Steinmeyer, Franz Ludwig - Die Himmelfahrt Jesu.

Steinmeyer, Franz Ludwig - Die Himmelfahrt Jesu.

Da Jesus Solches gesagt hatte, ward er aufgehoben zusehends, und eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen hinweg.

- so beschließt der Evangelist Lukas die Erzählung von den Geschichten, welche nach dem Ratschlusse Gottes in Erfüllung gegangen seien, wie er sie genau von den Augenzeugen und den ersten Dienern des Worts erkundet, und sie danach zu dem Zwecke aufgezeichnet habe, damit die verkündigte Lehre des gewissen Grundes nicht ermangeln möge. Die Lehre von einem solchen Ausgange des Sohnes Gottes geht durch alle unsere heiligen Schriften hindurch. Wie sie eng mit dem innersten Wesen unseres Glaubens verflochten ist, wie sie nicht minder tief in die letzten Gründe des christlichen Lebens und Wandels hineinragt, so bricht sie wiederholt in der Predigt der auserwählten Rüstzeuge Gottes mit unverkennbarer Betonung hervor. Wir erwarten es, dass jene Zuversicht, mit welcher die Jünger Jesu die letzten Worte ihres Meisters aufnahmen, „ich bin vom Vater ausgegangen und gekommen in die Welt, wiederum verlasse ich die Welt und gehe zum Vater“, „siehe, nun redest du frei heraus“, dass sie in erhöhter und verklärter Weise auf dem fröhlich aufgetanen Munde der Apostel ruhen werde; und so hören wir denn auch den Petrus in seinem ersten Zeugnis vor den Männern von Israel mit neuen Zungen rühmen: David ist nicht gen Himmel gefahren, aber er spricht, der Herr hat gesagt zu meinem Herrn, setze dich zu meiner Rechten. Wir erwarten es, dass sich die Unmittelbarkeit, in welcher Paulus den gen Himmel Aufgestiegenen erfahren hat, in seiner Predigt ihren angemessenen Ausdruck schaffen werde; und wir kennen den mächtigen Schlusston seines Liedes in höherem Chor: kündlich groß ist das gottselige Geheimnis, Gott ist geoffenbart im Fleisch, aufgenommen in die Herrlichkeit! Und so musste es denn auch geschehen, dass die Summa der apostolischen Lehre in dem Bekenntnis der ganzen Christenheit auf Erden es als einen wesentlichen Glaubenssatz mit aufgestellt: „aufgefahren gen Himmel, sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters, von dannen er kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten.“ Aber die eigentliche Erzählung des geschichtlichen Hergangs dieser Gottestat findet sich in unserem dritten Evangelium allein, und auf dessen Bericht sehen wir uns daher für die gegenwärtige Darstellung beschränkt.

Wie erscheint die Himmelfahrt des Herrn in seinem Licht? Zunächst als ein Abschied; sodann als eine Auffahrt; zuletzt als ein Heimgang.

„Gott fährt auf unter Jauchzen, der Herr unter heller Posaune; lobsingt Gott, lobsingt unsrem Könige, denn er ist König der ganzen Erde und herrscht über die Heiden sitzend auf seinem heiligen Throne“; in diesen Lauten geht ein Psalm der Söhne Korahs. Räumen wir es ein, dass die Kirche dies Lied mit Recht als ein Vorspiel der Himmelfahrt Jesu Christi betrachte: so lassen seine Töne es schon ahnen, welch einen Abschied der Herr auf der Höhe des Ölberges genommen habe. Wenn Jubel und Lobgesang denselben begleiten, und wenn wir in der Tat von den auserwählten Zeugen lesen, „sie aber beteten ihn an und waren allewege im Tempel, priesen und lobten Gott“: so zerrinnen alle die trüben Vorstellungen von selbst, auf welche sonst der Klang des Ausdrucks führen mag; und kein Trauerbild, es sei auf Seiten des Scheidenden, oder es sei bei dem Hinblick auf die Bleibenden, darf sich vor unseren Augen gestalten. Nicht von dem Leben scheidet der Herr in dieser Stunde. Den Kelch hatte er geleert, als er hinweggerissen aus dem Lande der Lebendigen zu einem Mal den Tod von Gottes Gnade für Alle schmeckte. Aber nachdem er nun sein Leben wiedergenommen und sich lebendig erzeigt durch mancherlei Erweisungen, stirbt er hinfort nicht mehr, der Tod mag über ihn nicht herrschen, und Niemand kann seines Lebens Länge ausreden.

