Theremin, Franz - Das Bekenntniß des Glaubens.

Theremin, Franz - Das Bekenntniß des Glaubens.

Bei der Jubelfeier der Uebergabe der Augsburgischen Confession,
den 25sten Junius 1830. Nachmittags.

Römer, K. 10., V. 10.
So man von Herzen glaubt, so wird man gerecht, und so man mit dem Munde bekennet, so wird man selig.

Die reine evangelische Lehre war durch die Glaubensverbesserung ans Licht gezogen; sie war von Vielen angenommen und von Vielen verworfen; auf mehreren jener großen Versammlungen, zu denen der Kaiser die Fürsten Deutschlands berief, war von ihr gehandelt, und es waren scharfe und feindselige Verordnungen gegen sie erlassen worden. Abermals waren der Kaiser und die Fürsten zu Augsburg versammelt; da vereinigten sich einige Landesherren und Städte, welche dem Evangelio anhingen, und ließen dem Kaiser, in der Sitzung des Reichstages jenes denkwürdige Glaubensbekenntnis; überreichen, welches von der evangelischen Kirche seitdem als die reinste Darstellung ihrer Lehre betrachtet worden ist. Dies geschah am fünf und zwanzigsten Junius des Jahres fünfzehnhundert und dreißig.

Als das erste, als das zweite Jahrhundert seitdem verflossen war, ward dieser Tag gefeiert; jetzt ist das dritte Jahrhundert seitdem abgelaufen, und dieser Tag wird wieder in allen evangelischen Landen als ein Festtag begangen. Er wird es, wegen der Wichtigkeit des Ereignisses, woran er uns erinnert, wegen der preiswürdigen Gesinnung, die sich darin bethätigt, wegen der nie genug beherzigten Lehren, die sich aus demselben entwickeln lassen, wegen der heilsamen Wirkungen, welche ihm die evangelische Kirche verdankt.

Die evangelischen Fürsten und Städte bekannten ihren Glauben. So man von Herzen glaubt, sagt aber der Apostel in unserm Texte, so wird man gerecht; und so man mit dem Munde bekennet, so wird man selig. Er preiset Glauben und Bekennen als höchste Christenpflicht; und Rechtfertigung und Seligkeit als ihre Frucht. Diese heilige Pflicht haben die ehrwürdigen Väter der evangelischen Kirche erfüllt; diese Frucht haben sie eingeerntet, und sofern wir ihnen ähnlich sind, auf uns vererbt. So laßt uns denn, nach Anleitung unsers Textes, und aufgefordert durch ihr Beispiel, beherzigen erstlich, daß es Pflicht ist den Glauben zu bekennen; zweitens, daß dies Bekenntniß durch die reichsten göttlichen Segnungen begnadigt wird. - Der Geist Gottes aber, dessen Wirkungen sich durch alle Zeiten erstrecken, wolle in uns die Gesinnungen hervorbringen, womit er damals jene Helden des evangelischen Glaubens erfüllte.

1.

Erstlich: es ist Pflicht den Glauben zu bekennen. Der Apostel sagt in unserm Texte: So man mit dem Munde bekennet, so wird man selig. Christus spricht: Wer mich bekennet vor den Menschen, den will ich bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater. Das, wodurch wir selig werden, das, was Christus von uns fordert um uns als die Seinigen vor seinem himmlischen Vater zu bekennen - das muß doch wohl Pflicht seyn; das muß doch wohl von uns verlangt werden können; sonst wüßte ich nicht weßhalb etwas Pflicht zu nennen, und wodurch man, es von den Menschen zu fordern, berechtigt sey.

Ist man verpflichtet den Glauben zu bekennen, so setzt dies freilich voraus, daß man auch verpflichtet ist zu glauben. Verhält es sich nicht so in der That, meine Brüder? Ist es nicht Pflicht zu glauben? Die Kraft dazu liegt freilich nicht in uns selbst, sondern sie wird uns von Oben durch den Geist Gottes gegeben. Aber diesen seinen Beistand bietet Gott doch allen Denjenigen dar, denen das Evangelium verkündiget wird: und nun sollte es nicht von ihnen verlangt werden können, daß sie auf die Stimme des Geistes horchen, der ihnen in Christo den eingebornen Sohn Gottes und ihren Erlöser, und in ihrem eignen Herzen das Bedürfniß der Erlösung zeigt? Zwar sagt die Schrift: Der Glaube ist nicht Jedermanns Ding; freilich - weil es nicht Jedermanns Ding ist, seinen Willen unter den Willen Gottes gefangen zu nehmen. Zwar sagt Christus selbst: Niemand kommt zu mir, es sey denn, daß ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat; aber damit möge sich kein Ungläubiger entschuldigen; denn wenn er überhaupt das Evangelium kennt, so hat ihn Gott auch gewiß gezogen: und wäre es nicht seine Pflicht gewesen diesem Zuge zu folgen?

Versetzt Euch in die Zeiten, meine Brüder, wo Jesus auf Erden erschien, mit seiner göttlichen Lehre, mit seiner holdseligen Rede, mit dem unwiderstehlichen Eindruck seines ganzen Wesens, mit dem Glanz, den seine Wunder um ihn her verbreiteten. Scheint es Euch nun, daß Diejenigen, die ihm glaubten, die seine Worte in ihr Herz aufnahmen, die ihn für das hielten, wofür er sich ausgab, die sich ihm anschlossen um durch ihn zum Vater zu gelangen - scheint es Euch, daß diese etwas mehr, etwas anders thaten, als ihre Pflicht, als das, was nach strengem Rechte von ihnen gefordert werden konnte? Und Diejenigen, die der aus seinem Munde, seinen geringsten Handlungen hervorbrechenden göttlichen Kraft widerstanden, die ihn nicht hören wollten, die ihn verwarfen - wenn sie sich auch sonst eben nicht zu seinen Verfolgern gesellten - scheint es Euch nicht, daß sie dem Geiste Gottes widerstrebten, und also etwas Pflichtwidriges, eine Sünde, begingen?

Mit dem Glauben aber, wenn man ihn besitzt, ist es nicht wie mit andern Ueberzeugungen. Diese kann man haben, und dennoch bleiben was man war, ehe man sie hatte - ein weltlich gesinnter, der Sünde ergebener Mensch. Der Glaube aber ist eine Kraft das Herz und den Wandel umzugestalten und neu zu bilden. Man bleibt nicht, wenn man ihn in sich aufgenommen hat, was man zuvor gewesen ist; man wird etwas anderes, man wird Christo ähnlich, wird geheiligt, wird ein Mied an seinem heiligen, geistigen Leibe. Andere Ueberzeugungen, selbst wenn sie wahr und richtig sind, kann man oft verschweigen, in sich verschließen, und es kommt wenig darauf an. Der Glaube hingegen, eben weil er eine schaffende und bildende Kraft ist, muß auch das, was er geschaffen und gebildet hat, ans Licht fördern; die neue Creatur muß hervortreten; Christus, wenn er in uns lebt, muß das Bild des alten Menschen, das wir an uns trugen, und in unseren Sünden zur Schau stellten, verdrängen, ertödten und sein heiliges Bild an die Stelle setzen. Dies heißt Christum bekennen. Sicherlich ist ein solches Bekenntniß ein Bekenntniß des ganzen Lebens, das in seinem Keime geheiligt ward. Aber wenn das Herz Christum bekennt durch Unterdrückung sündhafter Triebe und durch die Herrschaft heiliger Gesinnungen; wenn der Wandel Christum bekennt durch Selbstverleugnung, Berufstreue und Bruderliebe: sollte da der Mund schweigen? Kann der Mund schweigen? Ich sollte meinen, daß er es nicht kann, sobald es eine Veranlassung giebt von Christo zu reden und zu zeugen; daß er es nicht kann, und wenn auch die ganze Welt geböte zu schweigen, und wenn auch auf jedes gesprochene Wort der Tod stände. Denn im Innern treibt und arbeitet es zu gewaltig; es muß hervor, wie in Thaten so auch in Worten; - Worte sind ja auch eine That; - wer in einem solchen Falle schwiege, aus Furcht vor dem äußeren Tode, der tödtete ja sein besseres Selbst! Wir können es ja nicht lassen, sprechen Petrus und Johannes, daß wir nicht reden sollten was wir gesehn und gehört haben. Könnte es aber auch Jemand lassen, fühlte er auch nicht so gewaltig diesen Trieb, so dürfte er es nicht lassen; er dürfte nicht schweigen auf der Stelle, wohin Gott ihn gesetzt hat um zu reden; denn wenn er schwiege, so wäre er Schuld, daß an eben dieser Stelle das göttliche Leben, das durch sein Bekenntniß fortgepflanzt werden sollte, unterginge, gehemmt und vernichtet würde; er hätte seinen Brüdern die Erbauung entzogen, die er auch dann noch ihnen schuldig ist, wenn sie ihm dafür mit dem Tode lohnen sollten; er hätte sich von Christo losgesagt, der sein Leben für uns hingab, und der nach heiligem Rechte von uns verlangen kann, daß wir, auf seinen Wink, unser Leben für ihn hingeben sollen.

Es ist kein Gemeinplatz geistlicher Beredsamkeit, wenn ich Euch hier an die Märtyrer der alten Zeit und an die Blutzeugen Jesu Christi erinnere; wenn ich des ersten unter ihnen, des Stephanus gedenke, der unter den Steinwürfen der Juden seinen Geist in die Hände Jesu Christi zurückgab; wenn ich unzähliger Anderer gedenke, die in den ersten drei Jahrhunderten, die Wuth ihrer Feinde, und die Kraft ihrer Henker ermüdeten; und denen die ausgesuchteste, die ausgedehnteste Marter nichts anders als Betheuerungen ihres Glaubens an Christum zu entreißen vermochte. Es ist nöthig, sage ich, daß ich Euch jetzt an diese so oft gepriesenen Streiter Christi erinnere, um zu zeigen, daß das Bekenntnis; des Glaubens beinahe immer von eigenthümlichen Gefahren begleitet gewesen ist, und um die ruhmvolle Verbindung darzuthun, worin die Bekenner des sechzehnten Jahrhunderts mit denen der ersten Jahrhunderte stehen.

Dieser Glaube nämlich, der allein von Christo und seinem Tode Heil und Seligkeit erwartet, dieser Glaube, den die Apostel verkündigt, den die Märtyrer durch ihren Tod bekannt hatten, und der in jedem Geschlecht immer aufs Neue durch das Wort Gottes in der heiligen Schrift entzündet werden sollte; dieser Glaube war im Fortgang der Zeiten, nicht eigentlich verloren gegangen; er war unter vielen menschlichen Erfindungen, die man hinzugefügt hatte, wie verschüttet und vergraben. Christus war nicht mehr der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen, der einzige an den man in aller Noch sich wendete; es gab außer und neben ihm Manches, das dem Menschen in seinen höchsten Angelegenheiten nicht helfen konnte, und worauf man dennoch sein Vertrauen setzte. Sein blutiger Tod war nicht mehr das einzige Mittel, durch welches man Vergebung, der Sünden hoffte; man dachte sie auch durch eigene Werke zu verdienen. Die Heilige Schrift stand nicht in der ihr gebührenden Achtung und Würde, weil man meinte, nicht aus ihr allein, sondern auch aus anderen, immer nur unlauteren Quellen, die göttliche Lehre schöpfen zu können. Und daß nun der Glaube aus diesem Dunkel hervorgezogen; daß für Christum, als für den Einzigen, durch den wir selig werden können, ein heiliges Feuer entzündet; daß alle Hoffnung auf menschliche Hülfe aufgegeben und dafür ein volles Vertrauen auf ihn gesetzt; daß aus der Schrift, als aus dem einzigen wahrhaftigen Worte Gottes an die Menschen, nun wieder mit einem heiligen Purste geschöpft ward: dies ist das eigentliche Wesen jener großen Veränderung, der unsere evangelische Kirche ihren Ursprung verdankt.

Waren nun diejenigen, welche Gott mit diesem Glaubenslichte begnadigt hatte, waren sie nicht verpflichtet, es hell vor aller Welt leuchten zu lassen, trotz den Gefahren, womit die Anhänger des verjährten Irrthums sie bedrohten? Sie waren es, meine Brüder, und sie haben diese Pflicht mit einem christlichen Muthe, mit einem frommen Gottvertrauen, die unserer wärmsten Verehrung würdig sind, erfüllt. Luther trat zuerst mit seinem Bekenntniß hervor, und der Tag, an welchem er . es der Oeffentlichkeit übergab, ist von uns vor dreizehn Jahren, als der Anfang jener großen Bewegungen gefeiert worden. Wie er, so wurden viele Andere begnadigt; viele Andere glaubten wie er, daß wir nur durch Gottes Wort in der Schrift von seinem Willen belehrt, nur durch den Glauben gerecht werden können; wie hätten denn auch diese einfachsten christlichen Grundlehren, nachdem sie einmal wieder ausgesprochen waren, nicht in Vieler Herzen Eingang finden sollen? In eben dem Maße aber als die Anhänger der evangelischen Lehre sich vermehrten, sich fester an einander schlossen, in eben dem Maße befestigte sich auch das Bündniß ihrer Gegner, und diese waren ihnen an Anzahl und Macht weit überlegen. Was bisher Pflicht der Einzelnen gewesen war - zu bekennen - das ist nun Pflicht der Gesammtheit, und diese Pflicht wird erfüllt. Ganze Völkerschaften und Städte, ihre Fürsten und ihre Obrigkeiten an der Spitze, legen zu Augsburg vor Denjenigen, die damals in Deutschland und in ganz Europa die Größten und Mächtigsten waren, das Bekenntniß ihres Glaubens ab.

