Tauler, Johannes - Achtzehnter Brief.

Tauler, Johannes - Achtzehnter Brief.

Von des Herzens Lauterkeit und Inbrunst.

In Christo Jesu! Allen Dingen sterben und mit ihm ewig auferstanden seyn. Liebe Schwestern! Ich begehre euch, daß euer Jubeljahr an dem innern und äußern Menschen vollbracht sey, so daß ihr sonder Furcht euch dem innersten, einfachsten, unabgewendeten, lautersten Grunde frei lassen könnet mit vergangener Verlorenheit aller Erinnerung, mit wesentlicher verklärter Liebe; und was immer euch davon hindern oder hinausziehen wollte, das lasset fahren und folget diesem sicher.

Liebe Kinder! ein jeglicher nehme seiner selbst fleißig wahr, und seines Rufes, in welchem ihn Gott gerufen hat; denn wisset, daß der Mensch nicht allein einen ewigen Schaden davon haben wird, wenn er hierin zurück bliebe, sondern er wird ungemessene Pein in dem Fegfeuer darum leiden, weil er die Erwählung Gottes verschmäht und widerstanden hat. Für ein jegliches, Bild, das er willig in sich hat stehen lassen, das ihn von Gott gehindert und die Stätte Gottes verkümmert hat, wird er solchen Jammer und Pein leiden müssen, daß, wenn er das nun wüßte, und wenn er auch nach seinen Wünschen all die Lust haben könnte, ganz zusammengeschmolzen, die von Adams Zeiten bis an den jüngsten Tag alle Menschen je erdachten oder je gewonnen, - daß er sie lieber entbehren und der ärmste und aussätzigste Mensch werden wollte, der auf Erden lebt, denn daß er das allermindeste Fegfeuer leiden wollte, das je ein Mensch nur eine einzige Stunde gelitten.

Ich begehre, daß die unaussprechliche Liebe Gottes euch durchgieße mit feurigen Gedanken, euch ihm ganz und gar zu vereinigen in seiner wonnesamen Verbrennung also, daß ihr vergesset, was hinter euch ist, zu einer Beschämung eurer selbst und aller Creaturen, und euch zwinget über und auf, zu dem Vordersten des inwendigen Menschen in dem Abgrunde der Demuth, der Lauterkeit, und der Einheit und Ewigkeit, und den äußern Menschen beschlossen haltet von allen äußerlichen Sorgen und von natürlicher Anhänglichkeit, von Eigenwillen und von aller Betrübniß gegenwärtigen Glücks und Unglücks. Dieß wirke in euch und in mir der wahre Werkmeister, der es allein vermag.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/t/tauler/sendbriefe18.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain