belohnten Thätigkeit, mein Leben hinzubringen! Könnte ich doch noch eine andere Bestimmung erwählen, in eine andere Laufbahn eintreten, ein anderes Geschäft beginnen, dann würde meine Arbeit reichlicher vergolten und der mich jetzt drückende Mangel gehoben werden! Wenn wir rufen: Nein, es ist unmöglich, unter solchen Verhältnissen, unter solchen Menschen, wie diejenigen, mit denen ich zu leben gezwungen bin, werde ich nie Ruhe und Zufriedenheit finden. Andere Verhältnisse, andere Umgebungen muß ich mir bilden, wenn mein hier verdorrtes Glück jemals wieder ausblühen soll. Wie wenig kennen wir, wenn wir also sprechen, die Absichten des Herrn, der nicht durch solche gewaltsame Veränderungen und Umwälzungen, sondern durch viel einfachere Mittel zu helfen pflegt. Du, geliebter Bruder, der Du über die geringe Belohnung deiner mühevollen Arbeit klagst, Du wirst eben diese Arbeit wohl fortsetzen müssen bis an dein Ende; aber wenn Du thust, was der Herr Dir sagt, wenn Du unter beständigem Gebete zu ihm mit Ergebung und Freudigkeit arbeitest, so wird er Dir Wasser in Wein verwandeln; durch seinen Segen wird Dir die Arbeit erleichtert und reichlicher vergolten werden. Du, der Du über unerträgliche Verhältnisse Dich beschwerst, hoffe nicht, sie gegen andere vertauschen zu können, und thue es nicht, auch wenn Du es könntest; die spätern möchten noch schlimmer als die frühern seyn. Bleibe in denen, worein der Herr Dich gestellt hat; er wird sie verwandeln, wie er Wasser in Wein verwandelte; das Widerwärtige deiner Lage, das Schroffe und Harte in den Gemüthern und dem Verhalten der Menschen wird allmählig verschwinden, und Du wirst gern mit denen leben, die Gott Dir zu Genossen gegeben hat. Die Umstände werden äußerlich dieselben bleiben, aber sie werden Dir ganz anders und viel günstiger erscheinen, weil Du selbst in deinem Inneren umgewandelt bist.

Denn würde auch Alles um uns her verändert, was hülfe es, wenn wir bleiben wie wir sind? Nicht die äußern Dinge sind ja gewöhnlich Schuld an dem innern, tiefen Mißbehagen, das uns erfüllt; wir selber sind es; unser Herz ist es, das sich von Gott, von dem höchsten Gute hinweggewendet hat. Nun sollen andere Güter ihm den großen, unermeßlichen Verlust ersetzen. Können sie das? Kann Wohlstand und Reichthum, kann bedeutende und erfolgreiche Wirksamkeit, kann Liebe und Freundschaft guter Menschen ein Herz stillen und beruhigen, das für Gott geschaffen war und das Seiner bedarf? Nein, nichts Endliches kann die unendliche Leere unsers Herzens ausfüllen; das Endliche kann nicht einmal nach dem wahren Werthe, den es wirklich hat, von uns geschätzt werden, wenn wir nicht das Unendliche besitzen. Aber wer wird uns zu dem Besitze des unendlichen Gutes verhelfen, wer uns dazu fähig machen? Wer wird durch die Umwandlung unseres von Natur verderbten Herzens eine Verbindung stiften zwischen uns und dem heiligen Gott? Eben Der, welcher zu Cana das Wasser in Wein verwandelt hat. Zwar dort verwandelte er nur das Gute in das Bessere, denn das Wasser ist an sich gut. Hier muß er ein größeres Wunder vollbringen, denn unser Herz ist nicht gut, sondern böse von Natur; er muß zuerst seine große Schuld und seine furchtbaren Flecken hinwegnehmen, ehe er es heiligen und veredeln kann. Er thut es; er wäscht es in seinem Blute; die Sünden, die sie begangen haben, die Sünde, die noch in ihnen wohnt, ist den Gläubigen vergeben; nun sind sie rein vor Gott, sie sind gerecht. Ist das Alles? Nein, die er gerecht gemacht hat, die hat er auch herrlich gemacht. Nun beginnt auch für den Menschen die Umwandlung des Guten in das Bessere; die Läuterung aus der geringern zur höhern Klarheit, das Fortschreiten von einer Stufe zur andern, die Durchdringung der menschlichen Natur von der göttlichen, welche in ihr Wohnung gemacht hat. Wer aber dieses größte, höchste, unendliche Gut in seinem Innern besitzt, der findet nun auch Ueberfluß in den immer gleich beschränkten Glücksgütern, Wohlgefallen an der immer gleich schweren Arbeit. Die Menschen erscheinen ihm schon freundlich, wenn sie nur ihn dulden; schon liebreich, wenn sie nur die gewöhnlichsten Pflichten gegen ihn erfüllen. Die ganze Welt ist ihm verwandelt, weil er selber verwandelt ist.

