Tauler, Johannes - Fünfzehnter Brief.

Tauler, Johannes - Fünfzehnter Brief.

Von feurigen Begierden zu der Vereinigung Gottes.

In Christo Jesu grüße ich euch und begehre in die flammende, brennende, glühende Liebe Gottes, daß er euch entzünde und durchleuchte alle euere Kräfte mit solcher kennbaren Empfindung euerer Seele, daß all euer Gemüth umfangen werde mit Liebe und mit reichem, vollkommenem Nachfolgen, dem süßen Rufe und dem Zuge der ewigen Liebe nach, in dem die heilige Dreifaltigkeit euch ewig angesehen hat, zu wirken und zu leiden, in ihre Ewigkeit und in das überwonnigliche Wesen des ewigen Sohnes. Ach meine Schwestern! nun erhebet alle euere Kräfte aufwärts, durch alle Werke und durch allen Zufall, und durch alle Leiden, in einer begierigen, liebenden Erwartung, daß ihr allzeit von Gott allein geführt und geleitet werdet, durch euch selbst und durch alle Dinge ausgezogen, und lasset die Begebungen nicht rasten, weder durch Trägheit, noch Härte, noch durch irgend eine Verzweiflung an dem allerhöchsten und besten Gute; denn Gott ist der allerbereitwilligste und allermildeste, sich selbst gänzlich allervollkommenst und allerherrlichst zu geben. Darum erneuert euch allzeit mit Erhebung eures Gemüthes und mit Begehrung Gottes, so erfüllt es Gott allzeit mit neuen Gaben seiner Liebe. Und wisset liebe Schwestern in der Einheit unseres Heiles, daß, wenn ich und alle Creaturen euch ohne Unterlaß all den Adel euerer Seelen vorsagen würden, das in euch keine ewige Frucht bewirken könnte; denn was lebendige Frucht und ewige Seligkeit in uns wirken soll, das muß mit durchdringenden Begehrungen. und mit wirksamen Kräften gegenwärtig vor Gott erbeten und erhalten werden; denn in dem Inbleiben in liebenden Begierden offenbart sich allzeit jenes göttliche Werk, das ein jeglicher Mensch leiden muß, wie Gott es will; denn in liebenden Begierden kann keine Irrung fallen, und kann auch keine Verfügung geschehen. Hiezu ist niemand zu alt, noch zu schwach, noch zu unvernünftig. Gott muß seiner großen Liebe wegen allzeit den Begehrenden sich selbst geben. Aber ich begehre von der ewigen Wahrheit, daß er euch mit seiner Liebe so berühre und besitze, daß er sein ewiges Wort so einfach und verständlich reden könne, daß ihr die Worte aller Creaturen nicht mehr bedürfet.

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