Tauler, Johannes - Medulla Animae - Achtes Kapitel. Von dem Gebrauch der Gaben Gottes, und wie die entzogene Gnade wieder zu erlangen sei.

Tauler, Johannes - Medulla Animae - Achtes Kapitel. Von dem Gebrauch der Gaben Gottes, und wie die entzogene Gnade wieder zu erlangen sei.

Der allmächtige Gott gibt uns nimmermehr deshalb Seine Gaben, dass wir nur haben und besitzen, sondern dass wir sie gebrauchen, mit ihnen wirken und fleißig nachsehen, zu welchem Zweck, und zu welcher Absicht Er sie von uns gebraucht und angewendet wissen wolle; denn von dem Samen, den er ausstreut, erwartet Er die Frucht. Er gibt uns keinen Trost, einzig des Trostes wegen; locken will er uns damit, ablocken von uns selbst und allen Dingen außer Ihm, zu Ihm, Sein sollen wir werden. Wären wir freilich so stark im Glauben und in der Treue gegen Ihn und uns, Alles auch ohne Seinen Trost und Erleichterung zu tun, das wäre wohl herrlicher vor Gott, und heilsamer und verdienstlicher für uns; Freude und Trost sollten wir hienieden gar nicht verlangen, sie sind der Lohn und Preis des künftigen Lebens, dem wir nur jenseits entgegensehen. Lasst uns hier keinen Lohn begehren; uns Fremdlingen, hier ohne Heimat, gebühren nur Leiden, Seufzer und Tränen; ist ja doch die Welt kein Freuden-, sondern ein Tränen-Tal! Ja, Tröstungen jetzt schon könnten uns wohl eher schädlich werden, und uns das wahre Gut verlieren machen; und, wahrlich! der Herr gibt Seine Tröstungen gemeiniglich auch nur den Schwachen, den Anfängern, den Kleinmütigen; nehmt es als Wahrheit hin, gäbe der Herr uns jetzt lauter Trost und Erquickung, die Freude des künftigen Lebens würde für uns weit geringer sein. Du weißt, wahrlich! noch nichts von Selbstverleugnung, sonst würdest du dem Herrn auf deine, und nicht immer auf Seine Kosten zu dienen begehren; willst du dich immer begnügen, du Schwacher, mit dem Kinderlohn des bisschen Wissens, des Erfahrens, des Gefühls? wärest du ein wahrer geübter Diener des Herrn, dir würde der nackte, bloße Glaube, ohne alles Wissen, Erfahren und Fühlen, genügen; ja, freuen würdest du dich dessen, als einer besonderen Gnade des Herrn; denn je reiner der Glaube, je einfacher und nackter er ist, um so viel edler, köstlicher und verdienstlicher ist er. In diesem Glauben offenbart Sich Gott dem Menschen auf eine besondere und wunderbare Weise nach Seiner verborgenen Wesenheit; der bloße und lautere Glaube gehört für dieses jetzige arme Leben; das Wissen aber und Verstehen ist der Preis des künftigen, denn all unser Tun und unsere Seligkeit kommt aus dem Glauben. Ist dieser Glaube nicht schon bei dem alltäglichen Menschen? Fragst du jemand, wer dessen und dieses Eltern sind, und man nennt dir diese oder jene als solche, so glaubst du, was man dir sagt; hörst du von Einem, dieser und der sind gestorben, du glaubst es, und weißt es doch nicht: siehe, Gleiches muss, und wird auch gelten müssen von den Geheimnissen des Christentums; dein Verstand und die Vernunft fassen sie nicht, als Christ aber glaubst du sie, und musst sie glauben. Ja, ein köstlich Ding ist der bloße Glaube! einen bloßen Glauben nennen wir ihn, nicht als wäre er entblößt der guten Werke (die doch einzig aus ihm kommen können und sollen), sondern deshalb heißt er bloß, weil er, um glauben zu können, weder wissen will, noch sonst fühlbare Tröstungen fordert.