Auch nicht von den Jüngern macht er einen eigentlichen Abschied. Sie hatten diesen Trennungsschmerz, gleich einem Weibe deren Stunde gekommen ist, erduldet. Er aber sprach: ich will euch wiedersehen. Und sie sahen wieder und hörten wieder und betasteten wieder mit ihren Händen das Wort des Lebens; und es geschah nach der entbotenen Verheißung: euer Herz wird sich freuen und eure Freude wird Niemand von euch nehmen; und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende; jetzt waren sie mithin im Stande, der Weisung zu genügen: ihr solltet euch freuen, dass ich gesagt habe, ich gehe zum Vater! Was also bleibt uns als der wahre Inhalt seines gegenwärtigen Scheidens übrig? Sein Abschied ist ein Abschied von der Erde! Der alle Gewalt auch auf Erden empfangen hat und ein König über ihre Könige geworden ist, der durch seinen Geist auf diesem Schauplatz ferner walten, ja kraft desselben in der irdischen Gemeinde wohnen will: Er selbst leibhaftig muss in eine andere Sphäre übergehen, um von einem höheren Wohnsitz aus dies Regiment zu führen. „Bist du allein unter den Fremdlingen zu Jerusalem“, so fragen die beiden Jünger auf dem Weg nach Emmaus den unerkannten Auferstandenen: und ohne es zu wissen, haben sie die richtige Bezeichnung für ihn getroffen. Die Kinder der Auferstehung, so steht geschrieben, empfangen jene Welt: so kann am wenigsten der Erstling, der von den Toten ausgeführte große Hirte der Schafe noch ein Bewohner dieser Erde sein, ihre Räume sind hinfort kein Boden für die Bewegung seiner lieblichen Füße. Einst hatte er gesagt, des Menschen Sohn habe nicht, da er sein Haupt hinlege: jetzt ist dasselbe Wort in einem anderen Sinn wahr geworden; Niemand durfte ihn noch fragen: wo bist du zur Herberge? und Niemand daran denken, ihm auf Erden eine Stätte zu bereiten. Spricht wohl Simon Petrus auf dem Berg der Verklärung: „Meister, hier ist gut sein, lass uns drei Hütten machen, dir eine, Mosi eine und Elia eine; aber „er wusste nicht was er redete“: das ist das Urteil, welches über ihn ergeht. „Der Himmel ist mein Stuhl und die Erde meiner Füße Schemel; was ist es denn für ein Haus, das ihr mir bauen wollt? oder welches ist die Stätte meiner Ruhe?“ zu solcher Sprache und zu dieser Frage hat auch der verklärte Menschen-Sohn sein volles Recht. Er tritt noch einmal und abermals in das Gemach, da die Elf bei einander sind; er erfüllt noch die Bitte der Zwei, bleibe bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt: aber er kommt als ein Gast zu einem Besuch, wie ihn Abraham in dem Haine Mamre empfing; dort geht er ein durch die verschlossene Tür, und hier verschwindet er vor ihren Augen. Er genießt die Speise, die sie ihm darreichen auf sein Geheiß; aber Niemand wagt die alte Sprache: Rabbi, iss; sie fühlen, dass er jetzt in einem tieferen Verstand sagen darf: ich habe eine Speise zu essen, davon ihr nicht wisst. Sie können es sich nicht verhehlen: das ist der Anfang des Endes; das Weizenkorn ist in der Erde erstorben, - die Frucht des offenen Grabes strebt ihrem eigenen Ort zu; und die Stunde dieses Übergangs hat nun geschlagen!

