Strigenitz, Georg - Die sechste Predigt von dem gräulichen Blutbade und Niederlage der Kinder zu Bethlehem und in derselben Gegend herum. Matth. II.

Strigenitz, Georg - Die sechste Predigt von dem gräulichen Blutbade und Niederlage der Kinder zu Bethlehem und in derselben Gegend herum. Matth. II.

(Infanticidium Bethlehemiticum. Leipzig 1611. 4. S. 105.)

Textus:

Und schickte aus und liess alle Kinder zu Bethlehem tödten und an ihrer ganzen Gränze, die da zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er mit Fleiss von den Weisen erlernt hatte

Was sei von den kleinen Kinderlein, so ermordet worden sind, zu halten sei.

Geliebte im Herrn, obwohl des grausamen Blutbades und Mordes, welchen der König Herodes Ascalonita an den kleinen Kindern zu Bethlehem und in derselbigen ganzen Gränze und Gegend herum begangen hat, sonst von keinem der anderen Evangelisten gedacht, und solche Historie allein von St. Matthäo beschrieben und erzählet wird mit kurzen Worten, so sollen und dürfen wir doch daran nicht zweifeln, sondern sollen wissen, dass sich’s damit in Wahrheit also verhalte und Alles dergestalt geschehen sei, wie er’s erzählet und berichtet. Denn St. Matthäus, der Evangelist, ist nicht ein Mährleindichter oder Fabel- und Lügenschreiber, sondern ein gewisser und wahrhaftiger Historienschreiber, der Alles, was in seinem Buch zu finden, aus Anregung des heiligen Geistes und nicht aus eigenem Gutdünken aufgezeichnet und geschrieben hat.

Und weil unser lieber Gott solche schreckliche Historia dem heiligen Evangelienbuche hat einverleiben lassen, so folgt daraus, dass an derselbigen Viel müsse gelegen sein und dass sie auch um unsertwillen so lange erhalten worden sei, bis auf gegenwärtige Zeit.

Derhalben will uns auch nicht anders gebühren, denn dass wir diese Historia mit Fleiss erwägen, wie wir denn eben um deswillen, uns fürgenommen haben, dieselbe, mit Gottes Hilfe, nach einander zu erklären.

Wir haben aber jetzt noch zu thun mit dem andern Theil dieser Historien, welcher in sich fasset und begreifet den Modum infanticidii, das ist, die Art und Weise dieses Kindermordes und Blutbades, und haben aus derselben bishero angehört, wie und welcher Gestalt Herodes, der König, seinen grimmigen Zorn an den kleinen Kindern zu Bethlehem und an den anderen in ihrer ganzen Gränze ausgelassen, und wie er dieselben habe umbringen und tödten lassen. Wir haben auch insonderheit gehört, was wir bei dem Anstiften dieses Blutbades, desgleichen bei den Mittelpersonen, die sich dazu haben gebrauchen lassen, zu merken und zu behalten haben.

Heute wollen wir ferner anfahen zu reden von den kleinen Kinderlein, die das Unglück fürnehmlich betroffen hat, und über welche es gegangen ist. Und wollen E. Liebe kürzlich berichten:

1. Was von den kleinen Kindern zu halten sei, die dazumal so schmählicher und gräulicher Weise durch die Kriegsgurgeln hingerichtet worden sind. 2. Wozu uns solcher Bericht nützen und dienen soll, oder wie wir uns noch heutiges Tages Dasselbige sollen nütze machen.

Diese zwei Pünktlein wollen wir zu diesem Mal im Namen des Herrn für uns nehmen und kürzlich erklären. Gott, der Vater unseres Herrn Jesu Christi, verleihe uns Allen die Gnade seines heiligen Geistes dazu. Amen.

I.

Vom ersten Pünktlein

Eine gräuliche und unmenschliche That ist diese, welche Herodes, der König, zur Zeit seiner Regierung an den kleinen Kindern zu Bethlehem und in den anderen Flecken und Dörfern, so allenthalben mit den Städten gegränzet haben, begangen und geübet hat, da er Alles, was männlich gewesen, von zwei Jahren und darunter, hat tödten lassen. Und es erschrickt billig ein jedes frommes Christenherz dafür, wenn’s davon höret reden, oder für sich selbst daran gedenkt.

Es geht auch so schlecht nicht ab, wenn man betrachtet, wie es so elendiglich zugegangen sei, und wie schändlicher Weise die kleinen Kinderlein umgebracht worden sind durch des Schwertes Schärfe und sonst. Es finden sich allerlei Gedanken, die in unseren Herzen aufsteigen, dass wir uns darum bekümmern und zu wissen begehren, was doch von den kleinen Kindern zu halten sei, die also jämmerlich wider die Erde geschmissen, darnieder gestochen, von einander gehauen, oder auch wohl die lange Länge mitten entzwei gerissen worden und also ihres Lebens auf dieser Erde beraubet worden sind, ehe sie noch zu ihrem Verstand kommen, ja, die sie eines Theils weder gehen noch stehen haben können. Ob sie denn solchen schrecklichen Tod um Herodem verdienet und womit? Ob ihnen auch Solches schädlich sein möge an ihrer Seelen Seligkeit?

Derhalben will von Nöthen sein, dass wir uns berichten lassen, was hierauf zu antworten und davon zu halten sei. Denn diese beiden Fragen können sonst Einem noch wohl zu schaffen machen.

Die Welt ist so geartet, dass sie nur siehet auf den Modum oder genus mortis, das ist, wie und welcher Gestalt Einer um’s Leben kommt, und will daraus urtheilen und richten von dem Zustande und von der Seligkeit oder Unseligkeit der Verstorbenen, oder Derjenigen, die solchen Tod haben ausstehen und leiden müssen. Und wenn sie hören, dass etwa Einer schändlicher oder schmählicher Weise hingerichtet worden ist durch des Henkers Hand, oder durch böse Buben, nach Gottes Verhängniss, erschlagen, erstochen und jämmerlicher Weise zerhackt worden ist, so will sie alsbald daraus schliessen, es müssen böse und sündhaftige Leute gewesen sein, welchen Dergleichen begegnet, sie müssen was Grosses auf ihn gehabt haben, dass ihn Gott dergestalt hingerichtet, und um’s Leben habe bringen lassen.

Das ist der Welt Urtheil, die richtet sich nur nach dem äusserlichen Ansehn und Gestalt des Todes oder Untergangs eines Menschen und schleusst, wer gräulicher und schrecklicher Weise vor der Welt umkomme, Der müsse auch ein gräulicher Sünder gewesen sein.

Zu des Herrn Christi Zeiten, da er sichtbarer Weise in Knechtsgestalt im jüdischen Lande umherzog, lehrte, predigte und Wunder that, fiel der Thurm in Siloah zu Jerusalem ein und erschlug achtzehn Personen (Luc. 13). Das war ein gräulicher und schrecklicher Tod, dass sie eine alte Wand erschlagen musste und ihre Gebeine zerschmettern. Daraus konnten die Weltkinder bei den Juden nicht anders schliessen, es müssen die achtzehn Personen vor allen Menschen schuldig gewesen sein, die zu Jerusalem wohnten; sonst hätte sie Gott dergestalt nicht lassen umkommen.

Es wurden auch Viele der Galiläer, die sich zusammengerottet hatten und einen Bund mit einander aufrichten und machen wollten, von dem römischen Landpfleger Pilato überfallen und darniedergestochen und ihr Blut mit dem Opfer vermischt. Das machte auch vielen Leuten seltsame Gedanken, als müssten diese Galiläer vor allen anderen Galiläern Sünder gewesen sein, dieweil sie Das hätten erleiden müssen, wie aus der evangelischen Historie Lucä am 13. Cap. klärlich zu sehen ist.

Weil denn dies auch ein schrecklicher Tod ist, welcher den Kindern zu Bethlehem und in derselben Gränze auf Befehl des Königs Herodis begegnet ist, da sie von den Kriegsgurgeln also erstochen und zerhackt und um ihr junges Leben gebracht worden sind, so kann sich menschliche Vernunft und die Welt darein nicht finden, sie will immer auch dahin hängen und schliessen, sie müssen’s gröblich verschuldet und verdient haben, und es müsse nichts Gutes an ihnen gewesen sein.

Wir aber als Christen sollen und müssen anders davon richten und urtheilen lernen, und wenn wir uns recht drein finden wollen, nicht auf das supplicium und genus mortis, das ist, auf die Art und Weise des Todes, sehen, wie und welcher Gestalt sie um’s Leben kommen sind, sondern wir müssen Achtung geben auf die Ursach des Todes, darum Einer also umgebracht wird.

Was ist die Ursach gewesen, dass König Herodes die kleinen Kinderlein durch des Schwertes Schärfe also umgebracht hat? Haben sie’s auch verschuldet? Nein traun, sie sind unverdienter und unverschuldeter Sache dazu kommen und haben Solches leiden müssen als heilige Märtyrer um des Herrn Christi willen. Sie sind unschuldig gewesen vor Gott und vor der Welt. Je, wie kann Das sein? Und wie soll man Das verstehen? Also, liebe Christen und Freunde, höret und lasset euch recht berichten.

Vor Gott und vor den Augen Gottes sind sie unschuldig gewesen, diese Kinderlein, nicht dergestalt, dass sie ganz engelrein und ohne alle Sünde gewesen und gar keine Sünde gehabt hätten. Nein, die Meinung hat’s nicht, und so sollt ihr’s nicht verstehen. Vor Gott ist Niemand unschuldig, sagt Moses in seinem andern Buch am 34. Cap. Ja, was noch mehr ist, vor ihm ist auch der Unschuldige nicht unschuldig. Siehe, unter seinen Knechten ist keiner ohne Tadel, und in seinen Boten findet er Thorheit; wie vielmehr, die in den leimen Häusern wohnen, und welche auf Erden gegründet sind, werden von den Würmern gefressen werden? sagt Eliphas von Theman, Hiob 4. Non est innocens et mundus, nec infans cujus est unius diei vita. wie mag ein Mensch gerecht vor Gott sein? Und wie mag rein sein eines Weibes Kind? Siehe, der Mond scheinet noch nicht, und die Sterne sind noch nicht rein vor seinen Augen; wie viel weniger ein Mensch, die Made, und ein Menschenkind, der Wurm? sagt Bildad von Suah, Hiob 25. Derhalben können diese Kinder zu Bethlehem, welche Herodes hat umbringen lassen, dergestalt vor Gott für unschuldig nicht geachtet, noch gehalten werden, dass sie für ihre Person an ihnen selbst keine Sünde gehabt.

Wie kommen sie denn zu den hohen und grossen Ehren, dass sie genannt werden die unschuldigen Kinder? Sie sind unschuldig vor Gott also und dergestalt, dass ihnen ihre Sünden vor Gott aus Gnaden zugedeckt, geschenkt und vergeben sind um der Unschuld Jesu Christi willen, der zu Bethlehem ein heiliges und unschuldiges Kindlein von der Jungfrau Maria geboren worden ist.

Ob sie wohl von Natur Kinder des Zorns und des Todes gewesen und in Sünden (wie alle anderen Adamskinder) empfangen und auf diese Welt geboren worden sind, jedoch weil sie nach Gottes Befehl und Ordnung am achten Tage beschnitten, und in den Bund Gottes und zu Gnaden an und aufgenommen worden sind, um des verheissenen Messiä willen, so sind ihnen auch solche ihre Sünden, die ihnen angeboren, und die sie selbst dazu gethan, nicht zugerechnet worden, Gott hat sie ihnen verziehen und vergeben um seines lieben Sohnes, Jesu Christi, willen. Sie haben also der Unschuld und Gerechtigkeit Christi genossen, wie denn St. Paulus die Beschneidung nennet ein Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens. Röm. 4.

Derwegen hat ihnen auch der schmähliche Tod, den sie vor der Welt haben leiden müssen, nicht schaden, noch sie scheiden können von der Liebe Gottes, die da ist in Christo Jesu, Röm. 4. Ja, unser lieber Gott hat ihnen die Ehre aufgethan, dass sie die ersten Märtyrer worden sind im neuen Testament nach Christi Geburt.

Vor der Welt sind diese Kinder, die Herodes hat ermorden lassen, unschuldig gewesen, und er hat keine rechtmässige Ursach zu ihnen gehabt, ihnen das Leben zu nehmen. Warum denn nicht?

Erstlich darum nicht, denn sie haben keine grobe, wirkliche Sünde an ihnen gehabt, sind mit öffentlichen Lastern nicht befleckt gewesen, dadurch sie den Tod vor der Welt verwirkt und verschuldet hätten, sind weder Vater- noch Muttermörder, weder Todtschläger noch Ehebrecher, weder Diebe noch meineidige Leute gewesen, dass man sie um Dess willen hätte tödten müssen. Nein, sie haben Niemand kein Leid gethan, noch Ursach gegeben, peinlich zu ihnen zu klagen.

Dass Mancher schändlicher Weise um sein Leben gebracht wird, ist verdienter Lohn. Wie man’s treibt, so geht’s. Atrocia delicta comitantur atroces poenae. Grosse und schreckliche Uebelthat bringt grosse und schreckliche Strafe mit sich. Manch ungerathenes Kind will seinen Ältern nicht folgen, verachtet Vater und Mutter, flucht denselbigen, ja darf sich auch wohl unterstehen, dieselbigen zu schlagen. Das straft hernach unser Herr Gott, dass ihm die Raben die Augen aushacken und die jungen Adler fressen, wie in den Sprüchen Salomonis am 30. Cap. davon geredet wird. Mancher ersticht Einen muthwilliger Weise, ohne alle Ursach, kommt darüber dem Henker in die Hand, dass er wieder das Leben lassen muss, oder wird von einem Andern wieder erstochen. Mancher geht der Hurerei und dem Ehebruch nach und kommt darüber schändlich um sein Leben, oder geräth auch wohl in des Henkers Küche. Könnte ein Dieb sein Stehlen lassen, so würde er nicht gehenkt, ein Mörder und Strassenräuber sein Morden und Berauben, so käme er nicht auf’s Rad; könnte Mancher dem Andern das Seine in Frieden lassen und legte nicht Feuer an, so würde er nicht verbrannt. In Summe, solche gräuliche Marter und Pein, die man den öffentlichen und überwiesenen Uebelthätern pfleget nach Urtheil und Recht anzulegen, die sind nichts Anderes, als öffentliche Strafen der groben, äusserlichen Sünden, und Die, so da schuldig sind, leiden, was sie verdient haben, und was ihre Thaten werth sind, wie der eine Schächer am Kreuz, so neben Christo hing, selbst bekannte.

Es ist auch die weltliche Obrigkeit darum von Gott verordnet und eingesetzt und führet das Schwert, dass sie damit die Todtschläger, Ehebrecher, Diebe und Andere, so das Leben verwirkt haben, strafen soll.

Dergleichen aber kann man den Kindern nicht Schuld geben, welche Herodes hat tödten lassen. Sie haben Niemand beleidigt, wider Zucht und Ehre nicht gehandelt, haben nichts Ungeschicktes gethan, Niemand das Seine weder geraubt noch gestohlen, noch genommen. Sie sind noch zu jung dazu gewesen, haben den Verstand nicht gehabt, das Alter nicht, das Vermögen nicht, dass sie es hätten thun sollen. Ist demnach ihre Unschuld in diesem Falle genugsam erwiesen und dargethan.

Darnach, so haben sie auch den König Herodes nicht mit dem Geringsten beleidigt, wider ihn Nichts practiciret, ihm auch keine Ursach gegen zu einigem Widerwillen, geschweige denn, dass er ihnen das Leben sollte nehmen lassen, welches er ihnen doch nicht gegeben. Er kann ihnen auch mit Wahrheit keine Ursach des Todes setzen.

Dass er zuvor viele alte Leute unter den Juden umgebracht, dazu hat er vor der Welt einigermaassen erhebliche Ursache gehabt. Warum haben sie sich wider ihn mit Gewalt aufgelehnt und haben ihn für ihren Herrn und König, nicht wollen an- und aufnehmen, da er noch vom Kaiser Augusto und Rath zu Rom dazu bestätigt war?

Dass er Viele der Pharisäer hat umbringen und tödten lassen, hat Ursach; warum wollen sie ihm nicht hulden, noch ihn für ihren König erkennen? Warum hingen sie sich an seinen Bruder Pherora und durften sich verlauten lassen, es wäre von Gott also beschlossen, dass das Königreich von Herode und seinem Geschlecht genommen und dagegen ihm und seinen Kindern zugewendet werden sollte?

Dass er vierzig Jünglinge sammt ihren beiden Präceptoren, dem Juda und Matthia, kurz vor seinem Ende lebendig hat verbrennen lassen, Dessen hat er vor der Welt auch Ursach gehabt. Sie hatten sich aufreden lassen, dass sie bei lichtem, hellem Tage hingingen, rissen den güldenen Adler, welchen Herodes über die grosse Thür des Tempels hatte setzen lassen, herunter und zerhieben ihn. Das zog er an als eine grosse Verachtung seiner Majestät.

Aber diese Kinder zu Bethlehem und in der Gränze haben ihnen Dergleichen nicht in Sinn genommen, viel weniger mit der That vollbracht.

Josephus schreibt, dass nach der Zerstörung der Stadt Jerusalem viele Meuchelmörder unter den Juden sich zusammen verschworen, dass sie weder die Römer, noch Jemand anders, ohne allein Gott, für ihren Herrn erkennen wollten. Dieselbigen haben viel Meuterei und Aufruhr in Ägypten angerichtet. Als sie aber hernach gefänglich eingezogen und an ihrem Leben gräulich gepeinigt und gemartert worden sind, darum allein, dass sie den Kaiser für ihren Herrn erkennen und bekennen sollten, hat ihrer Keiner darein bewilligen, noch die geringste Anzeigung geben wollen, dass er Solches im Sinn hatte, sondern sind Alle stracks auf ihrem Kopf geblieben und haben an ihrem leibe, als ob der viehisch oder gar unempfindlich wäre, keine Marter noch Feuer gefühlt, und welches noch mehr zu verwundern, so meldet Josephus, dass auch derselbigen Kinder und jungen Knaben, die zugleich mit gepeinigt wurden, keiner sich habe bewegen lassen, den Kaiser seinen Herrn zu nennen, habe also ihre Verwegenheit die Schwachheit des Leibes weit übertroffen.

Wenn die Kinder zu Bethlehem und die anderen, so mit ihnen erwürget worden sind, auch also gethan und Herodem sammt ihren Ältern für ihren Herrn nicht hätten erkenn wollen, so wäre es kein Wunder, dass er sie so gräulicher Weise hat hinrichten lassen. Aber nun kann Dergleichen auf sie mit gutem Grunde mit Wahrheit und Bestand nicht gebracht werden.

Ist demnach ihre Unschuld genugsam erwiesen und am Tage. Es hat sie Herodes Nichts bezüchtigen können, sondern hat alle Schuld auf den neugeborenen König der Juden legen müssen, Dessen haben sie entgelten müssen.

Hieraus ist nun ferner gar leicht zu schliessen und abzunehmen, was von solcher ertödteten Kinder Seligkeit zu halten sei. Weil öffentlich und am Tage, dass sie vor Gott und der Welt unschuldig gewesen sind, dass ihnen Gott ihre Sünde in der Beschneidung verziehen und vergeben aus Gottes Gnaden um seines lieben Sohnes Jesu Christi willen, dass sie auch mit groben, äusserlichen Sünden nicht befleckt gewesen und Herodi Nichts gethan haben: so kann ihnen solch ihr Tod, den sie unverschuldeter Sache haben müssen leiden und ausstehen, nicht verdammlich noch schädlich sein an ihrer Seelen Seligkeit. Sie sind gestorben als heilige, unschuldige Leute, als heilige Märtyrer um Christi willen, der bei ihnen geboren war, und welcher nicht allein diese, sondern auch alle Menschenkinder wieder lebendig machen kann. Darum heisst’s auch mit ihnen, wie der 116. Psalm sagt: Der Tod seiner Heiligen ist werth gehalten vor dem Herrn. Diese sind’s, die mit Weibern nicht befleckt sind, denn sie sind Jungfrauen und folgen dem Lamm nach, wo es hingeht; diese sind erkauft aus den Menschen zu Erstlingen Gottes und dem Lamm, und in ihrem Munde ist kein Falsches funden, denn sie sind unsträflich vor dem Stuhl Gottes, sagt und schreibt St. Johannes in seiner Offenbarung am 14. Cap. Denn obwohl solcher Text nicht eigentlich von den Kindern zu Bethlehem geredet ist, so kann er doch gar fein und wohl auch auf sie gedeutet und gezogen werden, weil sie in ihrer zarten Jugend und in ihrer Unschuld, ehe sie mit groben äusserlichen und wirklichen Sünden beflecket worden, dahingerissen und die primitiae Martyrum sind, die Erstlinge unter den Märtyrern nach Christi Geburt, die Gott aufgeopfert worden sind.

Dies ist also das erste Pünktlein dieser Predigt, was von den kleinen Kindern, von ihrem Tod und Seligkeit zu halten sei, die so schmählich durch die Kriegsgurgeln auf Herodis Befehl umgebracht worden sind. Sie sind unschuldig gewesen vor Gott, der hat ihnen ihre Sünde in der Beschneidung aus Gnaden verziehen und vergeben um Christi willen. Vor der Welt sind sie auch unschuldig; denn sie sind mit äusserlichen groben Sünden nicht beladen gewesen und haben Herodi Nichts gethan, darum er ihnen das Leben hätte nehmen sollen. Derhalben kann ihnen auch solch ihr Tod nicht schädlich sein an ihrer Seelen Seligkeit. Das zeitliche Leben haben sie zwar müssen lassen, aber dagegen hat ihnen Gott ein ander ewiges Leben mitgetheilt, und sind Kinder des ewigen Lichtes und Seligkeit.

II.

Vom andern Pünktlein.

Wozu soll uns aber dieser Bericht dienen? Und wie sollen wir uns denselbigen noch heutiges Tages nütz machen? Also und dergestalt, liebe christliche Freunde.

Erstlich sollen wir hieraus lernen, was von den getauften Christenkinderlein zu halten sei, die oftmals in ihrer Jugend schändlicher Weise um’s Leben kommen und von den Türken, wie bisher in Ungerland geschehen und noch geschieht, oder von anderen barbarischen Völkern und grausamen Feinden zerhackt, gesäbelt, gespiesst und auf die Zäune gesteckt und ganz unmenschlicher Weise umgebracht worden.

Ein schrecklicher Anblick ist zwar Solches, und möchte Einem das Herz im Leibe drüber brechen, wenn er’s sehen sollte. Genserich, der wendische König, da er mit seinem Kriegsvolk in Afrika kam, zerstörte die katholischen Kirchen, würgte Prediger und Zuhörer ohne Unterschied und schonte Niemand. Die kleinen, unschuldigen Kindlein und Säuglinge liess er von ihrer Mutter Brüsten und Schooss wegreissen und derselben etliche wider die Erde und Steine schmeissen, etliche die lange Länge mitten entzwei reissen. Das muss ja ein gräulich Spectakel gewesen sein.

Wie es nun Herodes zu Bethlehem und dieser Genserich mit seinem Kriegsvolk in Afrika gemacht hat, so gehet’s noch heutiges Tages, dass viel getaufte Christkindlein jämmerlich von den Türken und Tartaren darniedergehauen, eines Theils auf lange Spiesse, eines Theils auf die Zahnpfähle gesteckt werden.

Aber wir wollen uns Das nicht so gross irren lassen, sondern wissen, es schadet den lieben Kinderlein nicht an ihrer Seligkeit, weil sie auf Christum getauft und von Gott zu Gnaden und Kindern des ewigen Lebens an- und aufgenommen worden sind. Es sterbe ein Christkindlein und komme um, wie es immer möglich, wenn es nur bleibt in der Unschuld der heiligen Taufe und sein Westerhemdlein unbefleckt und unbesudelt behält, so schadet ihm das genus mortis, die Art des Todes, Nichts an seiner Seligkeit.

Was haben die armen kleinen Kinderlein in Ungerland dem Türken und gottlosen Tartaren gethan, dass sie so unbarmherzig mit ihnen umgehen? So wenig, als die Kinder zu Bethlehem dem Könige Herodi Etwas zu Leide gethan, so wenig haben ihnen auch diese gethan. Ist demnach eine teuflische Bosheit, dass sie so jämmerlich hiemit nicht abreissen von der Liebe Gottes, die da ist in Christo Jesu. Solche Kinderlein sind auch rechte Märtyrer vor Gott, ihr Tod ist auch herrlich vor den Augen des Herrn. Denn der Türke wüthet um keiner andern Ursach willen so heftig wider das römische Reich, denn dass er den christlichen Namen gern wollte ausrotten und vertilgen.

Darum sollen wir wissen (wie D. Luther recht und wohl davon schreibt in seiner Heerpredigt wider den Türken), dass solche zerspiesste und zerhackte elende Kindlein und fromme Leute eitel Heilige sind, und ihnen der Türke das Hundertste nicht könnte so viel Gutes thun, wenn er ein jegliches auch zum türkischen Kaiser selbst machte, als er damit thut, dass er sie aus des Teufels Zorn so grausam handelt; denn er opfert sie damit Gott in dem Himmel.

Was aber von den kleinen Kinderlein der Christen gesagt wird, Das soll auch viel mehr verstanden werden von den erwachsenen Christen, die zu ihrem Verstande und Jahren kommen sind und um des Namens Christi willen umgebracht und getödtet werden, dass ihnen nämlich das genus mortis et supplicii, der schreckliche und schmähliche Tod vor der Welt, nicht schädlich sei an ihrer Seelenseligkeit.

Aber der erste Märtyrer ist von seinem leiblichen Bruder Kain mit einer Keule erschlagen worden, Esaias der Prophet mit einer hölzernen Säge entzwei geschnitten, Jeremias gesteinigt worden, und sind fast alle Propheten getödet worden von den Juden, die zuvor verkündet haben die Zukunft des Gerechten. Die Apostel allesammt, ausgenommen Johannes, der Evangelist, sind durch des Henkers Hand umgekommen. Solches aber schadet ihnen Nichts an ihrer Seelenseligkeit.