Und was bekennen, was erklären, was verlangen sie? Möchtet Ihr doch, meine Brüder, Euch mit dem Inhalte dieser Schrift bekannt machen, um daraus zu ersehen, wie sich die evangelische Denkungsart gestaltet hatte, und ob schon damals die Grundsatze galten, die man jetzt zuweilen für diejenigen unserer Kirche ausgeben will. Verwerfen sie etwa alle Geheimnisse, welche die Vernunft nicht erreichen und nur der Glaube demüthig auffassen kann? Wollen sie etwa die Vernunft einsetzen zur Richterin über Gottes Wort, um aus demselben, nach ihrem Gutdünken, das Eine anzunehmen und das Andere zu verwerfen? Wollen sie etwa neue Lehren einführen, und sich von denjenigen lossagen, welche die Kirche von Alters her aus der Schrift geschöpft und festgestellt hatte? Nein, ihr Bekenntniß ist eine Erklärung für, nicht gegen den Glauben, eine Bestätigung, nicht eine Verwerfung dessen, was als Hauptlehre von jeher in der Kirche gegolten hatte. Allen Zusammenhang mit der Vorwelt aufzuheben, als sey nun erst am Ende der Zeiten, die Wahrheit entdeckt, nun erst die Schrift in ihren wichtigsten Aussprüchen richtig verstanden worden, das ist überhaupt nie eine christliche, nie eine echt evangelische Denkungsart gewesen. Sie erklären, es werde bei ihnen gelehrt und gehalten, wie die Kirche es schon in ihren frühesten Zeugnissen anerkannt hat, daß Ein Gott ist, und in demselbigen einigen göttlichen Wesen drei Personen sind; daß alle Menschen in Sünden empfangen und geboren werden, und keine wahre Gottesfurcht, keinen wahren Glauben an Gott, von Natur haben können; daß Gott der Sohn sey Mensch geworden, und daß die zwo Naturen in Einer Person, also unzertrennlich vereinet, Ein Christus sind; daß wir Vergebung der Sünden und Gerechtigkeit vor Gott nicht erlangen durch unser Verdienst, sondern aus Gnaden, um Christi Willen, durch den Glauben. Hiermit zusammenhängend, von gleicher Art und Beschaffenheit, ist was sie ferner bekennen, und sie verwerfen nur dasjenige, was mit diesen Hauptwahrheiten der christlichen Lehre nicht in Einklang zu bringen ist. Tiefer, schmerzlicher hätte man sie, hätte man den Glaubenshelden Luther wohl nicht kränken können, als durch die Beschuldigung, daß sie an einer von jenen angeführten Wahrheiten zweifelten, daß sie das Recht, ihre Zweifel der Welt mitzutheilen, sich erstreiten wollten. Sie stritten für Christum, für seine Ehre, für das Verdienst seines Todes, für das Ansehn des göttlichen Wortes; und wenn man in ihrem, und namentlich in Luthers Verhalten nicht die Kraft erkennt, die Christus allein geben kann, und die er nur Denen, giebt, die für ihn kämpfen, so muß man blind seyn. Hätte es nicht Christum und seine Ehre gegolten, was hätte wohl Luthern mit dem Muthe beseelt, gen Worms zu ziehen, ob er gleich dort kein ander Schicksal als den Feuertod Hussens erwartete; was hätte ihm wohl, als er dorr vor der Versammlung des Reichstages stand, an jenem schönsten und glorreichsten Tage seines Lebens, die eines Apostels würdigen Worte eingegeben: „Ich kann und will nichts widerrufen, weil weder sicher noch gerathen ist, etwas wider das Gewissen zu thun. Hier siehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen.“ Wenn es nicht Christum und seine Ehre gegolten hätte, was hätte denn wohl die Augsburgischen Bekenner, diese Fürsten und Städte vermocht, zu diesem keineswegs gefahrlosen Schritt sich zu vereinigen? Nur was aus dem Glauben an Christum hervorging, nur was Ihn verherrlichte, das hieß man damals evangelisch: möchte man nie etwas anderes darunter verstanden haben!