Der vierzigste Tag nach den Ostern war angebrochen. Der Auferstandene hat die berufenen Zeugen in Jerusalem versammelt. Er führt sie aus und schlägt den wohlbekannten Weg nach Bethanien ein. Auf der Höhe des Ölbergs steht er still. Von dieser Stelle hatte er einst - es war nicht so gar lange her - sein Auge über die Stadt des großen Königes aufgehoben, und unter Tränen geklagt: ich habe dich sammeln wollen unter meine Flügel, und du hast nicht gewollt! Zu gleicher Zeit hatte er das Gericht der Weissagung gehalten: von nun ab werdet ihr mich nicht sehen, bis ihr sprecht, gelobt sei der da kommt im Namen des Herrn. Aber in Einem Sinn sollten auch die Seinen ihn von jetzt an nicht mehr sehen, denn hier zum letzten Mal steht er vor ihnen, mitten unter ihnen, im Bereich des irdischen Gesichtskreises. Aber nicht verschwinden will er vor ihnen, gleichwie Moses den Kindern Israel entschwand, und „Niemand hat sein Grab erfahren bis auf diesen Tag“, sondern sie sollen die Zeugen seines Scheidens werden, vor ihren sehenden Augen will er hinübergeben. „Und er ward aufgehoben zusehends“: sein Scheiden ist eine Auffahrt! Derselbe Prophet des Alten Bundes, dessen Eifer und Arbeit, dessen Geist und Kraft in der Erscheinung des Täufers sein Gegenbild gefunden hat, war kraft des Ausgangs, den er nahm, ein Vorbild Jesu Christi selbst. „Es kam ein feuriger Wagen und feurige Rosse, und Elias fuhr auf im Wetter“. Wir lassen es gelten, dass die Wolke, welche die Jünger anstatt des feurigen Gefährts erblicken, dem linden Säuseln entspreche, das dort vor der Höhle des Horeb auf den Sturm und das Feuer gefolgt ist: dass nur aber Niemand wähne, als hätte die Wolke den Fürsten des Lebens hinweggetragen und emporgerückt! Wie dort, wo er sagt, sie würden kommen sehen des Menschen Sohn in den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit: so ist auch hier die Wolke nur der Nimbus seiner Majestät, daraus zum letzten Mal ohne Wort und ohne Stimme das Vaterzeugnis über ihn erging, „das ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hören.“ Nein; er ist emporgestiegen; er hat sich mit selbsteigener Kraft hinaufgeschwungen! Es geschieht wohl auch sonst, dass einzelne Vorgänge in der Geschichte des Herrn, mag der Blick der Andacht oder das forschende Auge des Denkers sie verfolgen, ein mehr oder minder ernstliches Befremden erregen. Aber im höchsten Maßstabe hat man an dem Fuß des Ölbergs den Stein eines solchen Anstoßens gefunden, gleich als ob hier kein Tageslicht leuchtete und das Dunkel einer dichten Finsternis uns an dieser Stätte umfinge. Selbst Solche, welche mit aller Befriedigung in Gethsemane verweilen und die im Glauben den abgewälzten Stein am Grab des Herrn betrachten, sind keineswegs geneigt, das Wunder seiner Auffahrt in gleicher Weise aufzunehmen. Ist es doch, als hätte der Heiland dies Ärgernis vorausgesehen, da er in der Schule in Kapernaum zu seinen murrenden Schülern spricht: ärgert euch das? wie, wenn ihr denn sehen werdet des Menschen Sohn auffahren dahin, da er zuvor war? Scheint es doch bald, als hätten die Apostel in einer gewissen Schonung der Schwachheit sich vielmehr die Zeugen seiner Auferstehung, als die Zeugen seiner Himmelfahrt genannt! In der Tat - bestimmt war dieser Anblick eben nur für die Seinen, nicht für Die, welche weder die Schrift wussten noch die Kraft Gottes. Wie Er schon früher seine Herrschaft über die Natur nur vor vertrauten Augen blicken ließ, wie er nur vor den Jüngern die empörten Elemente bedrohte, so dass es ganz stille ward, und nur vor ihnen auf den Wogen des Meers, als wären sie ein fester Boden, wandelte: so durften auch nur Die ihn auffahren sehen in die Höhe, denen überhaupt die Zusage erteilt war, „euch will ich mich offenbaren und nicht der Welt“, und die sich der Hoffnung getrösteten, dereinst auch ihrerseits hingerückt zu werden in den Wolken, dem Herrn entgegen in der Luft, um bei ihm zu sein allezeit. Und sie sahen das Wunder ohne Befremden, ja selbst ohne Staunen; und in der reinen Stimmung der Anbetung, im Vollgefühl der Freude empfangen sie den Segen des Emporsteigenden. Der Ort, da wir stehen, ist heiliges Land: ziehen wir denn unsere Schuhe aus und tuen die Vorstellungen hinweg, welche der Druck der Pilgerschaft auf Erden uns geläufig erhält. Je entschiedener wir sie bei Seite stellen, desto vollständiger wird der Anstoß an der Auffahrt Jesu Christi nicht allein verschwinden, sondern recht eigentlich als die Sache der Torheit, als die Frucht der Beschränktheit erscheinen. „Ihr Toren und träges Herzens“, so redet der Auferstandene die Jünger an, welche an dem Tage seiner Verherrlichung voll Trauerns sind: die gleichlautende Rüge darf der Apostel Denen entbieten, welche sich vor der einfachen Folge des Osterwunders entsetzen. „Du törichter Mensch, das du säst, da säst du ja nicht den Leib, der werden soll, sondern Gott gibt ihm einen Leib wie er gewollt hat, und einem jeglichen seinen eigenen Leib.“ Und wir wollten diesen geistlichen Leib, der in Kraft und Herrlichkeit erstanden ist, des Geistes wohlgeschicktes, williges Organ, wir wollten ihn mit demselben Maßstab messen und denselben Gesetzen untertänig denken, welchen der in Schwachheit gesäte unterliegt? Ja das wollten wir wagen gegenüber dem Erstlinge unter den Entschlafenen? Der Sänger spricht, „führe ich gen Himmel, bettete ich mir in die Hölle, nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meere“ -: er bezeugt seine Macht, sich im Geiste an die fernsten, tiefsten, höchsten Regionen zu versetzen, wenn gleich der Leib gebunden blieb an seinen Ort. Der Apostel erzählt, dass er entzückt worden sei bis in den dritten Himmel; er rühmt die Gotteshuld, welche ihn wahrhaftig in das Paradies erhoben habe. Darüber äußert er sich ungewiss, ob er zu dieser unvergessenen und unvergesslichen Stunde - sie hatte ihm vor vierzehn Jahren geschlagen - im Leibe oder außer dem Leibe gewesen sei, Gott wisse es. Aber wenn wir nun auch voraussetzen, dass er auch da in dem Hause der irdischen Hütte gewohnt, noch wallend und nicht daheim: welch' ein Zeugnis liegt uns hier vor Augen - soll ich sagen, von der Macht des geheiligten Gemüts, oder soll ich sagen, von der Macht der himmlischen Gnade, wenn jene Ungewissheit den Apostel hat überkommen können! Und welch' ein Schluss zieht sich daraus von selbst auf Den, von welchem es ausdrücklich heißt: der letzte Adam sei geworden zum lebendig machenden Geiste! ja wohl, leibhaftig und wahrhaftig ist der Herr vor den Augen seiner Jünger aufgefahren in die Höhe, gleich wie er leibhaftig und wahrhaftig hervorgegangen ist aus seinem Grabe wie ein Bräutigam aus seiner Kammer, und gleichwie er ebenso leibhaftig und wahrhaftig wiederkommen wird an jenem Tage auf die neue Erde, auf welcher die Gerechtigkeit Wohnung hat.

Es war nur die Ahnung der geheiligten Phantasie, welche in jenen Harfenklängen Davids ihre Flügel geregt hat, denn noch hatte sich der Himmel nicht geöffnet; und nur der Glaube, dessen Schwingen den Apostel zu der Stufe der Entzückung erhoben haben, denn er bezeugt es selbst, dass noch kein Auge gesehen, was Gott bereitet habe Denen, die ihn lieben: - der Heiland aber ist emporgestiegen „nicht als aufs Ungewisse“ und nicht „als in die Luft“, sondern dahin, von wannen er gekommen war. „Niemand fährt gen Himmel, denn der vom Himmel herniedergekommen ist, nämlich des Menschen Sohn, der im Himmel ist“: seine Auffahrt eine Himmelfahrt, ein Heimgang! Er hatte gebetet, „ich habe das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, dass ich es tun sollte; und nun verkläre mich, du Vater, bei dir selbst, mit der Klarheit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war“: jetzt geht er ein zu seiner Herrlichkeit, er setzt sich auf den Stuhl Gottes, zur Rechten der Majestät in der Höhe, und das Scheblimini ist erfüllt, welches Davids prophetischer Mund von seinem Sohne und Herrn geweissagt hat. Es gehört nicht zu unserer gegenwärtigen Aufgabe, die Frage zu erwägen, welche die schöne Strophe des Gesanges berührt: „nun ist dieses dein Geschäfte in dem oberen Heiligtum -“. Dass er in den Himmel eingegangen ist, nun zu erscheinen vor dem Angesichte Gottes für uns; dass er ein Pfleger geworden der wahrhaftigen Hütte, welche Gott aufgerichtet hat und kein Mensch; dass er ruht von seinen Werken und dennoch wirkt, auf dass er Alles erfülle, gerechtfertigt im Geiste, gepredigt unter den Heiden, geglaubt in der Welt: das Alles geht hinaus über die Himmelfahrt als solche, und die Bitte der Gemeinde, „Herrscher, herrsche; Sieger, siege; König, brauch' dein Regiment“, ergeht an den Erhöhten überhaupt. Aber beschränken wir uns deshalb auf den Heimgang selbst: so scheint die Wolke, welche den Fürsten des Lebens vor den Augen der Jünger umfing, auch uns jeden näheren Einblick zu versagen; und wenn wir der Rüge jener Engelfrage, „ihr Männer von Galiläa, was steht ihr und seht gen Himmel?“ eine bleibende Geltung zuerkennen, so wird sie noch jetzt den eitlen Wahn bekämpfen, als vermöchte der unverwandte Blick das Undurchdringliche zu durchschauen. Hier auf der Höhe des Ölbergs sehen wir in der Tat im höchsten Maßstabe nur durch einen Spiegel im Rätsel. Indes die Schranken werden sich bezeichnen lassen, innerhalb deren die Betrachtung sich bewegen muss, auf dass ein zwiefacher Abweg vermieden werde. Es ist geschehen und es geschieht noch immer, dass das fromme Gemüt, wenn seine Augen die Wunder am Firmament betrachten, da die Himmel die Ehre Gottes erzählen und die Veste das Werk seiner Hände verkündigt, an jenes große Scheidewort erinnert wird, „in meines Vaters Hause sind viele Wohnungen, ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten“, und dass es den verklärten Herrn in diesem Himmel, der sich über unseren Häuptern wölbt, sich thronend denkt. Aber es ist nicht die Schrift allein, welche diesem Irrtum allen Grund und Halt entzieht, sondern schon der nächsten Erwägung wird er als solcher offenbar. „Der Himmel und aller Himmel Himmel mögen dich nicht fassen“: so betet Salomo bei der Weihe des von ihm erbauten Tempels; und ausdrücklich lehrt der Apostel, der in die Höhe gestiegen, der sei aufgefahren über alle Himmel, auf dass er Alles erfüllte.