Wenn wir die Kirchenhistorien für uns nehmen und bedenken, wie es den lieben Christen nach der Apostelzeit gegangen ist, so werden wir befinden, dass man ihnen alle Marter und Pein angelegt hat, die man nur hat erdenken können.

Nero, der gottlose Kaiser, hat viele Christen mit wilder Thiere Häuten bedecken und sie von Hunden zerreissen lassen. Etliche hat er henken, etliche verbrennen lassen und bei Abend das Feuer anzünden, dass man die Nacht über dabei sehen konnte. Trojanus hat zu Antiochia Severus liess zu Rom bei zwei und vierzig Männer und Weiber enthaupten und die Köpfe an alle Thore heften, dass ja leichtlich Niemand sich einem Christen nennen sollte.

In Summa, es ist nicht auszusprechen, was für Marter man den Christen angelegt hat. Etlichen hat man Hände und Füsse gebunden, über Stock und Stein geschleift und sie getödtet. Etlichen hat man die Zunge zum Nacken herausgerissen, Etlichen Hände und Füsse abgehauen, Etliche geviertheilt und die Stücke auf Pfähle gehängt. Etliche hat man mit den Füssen aufgehenkt und mit Rauch und Dampf erstickt vom Feuer, das man unter sie gemacht.

Des Licinii Hofleute gingen mit den reinen Kirchendienern um wie mit den ärgsten Uebelthätern und zerhackten etliche in kleine Stücklein und warfen sie den Fischern zur Speise für. Zu Juliani Zeiten fanden sich viel gottloser Leute, die den Priestern, Weibern und Jungfrauen die Bäuche aufschnitten und sie mit Gerste füllten und darnach den Schweinen zu fressen fürwarfen. Und wer kann’s Alles erzählen, wie man mit den lieben Christen umgegangen ist? Und heutiges Tages geht man ärger mit den Christen um, als sonst mit den grössten Uebelthätern, in Welschland, Spanien und anderswo.

Aber hier haben wir aus dem Exempel der Kinder zu Bethlehem zu lernen, dass ihnen Solches nicht schädlich sei an ihrer Seligkeit, und dass sie darum von Gott und seinem Sohne ungeschieden sein und bleiben. Es heisst: Selig sind die Todten, die in dem Herrn sterben, von nun an. Apoc. 14. Und es ist nichts Verdammliches an Denen, die da sind in Christo Jesu. Röm. 8.

Endlich haben wir auch hiebei zu merken, wess sich alle Christen zu trösten haben, wenn sie von den Tyrannen und Feinden des Evangelii verfolgt, getödtet und umgebracht werden.

Das soll ihr Trost sein, dass sie unschuldig sind, weil sie durch die heilige Taufe gereinigt sind von ihren Sünden, so werden sie ihnen nicht zugerechnet um des Herrn Jesu Christi willen, und haben sich Dessen Unschuld von Herzen zu freuen.

Sie sind auch unschuldig in ihrem Gewissen: denn dasselbige giebt ihnen Zeugniss, dass sie durch ihre wirkliche Sünde und Missethat solchen Tod nicht verdient haben, und dass sie nicht umgebracht werden wie andere Ehebrecher, Diebe, Todtschläger, Räuber und Mörder.

Die Kirchenhistorien melden, dass man zwar oftmals allerlei gräuliche Schande und Laster den Christen zugemessen und ihnen viel böses Ding Schuld gegeben haben, auf dass es vor der Welt einen Schein haben möchte, als hätte man Ursach genug, sie zu verfolgen und zu tödten. Sie haben etliche böse, unzüchtige Weiber angestiftet und angewetzet, oftmals auch der Christen leibeigene Knechte durch peinliche Frage dahin genöthigt und gezwungen, dass sie auf die Christen solche Dinge haben bekennen und von ihnen aussagen müssen, die wider die Natur und Vernunft gewesen sind, als sollten sie, die der Thyestes, die jungen Kinder schlachten und fressen, allerlei Blutschande und Sodomithische Sünde treiben. Es hat sich aber ihre Unschuld alle Zeit gefunden und ist an den Tag gekommen, dass man ihnen mit solcher Bezüchtigung Gewalt und Unrecht gethan.

Nero, der Kaiser, liess die Stadt Rom an vielen Orten anstecken, auf dass er sehen möchte, was für ein Jammer zu Troja gewesen wäre, da dieselbige ausgebrannt, und es thät das Feuer grossen Schaden; denn es durfte Niemand löschen, sondern sie mussten’s frei brennen lassen, so lange es ihm gefiel. Hernach, da er merket, dass er’s nicht verantworten konnte, und ihm grosse Ungunst bei’m gemeinen Mann daraus entstand, mussten’s die Christen gethan haben und über sich gehen lassen. Es fand sich aber in Wahrheit viel anders.