Einen andern wichtigen Aufschluß über die Art und Weise wie der Herr unserm Mangel abhilft, soll uns der Speisemeister ertheilen. Dieß war derjenige, der den Vorsitz bei Tische führte, und für die Bewirthung der Gäste sorgte. Als nun der Speisemeister kostete den Wein der Wasser gewesen war, und wußte nicht von wannen er kam, rufet er den Bräutigam und spricht zu ihm: Jedermann gibt zum ersten guten Wein, und wenn sie trunken geworden sind, alsdann den geringeren. Du hast den guten Wein bisher behalten. Wie er die Sitte jener Zeit beschreibt, daß man nämlich den Gästen zuerst den guten und darauf den geringeren Wein zu reichen pflegte, so verhält es sich stets mit den Gaben, welche die Welt ihren Gästen gewährt; sie sind im Anfang lieblich und glänzend, aber einer schnellen Abnahme und Verminderung unterworfen; erst kommt das Gute und bald darauf folgt das Schlechte. Ein weltlich gesinntes Paar schließt das Bündniß der Ehe, und man wird nicht müde das Glück der beiden zu erheben, wegen der Jugend und Anmuth in welcher sie glänzen, wegen der lebhaften Neigung die Einer für den Andern empfindet, wegen des reichen Besitzes dessen sie sich erfreuen. Betrachtet die Glücklichen wieder nach einiger Zeit. Anmuth und Jugend sind verschwunden, der Reichthum ist zerronnen; und die Liebe? Nun, die ist schon in den ersten Jahren erkaltet. Ein Mensch tritt in seine Laufbahn, ausgestattet mit glänzenden Gaben und Fähigkeiten, die aber nicht auf dem Boden der Gnade, sondern auf dem der Natur gewachsen sind. Siehe! nach einer kurzen Frist sind diese viel versprechenden Fähigkeiten verwelkt und verdorben, wie eine vom Weinstock getrennte Rebe, wie eine vom Wurm gestochene Frucht; er ist bis unter die Alltäglichkeit herabgesunken. Und jener Andere, der sich zwar niemals im Herrn gefreut hat, der aber als er noch jung war, sprudelte und überfloß von weltlicher Heiterkeit und Lebensfülle - seht ihn in seinem Alter! Wo ist die Munterkeit; wo sind die Scherze? Wer sollte in dem mürrischen Greise den liebenswürdigen Jüngling erkennen? Diese Alle haben den guten Wein zuerst getrunken, und für das Ende blieb ihnen der schlechte.

Aber von den Gaben des Herrn gilt jenes andere Wort: Du hast den guten bisher behalten. Sie sind, wenn man sie aus seiner Gnadenquelle schöpfet, keiner Abnahme, keiner Verminderung unterworfen, sondern einer unaufhörlichen Steigerung fähig; und sie werden immer gesteigert, die früheren werden immer von den späteren übertroffen. Der Herr war, wie zu Cana, so auch bei der Vermählung eines frommen Paares zugegen; ihre natürliche Zuneigung ward belebt und geheiligt durch ihren Glauben, ihre Liebe zu ihm. Dadurch waren sie glücklich in den Zeiten ihrer Jugend; sind sie es jetzt weniger, da die Jugend längst vorüber ist, da sie schon mehr als ein Vierteljahrhundert mit einander verlebten? Nein, immer findet noch Einer an dem Andern dasselbe Wohlgefallen, immer ruhen seine Augen mit derselben Freude auf ihm. Ihre Liebe ist nicht geringer, sie ist viel größer und inniger als zu Anfang, denn sie hat immer mehr die menschlichen Eigenheiten überwunden, und sich von natürlicher Beimischung frei gemacht. Die Welt sieht es, und begreift es nicht, denn sie ist sich bewußt daß ihr eignes Wesen vergeht; aber freilich, was hier in den Gemüthern lebt, das ist auch nicht von dieser Welt. Ein frommer Jüngling, dem Rufe der Gnade folgend, hatte sich Christo geweiht, ihn hatte er immer mehr als alles Andere geliebt, ihm war er treu geblieben in dem besonderen Wirkungskreise, den er sich wählte. Nun sind in dem Dienste des Herrn seine Haare ergraut, seine leiblichen Kräfte abgestorben; sein irdisches Theil neigt sich dem Grabe zu. Wenig berühren ihn die Dinge dieser Welt. Aber höret ihn reden von Christo, von dem Blute der Versöhnung, von dem Heil der Auserwählten, von der Seligkeit des Himmels: es wird sich zeigen daß eine unauslöschliche Flamme in seinem Herzen brennt; und durch seine Begeisterung wird er die feurigste Jugend beschämen. Wo aber Begeisterung für Christum in einer Seele wohnt, da gibt er ihr auch Ruhe, Friede und Freude, gibt sie ihr in volleren Strömen, je mehr der Augenblick herannaht, wo er sie zu seiner ewigen Freude einführen wird.