Glauben wir es aber einem anderen Apostel, dass nicht allein die Elemente und die Erde und die Werke, die darinnen sind, sondern auch die Himmel vergehen werden; warten wir nach seinem Zeugnis nicht bloß einer neuen Erde, sondern ebenso auch eines neuen Himmels: o wie könnten wir dann den Thron des ewigen Königes an einer Stätte suchen, die dem gewissen Untergang geweiht ist!

Aber dass nur unser Glaube in der Sorge, diese Klippe zu vermeiden, nicht an einer anderen einen weit empfindlicheren Schaden erleide! Wir legen einen Wert auf den genauen Wortlaut in dem Bekenntnis der Kirche: „sitzet zur Rechten des allmächtigen Vaters.“ Hätte es der Zufall so gefügt, oder sollte es nicht vielmehr zur Steuer der Wahrheit geschehen sein, wenn nicht die Rechte des allgegenwärtigen Gottes, sondern die Rechte des allmächtigen Vaters als der Wohnsitz des verklärten Menschen-Sohnes bezeichnet wird? Wir nehmen es strenge mit der Tatsache der Auffahrt. Ist der Herr zusehends vor den Augen der Jünger emporgestiegen in die Höhe, nun so muss er auch gelangt sein in eine obere Welt, in die Welt, von welcher er zu den Juden gesagt: „ich gehe hinweg, und ihr werdet mich suchen und in eurer Sünde sterben; wo ich hingebe, da könnt ihr nicht hinkommen; ihr seid von unten her, ich bin von oben her; ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt;“ und diese obere Welt, dies Ziel des Heimgangs Jesu Christi, muss alsdann etwas Anderes sein, als ein bloßes leeres schrankenloses allgemeines Sein. Sehen wir zu, wie wir sonst vor der Schrift bestehen, ja wie wir auch nur des eigenen Herzens unabweisliches Bedürfnis stillen mögen! Oder sollten es wesenlose Bilder sein, in welchen die Apostel sich ergehen, wenn sie von der Stadt des lebendigen Gottes erzählen, und was sie im Geiste davon geschaut verkündigen? Jetzt stand Johannes auf dem Gipfel des Ölbergs, und er sah den Herrn auffahren in die Höhe, die Stadt Jerusalem aber lag unten zu seinen Füßen: Einst war er am Tage des Herrn im Geiste, ein Engel führte ihn auf einen hohen Berg, und über sich sah er ein anderes Jerusalem, das herabfuhr vom Himmel. Er zählte die Tore dieser heiligen Stadt und maß ihre Mauern, in dem Lamme aber erkannte er ihren Tempel und ihre Leuchte. Das Alles aber lautet wahrlich nicht wie Gleichnis und Bild! Oder hätte ihn ein täuschender Traum umgaukelt, und hätte ein trügerisches Gesicht dem Märtyrer den Himmel offen und des Menschen Sohn zur Rechten seines Vaters gezeigt? Ja sie waren voll Geistes, aber nüchtern von allem Taumelwein des Schwärmens! Und diese grünen Auen, die sich also unserem Auge auftun, - wir wollten sie eintauschen gegen die dürren Stätten eines unbestimmten nebelhaften ewigen Seins? Nein; es gibt eine obere Welt im eigentlichsten Sinne des Wortes, und in diese seine Heimat ist der auffahrende Heiland eingegangen. Und er spricht: mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Er hat die Schlüssel zum Auftun und Zutun. „Heute sollst du mit mir im Paradiese sein.“ „Da ich hingehe, kannst du mir diesmal nicht folgen; aber du wirst mir hernachmals folgen.“ „Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten; und wenn ich hingegangen bin und euch die Stätte bereitet haben werde, so will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, auf dass auch ihr seit wo ich bin.“ Eben das ist die Kraft, welche die gute Botschaft von der Himmelfahrt beschließt und bewährt. Dass der Herr also geschieden ist von der Erde, und also aufgefahren in die Höhe, und also eingegangen in sein Reich: das verbürgt seine dermaleinstige vollkommene Vereinigung mit den Seinen. Daraufhin sprechen die Engel zu den zurückbleibenden Jüngern: dieser Jesus, welcher von euch ist aufgenommen in den Himmel, wird ebenso kommen, wie ihr ihn geschaut habt gen Himmel fahren. Und die Gemeinde auf Erden hat von da ab entgegnet: ja, komm, Herr Jesu! Und fühlen wir uns beschwert in dieser Hütte und sehnen uns unter Seufzen, dass wir nicht entkleidet, sondern überkleidet werden, auf dass das Sterbliche verschlungen würde vom Leben, so macht der Hoffnungsstrahl von dem Ölberge her das Herz getrost -: „auf Christi Himmelfahrt allein ich meine Nachfahrt gründe, und allen Zweifel, Angst und Pein hiermit stets überwinde; denn weil das Haupt im Himmel ist, wird seine Glieder Jesus Christ zur rechten Zeit nachholen.“

F. L. Steinmeyer in Berlin.

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autoren/s/steinmeyer/steinmeyer_himmelfahrt.txt · Zuletzt geändert: von aj
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