Stockmayer, Otto - Schuld-Schulden-Vergebung

Stockmayer, Otto - Schuld-Schulden-Vergebung

Es ist ein Unterschied zwischen Schuld und Schulden. Ich kann mir keiner Schuld bewußt sein - es ist sogar das Normale bei Kindern Gottes, daß sie mit gewaschenem Gewissen vor Gott leben; aber darum, daß ich kein Schuldbewußtsein habe, bin ich noch nicht gerechtfertigt. Wieviel ich Gott schuldig bin, erkenne ich erst allmählich im Laufe meiner inneren Entwicklung. Je mehr wir nach bestem Wissen und Gewissen tun, was Gott von uns verlangt, um so mehr erkennen wir erst Gottes Anspruche an uns. Die Tiefen des Falles und der Erlösung gehen uns erst allmählich auf. Die fünfte Bitte ist darum eine Bitte, die wir jederzeit vor Gott bringen können, gestützt - nicht auf unsere eigene Gerechtigkeit - sondern auf die Gerechtigkeit Christi, in dessen Schule wir erst aufwachen für das Bewußtsein, wieviel wir Gott schuldig sind. Die zwei Bitten „Gib uns unser täglich Brot“, und„ Vergib uns unsere Schuld“ hängen eng miteinander zusammen. Wie wollen wir uns für alle Sorgen Gott anvertrauen, wenn wir den Bruder oder die Schwester nicht loslassen und in unserm Geiste beständig ihr Schuldbuch vor uns haben und nachrechnen, wieviel sie uns schulden und unrecht getan haben. Wie wollen wir mit unsern Schuldbüchern und den Ausständen darin vor Gott kommen, wenn wir den Posten nicht Streichen können, mit dem ein Bruder oder eine Schwester uns gegenüber belastet sind.

Wie wollen wir vor Gott also bestehen, wenn wir doch klar in Gottes Wort sehen: „Wo ihr den Menschen ihre Fehler vergebet, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben.“ Das steht eben einmal da. Wer weiß, ob bei vielen Kindern Gottes, die keinen klaren, durchsichtigen Himmel haben, die nicht mehr den Blick frei zu ihrem himmlischen Vater aufheben können, der tiefste Grund darin liegt, daß sie nicht endgültig haben vergeben, vergessen, streichen können, etwas, was ein anderer an ihnen verbrochen hat. Im Apostolikum heißt es: „Ich glaube an die Vergebung der Sünden“ und „Ich glaube an den Heiligen Geist“. Der Heilige Geist kann nicht in uns wohnen - und was hilft uns, wenn wir an den Heiligen Geist glauben und er nicht in uns wohnt - wenn wir nicht Vergebung unserer Sünden haben. Erst Tilgung unserer Schuld am Kreuz und dann Mitteilung des Heiligen Geistes, Versiegelung durch den Geist in die Gotteskindschaft. Können wir nicht vergeben, dann haben wir keine Vergebung, und wir tragen einen finstern Geist durchs Leben. Wo man andern die Sünde nicht vergibt, da ist ein finsterer Geist, und man hört immer wieder die Klage: „er hat es zu arg gemacht“. Ja, liebe Seele, lies doch das Kapitel noch einmal, das wir gelesen haben, Vers für Vers. Was sind denn die Dinge, die andere uns getan haben im Vergleich zu dem, was wir Gott schuldig sind - ein paar Groschen. Wir verdanken alles, was wir haben, unserm Gott - das Blut, das in unsern Adern fließt, die Gedanken, die in uns aufsteigen - und wir würgen unsern Bruder! Da wundem sich die Leute, daß sie zu keiner klaren Lebensverbindung mit Gott kommen.

Liebes Kind Gottes, werde dir einmal über das eine klar, daß kein Bruder, keine Schwester, kein Freund und kein Feind, kein Boshafter Macht hat, dir ein Unrecht zuzufügen, das Gott nicht zuließe. Alles, wo du in deinem Laufe beeinträchtigt wirst, wo du nicht zu deinem Rechte kommst, das alles ist Reingewinn für dich im oberen Konto. Durch das, wodurch du Abbruch erleidest, kommst du deinem Gott näher; wo du Erbetteltes fahren lässest, bekommst du Ewiges. Du kannst nie ein Unrecht göttlich vergeben, ohne daß es dir belohnt werde. Sieh das doch ein, dann wird dir je länger je mehr das Vergeben selig, und es brauchen nicht mehr Monate, ja Jahre zu vergehen, ehe du darüber hinwegkommst. Bete du für den, der sich an dir versündigt hat, steh für ihn ein, und dein Bruder verhilft dir dann zu deinem ewigen Erbteil. Du bleibst nicht mehr dabei stehen, daß dein Bruder oder deine Schwester dir vorgezogen werden, und daß diese es annehmen.

Du kommst, wenn du deine Schuldner vor Gericht ziehst, anstatt ihnen zu vergeben, in den Kerker, und dann kannst du sehen, wie du herauskommst. Wie viele liegen heute im Kerker, weil sie nicht haben vergeben können. Sie haben ihre eigenen Rechte geltend machen wollen und sind aus dem Gleichgewicht gekommen, weil sie nie aufgewacht sind für die Größe ihrer Schuld Gott gegenüber und nie vor Gericht gehen, um sich das zeigen zu lassen und Gott zu sagen: „Meine Schuld muß furchtbar groß sein, wenn du dafür deinen Sohn hast hingeben müssen in der Sünder Hände. Wenn die Schuld so kolossal und der Fall des ersten Menschengeschlechts so furchtbar war, dann will ich für immer aufhören mit meinem Bruder zu rechten, dann will ich für meinen Bruder beten, daß er sein Unrecht gegen dich erkennt. Wie sollte ich ihm nicht vergeben? Es ist ja nicht der Rede wert, was er mir schuldig ist.“ Wir haben gar nicht mehr den Mut, von seiner Schuld zu reden und schämen uns, daß uns die Kleinigkeit so viel zu schaffen gemacht hat.

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