Dass aber besondere Tröstungen, Belehrung, oder nähere Offenbarungen keineswegs zur wahren Vollkommenheit gehören, kannst du daraus abnehmen, dass Manche, denen dergleichen besondere Dinge und Tröstungen widerfahren, wenn diese vorüber sind, oft gebrechlicher, und geneigter sich finden und fühlen zur Sünde, als vorher und sonst; wie wir oben sagten, für Anfänger und Schwache gehören derlei besondere Hilfs- und Aufmunterungs-Mittel; schreiten sie aber nach und nach vor, und werden fester und besser, dann finden auch sie kein anderes Trost- und Rettungs-Mittel, als sich in Einfalt an den bloßen Glauben zu halten; hier leuchten nun freilich keine besonderen Lichter, aber Gott wohnt denn doch lebendiger in ihnen. Stirbst du dir männlich und entschlossen im Glück wie im Unglück ab, dann sei überzeugt, du wirst durch dieses Verzichtleisten deiner selbst und durch die Einfalt des Glaubens zu größerer Vollkommenheit gelangen, als andere auf anderen Wegen.

Aber auch selbst die Anfänger führt der Herr auf diesen scheinbar rauen Weg, auch ihnen entzieht er manchmal diese empfindliche Andacht, und die genannten süßen Gnadenspendungen; Er will sie Demut lehren und ihnen zeigen, dass nicht sie es waren, die sich den innigen Eifer, die Andacht und das liebende Verlangen nach Ihm gegeben haben, sondern Er nur der Spender alles dessen war; sie sollen die Probe bestehen, ob ihre Gottes-Liebe auch der Art sei, die da ausdauert in wahrer Geduld und Ergebung. Auch unser Undank gegen Seine Gnaden und Gaben soll gerügt werden, auch deshalb entzieht er Seine Gnade; wir haben nämlich vielleicht lange schon aufgehört, uns in der Jugend zu üben, und nicht unterhalten in uns die Flamme der heiligen Begierden; das ahndet nun der Herr, aber, wahrlich! nur in väterlicher Absicht; reinigen will Er uns dadurch, fähiger und empfänglicher uns machen für höhere Gnaden, und unser Herz zu innigerem Dank stimmen, wenn er sie an uns verteilt, das Erhaltene weise anzuwenden, und der Geber allein und einzig in Seinen Gaben zu suchen.

Hast du aber die Gnade des Herrn verloren, und er solche dir entzogen, und wünscht, derselben wieder habhaft und empfänglich zu werden, dann gehe so zu Werke: bekenne in gründlicher Demut vor dem Herrn deine Undankbarkeit, bekenne vor Ihm, dass du Seiner ferneren Gnade durchaus unwürdig seist, übergib dich Ihm in wahrer Gelassenheit als ein trostloses armes Opfer, das da ausharren will, als solches vor Ihm, so lange es Ihm gefällt. Fliehe mit großem Ernst alle sinnliche Lust, und sinnlichen Trost wie den Tod selbst, kehre in dich selbst ein, zwinge dich zu guten tugendlichen Übungen, sei fest und standhaft im Dienst Gottes, betrachte das Leiden des Herrn, zwinge dich dazu, gleichviel, ob das Herz wolle oder nicht, ob es dir zu Herzen gehe oder nicht; empfange in großer Demut das heiligste Geheimnis des Leibes des Herrn, damit die ewige Liebe des Herrn durch die Kraft dieses heiligen Sakramentes in dir sich entzünde, alles Ungleiche in dir getilgt, und du ganz in Gott überformt wirst. Wer immer in diesen Stücken, oder wenigstens in einigen derselben sich übt, dem wird Gott Seine Gnade wieder bieten, oder der gütige Gott, sollte er dich dennoch in deiner Armut und Not noch stecken und warten lassen, würde es einzig zur größeren Versicherung deines Heiles tun; denn auch Seine liebsten Freunde lässt Er oft in diesem Leben in innerer und äußerer Not und Verlassenheit; sie sollen durchaus ein brennendes Opfer der Liebe nach Seinem Wohlgefallen in Zeit und Ewigkeit sein.

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autoren/t/tauler/medulla_animae/tauler-medulla_animae_-_kapitel_8.txt · Zuletzt geändert: von aj
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