Ob es nun nicht Eure Pflicht ist, meine Brüder, diesen Glauben anzunehmen, den Christus forderte und den er unwiderstehlich allen empfänglichen Herzen einflößte; den die Apostel verkündeten und der in der ersten christlichen Kirche herrschte; der von den Vätern der evangelischen Kirche aus dem Dunkel hervorgezogen, und von ihnen als das höchste Kleinod geschätzt wurde, für welches Gut und Leben aufgeopfert werden müßten; den Ihr überkommen habt, und der Euch jetzt von Vielen verkündigt wird; - ob es nicht Eure Pflicht sey diesen Glauben zu bekennen, in dem ganzen Umfange dieses Wortes, durch ein Christo geweihtes Leben, durch Verschmähung der Welt und ihrer Lüste, aber dann auch durch eine offene und feste Erklärung gegen Alles, was mitten in der evangelischen Kirche höchst unevangelisch ist - das überlasse ich nun Euch zu entscheiden, und ich halte es für unmöglich, daß hierüber ein Zweifel bei Euch obwalten könne.

Dies Bekenntnis; des Glaubens wird, sagten wir zweitens, von Gott durch die reichsten Segnungen begnadigt. Gerechtigkeit und Seligkeit sind seine Früchte für den gläubigen Bekenner selbst. So man von Herzen glaubt, so wird man gerecht, und so man mit dem Munde bekennet, so wird man selig, sagt unser Text; dies sagt die Schrift an unzähligen Stellen, wo sie den Glauben als das einzige Mittel preiset, Gottes Wohlgefallen zu erlangen; und dem gemäß erklärt auch unsere Bekenntnißschrift, daß wir gerecht werden um Christi Willen durch den Glauben, und daß solcher Glaube gute Früchte und gute Werke bringen soll. Ja, ein Glaube, der uns mit Allen, die im Himmel, auf Erden und unter der Erde sind, unsre Knie vor Christo beugen, uns auf seinen blutigen Tod allein, nicht auf eigene Werke unser Vertrauen setzen läßt; ein Glaube, der thätig ist durch Liebe zu Gott und zu den Menschen, der Christum bekennet durch Wort und durch That, und der dabei weder die Gewalt noch das Hohngelachter der Gegner scheut: der macht schon selig hier auf Erden, weil er mit dem freudigen Bewußtseyn erfüllt, Christo anzugehören und sein Eigenthum zu senn; der führt zur Seligkeit des Himmels, wo Christus Diejenigen, die ihn also bekannten, auch vor seinem himmlischen Vater bekennen will. Indem wir also jene Reihe gläubiger Bekenner durchlaufen, die mit den Aposteln anfängt, und die uns in den Zeiten der Glaubensverbesserung so manche uns bekannte und theure Namen zeigt; indem wir ihre Mühe und ihre Arbeit bedenken, und die vielen Gefahren, die sie so heldenmüthig bestanden: so können wir uns sagen, schon in ihrem Kampfe waren sie selig durch das Gefühl, für Christum zu kämpfen; jetzt ist ihnen beigelegt die Krone der Gerechtigkeit; sie ruhen von ihrer Arbeit und ihre Werke folgten ihnen nach. Ueberschwänglich reicher Gnadenlohn, den auch wir empfangen sollen, wenn wir uns dieser Reihe würdig anschließen, und dessen Hoffnung uns stärke unter den Stürmen und Hindernissen der jetzigen Zeit, Christum treu zu bekennen!,

Das gläubige Bekenntniß, das den Bekenner selbst gerecht und selig macht, hat aber auch eine nach Außen wirkende Kraft, indem es zur Bildung, Erhaltung und Befestigung der Kirchengemeinschaft beiträgt. Das Wort eines lebendigen, aus der Schrift geschöpften Glaubens ist mit muthiger Geringachtung aller deßhalb zu besorgenden Nachtheile ausgesprochen worden. Manche Andere vernehmen es, und nun erst wird es ihnen klar, daß sie schon längst eben so gedacht, geglaubt haben, ob sie sich gleich ihrer Ueberzeugung, ihres Glaubens nicht eben so deutlich bewußt gewesen sind; nun erst, durch dies Beispiel ermuntert, gewinnen auch sie den Muth, der sonst ihnen fehlte, mit dem Bekenntnis; des Glaubens hervorzutreten. Alle diese sind nun Eins geworden, sie sind verbunden durch das stärkste aller Bande, den gemeinsamen Glauben, und das gemeinsame Bekenntniß. So flogen Luthers Worte durch Deutschland; und seine Lehre, daß die Bibel allein Gottes Wort, daß der Glaube allein Bedingung der Seligkeit ist, ward mit der Freude aufgenommen, womit man ein verloren geglaubtes, lang entbehrtes, theures Kleinod empfängt. Alle, welche sie annahmen, wurden nun in Christo Eins mit ihm. Bedeutend war ihre Anzahl gewachsen; da bekannten nicht nur die Einzelnen; sondern Alle, als Ein Ganzes, traten bekennend auf, um der Welt ihren gemeinsamen Glauben, das Band ihrer Kirchengemeinschaft darzulegen. In diesem ausgesprochenen und abgelegten Bekenntnisse wurden nun Alle sich ihrer Verbindung noch deutlicher und freudiger bewußt. Es bewog viele andere, die ihm ihre Zustimmung nicht versagen konnten, sich ihnen anzuschließen. Es ging über auf die folgenden Geschlechter, und ward von ihnen angenommen, weil sie keinen andern Glauben hatten, als den Glauben der Väter, und weil dieser darin auf das vollkommenste ausgesprochen war. So ward es für unsere Kirche ein Mittel der Verbindung. Wie hätte sie denn auch bestehen und sich eigenthümlich gestalten können, wenn sie nicht das, was sie für den reinen Inhalt der Schrift ansah, ihren Mitgliedern, und denen, die sich außerhalb befanden, dargelegt hätte? Niemals soll dieses Bekenntniß der Schrift gleichgestellt werden, aber es soll zeigen, wie die evangelische Kirche die Schrift versieht, und wie sie dieselbe verstehen muß, so lange sie eben diese evangelische Kirche bleiben, und nicht etwas anderes werden will.

Denkt Euch nun, meine Brüder, eine Kirche, die ein solches Bekenntniß besäße, das die reine Lehre der Schrift darstellte; die dadurch verbunden und zusammengehalten würde; die es fortpflanzte von Geschlecht zu Geschlecht; deren Mitglieder es annähmen, ohne Zwang, freiwillig, aus Ehrfurcht für den Glauben der Väter, aus eigener Ueberzeugung: würde nicht eine solche Kirche wahrhaft ihre Bestimmung erfüllen, würde sie nicht hier auf Erden eine herrliche Erscheinung seyn? Die Glaubenslehren würden in ihr stets der Gegenstand eines tiefen Forschens und Nachdenkens bleiben, welches suchte sie fester durch die Schrift zu begründen, deutlicher ihren Zusammenhang zu erkennen; sie einflußreicher für die Erbauung darzustellen; aber diese Glaubenslehren würden nicht mehr der Gegenstand des Kampfes seyn zwischen zwei Partheien, von denen die eine sie leugnete und angriffe, während die andere sie vertheidigen müßte. Befreit von der Unruhe, womit ein schwankender, bezweifelter Glaube die Gemüther plagt und ängstiget, würden diese ihre ganze Kraft hinwenden auf das, was die eigentliche Aufgabe jedes Christen, und jeder christlichen Gemeinschaft ist: die Ausbildung des innern Lebens. Daß der Christus, den man mit dem Munde bekannte, auch in dem Herzen regierte, sich dort mehr und herrlicher gestaltete, sich in einer heiligen Gesinnung und einem heiligen Wandel offenbarte: das würde nun die Sorge, die eifrige Bemühung eines jeden seyn. Dabei würde Einer den Anderen unterstützen; und die Liebe, welche da, wo Spaltungen über den Glauben herrschen, so schwer zu bewahren ist, und so leicht gestört wird, sie würde, bei dieser Einheit des Glaubens und des frommen Strebens, alle Gemüther erfüllen. Eine Hoffnung des Berufes für Alle; Ein Herr, Ein Glaube, Eine Taufe; Ein Gott und Vater ihrer Aller; so wären sie denn auch Ein Leib und Ein Geist; so wären sie Alle umschlungen von dem Bande des Friedens.