Endlich sind die Christen auch unschuldig an den Tyrannen selbst, dass sie ihnen keinen Schaden noch Leid zugefügt und sie nie beleidigt haben, weder am Leibe, noch am Gute, und ihnen Nichts zuwider gethan, denn dass sie von Gottes Wort ihnen zu gefallen und auf ihren Befehl nicht weichen wollen. Darum können sie sich auch desto besser zufrieden geben und es Gott walten lassen, und wissen, dass ihre Unschuld Gott wohl bekannt sei, und dass sie derselbige zu seiner Zeit werde an den Tag bringen.

Dies macht einen grossen Unterschied zwischen der Christen und aller Übelthäter Leiden. St. Petrus, da er die Christen vermahnen will, wie sie sich recht drein schicken sollen in’s Kreuz und Leiden, sagt und schreibt ausdrücklich: Es solle Niemand unter ihnen leiden als ein Mörder oder Dieb oder Übelthäter, der in ein fremd Amt greift. Leidet er aber als ein Christ, so solle er sich Dessen nicht schämen, er soll aber gleichwohl Gott ehren in solchem Fall, und welche da leiden nach Gottes Willen, Die sollen ihm ihre Seelen befehlen, als dem treuen Schöpfer, in guten Werken, 1. Petr. 4. Denn Das ist Gnade (spricht er), so Jemand um des Gewissens willen zu Gott das Uebel verträgt und leidet das Unrecht. Denn was ist das für ein Ruhm, so ihr um Missethat willen Streiche leidet und erduldet; aber wenn ihr um Wohlthat willen leidet und erduldet, Das ist Gnade bei Gott. 1. Petri 2. Seid aber alle Zeit erbötig zur Verantwortung Jedermann, der Grund fordert der Hoffnung, die in euch ist, und Das mit Sanftmüthigkeit und Furcht, und habt ein gut Gewissen, auf dass Die, so von euch afterreden, als von Uebelthätern, zu Schanden werden, dass sie geschmähet haben euren guten Wandel in Christo. Denn es ist besser, so es Gottes Wille ist, dass ihr von Wohlthat wegen leidet, denn von Üebelthat wegen. 1. Petri 3.

Die Alten pflegen zu sagen: Non poena sed causa facit Martyrem, die Strafe macht Keinen zum Märtyrer, sondern die Ursach, um welcher willen er solche Pein und Strafe hat ausstehen und leiden müssen. Wenn’s Einer mit seiner äusserlichen Verbrechung verdient hat, so kann man ihn für keinen Märtyrer halten. Wenn aber Einer leidet um des Bekenntnisses Christi willen, Der ist ein rechter Märtyrer.

Wenn diese Kindlein zu Bethlehem den Tod verdient hätten mit ihren wirklichen Sünden, so könnte man nicht sagen, dass sie unschuldig wären; man könnte auch nicht sagen, dass sie Märtyrer wären.

Genug von diesem Stück. Was ist die Predigt gewesen? Ihr habt gehört: 1. Was vom Tode und Seligkeit dieser kleinen Kinderlein zu achten und zu halten sei, die von den Kriegsknechten Herodis so jämmerlich umgebracht worden sind. Sie sind unschuldig gewesen vor Gott, der hat sie in der Beschneidung zu Gnaden angenommen und ihnen ihre Sünde vergeben um Christi willen. Vor der Welt sind sie auch unschuldig gewesen, sie haben den Tod mit ihrer Verbrechung nicht verdient und Herodi Nichts gethan; darum kann ihnen solcher Tod auch nicht schaden an ihrer Seligkeit. 2. Wie wir uns Solches noch heutiges Tages recht sollen nütze machen: Nämlich also, dass wir uns an der jämmerlichen Niederlage der getauften Christkindlein nicht ärgern, auch nicht an dem schmählichen Tode, den man Christenleuten pflegt anzulegen, und ein Jeder, der da leiden muss, sich der Unschuld Jesu Christi recht trösten lerne.

Dass wir nun Dies zu Herzen nehmen und seliglich praciticiren mögen, Das gebe und helfe uns Allen Gott Vater, Sohn und heiliger Geist, die wahre, heilige Dreifaltigkeit, hochgelobet in alle Ewigkeit. Amen.

Quelle: Beste, Wilhelm - Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters

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