Dereinst aber wird jenes Wunder, die Verwandlung des Wassers in Wein, des Guten in das Bessere, des Geringeren in das Höhere, noch einmal vollbracht, nicht in einem unbekannten Winkel der Erde, sondern auf der Erde und den Himmel selbst, nicht vor wenigen Zeugen, sondern vor der Versammlung aller geschaffenen Wesen, wird es vollbracht werden; dieselbe Allmacht, welche Wasser in Wein verwandelte, vermag auch alle Dinge zu verwandeln. Das erste Wunder des Herrn wird auch sein letztes seyn. Es ist geschehen, und er spricht: Das Alte ist vergangen; siehe! ich habe Allesneugemacht. Nun schreitet nicht mehr der Tod durch die Reihen der Lebendigen, um sie abzumähn, wie Gras; nun werden keine Thränen von den Hinterbliebenen, den Armen, den Bedrängten mehr geweint; nun haben die Prüfungen, diese Vollkommenheit des jetzigen unvollkommnen Zustandes, aufgehört. Wie der Himmel und die Erde, so wird nun aber auch die Seele erneut; die schon begnadigte, schon verherrlichte, wird noch mehr begnadigt, noch mehr verherrlicht; der letzte böse Keim wird aus ihr herausgenommen; sie sündigt fortan nicht mehr. Fähig ist sie nun, die Seligkeit, nach welcher sie dürstete, in einem unendlichen Maaße zu genießen; und dieses wird ihr zu Theil. Dort zu Cana ward die Hochzeit eines armen, unbekannten Paares gefeiert; jetzt beginnt die Hochzeit des Lammes, wo der Herr sich mit den Millionen erlöseter Seelen in ewiger Liebe verbindet. Jetzt sitzt er unter ihnen im Reiche seines Vaters, und spendet ihnen ohne Unterlaß den Wein einer keuschen, überirdischen Freude, welche keine Unterbrechung stört, und keine Reue vergällt. Sie werden trunken von den reichen Gütern seines Hauses, und erfüllt mit Wonne wie mit einem Strom.

Und wenn es nun am Schlusse unseres Textes heißt: Er offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn: so frage ich Euch, meine Brüder, ob sich Jesus nicht in seiner Herrlichkeit offenbart, wenn er sich uns zeigt so überschwenglich reich, so über alles Maaß barmherzig, so bereit unserm Mangel abzuhelfen, und unsere große Bedürftigkeit mit wahren, ewigen, immer zunehmenden Gütern auszufüllen? So frage ich Euch, was denjenigen fehlt, die, sobald sie es wollen, Ihn zum Heiland und Erlöser, zum Befreier von jeder Noth, zum Geber wahren Glückes hienieden, und ewiger Freuden im Himmel, haben können? So frage ich Euch, ob Ihr umhin könnt an ihn zu glauben, auf ihn euer ganzes Vertrauen zu setzen, ihn, als das höchste Gut, ihn allein im Himmel und auf Erden zu begehren, und an jedem Tage aufs Neue Euch loszumachen von den Fesseln der Welt, um Euch ihm zu ergeben? O möchtet Ihr es thun, damit durch seine Gnade auch für Euch Wasser in Wein verwandelt, und dem großen, fühlbaren Mangel, der Euch innerlich und äußerlich drückt, abgeholfen werde! Damit aus seiner Fülle Licht, Kraft, Wärme in eure Herzen ströme, alle Finsterniß, Sünde und Schwermuth daraus vertreibe, und ein neues, heiliges, freudiges Leben an die Stelle setze; damit sein Einfluß in eurem Hause walte, alle Störungen des Friedens, der Eintracht hinwegnehme, und die Gemüther in herzlicher Liebe verbinde; damit er sich auch in euren Wirkungskreis ergieße, und eurer Thätigkeit Gedeihn gebe für sein Reich! Dieß ist der Segen, den ich Euch wünsche; und zu dem ich die Bitte hinzufüge, daß wir Alle, die wir heute uns der Herrlichkeit gefreut haben, die der Herr zu Cana offenbarte, ihn auch dereinst in seiner himmlischen Herrlichkeit schaun, und an seinem ewigen Freudenmahle Theil nehmen mögen. Amen.

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