Diesem Bilde, meine Brüder, hätte unsere Kirche entsprechen, eine solche glückliche, herrliche, blühende Kirche hätte sie werden können; aber ach! ich sage es mit tiefer Wehmuth, und ohne die großen Vorzüge, die ihr auch jetzt noch eigen sind, zu verkennen - sie ist es nicht geworden; sie, ist es wenigstens jetzt nicht. Der vollkommenste Grund war gelegt - Christus selbst! Aber nicht Alle haben auf diesen Grund weiter gebaut. Einige zwar, dafür sey Gott gepriesen, haben immer den Glauben der Väter geehrt, haben immer freudig die Uebereinstimmung desselben mit den Lehren der Schrift anerkannt; haben durch ein gleichlautendes Bekenntniß sich ihnen und den früheren Jahrhunderten angeschlossen. Andere aber - und dies ist wohl die Mehrzahl - sind von dem Glauben der Väter abgewichen; sie haben auf die Zeugnisse, worin diese ihn der Welt mit so vielem Heldenmuthe dargestellt hatten, nur einen geringen Werth gelegt; sie haben sich selbst ganz von Neuem und von vorn herein ihre Ueberzeugung schaffen wollen. Indem sie nun aber den Glauben verließen, sind sie in ein endloses Meinen und Behaupten, in eine zahllose Verschiedenheit eigenthümlicher Vorstellungen hineingerathen. Dabei ward der Glaube der Väter und die Lehre der Kirche nicht geschont; täglich wurden neue Einwendungen dagegen ausgebrütet, neue Angriffe darauf gerichtet; für die welche angriffen, wurden dieselben Rechte, ja größere als für die, welche vertheidigten, gefordert. In dieser Beweglichkeit der Meinungen, in diesen stets sich erneuenden Versuchen, jeglichen Theil des Lehrgebäudes, der bisher festgestanden hatte, zu erschüttern, sehen Einige den Ruhm und den Vorzug unserer Kirche. Ich kann nicht diese Ansicht theilen. Die Wahrheit, sagen sie, wird endlich siegen. Ich weiß wohl, daß die Wahrheit am Ende jeden einzelnen Irrthum belegt; ich weiß aber auch, daß es nur Eine Wahrheit und daß es unzählige Irrthümer giebt; daß, wenn einer besiegt ist, immer neue hervorschießen, und daß also der Kampf dauern kann bis ans Ende der Welt. Immer die Wahrheit suchen, und sich nie bei der, die schon vorhanden ist, beruhigen - das möchte einem Freistaat von sogenannten Weltweisen geziemen; aber der Kirche geziemt es nicht: diese hat und besitzt die Wahrheit; sie ist ihr Fundament, und auf die Wahrheit soll sie die Liebe bauen. Die Liebe! Ist diese eben sehr unter uns herrschend? Sind die Vertheidiger der Wahrheit selbst, es sich immer bewußt, daß ihrem lobenswerthen Eifer nichts Unlauteres sich beimischt? Und nun vollends ihre Gegners Mit welchem Hohn, welcher Verachtung behandeln diese nicht die Anhänger der geoffenbarten Lehre!

Welche Spottnamen sinnen sie nicht gegen dieselben aus. Mit welchen grundlosen, unerhörten, frevelhaften Beschuldigungen wagen sie nicht ihr Leben anzutasten! Solche Streitigkeiten werden bekannt, erregen Aufsehn, es entsteht eine Bewegung, die sich der größeren Anzahl der Christen mittheilt; die Wahrheit findet ihre Anhänger, noch mehrere findet der Irrthum. Alle Gemüther sind aus ihrer ruhigen Fassung gebracht; alle erwarten mit Ungeduld, welchen Ausgang die Sache nehmen werde. Welchen Ausgang? meine Brüder. Der Ausgang ist immer der Sieg der Wahrheit, der reinen evangelischen Lehre; aber was hilft er Euch, wenn Ihr stets in neue Irrthümer verfallt? Erkennt doch einmal, daß die Wahrheit feststeht; sie heißt: Christus ist der Eingeborne, ewige Sohn Gottes; der Glaube an ihn ist die einzige Bedingung zur Seligkeit. Und bemühet Euch nun aus diesem Glauben jegliche christliche Tugend zu entwickeln, durch ihn mit Christo in eine engere Gemeinschaft zu treten, durch ihn das äußere und das innere Leben, das Lebendes Einzelnen und des Ganzen zu bessern. In Geheimnisse der Gottseligkeit, die Ihr bisher noch nicht geahndet habt, würdet Ihr auf diesem Wege eindringen; würdet an Euch und um Euch eine nothwendige unermeßliche Arbeit finden.

Mitten in diesen unruhigen Bewegungen erscheint die heutige Feier, Glauben, Liebe und Frieden gebietend. Ihr evangelischen Christen - dies möchten die vornehmsten Lehren senn, die sie gleichsam mit lauter Stimme Euch verkündet - Ihr evangelischen Christen, es ist etwas Schönes um eine Kirche, die nicht nur durch ein schriftliches todtes Glaubensbekenntniß, sondern auch durch einen lebendigen, gemeinsamen Glauben verbunden ist. Möchtet Ihr nach diesem Ziele, das Ihr so oft aus den Augen verloren habt, von jetzt an mit Eifer und mit Beharrlichkeit streben! Gebet zu dem Ende dies unaufhörliche selbstgefällige Behaupten und Meinen auf, und fanget an einfach zu glauben und zu bekennen. So lange der Streit noch dauert, so streite nur der, welchen Gott besonders dazu ausgerüstet und berufen hat; ein jeder andere wisse, daß er zum festen und lauten Zeugniß, aber zu nichts weiter, verpflichtet ist. Euer Streben im Ganzen sey immer auf Verbindung, nicht auf Trennung und Absonderung gerichtet. Suchet immer bei weitem mehr dasjenige, worin Ihr übereinstimmt, als dasjenige, worin Ihr noch von einander abweicht, aufzufinden und hervorzuheben. Seyd mit der Uebereinstimmung in der Hauptsache zufrieden, und erhebet nicht unnütze Streitigkeiten über Nebendinge. Was kann es nutzen, wenn die Gläubigen, die fest verbunden, mit einem gemeinsamen Bekenntniß gegen die Ungläubigen dastehn sollten, sich selbst untereinander entzweien oder geringschätzen, weil der Glaube des Einen nicht so vollkommen als der Glaube des Andern ist? Wer da glaubt, daß Christus wahrer Gott, und daß der Glaube an ihn die einzige Bedingung zur Seligkeit ist, mit dem siehe ich in der Gemeinschaft des Glaubens, und er mit mir; dies ist wenigstens die Erklärung, die ich für mein Theil abgebe; in Allem Uebrigen wird Gott, wenn es Zeit und wenn es Roth ist, uns zur Uebereinstimmung verhelfen. In diesen wesentlichen Stücken des Glaubens stimmten die Anhänger Luthers mit denjenigen evangelischen Christen überein, die sich andere Führer wählten; die zwischen Beiden bestandene Trennung werde endlich - es ist Zeit! - im Inneren und im Aeußeren aufgehoben. Ein jeder strebe als ein Jünger Christi erkannt zu werden an dem Zeichen, welches der Herr selbst für das vornehmste ausgegeben hat; an der Liebe! An der Liebe für Christum und für die Brüder! Und wie sehr würde es auch die Uebereinstimmung im Glauben vorbereiten und erleichtern, wenn es als Grundsatz angenommen würde, daß Keiner, bei dem sich einige Liebe für Jesum findet, auf welcher Stufe des Glaubens er auch stehn mag, als ein gänzlich Ungläubiger behandelt werden dürfe! Christum wollen wir lieben über Alles; um Seinetwillen wollen wir auch die Ungläubigen lieben; denn er kann ja auch ihnen noch gnädig seyn und sie zum Glauben erwecken; um Seinetwillen wollen wir die Gläubigen lieben, und kleiner Unterschiede vergessen, um mit ihnen gemeinschaftlich für seine Ehre, für die Verbreitung seines Reiches zu wirken.

Mit Liebe, Dankbarkeit und Verehrung gedenke heute ein Jeder unsers theuren Königs, des ersten und erhabensten Mitglieds der ganzen evangelischen Kirche! Er hat die heutige Feier angeordnet, er hat sich öffentlich zu dem Geiste des wichtigen Denkmals, das sie veranlaßt, bekannt; er hat der Kirche stets seine treue Sorgfalt zugewendet; er ist unablässig bemüht gewesen, sie, unter Gottes Beistand, ihrer hohen Bestimmung näher zu bringen. Der Segen des göttlichen Oberhauptes der Kirche ruhe auf ihm, und auf seinen Bemühungen, und lasse für uns und für die fernste Zukunft die herrlichsten Früchte daraus hervorgehen!

Göttliches Oberhaupt der Kirche, allmächtiger Sohn Gottes, der Du zur Rechten des Vaters sitzest! Auf das Bekenntniß, daß Du der eingeborne Sohn Gottes bist, sollte - das erklärtest Du, als Dein Petrus diesen Glauben aussprach - Deine Kirche gegründet werden, und die Pforten der Hölle sollten sie nicht überwältigen. So erfülle denn diese Verheißung an unserer Kirche, denn sie hat sich gebildet durch ein Bekenntniß, das mit jenem des Petrus übereinstimmt, das nur Deine göttliche Ehre und Würde, das Ansehn Deines Wortes, die Kraft Deines Todes zu preisen und zu verherrlichen dienen sollte. Du hast sie erfüllt während dreier Jahrhunderte - diese Verheißung! Der Glaube, ob er gleich immer angefochten ward, besieht in Vielen; Viele finden in jenem theuren und wichtigen Bekenntniß die Darstellung ihres eigenen Glaubens. Erfülle auch in Zukunft Deine Verheißungen; laß uns Alle emporschauen zu Dir und die Wirkungen Deiner Gnade treuer und empfänglicher aufnehmen. Unsere Kirche befindet sich im vierten Jahrhundert ihrer Dauer; gewähre ihr in demselben auch die Güter, deren allgemeine Verbreitung, bei so vielen Vorzügen, in ihr noch vermißt wird; gewähre ihr und allen ihren einzelnen Mitgliedern, Glauben, Liebe. Frieden! Amen.

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